Normen
AVG §38
AVG §56
AVG §68 Abs1
ECG 2001 §13
EURallg
MRK Art10
TKG 2003
TKG 2003 §117 Z17
UrhG §81 Abs1a
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwRallg
12010P/TXT Grundrechte Charta Art11
12010P/TXT Grundrechte Charta Art16
12010P/TXT Grundrechte Charta Art17 Abs2
32001L0029 Urheberrecht-RL Art8 Abs3
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art1
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs1
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs3
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs3 lita
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art4
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art5 Abs1
62012CJ0314 UPC Telekabel Wien VORAB
62018CJ0807 Telenor Magyarorszag VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020030014.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Erstmitbeteiligte (im Folgenden auch: W) vertreibt Arzneimittel und Kosmetika diverser Marken, welche sie auf der Website „www.b.com “ bewirbt.
2 Die Zweitmitbeteiligte (im Folgenden auch: H) ist Inhaberin einer Bestätigung nach § 15 TKG 2003, betreibt ein Kommunikationsnetz und erbringt Kommunikationsdienste, einschließlich Internetzugangsdienste.
3 Mit Schreiben vom 15. März 2019 forderte die W die H auf, deren Kunden keinen Zugang mehr zur unter der Domain „www.d.at “ geführten Website zu vermitteln, wenn über diese Website eine Kopie und/oder Nachahmung von Teilen des Designs der Website „www.b.com “ zur Verfügung gestellt werde. Das Layout der zuletzt genannten Website und die dort verwendeten Lichtbilder seien urheberrechtlich geschützt. Die Website „www.d.at “ stelle eine unzulässige Vervielfältigung dieses Werks dar. Zahlreiche Versuche, den Inhaber der gemeldeten Website zu kontaktieren, seien gescheitert.
4 Mit Schriftsatz vom 8. April 2019 stellte die H bei der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen Revisionswerberin, der Telekom‑Control‑Kommission (im Folgenden auch: TKK), den Antrag auf Feststellung, dass die Unterlassung der Zugangsvermittlung gegenüber ihren Kunden zur unter der Domain „d.at“ geführten Website einen Verstoß der H gegen Art. 3 Abs. 3 der VO 2015/2120 darstellen würde.
5 Mit Bescheid vom 19. August 2019 stellte die TKK fest, dass die Ergreifung von Verkehrsmanagementmaßnahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 VO (EU) 2015/2120 idF VO (EU) 2018/1971 durch die H zur Unterlassung der Zugangsvermittlung ihrer Kunden zur Website unter dem Domainnamen „www.d.at “ auf Grund von Art. 3 Abs. 3 leg. cit. unzulässig sei.
6 In der Begründung stellte die TKK ‑ nach Darlegung des Verfahrensganges ‑ im Wesentlichen Folgendes fest:
7 Die H sei Inhaberin einer Bestätigung nach § 15 TKG 2003 und biete u.a. Internetzugangsdienste an. Die W vertreibe zahlreiche Kosmetika im In‑ und Ausland, welche auch über die von ihr angemeldete Website „www.b.com “ beworben würden. Dem Begehren der W auf Durchführung einer Sperrmaßnahme in Bezug auf die Website „www.d.at “ habe die H nicht entsprochen. Eine gerichtliche Entscheidung über den Anspruch der W gegen die H hinsichtlich der Unterlassung der Zugangsvermittlung zur Website „www.d.at “ nach § 81 Abs. 1a UrhG liege nicht vor. Der Domaininhaber der Website „www.d.at “ habe auf die Aufforderungsschreiben der W nicht reagiert. Alle auf der Website „www.b.com “ (in der Version vom 19.2.2018) verwendeten Lichtbilder bis auf jene, die das Produkt darstellten, fänden sich auf zahlreichen anderen Websites. Entsprechende Beweismittel über die Urheberschaft oder die Inhaberschaft von Verwertungsrechten an den Bildern seien von der W nicht vorgelegt worden. Für die Erstellung der Website unter der Domain „www.b.com “ sei ein kostenloses Content Management System verwendet worden, welches Websitegestaltungen nach vorgefertigten Seitenbausteinen ermögliche.
8 In rechtlicher Hinsicht bejahte die TKK zunächst die Zulässigkeit des Feststellungsantrags:
9 Die H sei als Anbieterin von Internetzugangsdiensten zur Einhaltung der Vorgaben nach Art. 3 VO 2015/2120 (TSM‑VO) verpflichtet. Sie dürfe konkrete Inhalte, Anwendungen, Dienste oder Kategorien derselben grundsätzlich nicht blockieren, es sei denn dies sei nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 lit a TSM‑VO zulässig. Gemäß § 81 Abs. 1a UrhG könnten Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Unterlassung der Zugangsvermittlung zu strukturell rechtsverletzenden Websites verpflichtet werden. Die Ergreifung von Verkehrsmanagementmaßnahmen sei aber nur zulässig, wenn der Anspruch des Rechteinhabers nach § 81 Abs. 1a UrhG zu Recht bestehe oder dieses Bestehen vom ordentlichen Gericht entschieden worden sei und die Maßnahme nicht unverhältnismäßig in die Rechte des Vermittlers und der Endnutzer eingriffen. Die Ergreifung einer unzulässigen Verkehrsmanagementmaßnahme hätte die Einleitung eines amtswegigen Aufsichtsverfahrens zur Folge, in dem über die Verletzung von Art. 3 TSM‑VO abgesprochen würde. Ein Zuwiderhandeln gegen Art. 3 TSM‑VO stelle eine Verwaltungsübertretung dar, die mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 58.000 zu bestrafen sei. Die H habe daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob die Ergreifung einer Verkehrsmanagementmaßnahme im konkreten Fall nach Art. 3 Abs. 3 TSM‑VO zulässig sei. Die Behandlung dieser Rechtsfrage sei in einem anderen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahren nicht möglich, zumal ein Aufsichtsverfahren nach Art. 5 TSM‑VO erst bei ergriffener Maßnahme einzuleiten wäre. Ein Feststellungsantrag vor den ordentlichen Gerichten betreffend den Anspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG wäre unter den Voraussetzungen des § 228 ZPO möglich, würde das rechtliche Interesse der H aber nicht vollumfänglich abdecken. Dieses sei auf die umfassende Beurteilung der Frage gerichtet, ob eine konkrete Maßnahme zur Beschränkung des Zugangs zur Website gesetzt werden dürfe und ob diese unverhältnismäßige Auswirkungen für Endnutzer habe. Bei der Sicherstellung des Zugangs zum offenen Internet nach Art. 5 iVm Art. 3 TSM‑VO würden auch die Rechte aller Endnutzer von der Regulierungsbehörde von Amts wegen berücksichtigt. Die TKK entscheide zudem nicht über den Anspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG, sondern beurteile diesen als Vorfrage, um danach über die Verkehrsmanagementmaßnahme entscheiden zu können. Der Feststellungsantrag der H sei daher zulässig.
10 Inhaltlich führte die TKK im Wesentlichen Folgendes aus:
11 Gemäß Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 lit a TSM‑VO könnten Maßnahmen, wie die Sperre von Inhalten, zulässig sein, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage im Unionsrecht oder (unionsrechtskonformen) nationalen Recht vorhanden sei. Aufgrund der vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfung dürfe nur die gelindeste Verkehrsmanagementmaßnahme angewendet werden. Urheberrechtliche Sperranordnungen wie die Bestimmung des § 81 Abs. 1a UrhG würden unter die Ausnahmebestimmung des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 lit a TSM‑VO fallen. Die Beurteilung des Verbots von Zugangssperren zur Website „www.d.at “ erfordere daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die W einen tatsächlichen Anspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG gegen die H habe. Dies sei als Vorfrage iSd § 38 AVG zu beurteilen, weil eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG nicht vorliege. Die Schutzfähigkeit des Layouts der Website „www.b.com “ sei zu verneinen, weil deren grafische Gestaltung über eine handwerkliche, rein routinemäßige Handlung, die sich im Rahmen des Alltäglichen und Üblichen bewegt, nicht hinausgehe und daher kein Werk iSd § 1 UrhG sei. Hinsichtlich der sonstigen Websiteinhalte sei festzuhalten, dass die auf der Startseite verwendeten Textbausteine zum überwiegenden Teil Produktbeschreibungen über die Wirkweise von „B“ und daher keine geistige Schöpfung iSd § 1 UrhG darstellten. Die auf der Website verwendeten Lichtbilder fänden sich ‑ bis auf das Produkt selbst ‑ auf diversen anderen Websites und seien als „Stockfotografien“ einzustufen. Die Website unter der Domain „www.b.com “ sehe zumindest seit 17. Mai 2019 gänzlich anders aus und entspreche nicht mehr der Startseite jener Website, die Gegenstand der Abmahnung gewesen sei und für deren Layout der urheberrechtliche Schutz behauptet worden sei. Daher könne die Website „www.drengel.at “ nicht als strukturell urheberrechtsverletzend beurteilt werden. Bereits die Vorfrage eines Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG sei zu verneinen, weswegen die technische und rechtliche Beurteilung der Auswirkung konkreter Sperrarten zur Website „www.d.at “ unterbleiben könne.
12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ der Beschwerde der W Folge und behob den Bescheid der TKK „ersatzlos“ (Spruchpunkt A) I.). Unter Spruchpunkt A) II. wies das Verwaltungsgericht den Feststellungsantrag der H vom 8. April 2019 als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig.
13 Das Verwaltungsgericht legte den Verfahrensgang dar und stellte ergänzend fest, die Domain „www.d.at “ sei jedenfalls seit 7. Jänner 2020 nicht mehr registriert und stehe jedem zur Neuregistrierung offen. Schon seit 7. November 2019 sei unter dieser Domain keine Website mehr abrufbar. Der frühere Domaininhaber nenne sich H L aus Hongkong. Dieser sei den Aufforderungsschreiben der W nicht nachgekommen und habe auch sonst nicht reagiert. Die Beweggründe des früheren Domaininhabers, die betreffende Domain zu registrieren, dort jene Website abrufbar zu halten, in der die W eine Urheberrechtsverletzung erblicke, diese Website wieder zu löschen und die Registrierung der Domain zu beenden, seien unbekannt.
