European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140317.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der aus Georgien stammende Mitbeteiligte stellte am 19. März 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung vom 6. Mai 2019 wurde dieser Antrag abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Unter einem wurde dem Mitbeteiligten aufgetragen, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen, und es wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3 Nach dem unbestrittenen Akteninhalt enthält der Kopf dieser Erledigung jeweils das Logo des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einschließlich der Anführung der Behördenbezeichnung „Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl“ sowie rechts oben auf der ersten Seite im Briefkopf den Familiennamen des Sachbearbeiters, darunter „Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl“, darunter „Erstaufnahmestelle Ost“ sowie die Adresse und Kontaktdaten der Erstaufnahmestelle Ost. Auf jeder Seite der Erledigung findet sich in der Fußzeile der Hinweis „BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl“. Die Erledigung schließt mit „Traiskirchen, am 06.05.2019“, der Fertigungsklausel „Für den Leiter der Erstaufnahmestelle Ost“ sowie dem Familiennamen und der Unterschrift des Genehmigenden (des auch im Briefkopf genannten Sachbearbeiters).
4 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die dagegen erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 BFA‑Einrichtungsgesetz (BFA‑G) als unzulässig zurück. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, mangels Bezugnahme auf die die Erledigung erlassende Behörde im Spruch oder in der Begründung der angefochtenen Erledigung sei (alleine) die Fertigungsklausel für die Zurechnung der Erledigung maßgeblich (Verweis auf VwGH 21.3.2017, Ra 2016/12/0064). Aus der Fertigungsklausel gehe eindeutig hervor, dass die Erledigung dem „Leiter der Erstaufnahmestelle Ost“ zuzurechnen sei, welchem jedoch im Hinblick auf behördliche Erledigungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl keine organschaftlichen Kompetenzen zukämen. Die Erledigung hätte vielmehr vom Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl selbst oder einem zumindest abstrakt approbationsbefugten Organwalter genehmigt und dieser Umstand in der Fertigungsklausel auch entsprechend zum Ausdruck gebracht werden müssen (etwa durch die Formulierung „Für den Direktor des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl“). Die angefochtene Erledigung sei entgegen § 2 Abs. 1 BFA‑G nicht vom befugten Organwalter, nämlich dem Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, genehmigt worden, sodass keine wirksame Erlassung eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zustande gekommen sei. Aus der Erledigung gehe insgesamt auch nicht klar hervor, welcher Behörde sie zuzurechnen sei. Es läge ein Nichtbescheid vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde nicht inhaltlich absprechen dürfe.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Revision nach Vorlage derselben samt den Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens ‑ eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet ‑ erwogen:
7 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei in seiner Urschrift durch Unterschrift eines approbationsbefugten Organwalters genehmigt worden. Es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, dass es sich um eine Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl als Behörde handle, zumal das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht Hilfsorgan einer anderen Behörde sei und es daher keiner Fertigungsklausel zur näheren Bezeichnung der Behörde bedürfe. Der Erstaufnahmestelle Ost komme keine eigenständige Behördeneigenschaft zu, sondern sei als Dienststelle Teil der monokratischen Behörde Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der der Bescheid daher zuzurechnen sei. Selbst eine unklare oder verfehlte Fertigungsklausel ändere in einer Gesamtschau nichts an der Erkennbarkeit der Behörde.
8 Die Amtsrevision ist zulässig und auch berechtigt.
9 § 18 und § 58 AVG lauten auszugsweise:
„Erledigungen
§ 18 (1) ...
(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E‑GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E‑GovG) der Erledigung treten.
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E‑GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
Inhalt und Form der Bescheide
§ 58. (1) ...
(3) Im übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4.“
§§ 1 und 2 BFA‑G sehen auszugsweise vor:
„Einrichtung
§ 1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) besteht als eine dem Bundesminister für Inneres unmittelbar nachgeordnete Behörde mit bundesweiter Zuständigkeit.
Organisation
§ 2. (1) An der Spitze des Bundesamtes steht der Direktor. Im Fall seiner Verhinderung sind die Aufgaben von einem seiner beiden Stellvertreter wahrzunehmen.
