VwGH Ra 2019/08/0043

VwGHRa 2019/08/004319.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der R Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in 1220 Wien, Sankt‑Wendelin‑Platz 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jänner 2019, W164 2206954‑1/2E, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs4
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019080043.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Jänner 2019 verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht ‑ unter Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 24. September 2018 (mit der wiederum der Ausgangsbescheid vom 14. August 2018 bestätigt worden war) ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Revisionswerberin gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG zur Zahlung eines Beitragszuschlags von € 1.300,‑‑, weil sie es als Dienstgeberin unterlassen habe, einen ‑ am 7. Juni 2018 auf einer von ihr betriebenen Baustelle bei der Verrichtung von Bauarbeiten betretenen ‑ Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG anzumelden.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ‑ unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, hilfsweise des Fehlens bzw. der Uneinheitlichkeit einer derartigen Rechtsprechung ‑ im Wesentlichen geltend gemacht wird, das Bundesverwaltungsgericht habe die Durchführung einer von der Revisionswerberin beantragten mündlichen Verhandlung unterlassen. Eine solche wäre im Hinblick auf Art. 6 EMRK geboten gewesen, die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG seien nicht vorgelegen.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG wird damit jedoch nicht aufgezeigt.

3 3.1. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs lassen die Akten im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2017/08/0096, mwN). Dies ist insbesondere der Fall, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl. VwGH 20.10.2020, Ra 2019/22/0135, mwN).

Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen‑ oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2016/08/0010).

4 4.1. Vorliegend zeigt die Revisionswerberin nicht konkret auf, inwiefern die (soeben dargestellten) Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht erfüllt wären. Ihr bloß pauschales bzw. ganz allgemein gehaltenes ‑ im Wesentlichen auf die Wiedergabe von Rechtssätzen beschränktes ‑ Vorbringen reicht jedenfalls nicht aus, um dem Bundesverwaltungsgericht ein pflichtwidriges Vorgehen anzulasten (vgl. VwGH 21.11.2017, Ra 2017/22/0143).

4.2. Es ist aber auch in keiner Weise zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht ‑ vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Rechtslage ‑ unvertretbar von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen hätte. So ist der dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt in den wesentlichen Punkten aktenkundig und unstrittig, es bedurfte daher zu seiner Klärung keiner weiteren Ermittlungsschritte. Was die keineswegs komplexe rechtliche Beurteilung betrifft, so konnte diese auf Grundlage einer gesicherten Rechtsprechung erfolgen und ist daher auch insofern nicht ersichtlich, welche weitere Klärung eine mündliche Erörterung hätte bewirken können.

5 5. In der Revision wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2022

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