14 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, es gehe nicht davon aus, dass die Rechtsverletzungsmöglichkeit der W infolge der Löschung der Domain „www.d.at “ weggefallen sei. Verbliebe der angefochtene Bescheid im Rechtsbestand, könnte er einem allfälligen Unterlassungsanspruch der W gegen die H gemäß § 81 Abs. 1a UrhG oder dessen gerichtlicher Durchsetzung und Exekution entgegenstehen. Der Bescheid greife also dann nachteilig in die Rechtssphäre der W ein, wenn es nicht gänzlich ausgeschlossen sei, dass dieser (noch) ein Unterlassungsanspruch gegen die H zustehe. Ein Unterlassungsanspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG setze voraus, dass von dieser entweder eine Erstbegehungs‑ oder Wiederholungsgefahr eines Eingriffs in urheberrechtlich geschützte Rechtspositionen ausgehe. Der TKK und der H zufolge sei mit Löschung der Domain jede Wiederholungsgefahr eines dortigen Eingriffs in urheberrechtlich geschützte Positionen weggefallen. Zu berücksichtigen seien aber die strengen Anforderungen, welche speziell im Urheberrecht an einen Wegfall der Wiederholungsgefahr gestellt würden (Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs). Im vorliegenden Fall seien die Beweggründe des früheren Domaininhabers unbekannt. Diesem stehe es „wie jedem anderen“ frei, die Domain „www.d.at “ erneut zu registrieren, sodass er die von der W als rechtsverletzend angesehene Website erneut zugänglich machen könnte. Auch sei von einer ernsthaften Willensänderung des früheren Domaininhabers nicht auszugehen. Daher könne wegen der strengen Anforderungen der Rechtsprechung nicht mit einer eine Rechtsverletzung der W gänzlich ausschließenden Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die - nach einer einmalig erfolgten Rechtsverletzung als vorliegend vermutete - Wiederholungsgefahr des Bereitstellens der früheren Website unter der Domain „www.d.at “ durch den früheren Domaininhaber weggefallen sei. Auch aus dem Verhalten der H sei ein Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht abzuleiten. Diese nehme die Rechtsansicht ein, zur Zugangsvermittlung zur betroffenen Website berechtigt und verpflichtet zu sein, weshalb nicht von einer ernstlichen Willensänderung auszugehen sei. Die Wiederholungsgefahr sei daher nicht mit jener Sicherheit weggefallen, die es ausgeschlossen erscheinen ließe, dass die W in ihren Rechten verletzt sein könne. Es scheine folglich auch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der W ein Unterlassungsanspruch gemäß § 81 Abs. 1a UrhG zustehen könnte und dass der angefochtene Bescheid nachteilig in einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch der W und dessen gerichtlicher Durchsetzung eingreife.
15 Zum Feststellungsbegehren führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dieses sei schon deshalb unzulässig, weil es kein „notwendiges Mittel einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung oder ‑verfolgung“ darstelle. Die von der H begehrte Feststellung, dass die Unterlassung der Zugangsvermittlung zur Website „www.d.at “ eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 TSM‑VO darstellen würde, sei nicht geeignet, ihr Rechtsverhältnis zur W für die Zukunft klarzustellen. Die Zugangsvermittlung zu dieser Website könnte nämlich gemäß § 81 Abs. 1a UrhG zu untersagen sein, was die W durch Unterlassungsklage bei den ordentlichen Gerichten prüfen lassen könnte. Weiters habe die TKK den Unterlassungsanspruch aus materiell urheberrechtlichen Gründen verneint, weswegen sie die Unzulässigkeit einer Verkehrsmanagementmaßnahme festgestellt habe. Diese Feststellung kläre aber das eigentlich umstrittene Rechtsverhältnis, nämlich ob gemäß § 81 Abs. 1a UrhG ein Unterlassungsanspruch betreffend die Zugangsvermittlung zur Website besteht, nicht endgültig, weil die W trotz des Feststellungsbescheids eine urheberrechtliche Unterlassungsklage führen könnte und dies dazu führen könnte, dass die ordentlichen Gerichte die urheberrechtliche Rechtsfrage anders als die TKK beantworteten. Im Falle des Obsiegens der W mit einer Unterlassungsklage wäre die H gehalten, die Zugangsvermittlung zur Website zu unterlassen. Dies würde sogar dazu führen, dass das Verwaltungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG über Antrag wiederaufzunehmen und dort die urheberrechtliche Rechtsanschauung des Zivilgerichts zu Grunde zu legen wäre. Selbst wenn man die im Bescheid getroffene Feststellung der Unzulässigkeit der Verkehrsmanagementmaßnahme als „zweckentsprechende“ Rechtsverteidigung ansehen würde, erwiese sich ihre Erlassung nicht als „notwendig“, weil die H gemäß § 228 ZPO eine negative Feststellungsklage führen könnte. Da die H von der W ein Abmahnschreiben mit der Aufforderung, den Zugang zur genannten Website zu sperren, bekommen habe, habe die H ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG, sodass die Feststellungsklage nach § 228 ZPO zulässig scheine. Diese Klage befriedige das Rechtsschutzbedürfnis der H auch zur Gänze: Im Falle ihres Obsiegens sei endgültig geklärt, dass sie die Vermittlung des Zugangs zur Website nicht wegen eines urheberrechtlichen Anspruchs unterlassen müsse. Schließlich sei es der H auch zumutbar, eine solche negative Feststellungsklage zu führen. Sofern die H als drohenden Rechtsnachteil ein mögliches Verfahren der TKK zur Überprüfung einer erfolgten Sperre der Zugangsvermittlung zur Website nach der TSM‑VO ins Treffen führe, übersehe sie die Bindungswirkung eines rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils. Obsiege sie im negativen Feststellungsverfahren, sei klargestellt, dass gegen sie kein Unterlassungsanspruch bestehe, den Zugang zur Website zu vermitteln. Würde eine negative Feststellungsklage hingegen abgewiesen, hätte das Zivilgericht den Unterlassungsanspruch der W bejaht. An diese urheberrechtliche Entscheidung wäre auch die TKK bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Sperre gebunden. Die Sperre wäre dann keine unzulässige Verkehrsmanagementmaßnahme nach der TSM‑VO und die H müsse kein Strafverfahren befürchten, weil sie die Zugangsvermittlung zur Website aufgrund eines Gerichtsurteils unterlasse.
16 Schließlich bilde die TSM‑VO keine Grundlage für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Inhalten. Aus Art. 3 Abs. 1 letzter Satz, Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 lit a und Art. 5 Abs. 4 TSM‑VO sowie Erwägungsgrund 6 gehe hervor, dass die TSM‑VO einer Inhaltskontrolle aufgrund anderer Rechtsvorschriften und durch andere Behörden nicht entgegenstehen solle, soweit diese unionsrechtskonform seien. Da keine Hinweise darauf bestünden, dass die hier in Frage kommende Inhaltskontrolle der Zivilgerichte nach den Vorschriften des Urheberrechts nicht unionsrechtskonform sei, dürfe die TSM‑VO keine Grundlage einer solchen bilden. Der angefochtene Bescheid sei daher auch aus diesem Grund rechtswidrig.
17 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis von urheberrechtlichen Unterlassungsverpflichtungen zu dem Vermittlern von Internetzugängen auferlegten Verbot von Verkehrsmanagementmaßnahmen gemäß Art. 3 TSM‑VO fehle. Insbesondere fehle es an Rechtsprechung, ob die Möglichkeit eines Internetzugangsvermittlers, eine negative Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO zu erheben, zur Unzulässigkeit eines an die TKK gerichteten Feststellungsbegehrens führe.
18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte ordentliche Revision (Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet), über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
19 Die Revision ist im Sinne der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts zulässig. Sie ist auch begründet.
20 Im Revisionsfall hatte sich die seitens der W (der Erstmitbeteiligten im Revisionsverfahren) mit einer Aufforderung zur Unterlassung zur Zugangsvermittlung („Sperre“) zu einer Website konfrontierte H (die Zweitmitbeteiligte im Revisionsverfahren) mit einem Feststellungsantrag an die TKK zwecks Klarstellung gewandt, ob bzw. dass die Sperre einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 der TSM‑VO darstellen würde. Ein solcher Verstoß läge fallbezogen dann nicht vor, wenn der W ein Unterlassungsanspruch gegen die H nach § 81 Abs. 1a UrhG zukäme und es sich dabei um eine ‑ mit dem Unionsrecht in Einklang stehende ‑ nationale Rechtsvorschrift iSd Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der TSM‑VO handelt, der die H als Internetzugangsanbieter entsprechen muss.
Strittig ist, ob eine Rechtsgrundlage dafür besteht, dass die TKK ‑ als Aufsichtsbehörde ‑ darüber mittels Feststellungsbescheid abzusprechen hat.
21 Vor diesem Hintergrund sind im Revisionsfall folgende Rechtsvorschriften von Bedeutung:
22 Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zu Endkundenentgelten für regulierte intra‑EU‑Kommunikation sowie zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG und der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 idF der Verordnung (EU) 2018/1971 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 (iF auch: TSM‑VO):
„(Erwägungen)
(1) Mit dieser Verordnung sollen gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und damit verbundener Rechte der Endnutzer geschaffen werden. Mit der Verordnung sollen die Endnutzer geschützt und es soll gleichzeitig gewährleistet werden, dass das ‚Ökosystem‘ des Internets weiterhin als Innovationsmotor funktionieren kann.
...
(3) Das Internet hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer offenen Plattform für Innovation mit niedrigen Zugangsschranken für Endnutzer, Anbieter von Inhalten, Anwendungen und Diensten sowie Anbieter von Internetzugangsdiensten entwickelt. Der bisherige Rechtsrahmen zielt darauf ab, Endnutzern die Möglichkeit zu geben, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten bzw. Anwendungen und Dienste ihrer Wahl zu nutzen. Sehr viele Endnutzer sind jedoch von einer Verkehrsmanagementpraxis betroffen, die bestimmte Anwendungen oder Dienste blockiert oder verlangsamt. Diese Tendenzen erfordern gemeinsame Regeln auf Unionsebene, damit gewährleistet ist, dass das Internet offen bleibt und es nicht zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts durch individuelle Maßnahmen der Mitgliedstaaten kommt.
