OGH 1Ob50/50

OGH1Ob50/5015.2.1950

SZ 23/32

Normen

ABGB §1425
EO §11
EO §331
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §129
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §135
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §155
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art13
ABGB §1425
EO §11
EO §331
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §129
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §135
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §155
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art13

 

Spruch:

Die Gläubiger einer offenen Handelsgesellschaft können die einzelnen Gesellschafter nicht auf Zustimmung zur Ausfolgung des vom Liquidator erlegten Liquidationserlöses klagen.

Entscheidung vom 15. Februar 1950, 1 Ob 50/50.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die aus drei Gesellschaftern bestehende offene Handelsgesellschaft J. & Co. war am 30. April 1943 in Liquidation getreten; der zum Liquidator bestellte Alfred P. hinterlegte am 29. November 1945 ein Sparbuch, lautend auf "Alfred P. - J. & Co." und den vorläufigen Liquidationserlös von 18.126.69 RM enthaltend, bei Gericht. Der Kläger, der den Liquidator rechtsfreundlich vertreten hatte und daraus eine Kostenforderung gegen die Gesellschaft ableitete, begehrte die Verurteilung der Beklagten, einer Gesellschafterin, zu gestatten, daß aus dem Sparbuch ein Betrag von 400 S als a-conto-Zahlung behoben und ausgefolgt werde, und behauptete gleichzeitig, daß sich die beiden anderen Gesellschafter mit der Ausfolgung dieses Betrages an ihn einverstanden erklärt hätten.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß es verfehlt sei, da keinem Gläubiger das Recht eingeräumt werden könne, von vornherein eine besondere Form seiner Befriedigung zu verlangen, solange über seinen Anspruch Streit bestehe, und da der Beklagten das Recht zugebilligt werden müsse, auf eine ihr genehme Weise ihrer Haftung für Schulden der Gesellschaft nachzukommen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an dieses zurück. Es vertrat die Ansicht, daß der Kläger sein Klagebegehren auf einen bestimmten Teil des Vermögens der Beklagten beschränken und insbesondere auch die Befriedigung aus einem gerichtlich erlegten Betrag verlangen könne, wenn sein Klagsanspruch gegenüber allen zu Recht bestehe, mit deren Zustimmung der erlegte Betrag ausgefolgt werden könne. Da nicht festgestellt sei, daß die beiden anderen Gesellschafter der Ausfolgung der Klagssumme aus dem gerichtlich erlegten Liquidationserlös zugestimmt haben, sei eine Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens notwendig.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem auf, neuerlich über die Berufung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Liquidation der offenen Handelsgesellschaft J. & Co. in Liquidation, der die Beklagte als Gesellschafterin angehört, ist noch nicht beendet; es müssen daher im Rechtsverkehr das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen der Gesellschafter auseinandergehalten werden. Der "vorläufige Liquidationserlös", wie ihn die Hinterlegungsanzeige bezeichnet, ist, solange er nicht verteilt worden ist, Gesellschaftsvermögen, auf das im Exekutionsverfahren gegen einen Gesellschafter nur im Wege des § 135 HGB. gegriffen werden kann, u. zw. auch dann, wenn ein Gesellschaftsgläubiger aus dem Vermögen eines Gesellschafters, und nicht der Gesellschaft selbst, Befriedigung verlangt; denn insoweit steht er rechtlich einem Privatgläubiger gleich; das folgt aus dem § 129 Abs. 4 HGB. im Zusammenhalt mit der durch Art. 13 Abs. 2 Z. 5 der 4. EinfVzHGB. herbeigeführten Aufhebung des § 11 EO.

Es mag dahingestellt bleiben - was die Rekurswerberin bestreitet -, ob der Kläger in seiner Klage Gesellschaftsforderungen geltend macht; bejahendenfalls haftet die Beklagte für die geltend gemachte Forderung mit ihrem persönlichen Vermögen. Der Kläger hätte dann die Wahl, ob er die Beklagte schlechthin auf Zahlung verklagen will, d.

h. bei Exekution in ihr gesamtes Vermögen, oder ob er sich darauf beschränken will, Exekution in eine bestimmte, zu ihrem Vermögen gehörige Vermögensmasse zu begehren. Niemals kann er aber auf Zahlung bei Exekution in ihren Anteil auf das Gesellschaftsvermögen klagen. Die Klage unter Beschränkung der Exekution auf bestimmte Sachen kann nicht dazu führen, daß dadurch die Exekution auf Vermögenswerte eröffnet wird, auf die auf Grund eines unbeschränkten, also weiteren Exekutionstitels, nicht gegriffen werden kann. Auf das Gesellschaftsvermögen kann aber nicht direkt Exekution geführt werden und daher auch nicht über Klage bei Zulässigkeit der Exekution in das Gesellschaftsvermögen.

An der Zugehörigkeit der nicht verteilten Liquidationsergebnisse zum Gesellschaftsvermögen ändert auch der Umstand nichts, daß der Liquidator die Ausfolgung dieser Liquidationsergebnisse in seinem Hinterlegungsantrag an die Zustimmung aller drei Gesellschafter geknüpft hat. Denn nach § 155 Abs. 3 HGB. hat der Liquidator einer offenen Handelsgesellschaft, wenn über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens Streit unter den Gesellschaftern entsteht, diesen nicht selbst zu entscheiden, sondern die Entscheidung den Gerichten oder der Einigung der Gesellschafter zu überlassen. Es entsprach daher durchaus dem Gesetz, wenn der Liquidator in diesem Fall die weitere Verteilung ausgesetzt und den strittigen Betrag bei Gericht als Liquidationserträgnis zugunsten der Gesellschafter hinterlegt und es so ihnen überlassen hat, ihre Differenzen im Prozeßwege zu erledigen. Solange dieser Prozeß nicht rechtskräftig entschieden und der erlegte Betrag verteilt ist, bleibt der Erlag unverteiltes Gesellschaftsvermögen, auf das kein Gläubiger der Gesellschafter greifen kann. Eine direkte Klage und Exekution ist schon deshalb ausgeschlossen, weil auf Gemeinschaftsrechte nach dem Judikat 35 neu und gemäß § 331 EO. Exekution geführt werden kann, niemals aber durch Führung einer Exekution nach den Grundsätzen, die für die Exekution in Rechte gelten, an denen nur ein Alleineigentum oder eine sonstige Alleinberechtigung besteht.

Eine Klage unter Beschränkung der Exekution auf den Anteil der Beklagten am Liquidationserlös ist demnach unzulässig, u. zw. auch dann, wenn die Mitbeteiligten ihrerseits mit der Ausfolgung des Erlages an den Kläger einverstanden wären. Nur die Mitgesellschafter könnten die Beklagte auf Einwilligung in die Ausfolgung klagen, nicht aber ein Gläubiger der Gesellschaft, auch wenn er den Anspruch gegen die mithaftenden Gesellschafter geltend macht. Die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Ausfolgung des Klagsbetrages an den Kläger kann die Rechtslage des Klägers auch dann nicht verbessern, wenn die Mitgesellschafter der Ausfolgung zugestimmt haben sollten, weil der Liquidationserlös durch die Erteilung der Einwilligung noch nicht aufhört, Gesellschaftsvermögen zu sein, sondern erst durch die effektive Verteilung Privatvermögen wird.

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