Normen
ApG 1907 §10 Abs2 Z3
ApG 1907 §10 Abs4
ApG 1907 §10 Abs5
B-VG Art133 Abs4
StGG Art6
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021100008.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. Februar 2021 erteilte das Landesverwaltungsgericht Kärnten ‑ im Beschwerdeverfahren ‑ gestützt insbesondere auf §§ 3, 9 und 10 Apothekengesetz (ApG) der Mitbeteiligten unter Festlegung eines bestimmten Standortes die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Radenthein, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung ‑ auf der Grundlage von Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer ‑ zugrunde, im Fall der Errichtung der beantragten Apotheke würden der bestehenden, von der Revisionswerberin betriebenen „P‑Apotheke“ aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern 1.578 ständige Einwohner als weiterhin zu versorgende Personen verbleiben, weiters 1.368 ständige Einwohner von Radenthein, für welche die P‑Apotheke ‑ wenn auch außerhalb des 4 km‑Polygons gelegen ‑ die nächstgelegene Arzneimittelabgabestelle sei, sowie ‑ mit Blick auf eine in jenem Bereich bestehende ärztliche Hausapotheke näher begründet ‑ 23 weitere ständige Einwohner. Dazu kämen an zusätzlich zu versorgenden Personen im Sinn des § 10 Abs. 5 ApG zusätzlich etwa an Beschäftigten 407 und aus dem Tourismus 3.552 Personen.
3 Insgesamt kämen zu den 1.578 ständigen Einwohnern innerhalb des 4 km‑Polygons 5.508 zusätzlich zu versorgende Personen im Sinn des § 10 Abs. 5 ApG hinzu, was in Summe 7.086 Personen ergebe.
4 In rechtlicher Hinsicht begründete das Verwaltungsgericht die Konzessionserteilung an die Mitbeteiligte damit, dass angesichts eines verbleibenden Versorgungspotentials von 7.086 zu versorgenden Personen das in § 10 (Abs. 2 Z 3) ApG festgelegte Mindestversorgungspotential für bestehende Apotheken im Ausmaß von 5.500 weiterhin zu versorgenden Personen „deutlich überschritten“ werde.
5 In diesem Zusammenhang verwarf das Verwaltungsgericht die von der Revisionswerberin in der Beschwerde vertretene Rechtsauffassung, dass die „überwiegende Zahl“ der potentiellen Kunden im 4 km‑Umkreis der von dieser betriebenen „P‑Apotheke“ wohnen müsse:
6 Ein derartiges Erfordernis könne „dem Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden“ (Hinweis auf § 10 Abs. 4 und 5 ApG). Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Judikatur (etwa VwGH 20.12.1993, 92/10/0108, und 20.12.1993, 92/10/0359) wiederum habe sich auf das Mindestversorgungspotential der neu zu errichtenden (nicht einer bestehenden) Apotheke nach der damals geltenden Rechtslage bezogen; diese Bestimmung habe der VfGH mit Erkenntnis vom 2. März 1998, G 37/97 u.a., VfSlg. 15.103, aufgehoben.
7 Es liege keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vor, der zufolge hinsichtlich einer bereits bestehenden Apotheke die überwiegende Anzahl der potentiellen Kunden im 4 km‑Umkreis zur Betriebsstätte wohnen müsse; vielmehr lasse sich der aktuellen Judikatur des Gerichtshofes zur apothekenrechtlichen Bedarfsprüfung (Hinweis auf VwGH 25.4.2014, 2013/10/0022, und 22.4.2015, Ro 2015/10/0004) der folgende Rechtssatz entnehmen:
„Die Bedarfsbeurteilung hat sich primär an der Wohnbevölkerung zu orientieren, im Übrigen ist jedoch auch ein durch andere Umstände als den Wohnsitz begründeter Bedarf an einer öffentlichen Apotheke zu berücksichtigen.“
8 Nach dieser Formulierung sei zuerst (arg. „primär“) das Versorgungspotential von ständigen Einwohnern zu ermitteln; erst dann seien andere im Gesetz geregelte Umstände zu berücksichtigen.
9 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es zur „verfahrensrelevanten Frage, ob die überwiegende Zahl der potentiellen Kunden im 4‑Kilometer Umkreis (§ 10 Abs. 4 ApG) zur Betriebsstätte der bestehenden Apotheke wohnen müssen (ständige Einwohner)“, an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
10 1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
11 Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte haben jeweils eine Revisionsbeantwortung erstattet, Letztere, ohne Aufwandersatz anzusprechen.
12 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
15 3. Mit der oben (Rz 9) wiedergegebenen Zulassungsbegründung, der sich die Revisionswerberin im ersten Abschnitt ihres Zulässigkeitsvorbringens (Punkt II.4.1. der Revision) unter Darlegung ihrer schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung anschließt, legt das Verwaltungsgericht eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht dar.
16 § 10 ApG lautet ‑ auszugsweise ‑ wie folgt:
„(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.“
17 Zunächst ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 10 Abs. 4 und 5 ApG ‑ wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat ‑ weder aufgrund ihres Wortlauts noch nach ihrer Systematik die Annahme rechtfertigen, die von einer bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgenden Personen müssten überwiegend oder zum Großteil „ständige Einwohner“ im Sinn des § 10 Abs. 4 ApG sein.