...
(6) Endnutzer sollten das Recht haben, über ihren Internetzugangsdienst ohne Diskriminierung Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten und Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen. Die Ausübung dieses Rechts sollte unbeschadet des Unionsrechts und des mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Rechts zur Regelung der Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten erfolgen. Mit dieser Verordnung wird nicht angestrebt, die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten oder der damit verbundenen Verfahren, Anforderungen und Sicherheitsmechanismen zu regeln. Diese Angelegenheiten fallen somit weiterhin unter das Unionsrecht oder unter im Einklang mit dem Unionsrecht stehendes nationales Recht.
...
| (11) Jede Verkehrsmanagementpraxis, die über solche angemessenen Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgeht indem sie eine Blockierung, Verlangsamung, Veränderung, Beschränkung, Störung, Schädigung oder Diskriminierung je nach spezifischen Inhalten, Anwendungen oder Diensten oder spezifischen Kategorien derselben vornimmt, sollte ‑ vorbehaltlich begründeter und genau festgelegter Ausnahmen nach Maßgabe dieser Verordnung ‑ verboten werden. Diese Ausnahmen sollten einer strengen Auslegung und strengen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit unterliegen. Bestimmte Inhalte, Anwendungen und Dienste, wie auch bestimmte Kategorien derselben, sollten geschützt werden wegen der negativen Auswirkungen, die eine Blockierung oder andere, nicht unter die begründeten Ausnahmen fallende Beschränkungsmaßnahmen auf die Wahl der Endnutzer und die Innovation haben. ... |
...
(12) Verkehrsmanagementmaßnahmen, die über die oben angegebenen angemessenen Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgehen, sollten nur soweit und so lange angewandt werden können, wie es erforderlich ist, um den in dieser Verordnung vorgesehenen begründeten Ausnahmen zu entsprechen.
(13) Erstens können Situationen entstehen, in denen Internetzugangsanbieter Gesetzgebungsakten der Union oder nationalen Rechtsvorschriften unterliegen, die mit dem Unionsrecht im Einklang stehen (beispielsweise die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten, oder die öffentliche Sicherheit betreffend), einschließlich strafrechtlicher Vorschriften, die beispielsweise die Blockierung bestimmter Inhalte, Anwendungen oder Dienste vorschreiben. Außerdem können Situationen entstehen, in denen diese Anbieter Maßnahmen, die mit dem Unionsrecht im Einklang stehen, zur Umsetzung oder Anwendung von Gesetzgebungsakten der Union oder nationalen Rechtsvorschriften unterliegen ‑ wie etwa Maßnahmen mit allgemeiner Geltung, gerichtlichen Anordnungen, Entscheidungen von mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteten Behörden ‑ oder anderen Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Gesetzgebungsakte der Union oder nationalen Rechtsvorschriften (beispielsweise Verpflichtungen zur Befolgung gerichtlicher oder behördlicher Anordnungen über die Blockierung unrechtmäßiger Inhalte). Die Anforderung der Einhaltung des Unionsrechts bezieht sich unter anderem auf die Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden ‚die Charta‘) in Bezug auf Einschränkungen der Grundrechte und -freiheiten. Gemäß der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates dürfen Maßnahmen, die diese Grundrechte und -freiheiten einschränken können, nur dann auferlegt werden, wenn sie im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft angemessen, verhältnismäßig und notwendig sind, und ist ihre Anwendung angemessenen Verfahrensgarantien im Sinne der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu unterwerfen, einschließlich des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren.
...
(19) Die nationalen Regulierungsbehörden spielen eine entscheidende Rolle, um sicherzustellen, dass Endnutzer ihre Rechte nach dieser Verordnung wirksam ausüben können und dass die Vorschriften zur Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet beachtet werden. Dementsprechend sollten die nationalen Regulierungsbehörden Überwachungs‑ und Berichterstattungspflichten haben und sicherstellen, dass Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich Anbietern von Internetzugangsdiensten, ihre Verpflichtungen zur Gewährleistung des offenen Internets einhalten. Dazu gehört unter anderem die Verpflichtung, ausreichende Netzkapazität für die Bereitstellung von diskriminierungsfreien Internetzugangsdiensten von hoher Qualität zu gewährleisten, deren allgemeine Qualität nicht deshalb beeinträchtigt sein sollte, weil andere Dienste, die keine Internetzugangsdienste sind, mit einem spezifischen Qualitätsniveau bereitgestellt werden. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten auch befugt sein, allen oder einzelnen Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation Anforderungen an technische Merkmale, Mindestanforderungen an die Dienstqualität und andere geeignete Maßnahmen vorzuschreiben, wenn dies erforderlich ist, um die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung zur Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet sicherzustellen oder eine Verschlechterung der allgemeinen Dienstqualität von Internetzugangsdiensten für Endnutzer zu verhindern. Dabei sollten die nationalen Regulierungsbehörden den einschlägigen GEREK‑Leitlinien weitestgehend Rechnung tragen.
...
(33) Diese Verordnung wahrt die Grundrechte und Grundsätze, die insbesondere in der Charta niedergelegt sind, vor allem den Schutz personenbezogener Daten, die Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, die unternehmerische Freiheit, die Nichtdiskriminierung und den Verbraucherschutz.
...
Artikel 1
Gegenstand und Geltungsbereich
(1) In dieser Verordnung werden gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Verkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und der damit verbundenen Rechte der Endnutzer festgelegt.
...
Artikel 3
Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet
(1) Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.
Dieser Absatz lässt das Unionsrecht und das mit dem Unionsrecht im Einklang stehende nationale Recht in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten unberührt.
...
(3) Anbieter von Internetzugangsdiensten behandeln den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, sowie unabhängig von Sender und Empfänger, den abgerufenen oder verbreiteten Inhalten, den genutzten oder bereitgestellten Anwendungen oder Diensten oder den verwendeten Endgeräten.
Unterabsatz 1 hindert die Anbieter von Internetzugangsdiensten nicht daran, angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen anzuwenden. Damit derartige Maßnahmen als angemessen gelten, müssen sie transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein und dürfen nicht auf kommerziellen Erwägungen, sondern auf objektiv unterschiedlichen technischen Anforderungen an die Dienstqualität bestimmter Datenverkehrskategorien beruhen. Mit diesen Maßnahmen darf nicht der konkrete Inhalt überwacht werden, und sie dürfen nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden.
Anbieter von Internetzugangsdiensten wenden keine Verkehrsmanagementmaßnahmen an, die über die Maßnahmen gemäß Unterabsatz 2 hinausgehen; insbesondere dürfen sie nicht bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste ‑ oder bestimmte Kategorien von diesen ‑ blockieren, verlangsamen, verändern, einschränken, stören, verschlechtern oder diskriminieren, außer soweit und solange es erforderlich ist, um
a) Gesetzgebungsakten der Union oder mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Rechtsvorschriften, denen der Internetzugangsanbieter unterliegt, oder mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden Maßnahmen zur Umsetzung dieser Gesetzgebungsakte der Union oder dieser nationalen Rechtsvorschriften zu entsprechen, einschließlich Verfügungen von Gerichten oder Behörden, die über die entsprechenden Befugnisse verfügen;
...
Artikel 5
Aufsicht und Durchsetzung
(1) Die nationalen Regulierungsbehörden überwachen genau und stellen sicher, dass Artikel 3 und 4 des vorliegenden Artikels eingehalten werden, und fördern die kontinuierliche Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzugangsdiensten auf einem Qualitätsniveau, das den Fortschritt der Technik widerspiegelt. Für diese Zwecke können die nationalen Regulierungsbehörden Anforderungen an technische Merkmale, Mindestanforderungen an die Dienstqualität und sonstige geeignete und erforderliche Maßnahmen für einen oder mehrere Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Anbieter von Internetzugangsdiensten, vorschreiben.
...
(3) Um einen Beitrag zur einheitlichen Anwendung dieser Verordnung zu leisten, gibt das GEREK spätestens bis zum 30. August 2016, nach Anhörung der Interessenträger und in enger Zusammenarbeit mit der Kommission, Leitlinien für die Umsetzung der Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden nach diesem Artikel heraus.
(4) Dieser Artikel lässt die Aufgaben unberührt, die die Mitgliedstaaten den nationalen Regulierungsbehörden oder anderen zuständigen Behörden nach Maßgabe des Unionsrechts übertragen haben.
...
Artikel 6
Sanktionen
Die Mitgliedstaaten erlassen für Verstöße gegen die Artikel 3, 4 und 5 Vorschriften über Sanktionen und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. ...“
23 Das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) hat gemäß Art. 5 Abs. 3 TSM‑VO im August 2016 Leitlinien für die Umsetzung der Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 5 TSM-VO („Guidelines on the Implementation of the Open Internet Regulation“) erstellt und sie am 11. Juni 2020 aktualisiert. Darin [BoR (20) 112] wird zu Art. 3 der TSM‑VO u.a. Folgendes ausgeführt:
„Safeguarding of open internet access
...
21. BEREC considers that the Regulation does not require an ex ante authorisation in relation to commercial practices (Article 3(2)), traffic management practices (Article 3(3)) or specialised services (Article 3(5)). However, this should not preclude exchanges between NRAs and market players in relation to these issues, nor does it preclude NRAs from drawing on their obligations or powers to intervene under Article 5.
...
Legislation related to the lawfulness of the content, applications or services
28. Article 3(1) second subparagraph specifies that Union law, and national law that complies with Union law, related to the lawfulness of content, applications or services still applies. The Regulation does not seek to regulate the lawfulness of the content, applications or services (ref. Recital 6).
29. Whereas Article 3(1) second subparagraph contains a clarification with regard to the applicability of such legislation, Article 3(3) (a) provides for an exception for ISPs to implement measures going beyond reasonable traffic management measures in order to comply with legislation or measures as specified in that exception.
...
Article 3(3) (a) Union and national legislation
81. If an ISP applies traffic management measures which cannot be regarded as reasonable, NRAs should assess whether an ISP does so because it has to do so for legal reasons, namely to comply with the legislation or measures by public authorities specified in that exception.
