VwGH Ra 2022/13/0102

VwGHRa 2022/13/010223.11.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamer, über die Revision des Mag. (FH) B in W, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts 1. vom 9. August 2022, Zl. RV/7104051/2017, betreffend Einkommensteuer 2004 und 2005, und 2. vom 10. August 2022, Zl. RV/7102314/2018, betreffend u.a. Einkommensteuer 2006 bis 2014 und Umsatzsteuer 2006 bis 2014, den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1151
UStG 1994 §2 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130102.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war von Mai 2001 bis Dezember 2013 für die P GmbH tätig. Von der P GmbH wurden die Zahlungen an ihn als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt und Lohnsteuer abgeführt. Zusätzlich erklärte der Revisionswerber ab 2007 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Eine Umsatzsteuererklärung wurde erstmals für das Jahr 2011 eingereicht.

2 Bei der P GmbH wurde für die Jahre 2004 bis 2012 eine Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) durchgeführt, in welcher festgestellt wurde, dass dem Revisionswerber ‑ welcher in weiterer Folge als freier Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG eingestuft wurde ‑ zusätzliche, nicht erklärte Einnahmen zugeflossen seien, woraufhin der Revisionswerber einer abgabenbehördlichen Prüfung unterzogen wurde.

3 Die Betriebsprüfung folgte der Beurteilung der GPLA und verneinte das Vorliegen eines steuerlichen Dienstverhältnisses hinsichtlich der Tätigkeit des Revisionswerbers für die P GmbH.

4 Auf Grundlage des im Zuge der Prüfung festgestellten Sachverhaltes erließ das Finanzamt in der Folge den Umsatzsteuerbescheid für 2006, Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2011 und 2012, Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2012, Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2014 und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2014.

5 Nach abweisenden Beschwerdevorentscheidungen und einem Vorlageantrag wies das Bundesfinanzgericht die dagegen erhobenen Beschwerden ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch relevant ‑ als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, dass der Revisionswerber seit Mai 2001 in einer Beschäftigung bei der P GmbH gestanden sei und im relevanten Zeitraum Einkünfte aus einer Tätigkeit bezogen habe, die in der Vermittlung von Immobilien (Maklertätigkeit) bzw. damit im Zusammenhang stehenden, geringfügigen Hausverwaltungstätigkeiten (Stromablesung, etc) bestanden habe. Hinsichtlich der Abgrenzung dieser Tätigkeit und zur Zurechnung zu einer Einkunftsart sei auf die Definition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 abzustellen, wonach die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber sowie die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus relevant seien. Die Weisungsgebundenheit sei gegenständlich schwach ausgeprägt, weil keine persönlichen Weisungen, sondern nur allgemeine, an die Gesamtheit der Makler gerichtete Anweisungen getätigt worden seien. Auch die vorhandenen Kleidungsvorschriften seien nicht geeignet, eine persönliche Weisungsgebundenheit zu begründen, zumal in Hinblick auf die Art der Tätigkeit ein entsprechendes Auftreten erforderlich sei. Der Revisionswerber habe sich seinen Arbeitsort bzw. seine Arbeitszeit frei einteilen können und umfangreiche Teile der Kosten seiner Arbeits‑/Betriebsmittel mit Honoraransprüchen gegenverrechnet, weshalb auch das Kriterium der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus nicht maßgeblich vorhanden sei. Da die Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers keine klare Abgrenzung ermöglichen würden, sei auf weitere Abgrenzungskriterien abzustellen. Hinsichtlich dieser führte das Bundesfinanzgericht u.a. aus, dass der Revisionswerber das Unternehmerrisiko trage, weil seine Provisionsansprüche mit den von ihm erbrachten Leistungen verknüpft seien und die Höhe der Einkünfte sich nach dem Vermittlungserfolg bestimmt habe. Weiters sei der Revisionswerber zwar ausschließlich für die P GmbH tätig geworden, jedoch habe er auch Mieter für Fremdfirmen vermittelt. Die Rechnung für die Fremdvermittlung sei von der P GmbH ausgestellt worden, weshalb der Revisionswerber Geschäftschancen mit Fremden zu seinem (und zum Vorteil der P GmbH) habe nutzen können. Die Lohnnebenkosten seien dem Revisionswerber von seinen Honoraransprüchen in Abzug gebracht worden und seien diverse Sachbezüge weder als solche in der Lohnverrechnung erfasst, noch vom Revisionswerber der Abgabenbehörde mitgeteilt worden. Im Verhinderungsfall habe sich der Revisionswerber nur von für die P GmbH tätigen Personen (Maklern) vertreten lassen können.