18 Die von der Revisionswerberin schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zitierte hg. Rechtsprechung (etwa VwGH 92/10/0108 und 92/10/0359) bezog sich auf die bereits mit dem zitierten Erkenntnis des VfGH vom 2. März 1998, VfSlg. 15.103, wegen Verstoßes gegen die Erwerbsausübungsfreiheit nach Art. 6 StGG als verfassungswidrig aufgehobene Bedarfsprüfung hinsichtlich der beantragten, also neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und konnte ‑ auch den Verwaltungsgerichtshofmit Blick auf die Auslegung der Regelung des Mindestversorgungspotentials der bestehenden öffentlichen Apotheken (vgl. insbesondere § 10 Abs. 2 Z 3, Abs. 4 und 5 ApG) nicht binden.
19 Zu dieser, auch im vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof ‑ wie das Verwaltungsgericht wiederum richtig dargelegt hat ‑ bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich die danach vorzunehmende Bedarfsbeurteilung „primär“ an der Wohnbevölkerung (vgl. § 10 Abs. 4 ApG) zu orientieren hat, im Übrigen jedoch auch ein durch andere Umstände als den Wohnsitz begründeter Bedarf an einer öffentlichen Apotheke (vgl. § 10 Abs. 5 ApG) zu berücksichtigen ist (vgl. neben den bereits vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidungen 2013/10/0022 und Ro 2015/10/0004 etwa auch VwGH 9.12.2013, 2012/10/0196, oder 30.9.2015, 2013/10/0261).
20 Völlig zutreffend versteht das Verwaltungsgericht diese Rechtsprechung im Sinn eines (zeitlich) strukturierten Prüfschemas (vgl. die Wiedergabe unter Rz 8).
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat dies wie folgt ausgedrückt (etwa in dem bereits angeführten Erkenntnis 2012/10/0196):
„Die Behörde hat zunächst festzustellen, wie viele Personen aus dem Kreis der ständigen Einwohner im Umkreis von vier Straßenkilometern um die Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke(n) nach Errichtung der geplanten Apotheke ihren Arzneimittelbedarf auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich weiterhin aus der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) decken werden. Ergibt sich dabei für eine bestehende öffentliche Apotheke die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern des 4-Kilometer-Umkreises, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird.“
22 Nach dem Gesagten ist die in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes angesprochene Rechtsfrage somit bereits geklärt (vgl. etwa VwGH 25.9.2014, Ra 2014/07/0010, mwN).
23 4. Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 20.12.2021, Ro 2018/08/0010, mwN).
24 Die vorliegende Revision enthält ein derartiges (eigenes) Zulässigkeitsvorbringen.
25 4.1. Darin wendet sich die Revisionswerberin zum einen (Punkt II.4.2. der Revision) gegen die den Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer zugrunde liegende Studie der TU Wien zur Ermittlung der Einwohnergleichwerte, welche verschiedenen Grundsätzen der apothekenrechtlichen Bedarfsermittlung nicht gerecht werde.
26 Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen seien „fallkonkret geeignet, eine Neuberechnung erforderlich zu machen und damit die Bedarfsprüfung und sohin die bekämpfte Entscheidung ins Gegenteil umzukehren“, weshalb die Entscheidung über die gegenständliche Revision „wesentlich von der Lösung der bezeichneten Rechtsfragen“ abhänge.
27 Nach den dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer verbleiben der Apotheke der Revisionswerberin 7.086 weiterhin zu versorgende Personen (gegenüber den in § 10 Abs. 2 Z 3 ApG festgelegten 5.500 weiterhin zu versorgenden Personen).
28 Vor diesem Hintergrund legt die Revisionswerberin mit dem wiedergegebenen Vorbringen die Relevanz des von ihr behaupteten Begründungsmangels nicht im Ansatz konkret dar (vgl. etwa ebenfalls zur sog. „TU‑Studie“ VwGH 30.1.2019, Ra 2019/10/0004 und 0005, oder 16.3.2021, Ra 2021/10/0028).
29 4.2. Schließlich behauptet die Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen (Punkt II.4.3. der Revision) einen Verfahrensmangel, weil das Verwaltungsgericht entgegen einem in der Verhandlung am 27. Jänner 2021 gestellten Beweisantrag die (touristischen) Jahresnächtigungszahlen aus 2020 nicht erhoben habe; bei einem durchschnittlichen Rückgang der Nächtigungen in Kärnten im Jahr 2020 „von über 17 %“ könne „davon ausgegangen werden, dass ortsspezifische Erhebungen des Rückganges im Einzugsgebiet der fallrelevanten Apotheken eine anderslautende Entscheidung infolge Nichterreichen des Mindestversorgungspotentials von 5500 Personen gemäß § 10 Abs. 4 ApoG zur Folge hätten haben können“.
30 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 29.9.2021, Ra 2021/01/0181, mwN).
31 Diesem Erfordernis einer konkreten Relevanzdarstellung wird die Revisionswerberin allerdings mit dem wiedergegebenen Vorbringen nicht gerecht (zu der bei der Bedarfsprüfung nach § 10 Abs. 2 Z 3 ApG anzustellenden Prognose im Zusammenhang mit der Covid‑19‑Pandemie vgl. im Übrigen VwGH 31.5.2021, Ra 2021/10/0054 und 0055, und 17.6.2021, Ra 2021/10/0074).
32 5. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Mai 2022
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