VwGH Ra 2022/03/0022

VwGHRa 2022/03/002211.4.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des T K in G, vertreten durch Mag. Hans Peter Puchleitner, Rechtsanwalt in 8350 Fehring, Taborstraße 3, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 28. Oktober 2021, Zl. E 025/11/2021.003/012, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Burgenländischen Jagdgesetz 2017 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Güssing), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
AVG §58 Abs1
AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030022.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 17. März 2021 wies die belangte Behörde den Antrag vom 25. Jänner 2021 auf Feststellung des Eigenjagdgebietes auf näher genannten Grundstücken der KG P gemäß § 4 Abs. 2 Burgenländisches Jagdgesetz 2017 ab.

2 Der Aktenlage nach wurde dieser Bescheid dem Revisionswerber am 24. März 2021 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt.

3 Am 22. April 2021 erhob der Revisionswerber per E-Mail Beschwerde gegen diesen Bescheid, die von der belangten Behörde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wurde.

4 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 19. August 2021 wurde dem Revisionswerber die Verspätung der Beschwerde vorgehalten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, ob er zum Zeitpunkt der Zustellung über längere Zeit von der Abgabestelle abwesend gewesen bzw. wann er gegebenenfalls dorthin zurückgekehrt sei.

5 In einem Telefonat vom 24. August 2021 machte der Revisionswerber daraufhin geltend, die Beschwerde sei ohnehin innerhalb eines Monats erfolgt und offenkundig fristgerecht.

Ihm wurde dazu mitgeteilt, dass die Beschwerdefrist nicht einen Monat, sondern vier Wochen betrage, dass diese Frist nicht erstreckbar sei und er eine (allfällige) Abwesenheit von der Abgabestelle zu belegen habe.

6 Mit Schriftsatz vom 1. September 2021 nahm der Revisionswerber ‑ nunmehr anwaltlich vertreten ‑ zum Verspätungsvorhalt Stellung und führte aus, er habe sich „über den gesamten Zeitraum der angeblich angebrachten Hinterlegungsanzeige beruflich in Ungarn“ befunden; die Zustellung sei daher „zu keinem Zeitpunkt erfolgt“. Weiters machte er geltend, „der Einschreiter konnte niemals der Bescheidadressat sein, die Erhebung von Rechtsmittel wäre nicht möglich gewesen bzw. wären die Rechtsmittel mangels Rechtsmittelbefugnis zurückgewiesen worden“. Er verwies dazu darauf, dass sein Vater, Dr. EK, Eigentümer der fraglichen Liegenschaften gewesen sei, am 9. Februar 2021 verstorben sei, und ihm, dem (nunmehrigen) Revisionswerber, mit am 9. April 2021 ergangenen und am 20. April 2021 in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Verlassenschaftsgerichts die Verlassenschaft eingeantwortet worden sei.

7 Mit Beschluss vom 28. Oktober 2021 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 31 VwGVG als verspätet zurück; die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

8 Dem legte das Verwaltungsgericht (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ Folgendes zu Grunde:

Der Vater des Revisionswerbers, Dr. E K, sei grundbücherlicher Alleineigentümer der fraglichen Grundstücke gewesen.

Der Revisionswerber habe als Erwachsenenvertreter seines Vaters ein Ersuchen auf Anerkennung der Befugnis zur Eigenjagd auf diesen Grundstücken für die kommende Jagdperiode an die belangte Behörde gestellt.

Der diesen Antrag abweisende Bescheid vom 17. März 2021 sei (nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Abgabestelle) am 24. März 2021 (Beginn der Abholfrist) beim zuständigen Postamt hinterlegt worden. Die Hinterlegungsanzeige sei von der Ehegattin des Revisionswerbers aus dem Postkasten entnommen und zur übrigen an ihn adressierten Post gelegt worden. Der Revisionswerber führe in Ungarn einen Gastronomiebetrieb, wo er als Eigentümer und Geschäftsführer auch täglich persönlich anwesend sei. Dazu nehme er eine einstündige Fahrt in Kauf, breche in den Morgenstunden auf und kehre spät abends wieder an seinen Hauptwohnsitz in G zurück. Der Revisionswerber sei regelmäßig iSd § 17 Abs. 3 ZustellG an seiner Wohnadresse anwesend, zumal er täglich an diese zurückkehre und eine Übernachtung an seinem ungarischen Nebenwohnsitz nur in Ausnahmefällen erfolge.

