VwGH Ra 2022/01/0056

VwGHRa 2022/01/005618.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Z G, vertreten durch Mag. Alfons Umschaden, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 4/9, gegen das am 10. Jänner 2022 mündlich verkündete und am 11. Jänner 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW‑152/062/16125/2021‑29, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005
StbG 1985 §10 Abs1 Z6
StbG 1985 §11

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010056.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde über die Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers, eines chinesischen Staatsangehörigen, erkannt, dass dessen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 2. Jänner 1995 gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) idF vor BGBl. I Nr. 38/2011 abgewiesen werde (I.). Eine Revision wurde für unzulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zur Abweisung des Verleihungsantrages im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe insgesamt 24 (näher bezeichnete verwaltungsstrafrechtliche) Vormerkungen, wobei die zwei letzten Taten aus September 2021 stammten. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes liege der Abweisungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vor, insbesondere da ein zu kurzes Wohlverhalten gegeben sei, zumal die beiden letzten Taten (darunter ein sehr schwerwiegender Verstoß gegen das KFG) erst vor rund vier Monaten begangen worden sei. Auch die lange Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers in Österreich und die selbständige Erwerbstätigkeit könnten Verhaltensweisen, die den Schluss rechtfertigten, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft die in § 10 Abs. 1 Z 6 StbG genannten wesentlichen Vorschriften missachten, nicht verdrängen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegend außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit behauptet, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 2.4.2021, Ro 2021/01/0010) ab, weil das Verwaltungsgericht keine Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Verleihungswerbers angestellt habe.

8 Dieses Vorbringen übergeht, dass das Verwaltungsgericht die Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG damit begründet hat, dass ein zu kurzes Wohlverhalten vorliege, um eine entsprechende positive Prognose anzustellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine negative Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG als rechtmäßig beurteilt, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht von längerem Wohlverhalten des Antragstellers seit dem zuletzt von ihm begangenen und für die negative Prognose als tragend angesehenen Fehlverhalten ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH 2.4.2021, Ro 2021/01/0010, mwN).

9 Darüber hinaus behauptet die Revision ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis unter anderem auf VwGH 2.4.2021, Ro 2021/01/0010), wonach auch bei der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zu prüfen sei, ob die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellt. Aus dieser Rechtsprechung schließt die Revision, dass eine Prognose gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG „damit stets im Ganzen gesehen werden“ müsse, „nämlich als die erfolgte Integration des Verleihungswerbers“. Das Wohlverhalten sei nur einzelnes Indiz für den Grad der Integration. Es bedürfe daher einer rechtlichen Beurteilung des Grades der Integration und dabei wiederum „der Einstufung des Schweregrades“ des Fehlverhaltens.

10 Mit diesem Vorbringen verkennt die Revision den Inhalt der von ihr angeführten Rechtsprechung.

11 In dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass bei der Prüfung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG eine Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Verleihungswerbers zu treffen ist. Es ist auch zu beachten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellt (vgl. nochmals VwGH Ro 2021/01/0010, mwN; vgl. dazu erstmals VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018).

12 Die von der Revision angestellten Überlegungen, insbesondere dass ein einer positiven Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG entgegenstehendes Fehlverhalten durch eine Integration des Verleihungswerbers in anderen Bereichen ausgeglichen werden könne, ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen.

13 Vielmehr weist diese Rechtsprechung darauf hin, dass im Hinblick auf das Ziel des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts, die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Abschluss einer erfolgreichen Integration des Fremden in Österreich zu sehen, bei der Prüfung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. zu diesem Ziel bzw. die allgemeine Wertung des Gesetzgebers nach der Staatsbürgerschaftsrechts‑Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, bereits VwGH 10.4.2008, 2007/01/1394, und 20.9.2011, 2009/01/0024, mwN).

14 Dies ist bereits aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erkennbar, wonach bei Vorliegen eines Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG die in § 11 StbG normierte Orientierung des Fremden zwingend verneint werden muss und ein Rückgriff auf § 11 StbG bei der Beurteilung von § 10 Abs. 1 Z 6 StbG verfehlt sei (vgl. nochmals VwGH Ro 2021/01/0010, mwN, dort zu Ausführungen eines Verwaltungsgerichts, Hinweise, wonach sich der Erstmitbeteiligte entgegen § 11 StbG nicht am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich beteilige und sich nicht zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft bekenne, hätten sich nicht ergeben).

15 Im Übrigen kommt der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0267, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. März 2022

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