82. As explained in Recital 13, such legislation or measures must comply with the requirements of the Charter of Fundamental Rights, and notably Article 52 which states in particular that any limitation of the rights and freedoms recognised by the Charter must be provided for by law and respect the essence of those rights and freedoms.“
24 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. Nr. L 167 vom 22.6.2001, S. 10, in der Fassung der Richtlinie (EU) 2019/790 , ABl. Nr. L 130 vom 17.5.2019, S. 92 (iF: Info‑RL):
„(Erwägungen)
...
(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
...
(59) Insbesondere in der digitalen Technik können die Dienste von Vermittlern immer stärker von Dritten für Rechtsverstöße genutzt werden. Oftmals sind diese Vermittler selbst am besten in der Lage, diesen Verstößen ein Ende zu setzen. Daher sollten die Rechtsinhaber - unbeschadet anderer zur Verfügung stehender Sanktionen und Rechtsbehelfe - die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler zu beantragen, der die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk oder einen anderen Schutzgegenstand in einem Netz überträgt. Diese Möglichkeit sollte auch dann bestehen, wenn die Handlungen des Vermittlers nach Artikel 5 freigestellt sind. Die Bedingungen und Modalitäten für eine derartige gerichtliche Anordnung sollten im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden.
...
Artikel 3
Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände
(1)Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
...
Artikel 8
Sanktionen und Rechtsbehelfe
(1) Die Mitgliedstaaten sehen bei Verletzungen der in dieser Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vor und treffen alle notwendigen Maßnahmen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die betreffenden Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
...
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.“
25 Art. 3 und 11 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. Nr. L 157 vom 30.4.2004, S. 45 (iF: Durchsetzungs‑RL), lauten:
„Artikel 3
Allgemeine Verpflichtung
(1) Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.
(2) Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.
...
Artikel 11
Gerichtliche Anordnungen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt. Sofern dies nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, werden im Falle einer Missachtung dieser Anordnung in geeigneten Fällen Zwangsgelder verhängt, um die Einhaltung der Anordnung zu gewährleisten. Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.“
26 Art. 12 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1, lautet:
„Artikel 12
Reine Durchleitung
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich ist, sofern er
a) die Übermittlung nicht veranlaßt,
b) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählt und
c) die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert.
...
(3) Dieser Artikel läßt die Möglichkeit unberührt, daß ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern.“
27 Die maßgeblichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), BGBl. Nr. 111/1936 idF BGBl. I Nr. 105/2018, lauten auszugsweise:
„I. Hauptstück.
Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst.
I. Abschnitt.
Das Werk.
Werke der Literatur und der Kunst.
§ 1. (1) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind eigentümliche geistige Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst.
(2) Ein Werk genießt als Ganzes und in seinen Teilen urheberrechtlichen Schutz nach den Vorschriften dieses Gesetzes.
...
Werke der bildenden Künste.
§ 3. (1) Zu den Werken der bildenden Künste im Sinne dieses Gesetzes gehören auch die Werke der Lichtbildkunst (Lichtbildwerke), der Baukunst und der angewandten Kunst (des Kunstgewerbes).
...
III. Abschnitt
Das Urheberrecht.
...
Vervielfältigungsrecht.
§ 15. (1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, das Werk - gleichviel in welchem Verfahren, in welcher Menge und ob vorübergehend oder dauerhaft - zu vervielfältigen.
...
Zurverfügungstellungsrecht
§ 18a. (1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
(2) Wenn sich dieses Gesetz des Ausdrucks ‚ein Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen‘ oder ‚öffentliche Zurverfügungstellung eines Werkes‘ bedient, ist darunter nur die dem Urheber nach Abs. 1 vorbehaltene Verwertung zu verstehen.
...
III. Hauptstück.
Rechtsdurchsetzung
I. Abschnitt.
Zivilrechtliche Vorschriften.
Unterlassungsanspruch.
§ 81. (1) Wer in einem auf dieses Gesetz gegründeten Ausschließungsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, kann auf Unterlassung klagen. Der Inhaber eines Unternehmens kann hierauf auch dann geklagt werden, wenn eine solche Verletzung im Betrieb seines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen worden ist oder droht; § 81 Abs. 1a gilt sinngemäß.
(1a) Bedient sich derjenige, der eine solche Verletzung begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann auch dieser auf Unterlassung nach Abs. 1 geklagt werden. Wenn, bei diesem die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit nach den §§ 13 bis 17 ECG vorliegen, kann er jedoch erst nach Abmahnung geklagt werden.“
28 Mit der Urheberrechtsgesetz‑Novelle 2003, BGBl. I Nr. 32/2003, wurde das Urheberrechtsgesetz an die Info-RL angepasst.Zu § 81 Abs. 1a UrhG führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (40 BlgNR 22. GP , 42) Folgendes aus:
„Art. 8 Abs. 3 Info‑RL sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts genutzt werden.
Durch den Begriff der ‚gerichtlichen Anordnungen‘ im Sinn dieser Bestimmung werden der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch des Urheberrechtsgesetzes berührt. In den entsprechenden Bestimmungen wurde daher sichergestellt, dass diese Ansprüche auch gegen Vermittler im Sinn des Art. 8 Abs. 3 Info‑RL geltend gemacht werden können. Auch hier ist zur Bedeutung des Begriffs des ‚Vermittlers‘ zu bemerken, dass diese nicht nach der innerstaatlichen Terminologie zu bestimmen ist, sondern nach dem Verständnis der Info‑RL: Sowohl aus dem Erwägungsgrund 59 als auch der Entstehungsgeschichte der Richtlinie ergibt sich, dass Art. 8 Abs. 3 Info‑RL eine Ergänzung zum Art. 5 Abs. 1 lit. a Info‑RL ist und dass damit primär an Vermittler im Sinn der letztgenannten Bestimmung gedacht ist; es geht dort um die Übertragung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler.“
29 Die maßgeblichen Bestimmungen des E‑Commerce‑Gesetzes (ECG), BGBl. I Nr. 152/2001 idF BGBl. I Nr. 34/2015, lauten auszugsweise wie folgt:
„1. Abschnitt
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
...
Begriffsbestimmungen
§ 3. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten:
...
2. Diensteanbieter: eine natürliche oder juristische Person oder sonstige rechtsfähige Einrichtung, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellt;
...
5. Abschnitt
Verantwortlichkeit von Diensteanbietern
Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Durchleitung
§ 13. (1) Ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, ist für die übermittelten Informationen nicht verantwortlich, sofern er
1. die Übermittlung nicht veranlasst,
2. den Empfänger der übermittelten Informationen nicht auswählt und
3. die übermittelten Informationen weder auswählt noch verändert.
(2) Die Übermittlung von Informationen und die Vermittlung des Zugangs im Sinn des Abs. 1 umfassen auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung der übermittelten Informationen, soweit diese Zwischenspeicherung nur der Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz dient und die Information nicht länger gespeichert wird, als es für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.
...
Weitergehende Vorschriften
§ 19. (1) Die §§ 13 bis 18 lassen gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Diensteanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt.
(2) Abs. 1 sowie die §§ 13 bis 18 sind auch auf Anbieter anzuwenden, die unentgeltlich elektronische Dienste bereitstellen.“
30 Die einschlägigen Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003), BGBl. I Nr. 70/2003 idF BGBl. I Nr. 111/2018, lauten auszugsweise wie folgt:
„13. Abschnitt
Strafbestimmungen
...
Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 109. ...
(4) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer
...
10. den Artikeln 3, 4 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 oder Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2120 zuwiderhandelt.
...
14. Abschnitt
Behörden
...
Aufgaben
§ 117. Der Telekom-Control-Kommission sind folgende Aufgaben zugewiesen:
...
17. Entscheidung über geeignete und erforderliche Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 im Einzelfall.“
Domain-Vergabe:
31 In Österreich erfolgt die Vergabe von Domains unterhalb der Top‑Level Domain „.at“ ausschließlich durch die zentrale Vergabe‑ und Registrierungsstelle n GmbH. Für sämtliche Dienstleistungen, die die n GmbH gegenüber ihren Vertragspartnern erbringt (einschließlich der Registrierung und Kündigung einer Domain) gelten die von ihr verfassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die AGB (in der Version 3.2. mit Stand 16.5.2018) lauten ‑ soweit für den vorliegenden Fall relevant ‑ wie folgt:
„1.3. Domaininhaber
Domain-Inhaber ist derjenige Berechtigte (natürliche oder juristische Person), der gegenüber n Träger aller Rechte und Pflichten an dieser Domain ist. ...
3.7. Vertragsdauer und Kündigung einer Domain
Der Vertrag kommt mit der Annahme durch n in Form der Delegation der Domain zu Stande (§ 864 ABGB). Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
Die Kündigung einer Domain kann jederzeit, spätestens aber einen Tag vor Beginn des nächsten Leistungszeitraumes, durch Mitteilung des Domain‑Inhabers an die n erfolgen. n kann die Vorlage einer schriftlichen oder fernschriftlichen Bestätigung des bisherigen Domain-Inhabers verlangen.
Die Kündigung wird sofort oder, sofern bei Ausspruch der Kündigung vom Domain-Inhaber ausdrücklich gewünscht, mit Ablauf des aktuellen Leistungszeitraumes wirksam. Offene Forderungen, die zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bereits entstanden sind, bleiben bestehen. ...
