VwGH Ra 2021/14/0180

VwGHRa 2021/14/018024.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2020, G305 2179024‑1/27E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140180.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zur jesidischen Glaubensgemeinschaft. Er stellte am 29. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er damit begründete, er sei wegen seiner Religionszugehörigkeit als Jeside bedroht worden und aus seinem Heimatdorf vor dem Islamischen Staat, der ihn auch zur Konversion zum Islam aufgefordert habe, geflohen.

2 Im ersten Rechtsgang wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag mit Bescheid vom 8. November 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei und legte eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Aufgrund einer dagegen erhobenen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Juni 2019, Ra 2018/19/0459, das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit mit diesem die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Abweisung seines Antrags auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen worden war, sowie die darauf aufbauenden Spruchpunkte wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde die Revision zurückgewiesen.

4 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis vom 7. Dezember 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ‑ im zweiten Rechtsgang ‑ ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erkannte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG als nicht zulässig.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. Februar 2021, E 205/2021‑6, die Behandlung derselben ablehnte und mit Beschluss vom 6. April 2021, E 205/2021-8, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Revisionswerber macht zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision Verfahrensfehler geltend und bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich hinsichtlich der Sicherheits‑ und Versorgungslage im Irak, aber insbesondere in Bezug auf seine Herkunftsprovinz, auf veraltete Länderberichte gestützt und die im Laufe des Jahres 2020 weiter verschlechterte Lage in den als innerstaatliche Fluchtalternative in Aussicht gestellten Gebieten nicht berücksichtigt. Außerdem habe es sich nicht mit den Folgen der Corona‑Pandemie auseinandergesetzt.

11 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs‑, Feststellungs‑ und Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 12.03.2021, Ra 2021/14/0064). Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 21.4.2021, Ra 2021/14/0059 bis 0061, mwN).

12 Eine diesen Anforderungen entsprechende Relevanzdarlegung lässt die Revision vermissen.

13 Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Beurteilung zu Grunde, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung, einer Berufsausbildung und Berufserfahrung handle. Es berücksichtigte hinreichend aktuelle Länderberichte und traf zudem auch auf Basis einer ACCORD‑Anfragebeantwortung vom 27. Oktober 2020 Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers. Die Revision, die diesen Feststellungen nicht entgegentritt, führt nicht aus, welche weiteren oder sonstigen entscheidungswesentlichen Feststellungen fallbezogen in Bezug auf die persönliche Situation des Revisionswerbers, auch vor dem Hintergrund der Covid‑19‑Pandemie, und die allgemeine Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu einer abweichenden Entscheidung hätten führen können.

14 Entgegen dem Revisionsvorbringen stützte das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auch nicht auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative, weshalb das diesbezügliche Revisionsvorbringen ins Leere geht.

15 Insoweit sich der Revisionswerber schließlich gegen die im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist (vgl. VwGH 28.04.2021, Ra 2021/14/0131, mwN).

16 Wenn der Revisionswerber seinen über fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet ins Treffen führt, übersieht er, dass das persönliche Interesse zwar grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, die bloße Aufenthaltsdauer jedoch nicht allein maßgeblich ist, sondern vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 05.02.2021, Ra 2021/14/0003, mwN).

17 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen der Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen, auch die vom Revisionswerber angesprochenen Umstände. Dass dem Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK eine revisible Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich.

18 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang mit Blick auf ‑ nicht näher ausgeführte ‑ Integrationserfolge des Revisionswerbers die Unterlassung einer nochmaligen mündlichen Verhandlung des Revisionswerbers rügt, fehlt es an einer entsprechenden Relevanzdarstellung (vgl. zum Erfordernis einer Relevanzdarstellung auch in jenem Fall, in dem geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht hätte nach bereits erfolgter Verhandlung eine weitere Tagsatzung anberaumen müssen, VwGH 25.3.2021, Ra 2021/20/0062 bis 0064, mwN).

19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. Juni 2021

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