9 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte das Verwaltungsgericht u.a. dar, dass an die Bezeichnung des Bescheidadressaten insofern keine strengen Anforderungen zu stellen seien, als es für die Gültigkeit des Bescheides bzw. für die Wirksamkeit gegenüber einer Person hinreiche, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden könne.

Gemäß § 810 Abs. 1 ABGB werde die Verlassenschaft durch den oder die erbserklärten Erben vertreten.

Im vorliegenden Fall sei der angefochtene Bescheid an den Revisionswerber ‑ ohne dediziert auf seine Rolle als gesetzlicher Vertreter des Nachlasses Bezug genommen zu haben ‑ ergangen.

Im Verfahren rund um die Anmeldung der Eigenjagdbefugnis für die dem Verlassenschaftsvermögen zugehörigen Grundstücke sei die Absicht des Revisionswerbers, namens der Verlassenschaft zu handeln, offenkundig gewesen. Nach Abgabe der Erbantrittserklärung sei der verwaltende Erbe gesetzlicher Vertreter des Nachlasses und demgemäß auch Bescheidadressat der für den Nachlass bestimmten Bescheide. Da der Revisionswerber am 19. Februar 2021 eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben habe, sei er zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides zur Vertretung des Nachlasses befugt gewesen.

Da nicht von einer die Hinterlegung hindernden Abwesenheit auszugehen gewesen sei, sei durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden und die erst am 22. April 2021 an die belangte Behörde übermittelte Beschwerde verspätet.

10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche - Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht Folgendes geltend:

15 Das Verwaltungsgericht weiche mit der angefochtenen Entscheidung „von der ständigen Rechtsprechung“ des Verwaltungsgerichtshofes ab. Es gehe „rechtsirrig davon aus, dass der erstinstanzliche Bescheid ... eine unrichtige Partei aufweist“. Ein Vertreter könne „nicht gleichzeitig Partei“ sein. Zudem bestehe keine einheitliche Rechtsprechung dazu, ob nicht eine besondere Rechtsbelehrung durch die belangte Behörde erfolgen hätte müssen, dass die Rechtsmittelfrist nicht bis zur Einantwortung unterbrochen sei.

16 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte:

17 Den Anforderungen an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision wird mit der Behauptung eines Abweichens von der „ständigen Rechtsprechung“ des Verwaltungsgerichtshofs schon deshalb nicht entsprochen, weil es unterlassen wird, konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revision in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. z.B. VwGH 28.12.2021, Ra 2021/03/0317).

18 Im Übrigen: Der Revision zuwider hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung gerade nicht zu Grunde gelegt, dass der Bescheid der belangten Behörde „eine unrichtige Partei“ aufweise. Es ist vielmehr - unter Bezugnahme auf die konkrete Konstellation (insbesondere den Umstand, dass der Revisionswerber gesetzlicher Erwachsenenvertreter seines Vaters war, der bis zu seinem Tod Eigentümer der fraglichen Grundstücke gewesen ist, und in der Folge als erbserklärter Erbe den Nachlass vertreten hat) ‑ von einer wirksamen Zustellung ausgegangen, zumal die behauptete Ortsabwesenheit nicht vorgelegen sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs reicht es für die Gültigkeit eines Bescheides, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht (vgl. nur etwa VwGH 24.5.2012, 2008/03/0173, mwN).

Dass der behördliche Bescheid insgesamt diesen Anforderungen nicht genügen würde, wird von der Revision gar nicht geltend gemacht.

19 Welche Relevanz schließlich das Fehlen einer besonderen Rechtsbelehrung hinsichtlich einer Nichtunterbrechung der Rechtsmittelfrist im Revisionsfall (in dem nicht etwa über eine Wiedereinsetzung zu entscheiden war) haben sollte, wird von der Revision nicht dargelegt und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

20 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

21 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. April 2022

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