3.8. Widerruf der Delegation
Die Delegation einer Domain kann aus wichtigen Gründen, insbesondere unter folgenden Bedingungen, von n widerrufen werden:
- auf Grund technischer Probleme mit dieser Domain (z.B. Nameserver sind nicht funktionsfähig) trotz erfolgter Aufforderung, diesen Zustand zu beseitigen,
- Nichtbezahlung von fälligen Entgelten (...) oder sonstigen offenen Forderungen,
- wegen mangelhafter Angaben zum Domain-Inhaber (siehe 1.3.),
- wegen einer rechtswirksamen und in Österreich vollstreckbaren Entscheidung eines Gerichts oder Schiedsgerichts sowie auf Anweisung einer zuständigen Behörde. ...“
32 Die Folgen einer Kündigung oder eines Widerrufs einer Domain werden von der n GmbH im Rahmen ihrer FAQs (abrufbar unter: https://www.n.at/de/so ‑funktioniert‑at/faqs/rechtliche‑fragen [letzter Zugriff am 15.10.2020]) wie folgt beschrieben:
„Wenn eine .at-Domain gesperrt wurde, bedeutet das, dass diese technisch nicht mehr funktionsfähig ist. Das heißt, weder Website noch E‑Mail oder andere Internet-Dienste können unter dieser Domain laufen und abgerufen werden. Gelöschte Domains erscheinen in der Whois‑Abfrage als ‚wieder zur Vergabe frei‘ auf. Die Dauer der technischen Sperre beträgt ca. acht Wochen. In dieser Zeit scheint noch der derzeitige Domain-Inhaber in der Whois‑Abfrage auf und die .at-Domain ist mit ‚Pending Delete‘ gekennzeichnet. Nach Ablauf der Sperre wird die Domain gelöscht und kann erneut nach dem ‚First come, first served‘‑Prinzip vergeben werden. Ob eine Domain frei ist, kann man auf der n-Website mittels Whois‑Abfrage abfragen.
n sperrt und löscht .at-Domains entweder auf Kundenwunsch (bei einer Kündigung durch den Inhaber) oder aus folgenden möglichen Gründen (siehe auch AGB Punkt 3.8. Widerruf einer Registrierung): (...).“
33 Ausgangspunkt des Revisionsverfahrens ist ein Unterlassungsbegehren eines Unternehmens, das behauptet, durch den Inhalt einer Website in seinen Urheberrechten verletzt zu sein, weshalb es vom Access-Provider die Unterlassung der Zugangsvermittlung zur Website („Sperre“) verlangt. Dieser vertritt die Auffassung, die Sperre sei unzulässig. Er habe ein rechtliches Interesse an der Klärung dieser Frage und ruft deshalb die Regulierungsbehörde mittels Feststellungsantrag an. Diese bejaht die Zulässigkeit des Feststellungsantrags, verneint das Bestehen eines urheberrechtlichen Anspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG und stellt dementsprechend fest, dass eine Sperre (als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 der TSM-VO) unzulässig wäre. Über die Beschwerde des Rechtsinhabers hat das Verwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis entschieden: Zwar sei ungeachtet der zwischenzeitigen Löschung der Domain zur Website von einer weiter bestehenden Beschwer auszugehen, der Feststellungsantrag sei aber unzulässig.
Im Revisionsverfahren macht die Revisionswerberin im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht hätte wegen der Löschung der Domain das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos einstellen müssen; entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei zudem (aus den im behördlichen Bescheid dargelegten Gründen) das Feststellungsinteresse zu bejahen gewesen.
34 Vor diesem Hintergrund ist einleitend Folgendes klarzustellen:
Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden
35 Die Erlassung eines Feststellungsbescheids ist nur dann zulässig, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheids aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens entschieden werden kann, ist die Erlassung eines Feststellungsbescheids infolge des Grundsatzes der Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden überhaupt unzulässig (vgl. VwGH 24.9.2019, Ra 2019/03/0038; 20.12.2016, Ro 2015/15/0023, je mwN). Unzulässig ist ein Feststellungsbescheid, wenn die geltend gemachten, ein rechtliches Interesse begründenden Umstände nicht vorliegen; das Fehlen eines derartigen Interesses führt dazu, dass der Feststellungsantrag zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 28.3.2008, 2005/12/0011, mwN). Die Zulässigkeit einer Feststellungsentscheidung als notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich Parteien im Fall, als sie die Rechtslage ungeklärt lassen, der Gefahr einer Bestrafung aussetzen (vgl. VwGH 1.3.2017, Ra 2016/03/0096, mwN). Ein rechtliches Interesse muss im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. der angefochtenen Entscheidung (noch) bestehen. Eine an ein - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis muss der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (vgl. VwGH 22.12.2010, 2009/08/0277, mwN).
Verhältnis Vorfrage - Hauptfrage; Bindungswirkung
36 Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, u.a. berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
37 Bei einer Vorfrage iSd § 38 AVG muss es sich um eine Frage handeln, die von einer anderen Behörde bzw. einem Gericht als Hauptfrage zu entscheiden ist, zumal der besondere prozessökonomische Sinn der Vorschrift des § 38 AVG nur dann erreicht werden kann, wenn die andere Entscheidung, deren Ergehen abgewartet wird, in der Folge die Behörde bindet, wobei eine solche Bindungswirkung jedoch immer nur eine Entscheidung über eine Hauptfrage entfaltet. Die gegenseitige Bindung der Gerichte und der Verwaltungsbehörden erstreckt sich nur so weit, wie die Rechtskraft reicht, d.h. sie erfasst nur den Inhalt des Spruchs, nicht aber die Entscheidungsgründe (vgl. VwGH 30.1.2013, 2012/03/0072, 23.11.2017, Ra 2017/22/0081, mwN).
Rechtsschutzinteresse als (Prozess-)Voraussetzung für inhaltliche Entscheidung
38 Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist, wie sich aus § 33 Abs. 1 VwGG ergibt, das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. In diesem Fall ist das verwaltungsgerichtliche Verfahrens im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden einzustellen. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens. Die danach maßgeblichen Kriterien für das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Beschwerde bzw. einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurden auch schon auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen (vgl. zum Ganzen VwGH 23.9.2019, Ra 2019/03/0106, mwN).
Maßgebliche Sach- und Rechtslage
39 Das Verwaltungsgericht hat, entscheidet es in der Sache selbst, seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten, weshalb allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage zu berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung). Es entspricht gleichfalls ständiger Judikatur, dass sich die Wirkungen eines Feststellungsbescheids nur auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheids beziehen können, und dass die Bindungswirkungen eines rechtskräftigen Bescheids nur innerhalb der Grenzen der Rechtskraft bestehen, sohin nicht im Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage. Die Rechtskraft eines Feststellungsbescheids gilt immer nur für den entschiedenen Sachverhalt, d.h. für eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage. Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids ist somit (schon) dann nicht mehr gegeben, wenn entweder die Sach- oder die Rechtslage in maßgebenden Punkten geändert wird (vgl. VwGH 24.4.2019, Ra 2018/03/0051, mwN).
Zur TSM‑VO/Websitesperren
40 Die VO 2015/2120 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet (TSM‑VO) ist am 29. November 2015 in Kraft getreten (vgl. Art. 10 Abs. 1 TSM-VO). Ihr Ziel ist (u.a.) die Schaffung gemeinsamer Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und damit verbundener Rechte der Endnutzer(vgl. den ersten Erwägungsgrund der TSM‑VO bzw. Art. 1). Da sehr viele Endnutzer von einer Verkehrsmanagementpraxis betroffen sind, die bestimmte Anwendungen oder Dienste blockiert oder verlangsamt, soll mit der TSM‑VO auf Unionsebene gewährleistet werden, dass das Internet offen bleibt und es nicht zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts durch individuelle Maßnahmen der Mitgliedstaaten kommt (vgl. den dritten Erwägungsgrund der TSM‑VO).
41 Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO räumt Endnutzern das Recht ein, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen. Das Unionsrecht und das mit dem Unionsrecht im Einklang stehende nationale Recht in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten bleibt dadurch unberührt. Dementsprechend wird mit der TSM‑VO nicht angestrebt, die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten zu regeln (vgl. den sechsten Erwägungsgrund der TSM‑VO).
42 Art. 3 Abs. 3 TSM‑VO bestimmt, dass Verkehrsmanagementmaßnahmen (dazu gehören u.a. das Blockieren oder Einschränken von Inhalten, Anwendungen oder Diensten) von Internetanbietern nach Art. 3 Abs. 3 TSM‑VO grundsätzlich nicht durchgeführt werden dürfen. Solche Maßnahmen sind gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. a TSM‑VO aber dann zulässig, wenn („soweit und solange“) dies zur Entsprechung von unionsrechtlichen oder im Einklang mit Unionsrecht stehenden nationalen Rechtsvorschriften (einschließlich gerichtlicher oder behördlicher Verfügungen) erforderlich ist.
43 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat dazu ausgesprochen, dass aus Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 TSM‑VO hervorgeht, dass alle Maßnahmen, die darin bestehen, u.a. bestimmte Anwendungen oder Dienste zu blockieren, zu verlangsamen, zu verändern, einzuschränken, zu stören, zu verschlechtern oder zu diskriminieren ‑ es sei denn, sie wurden für gewisse Zeit getroffen und sind erforderlich, um es einem Anbieter von Internetzugangsdiensten zu ermöglichen, einer gesetzlichen Verpflichtung zu entsprechen, die Integrität und die Sicherheit des Netzes zu wahren oder dessen Überlastung zu verhindern oder zu beheben -, nicht als angemessen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 TSM‑VO angesehen werden können und daher als solche als mit dieser Bestimmung unvereinbar einzustufen sind (vgl. EuGH 15.9.2020, Rs C‑807/18 und C‑39/19, Telenor Magyarország Zrt., Rz. 49).
44 Zudem ist zu beachten, dass das Blockieren einer im Internet abrufbaren Website auch einen Eingriff in die durch Art. 10 EMRK geschützten Rechte darstellt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in diesem Zusammenhang betont, dass sich das Internet dank seiner Zugänglichkeit und seiner Fähigkeit, große Mengen an Informationen zu speichern und zu übermitteln, zu einem der wichtigsten Mittel entwickelt hat, mit dem Einzelpersonen ihr Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit und auf Informationsfreiheit ausüben. Das Internet stellt wesentliche Hilfsmittel für die Beteiligung an Aktivitäten und Diskussionen betreffend politische Themen und Angelegenheiten von allgemeinem Interesse bereit, verbessert den Zugang zu Nachrichten für die Öffentlichkeit und erleichtert die Informationsverbreitung im Allgemeinen. Art. 10 EMRK garantiert „jeder Person“ die Freiheit, Informationen und Ideen zu empfangen und weiterzugeben. Dies gilt nicht nur für den Inhalt der Information, sondern auch für die Mittel, mit denen die Information verbreitet wird, weil jede Einschränkung der Mittel notwendigerweise einen Eingriff in diese Freiheit darstellt.Maßnahmen, die den Zugang zu Websites blockieren, haben zwangsläufig einen Einfluss auf den Zugang zum Internet und begründen daher die Verantwortung des betreffenden Staates gemäß Art. 10 EMRK (vgl. EGMR 23.6.2020, Bulgakov/Russland, Nr. 20159/15, Rz. 28f [noch nicht endgültig]).
