Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200062.L00
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittrevisionswerbers. Alle sind Staatsangehörige Usbekistans und stellten Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (die erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien im Mai 2015, für den Drittrevisionswerber wurde der Antrag nach seiner Geburt im Jänner 2018 gestellt).
2 Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Juli 2016, 29. Juli 2016 und 19. April 2018 wurden diese Anträge abgewiesen, den revisionswerbenden Parteien Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei und jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit den Erkenntnissen vom 28. Februar 2020 nach Durchführung einer Verhandlung ab.
4 Der von den revisionswerbenden Parteien daraufhin angerufene Verfassungsgerichtshof hob diese Entscheidungen, soweit damit die Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten sowie die rechtlich davon abhängenden Aussprüche abgewiesen worden waren, mit Erkenntnis vom 22. September 2020, E 1241‑1243/2020‑9, auf. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab.
5 Mit den Erkenntnissen vom 5. Jänner 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien ‑ soweit diese im zweiten Rechtsgang einer Erledigung zuzuführen waren ‑ neuerlich als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG jeweils nicht zulässig sei.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revisionen Verfahrensfehler geltend. Sie bringen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, nach der durch den Verfassungsgerichtshof erfolgten Aufhebung der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidungen eine weitere Verhandlung durchzuführen. Infolgedessen seien auch das Gebot des Parteiengehörs und das Überraschungsverbot verletzt worden. Die Verfahrensfehler seien relevant, weil die revisionswerbenden Parteien im Fall ihrer Anhörung im Rahmen einer Verhandlung auf die in ihrem Heimatland herrschende Armut, die Spannungen auf dem dortigen Arbeitsmarkt, die Geringfügigkeit der dort gewährten Arbeitslosenunterstützung, die dortige „Covid‑19 Situation“, darauf, dass für die Zweitrevisionswerberin nach dem bei ihr vorgenommenen medizinischen Eingriff weitere fachärztliche Kontrollen und Untersuchungen notwendig seien und die Krankenhäuser in Usbekistan nicht dem europäischen Standard entsprächen, weiters darauf, dass im Heimatland nur noch Kontakt zur Mutter der Zweitrevisionswerberin und zum erstgeborenen Sohn bestehe, dass sich die Deutschkenntnisse der revisionswerbenden Parteien verbessert hätten, und auf die Bemühungen, am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hätten hinweisen können.
10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 3.12.2020, Ra 2020/20/0392, mwN; VwGH 18.1.2021, Ra 2020/19/0431). Dies gilt auch in jenem Fall, in dem geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht hätte nach bereits erfolgter Verhandlung eine weitere Tagsatzung anberaumen müssen (vgl. etwa VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0401; 10.9.2018, Ra 2017/19/0431; 10.6.2020, Ra 2019/18/0143, 5.10.2020, Ra 2020/20/0329, mwN).
11 Den revisionswerbenden Parteien gelingt es vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zu den Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz und zur nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung nicht, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang darzutun.
12 Mit Blick auf das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien ist aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hervorzuheben, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2020/20/0387, mwN).
13 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 9.11.2020, Ra 2020/20/0373, mwN). In der Rechtsprechung wurde in diesem Zusammenhang zudem bereits dargelegt, dass es für sich nicht entscheidungswesentlich ist, wenn sich für einen Asylwerber infolge der seitens Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS‑CoV‑2‑Virus und von Erkrankungen an Covid‑19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, weil es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre. Das gilt auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative (vgl. auch dazu VwGH Ra 2020/20/0373, mwN).
14 Es ist anhand des Revisionsvorbringens nicht zu sehen, dass die von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführten Umstände am Boden dieser Rechtsprechung hätten geeignet sein können, zur Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten zu führen.
15 Das gilt sinngemäß auch für das auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG abstellende Vorbringen. Dass es aufgrund der von den revisionswerbenden Parteien angeführten Umstände hätte geboten sein können, von der Erlassung von Rückkehrentscheidungen Abstand zu nehmen, wird nicht aufgezeigt.
16 Somit ist davon auszugehen, dass es den geltend gemachten Verfahrensfehlern an der Relevanz für den Verfahrensausgang mangelt.
17 Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 25. März 2021
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