7 Obwohl Elemente eines Dienstverhältnisses wie auch einer selbständigen Beschäftigung vorlägen, sei aufgrund der Ausprägung der Merkmale von einem freien Dienstverhältnis auszugehen, weshalb die Einkünfte nicht der Lohnsteuerpflicht unterlägen, sondern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu erfassen seien.

8 Hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht sei auch bei Vorliegen eines freien Dienstvertrages eine selbständige Tätigkeit und daher Unternehmereigenschaft gegeben.

9 Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung ausschließlich gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide wendet. Sie bringt zusammengefasst vor, das Bundesfinanzgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses abgewichen, indem es trotz Vorliegen der geforderten Merkmale für ein Dienstverhältnis ein solches verneint habe. Weiters habe das Bundesfinanzgericht dem Antrag auf Ladung von Zeugen nicht entsprochen und seien gestellte Beweisanträge nicht gewürdigt worden. Es habe gegen das Verbot der antizipierenden Beweiswürdigung verstoßen, indem es entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Antrag auf Einvernahme von Zeugen mit der Behauptung abgewiesen habe, der Zeuge würde bei einer Einvernahme ohnehin lediglich Aussagen zur rechtlichen Beurteilung, nicht aber zum entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt tätigen, obwohl offensichtlich Anhaltspunkte vorgelegen seien, dass der Zeuge zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt hätte aussagen können. Zudem habe es trotz Vorliegen eines einkommensteuerlichen Dienstverhältnisses die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG 1994 bejaht.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision wendet sich zunächst gegen die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts betreffend die Einstufung der Einkünfte des Revisionswerbers als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie bringt dazu vor, das Bundesfinanzgericht sei vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. April 2001, 96/08/0053, abgewichen. In diesem Judikat ging es allerdings nicht um das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988, sondern um die Frage des Vorliegens einer Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG.

14 Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen. Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage. Zur Kontrolle der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. etwa VwGH 17.1.2023, Ra 2021/13/0097, mwN).

15 Das Bundesfinanzgericht hat sich ausführlich mit den einzelnen Abgrenzungskriterien für ein Dienstverhältnis auseinandergesetzt und ist auf Basis einer umfassenden Gesamtabwägung zu der Beurteilung gelangt, dass kein Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988, sondern Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorliegen. Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass diese Beurteilung fehlerhaft war.

16 Soweit Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. z.B. VwGH 31.8.2023, Ra 2021/15/0033, mwN).

17 Eine entsprechende Darstellung lässt die Revision mit ihrer unsubstantiierten Rüge von Verfahrensfehlern aber vermissen. Es wird weder konkret dargelegt, welche Beweise nicht aufgenommen oder nicht gewürdigt worden seien, noch welcher konkrete Sachverhalt sich bei Aufnahme dieser Beweise (oder entsprechender Würdigung der aufgenommenen Beweise) ergeben hätte. Schon deswegen (keine Nennung von Beweismittel und Beweisthema) kann auch nicht erkannt werden, dass eine antizipierende Beweiswürdigung (vgl. zu dieser z.B. VwGH 14.5.2020, Ra 2019/13/0097, mwN) vorläge.

18 Die Revision bringt schließlich vor, das Bundesfinanzgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es trotz Vorliegen eines einkommensteuerlichen Dienstverhältnisses eine Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG 1994 bejahte. Dem ist zu entgegnen, dass das Bundesfinanzgericht auf Basis einer nicht zu beanstandenden Gesamtabwägung zu der Beurteilung gelangt ist, dass der Revisionswerber in einem freien Dienstverhältnis stand. Umsatzsteuerrechtlich liegt bei Vorliegen eines freien Dienstvertrages eine selbständige Tätigkeit und daher Unternehmereigenschaft vor (vgl. VwGH 26.11.2015, 2012/15/0204).

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. November 2023

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