45 Weiters hat der EGMR festgehalten, dass eine umfassende Zugangssperre zu einer gesamten Website eine extreme Maßnahme darstellt, die mit dem Verbot einer Zeitung oder einer Fernsehstation vergleichbar ist. Eine solche Maßnahme lässt die Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Informationen, die auf einer Website abrufbar sein können, bewusst außer Acht und macht somit große Mengen an Inhalten, die nicht für unrechtmäßig befunden wurden, unzugänglich. Sperrt man den Zugang zur IP‑Adresse einer Website, hat dies zur Folge, dass der Umfang der Sperranordnung weit über den unrechtmäßigen Inhalt hinausgeht, auf den ursprünglich abgezielt wurde (vgl. EGMR 23.6.2020, Bulgakov/Russland, Nr. 20159/15, Rz. 34). Jede unterschiedslose Sperrmaßnahme, die ‑ als Nebeneffekt zu einer auf illegale Inhalte oder Websites abzielende Maßnahme ‑ rechtmäßige Inhalte oder Websites beschränkt, stellt eine willkürliche Beeinträchtigung der Rechte der Inhaber solcher Websites dar (vgl. EGMR 23.6.2020, OOO Flavus u.a./Russland, Nr. 12468/15, Rz. 38 [noch nicht endgültig]).
Zu den Kompetenzen der TKK im Zusammenhang mit der TSM-VO
46 Gemäß Art. 5 TSM-VO („Aufsicht und Durchsetzung“) haben die nationalen Regulierungsbehörden die Einhaltung von Art. 3 und 4 zu überwachen und sicherzustellen sowie die kontinuierliche Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzugangsdiensten auf einem dem Stand der Technik entsprechenden Qualitätsniveau zu fördern. „Für diese Zwecke“ können sie nicht nur Anforderungen an technische Merkmale und Mindestanforderungen an die Dienstequalität festlegen, sondern auch „sonstige geeignete und erforderliche Maßnahmen“ vorschreiben. Gemäß § 117 Z 17 TKG 2003 obliegt die Entscheidung über geeignete und erforderliche Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 TSM‑VO im Einzelfall der TKK.
47 Die GEREK‑Leitlinien halten zur Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 lit. a TSM‑VO fest, dass dann, wenn ein Internetzugangsanbieter Verkehrsmanagementmaßnahmen anwendet, die nicht als angemessen betrachtet werden können, die nationalen Regulierungsbehörden prüfen sollten, ob der Internetzugangsanbieter dies tut, weil er aus rechtlichen Gründen dazu verpflichtet ist, um die in der betreffenden Ausnahme genannten Rechtsvorschriften oder Maßnahmen von Behörden einzuhalten. Wie in Erwägungsgrund 13 dargelegt, müssen solche Rechtsvorschriften oder Maßnahmen den Anforderungen der Charta der Grundrechte (GRC) und insbesondere Art. 52 GRC entsprechen, wonach jede Einschränkung der in der GRC anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss (vgl. Rz. 81f). Die rechtlichen Bestimmungen betreffend die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten bleiben durch die TSM‑VO jedoch, wie bereits erwähnt, unberührt (vgl. Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO).
Urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch
48 Das Layout einer Website ist als Gebrauchsgraphik als Werk der bildenden Künste iSd § 3 Abs. 1 UrhG geschützt, wenn es sich dabei um eine individuelle Schöpfung handelt. Nicht geschützt ist eine rein handwerkliche, routinemäßige Leistung, die sich im Rahmen des Alltäglichen und Üblichen bewegt, weil sie sich etwa auf die Standardlayouts der Erstellungssoftware beschränkt und keine individuellen Gestaltungselemente einsetzt (vgl. OGH 24.4.2001, 4 Ob 94/01d, RIS Justiz RS 0115332).
49 Urheberrechte verletzt, wer ohne Bewilligung des Urhebers in die dem Urheber ausschließlich (vgl. § 14 Abs. 1 UrhG) zustehenden Verwertungsrechte eingreift. Die urheberrechtlich relevante Verletzungshandlung betrifft demnach regelmäßig eines oder mehrere der nach den §§ 15 ‑ 18a UrhG vorgegebenen Verwertungsrechte der Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung, Aufführung und Zurverfügungstellung zum interaktiven Abruf. Wer unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert, verstößt gegen das Verwertungsrecht des § 18a UrhG (vgl. OGH 21.11.2006, 4 Ob 178/06i).
50 Gemäß § 81 Abs. 1 UrhG kann, wer in einem auf diesem Gesetz gegründeten Ausschließungsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, „auf Unterlassung klagen“, also seinen Unterlassungsanspruch gerichtlich (vor den ordentlichen Gerichten, vgl. § 1 JN) geltend machen. Bedient sich derjenige, der eine solche Verletzung begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann gemäß § 81 Abs. 1a UrhG auch dieser auf Unterlassung nach Abs. 1 geklagt werden. Wenn bei diesem die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit nach den §§ 13 bis 17 ECG vorliegen, kann er jedoch erst nach Abmahnung geklagt werden.
51 § 81 Abs. 1a UrhG setzt Art. 8 Abs. 3 Info‑RL in nationales Recht um (vgl. ErlRV 40 BlgNR 22. GP , 42). In seiner Entscheidung vom 27. März 2014, Rs C‑314/12, UPC Telekabel, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ‑ in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofs ‑ die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gegen den Access‑Provider nach Art. 8 Abs. 3 Info‑RL näher bestimmt. Darin führte er u.a. aus, dass Art. 8 Abs. 3 Info‑RL zur Beseitigung einer Verletzung des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte vorsieht, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung ihrer Rechte genutzt werden (Rz. 26). Eine Sperranordnung iSd Art. 8 Abs. 3 Info‑RL, deren Modalitäten im nationalen Recht zu regeln sind, hat allerdings insbesondere die dadurch berührten Grundrechte zu wahren. Im Fall der Kollision mehrerer Grundrechte ist auf ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen untereinander sowie gegenüber allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu achten. Eine solche Anordnung kollidiert hauptsächlich mit den Urheberrechten und den verwandten Schutzrechen (Art. 17 Abs. 2 GRC), mit der unternehmerischen Freiheit der Anbieter von Internetzugangsdiensten (Art. 16 GRC) sowie mit der Informationsfreiheit der Internetnutzer (Art. 11 GRC) (Rz. 45‑47). Die Maßnahmen, die der Anbieter von Internetzugangsdiensten aufgrund einer solchen Sperranordnung zu ergreifen hat, müssen daher dazu dienen, der Verletzung des Urheberrechts durch einen Dritten ein Ende zu setzen, ohne dass Internetnutzer, die die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, um rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen, dadurch beeinträchtigt werden. Andernfalls wäre der Eingriff des Anbieters in die Informationsfreiheit dieser Nutzer gemessen am verfolgten Ziel nicht gerechtfertigt (Rz. 55f).
52 Im Gefolge dieser Entscheidung hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH 24.6.2014, 4 Ob 71/14s) mit den sich daraus für ein Verfahren nach § 81 Abs. 1a UrhG ergebenden Konsequenzen auseinandergesetzt. Er hat u.a. ausgeführt, dass es beim Anspruch, das Vermitteln des Zugangs zu einer bestimmten Website zu unterlassen, um die Abwehr eines Eingriffs in ein dinglich wirkendes Ausschließungsrecht geht. Der unmittelbare Täter hat diese Rechtsverletzung als solche zu unterlassen; der Access-Provider ‑ als nach Art. 8 Abs. 3 Info‑RL (§ 81 Abs. 1a UrhG) in Anspruch genommener Vermittler ‑ das Ermöglichen des Zugangs. Folgerichtig ordnet § 81 Abs. 1a UrhG an, dass der Vermittler auf „Unterlassung“ geklagt werden kann. Ein Anspruch auf bestimmte Maßnahmen lässt sich weder aus diesem Wortlaut noch aus dem ihm zugrunde liegenden Ausschließungsrecht ableiten; vielmehr genügt auch zur Verwirklichung dieses Rechts ein Erfolgsverbot. Die Beschränkung darauf sichert, wie der EuGH in der Vorabentscheidung ausführt, die unternehmerische Freiheit des Access-Providers, weil dieser selbst entscheiden kann, welche Maßnahmen er zur Unterbindung des Zugangs ergreift.
53 Im Beschluss vom 24. Oktober 2017, 4 Ob 121/17y, hat sich der Oberste Gerichtshof zudem insbesondere mit grundsätzlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Sperrverfügung nach § 81 Abs. 1a UrhG und dem Verhältnis der TSM‑VO zum Unterlassungsanspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG auseinandergesetzt: Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Sperrverfügung nach § 81 Abs. 1a UrhG ist das nach Art. 17 Abs. 2 GRC als geistiges Eigentum geschützte Urheberrecht der Rechteinhaber sowie deren Recht auf wirksame Rechtsdurchsetzung (Art. 47 GRC) dem Grundrecht der Internetznutzer und Webseitenbetreiber sowie der Adressaten der Sperrverfügung auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gemäß Art. 11 GRC und auf unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 GRC gegenüberzustellen und sind diese gegeneinander abzuwägen. Dabei stellt sich die Frage des Eingriffs einer Sperrverfügung in die genannten Grundrechte von Access‑Providern in dieser Schärfe vor allem dann, wenn auf der zu sperrenden Website auch legale Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Ein Eingriff ist dann problematisch, wenn dadurch der Zugang zu rechtmäßigen Informationen beeinträchtigt wird.
Die TSM‑VO räumt dem Internet und seiner freien Zugänglichkeit generell einen hohen Stellenwert ein. Verkehrsmanagementmaßnahmen dürfen von Internetanbietern grundsätzlich nicht durchgeführt werden, außer wenn dies erforderlich ist, um Gesetzgebungsakten der Union oder mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden Rechtsvorschriften zu entsprechen (Art. 3 Abs. 3 lit. a TSM‑VO). Zu diesen zählen auch urheberrechtliche Sperranordnungen, wie aus Erwägungsgrund 13 abzuleiten ist. Regelungsgehalt der TSM‑VO ist es somit, dass eine Sperre von Websites einer ausdrücklichen oder ausreichenden Rechtsgrundlage bedarf (Art. 3 Abs. 3 lit. a). Da § 81 Abs. 1a UrhG eine derartige Rechtsgrundlage darstellt, steht die TSM‑VO einer solchen Sperrverfügung nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht entgegen.
Fallbezogen folgt:
54 Die Revision macht geltend, das Verwaltungsgericht hätte das Beschwerdeverfahren in Ermangelung eines weiter bestehenden Rechtsschutzinteresses der W einstellen müssen. Aufgrund der Löschung der Domain „d.at“ sei es nämlich äußerst unwahrscheinlich, dass der frühere Domaininhaber die inkriminierten Inhalte neuerlich unter dieser Domain der Internetöffentlichkeit zur Verfügung stellen könnte, zumal er befürchten müsse, dass jemand anderer in der Zwischenzeit die Domain registrieren könnte. Gerade der Umstand, dass die Domain bereits seit mehreren Monaten ohne Inhalt und frei verfügbar sei, lasse den Schluss zu, dass der frühere Domaininhaber die Domain bewusst zurückgelegt habe. Ein (weiter) bestehender Unterlassungsanspruch gegen den unmittelbaren Täter könne keineWiederholungsgefahr beim Access‑Provider begründen, weil die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruchs gegen den Websitebetreiber nach § 81 Abs. 1 UrhG und gegen den Vermittler nach § 81 Abs. 1a UrhG unterschiedlich seien. Da die beanstandeten Inhalte unter der verfahrensgegenständlichen Domain nicht mehr abrufbar seien, könne ein Unterlassungsanspruch auch nicht mehr (nachträglich) entstehen. Das (für eine weiter bestehende Beschwer der W vorgebrachte) Argument des Verwaltungsgerichts, der Feststellungsbescheid könnte einer Unterlassungsklage der W vor den ordentlichen Gerichten entgegenstehen, verkenne, dass die ordentlichen Gerichte an diesen Bescheid nicht gebunden seien.
55 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:
56 Ausgehend von den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur Löschung der Domain, auf deren Basis das angefochtene Erkenntnis zu prüfen ist (§ 41 VwGG), kann eine im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiter bestehende Beschwer der dortigen Beschwerdeführerin, der nunmehrigen Erstmitbeteiligten, nicht bejaht werden. Mit der dessen ungeachtet erfolgten inhaltlichen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtwidrigkeit seines Inhaltes belastet.
57 Zu betonen ist einleitend, dass ein weiter bestehendes Rechtsschutzinteresse ‑ Voraussetzung für eine Entscheidung in der Sache ‑ im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorliegen muss.
58 Das Verwaltungsgericht hat das rechtliche Interesse der W an der Beseitigung des behördlichen Bescheids ungeachtet der zwischenzeitigen Löschung der fraglichen Domain bejaht, weil der Feststellungsbescheid der TKK der allfälligen gerichtlichen Durchsetzung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs der W gegen die H entgegenstehen könnte und deshalb nachteilig in deren Rechtssphäre eingreife (wenngleich es im Folgenden ‑ in einem deutlichen Spannungsverhältnis dazu ‑ die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens (zusammengefasst) mit dem Hinweis auf die fehlende Bindung der Gerichte an den behördlichen Bescheid verneinte).
59 Diese Auffassung geht fehl.
60 Im vorliegenden Fall hatte die W die H aufgefordert, die Vermittlung zur unter der Domain „d.at“ abrufbaren Website zu unterlassen, weil auf dieser Website in Urheberrechte der W eingegriffen werde. Eine solche Sperre könnte nach Art. 3 Abs. 3 lit. a TSM‑VO aber nur dann zulässig sein, wenn diese zur Entsprechung von unionsrechtlichen bzw. unionsrechtskonformen nationalen Rechtsvorschriften erforderlich wäre. Um über die Berechtigung einer Verkehrsmanagementmaßnahme wie der vorliegend begehrten entscheiden zu können, war es daher erforderlich, zuvor das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG zu klären. Da diese Rechtsfrage in einem zivilrechtlichen Unterlassungsverfahren nach § 81 Abs. 1a UrhG von den ordentlichen Gerichten als Hauptfrage zu entscheiden wäre, handelt es sich bei ihrer Beurteilung in einem Verfahren betreffend eine Verkehrsmanagementmaßnahme nach der TSM‑VO um eine Vorfrage iSd § 38 AVG.
61 Die TKK hatte also ‑ mangels Vorliegens einer Entscheidung über den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch durch die ordentlichen Gerichte ‑ diese Frage selbst (als Vorfrage) zu beantworten. Damit wurde die Rechtsfrage betreffend das Bestehen eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs zwar für das Verfahren vor der TKK von dieser selbst beantwortet, nicht aber mit darüber hinausgehender Bindungswirkung und in einer der Rechtskraft fähigen Weise entschieden. Selbst wenn also der Feststellungsbescheid der TKK in Rechtskraft erwüchse, könnte dieser einer allfälligen urheberrechtlichen Unterlassungsklage schon deshalb nicht entgegenstehen, weil die ordentlichen Gerichte diesbezüglich nicht an die Rechtsanschauung der TKK gebunden wären. Die ordentlichen Gerichte hätten im Falle der Erhebung einer Unterlassungsklage vielmehr selbständig ‑ als Hauptfrage ‑ zu beurteilen, ob ein Unterlassungsanspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG besteht oder nicht.
62 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann ein ‑ ungeachtet der Löschung der Domain weiter bestehendes‑rechtliches Interesse der W an der Beseitigung des von ihr angefochtenen Feststellungsbescheids daher nicht mit dessen Auswirkungen auf ein (allenfalls zu führendes) Unterlassungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten begründet werden.
63 Es ist aber auch den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum weiteren Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht zu folgen.
64 Den ‑ insoweit unstrittigen ‑ Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge wurden die verfahrensgegenständliche Website und die Domain „d.at“ bereits während des Beschwerdeverfahrens gelöscht. Schon seit dem 7. November 2019 waren und sind unter dieser Domain keine (die W in ihren Rechten verletzende) Websites mehr abrufbar. Die Domain ist jedenfalls seit 7. Jänner 2020 nicht mehr registriert und steht jedermann zur Neuregistrierung offen. Trotz dieser geänderten Umstände bejahte das Verwaltungsgericht die Möglichkeit des Fortbestehens eines Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG. Dem ist Folgendes zu entgegnen:
65 Ein Unterlassungsanspruch gegen die H als Diensteanbieterin iSd § 13 ECG setzt gemäß § 81 Abs. 1a UrhG eine Abmahnung voraus. Der Oberste Gerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass ein solcher Unterlassungsanspruch nur besteht, wenn die Rechtsverletzung für den Provider ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist. Daher hat die Abmahnung zumindest die schlüssige Behauptung einer Rechtsverletzung zu enthalten. Der Abmahnende muss daher nicht nur die (angeblich) rechtsverletzende Handlung bezeichnen, sondern auch darlegen, weshalb er über die Rechte an den Schutzgegenständen verfügt. Bestehen nach den Umständen des Einzelfalls Zweifel an der tatsächlichen Richtigkeit seiner Behauptungen, wird er nach Aufforderung durch den Provider auch Nachweise zu erbringen oder weitere Erläuterungen zu geben haben. Davor besteht kein Unterlassungsanspruch; eine Klage oder ein Sicherungsantrag wären daher abzuweisen. Die Abmahnung kann zwar durch entsprechendes Vorbringen in einem bereits anhängigen Verfahren ersetzt werden. In diesem Fall entsteht aber nur dann ein Unterlassungsanspruch, wenn der Provider das beanstandete Verhalten fortsetztoder das Vorliegen einer Rechtsverletzung bestreitet (vgl. OGH 21.4.2014, 4 Ob 140/14p).
66 Im gegenständlichen Fall forderte die W die H zur Unterlassung der Zugangsvermittlung zur unter der Domain „d.at“ geführten Website auf, weil das Layout der Website von W (abrufbar unter „www.b.com “) und die dort verwendeten Lichtbilder urheberrechtlich geschützt seien und die inkriminierte Website eine Kopie ihrer Website und daher eine unzulässige Vervielfältigung ihres Werks darstelle. Die H wendete dazu im verfahrenseinleitenden Antrag sowie im Beschwerdeverfahren ein, das Vorbringen der W erfülle nicht die für das Entstehen eines Anspruchs erforderlichen Voraussetzungen einer Abmahnung iSd § 81 Abs. 1a UrhG.
67 Das angefochtene Erkenntnis enthält demgegenüber keine Ausführungen zur Frage, ob im gegenständlichen Fall ein Unterlassungsanspruch gemäß § 81 Abs. 1a UrhG überhaupt entstanden war. Lediglich in Bezug auf den (am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten) früheren Domaininhaber verwies das Verwaltungsgericht auf eine „nach einer einmalig erfolgten Rechtsverletzung als vorliegend vermutete Wiederholungsgefahr“. Mit der für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nach § 81 Abs. 1a UrhG maßgeblichen Frage, ob eine ordnungsgemäße Abmahnung erfolgte und die gerügte Rechtsverletzung für die H daher ohne weitere Nachforschungen offenkundig war (oder sein musste), setzte es sich jedoch ‑ offenbar in Verkennung der Rechtslage ‑ nicht auseinander.
68 Unabhängig davon, ob ein Unterlassungsanspruch überhaupt entstanden ist, können auch die verwaltungsgerichtlichen Ausführungen zum Weiterbestand der Wiederholungsgefahr ungeachtet der Löschung der Domain nicht überzeugen (die vom Verwaltungsgericht zur Stütze seiner Rechtsauffassung zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs sind schon deshalb nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, weil sie jeweils Unterlassungsklagen gegen die unmittelbaren Täter bzw. Beitragstäter nach § 81 Abs. 1 UrhG oder § 1 UWG zum Gegenstand hatten, nicht aber Unterlassungsansprüche gegen den Vermittler nach § 81 Abs. 1a UrhG).
69 Wiederholungsgefahr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dann zu verneinen, wenn der Verletzer besondere Umstände dartun kann, die eine Wiederholung seiner gesetzwidrigen Handlung als ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Wiederholungsgefahr liegt immer dann vor, wenn eine Wiederholung ernstlich zu besorgen ist, nicht aber schon dann, wenn sie bloß denkbar ist. Die bloße Behauptung des Beklagten, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, schließt für sich allein die Wiederholungsgefahr regelmäßig noch nicht aus. Der Beklagte muss vielmehr ein Verhalten an den Tag legen, das wichtige Rückschlüsse auf seine Willensrichtung zulässt; oder es muss ein Sachverhalt eingetreten sein, der eine Wiederholung praktisch ausschließt. Entscheidend sind daher immer die Umstände des konkreten Falles. Hat etwa der Verletzer sein Geschäft oder seinen Geschäftszweig, in dessen Rahmen er den Wettbewerbsverstoß begangen hat, von sich aus eingestellt und den beanstandeten Zustand beseitigt, wird im allgemeinen die Wiederholungsgefahr wegfallen, wenn nicht ernstliche Anzeichen dafür bestehen, dass eine entsprechende Tätigkeit - wenn auch in anderer Form - wieder aufgenommen wird (vgl. zum Ganzen etwa OGH 25.4.1995, 4 Ob 22/95, 14.5.2001, 4 Ob 44/01a, 9.8.2006, 4 Ob 133/06x).
70 Ausgehend von den konkreten Umständen des Revisionsfalls ‑ unter der Domain „d.at“ ist seit 7. November 2019 keine Website mehr abrufbar, die Domain ist jedenfalls seit 7. Jänner 2020 nicht mehr registriert und steht seit diesem Zeitpunkt jedem zur Neuregistrierung offen ‑ ist eine Wiederholung der Rechtsverletzung wenn schon nicht ausgeschlossen, so doch zumindest äußerst unwahrscheinlich: Anders als die Kündigung eines Telefonanschlusses, die leicht wieder rückgängig gemacht werden kann (der der vom Verwaltungsgericht berufenen Entscheidung des OGH 16.3.2004, 4 Ob 30/04x, zu Grunde liegende Sachverhalt), führt die Kündigung einer .at‑Domain nämlich (nach Ablauf einer bestimmten Sperrfrist) zu deren Löschung, was wiederum zur Folge hat, dass diese Domain unter den allgemeinen Geschäfts‑ und Registrierungsbedingungen von jeder Person neuerlich registriert werden kann. Ein früherer Domaininhaber verliert infolge der Kündigung also jegliche Verfügungsgewalt über diese Domain und nimmt damit insbesondere in Kauf, dass diese nach erfolgter Löschung von einem Dritten erworben und zu anderen Zwecken verwendet wird. Eine Wiederholung der als rechtswidrig gerügten Handlung ‑ also die Zugangsvermittlung des Access‑Providers zur unter der Domain „d.at“ abrufbaren Website ‑ wäre sohin nur dann möglich, wenn dieselbe Domain neuerlich registriert und auf der unter dieser Domain abrufbaren Website die beanstandeten Rechtsverletzungen neuerlich begangen würden. Dies ist zwar denkbar, scheint aber aufgrund der skizzierten Folgen der Löschung einer Domain doch „äußerst unwahrscheinlich“ im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
71 Nach dem Gesagten erweisen sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum weiteren Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses aufgrund des Bestehens eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs als verfehlt.
72 Im Übrigen wurde nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (W) aus sonstigen Gründen noch ein rechtliches Interesse an der Beseitigung des verwaltungsbehördlichen Bescheids hatte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einem Beschwerdeführer kein Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit des von ihm angefochtenen Bescheids zu, sondern nur ein Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheids, wenn dadurch gesetzwidrig und aktuell in seine Rechtssphäre eingegriffen wird (vgl. VwGH 9.9.2009, 2004/10/0012).
73 Da die von W inkriminierte Website während des Beschwerdeverfahrens entfernt und auch die dafür verwendete Domain gelöscht wurde, konnte die W durch die weitere, allerdings nunmehr ins Leere laufende Zugangsvermittlung durch die H in ihren behaupteten Rechten nicht (mehr) verletzt werden. Ausgehend davon ist aber nicht erkennbar, dass die W im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts noch ein objektives Interesse an der Beseitigung des angefochtenen Feststellungsbescheids hatte. Die dessen ungeachtet vom Verwaltungsgericht getroffene inhaltliche Entscheidung ‑ anstelle einer Einstellung des Beschwerdeverfahrens ‑ belastet das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
74 Unberechtigt ist die Revision allerdings insoweit, als sie die Auffassung vertritt, entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts sei die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens zu bejahen:
75 Das TKG 2003 enthält ‑ ebenso wie die TSM‑VO ‑ keine ausdrückliche Regelung betreffend die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids zur Vorwegklärung der Berechtigung zur Erlassung einer die „Sperre“ einer Website beinhaltenden Verkehrsmanagementmaßnahme nach der TSM‑VO. Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ‑ insbesondere betreffend die Zuständigkeit zur Entscheidung über gegebenenfalls kollidierende Verpflichtungen des Anbieters von Internetzugangsdiensten hinsichtlich der Vermittlung des Zugangs zu einer Website ‑ ist die Erlassung eines Feststellungsbescheids daher nur dann zulässig, wenn die Erlassung eines solchen Bescheids entweder im öffentlichen Interesse liegt (was im Revisionsfall nicht geltend gemacht wurde und auch nicht zu sehen ist) oder insofern im Interesse einer Partei, als dessen Erlassung für diese ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Voraussetzung ist diesfalls, dass dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen.
76 An dieser Klarstellungswirkung fehlt es im Revisionsfall aber, wie das Verwaltungsgericht insofern zutreffend ausgeführt hat: Wie bereits oben dargelegt, hat die TKK über die Frage der Zulässigkeit der Sperre der Website auf Basis ihrer Beurteilung der Vorfrage (Bestehen eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs) zu entscheiden. Kommt sie - wie im Revisionsfall - zur Auffassung, ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch bestehe nicht, ist eine Sperre der Website schon deshalb unzulässig (andere eine Sperre gegebenenfalls rechtfertigende Umstände iSd Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der TSM‑VO kamen im Revisionsfall nicht in Betracht). Dieser Entscheidung der Vorfrage im behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommt aber keine Bindungswirkung in einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, in dem der Bestand eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs als Hauptfrage zu beantworten ist, zu. Mangels Bindung fehlt es daher an der „Klarstellungswirkung“ des Feststellungsbescheids, weshalb seine Zulässigkeit verneint werden muss.
77 Daran ändern die von der Revision vorgetragenen Argumente nichts: Es mag sein, dass ein Anbieter von Internetzugangsdiensten mittels eines Feststellungsbescheids der TKK „Rechtssicherheit über die Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde“ erlangt. Da deren Entscheidung (über die Vorfrage eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs) aber keine Bindungswirkung zukommt, ist die vom Gesetz für die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids verlangte Eignung, ein strittiges Rechtsverhältnis zu klären, nicht gegeben. Es trifft ‑ entgegen der Revision ‑ auch nicht zu, dass im Zivilverfahren betreffend einen Anspruch nach § 81 Abs. 1a UrhG nur dieser Anspruch zwischen den Streitteilen ohne Berücksichtigung von Interessen Dritter geprüft würde. Vielmehr betont der OGH (wie oben dargestellt) das Erfordernis einer Abwägung der unterschiedlichen, in einem Spannungsverhältnis zueinander stehenden betroffenen Grundrechte samt Einbeziehung der Rechte Dritter. Die von der Revision hervorgehobene allfällige Notwendigkeit eines „mehrstufigen“, gegebenenfalls bis zu einem Impugnationsprozess reichenden Zivilverfahrens samt dem damit verbundenen Verfahrens- und Kostenaufwand ist die Konsequenz des derzeitigen gesetzlichen Regelungssystems, rechtfertigt aber kein Abgehen von den gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids.
78 Der gewonnene „Befund“, wonach ein Feststellungsbescheid in der gegebenen Konstellation unzulässig ist, deckt sich mit der der TKK als nationale Regulierungsbehörde nach der TSM‑VO zugeschriebenen Rolle: Ihr kommt nach § 117 Z 17 TKG 2003 die Zuständigkeit zur Entscheidung über geeignete und erforderliche Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 TSM‑VO zu. Die ihr damit zugewiesene Überwachung bzw. Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtungen nach Art. 3 und 4 der TSM-VO begründet insbesondere ihre Kompetenz zur Kontrolle, dass die Vorschriften zur Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet beachtet werden (vgl. Erwägungsgrund 19 der TSM‑VO bzw. Rz. 78 der BEREC‑Guidelines). Ziel der TSM‑VO ist u.a. die Schaffung gemeinsamer Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und damit verbundener Rechte der Endnutzer(vgl. den ersten Erwägungsgrund der TSM‑VO bzw. ihren Art. 1), es wird von der TSM‑VO aber nicht angestrebt, die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten zu regeln (vgl. den sechsten Erwägungsgrund der TSM‑VO bzw. deren Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3).
79 Vor diesem Hintergrund kommt auch der TKK, die die Einhaltung der Verpflichtungen nach der TSM‑VO durch die Anbieter von Internetzugangsdiensten sicherzustellen und allfällige Verstöße abzustellen hat, ‑ auf Basis der derzeitigen Rechtslage ‑ keine Zuständigkeit zur Kontrolle bzw. Beseitigung allenfalls unzulässiger Inhalte „im Netz“ zu. Sicherheit, nicht gegen die Vorgaben der TSM‑VO zu verstoßen, erlangt der Anbieter von Internetzugangsdiensten im Übrigen schon dadurch, dass er einer Sperraufforderung nicht nachkommt; Rechtssicherheit, alle anderen ihn treffenden Vorschriften einzuhalten, kann ihm von der TKK nicht vermittelt werden. Insoweit ist seine Situation die gleiche wie die anderer Unternehmen, die ebenfalls selbst die Gewährleistung der Einhaltung der jeweiligen das Unternehmen betreffenden Vorschriften sicherstellen müssen (vgl. nur etwa VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092).
80 Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit des beschwerdegegenständlichen Feststellungsbescheids daher zu Recht verneint.
81 Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 6. November 2020
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