(2) Das Bundesamt hat seinen Sitz in Wien und jeweils eine Regionaldirektion in jedem Bundesland. Darüber hinaus kann der Direktor des Bundesamtes Außenstellen der Regionaldirektionen einrichten, um alle anfallenden Verfahren in verwaltungsökonomischer Weise und ohne unnötigen Verzug durchführen und abschließen zu können.
(3)...
Erstaufnahmestellen
§ 4. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, mit Verordnung Erstaufnahmestellen einzurichten. Diese sind Teil des Bundesamtes.“
§ 1 BFA‑G ‑ Durchführungsverordnung lautet auszugsweise:
„Erstaufnahmestellen
§ 1. (1) Es sind zwei Erstaufnahmestellen gemäß § 29 Abs. 1 AsylG 2005 und eine Erstaufnahmestelle am Flughafen gemäß § 31 Abs. 1 AsylG 2005 eingerichtet. Am Eingang der jeweiligen Erstaufnahmestellen ist die Bezeichnung „Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‑ Erstaufnahmestelle“ anzubringen.
(2) Die Erstaufnahmestelle ‚Ost‘ ist in Niederösterreich in der Gemeinde Traiskirchen (Postleitzahl 2514), Otto‑Glöckelstraße 22‑24 (Betreuungsstelle des Bundes), eingerichtet.
(3)...“
10 Nach dem ersten Satz des § 18 Abs. 4 AVG, der gemäß § 58 Abs. 3 AVG auch für Bescheide gilt, hat jede schriftliche Ausfertigung (hier: eines Bescheides) die Bezeichnung der Behörde, von welcher die Erledigung (der Bescheid) stammt, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten.
11 Die Bezeichnung der Behörde, die ihn erlassen hat, zählt zu den wesentlichen Merkmalen eines Bescheides. Fehlt eine solche Bezeichnung, so kann das betreffende Schriftstück ‑ mag es auch sonst die Merkmale eines Bescheides aufweisen ‑ nicht als Bescheid angesehen werden. Dem für die Bescheidqualifikation einer Erledigung wesentlichen Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist Rechnung getragen, wenn erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde; ist die bescheiderlassende Behörde nicht erkennbar (die Erledigung einer bestimmten Behörde nicht zurechenbar), so liegt ein Bescheid nicht vor (vgl. etwa VwGH 18.3.2010, 2008/07/0229, mwN).
12 Ob eine Erledigung einer bestimmten Behörde vorliegt bzw. welcher Behörde die Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, Spruches, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, also nach objektiven Gesichtspunkten, zu beurteilen. Die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, muss aus der Erledigung selbst hervorgehen (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2016/05/0065, 9.11.2016, Ro 2014/10/0055, mwN). An welcher Stelle des Bescheides die Behörde genannt ist, ist für die rechtliche Qualifikation der Erledigung als Bescheid irrelevant (vgl. etwa VwGH 27.10.2017, Ra 2016/17/0214, mwN).
13 Kann dem Bescheid ohne Zweifel entnommen werden, dass er durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erlassen wurde, hat selbst ein allfälliges Versehen bei der Fertigungsklausel nicht die Unwirksamkeit des Bescheides zur Folge (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0051, mwN).
14 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem oben dargestellten äußeren Erscheinungsbild der behördlichen Erledigung, insbesondere aus der ausdrücklichen Anführung im Kopf, in der Fußzeile und im Briefkopf, dass diese dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zuzurechnen ist. Aus dem gesamten Inhalt der Erledigung gibt es keine Hinweise darauf, dass sie von einer anderen Behörde stammen könnte. Der Fertigungsklausel, die die Wendung „Für den Leiter der Erstaufnahmestelle Ost“ enthält, kommt für die Frage der Zurechnung der Erledigung keine entscheidende Bedeutung zu, zumal die Erstaufnahmestellen gemäß § 4 BFA‑G Teil des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sind und ihnen keine eigenen hoheitlichen Befugnisse zukommen. Der Fertigungsklausel kommt im vorliegenden Fall daher im Gegensatz zu Konstellationen, in denen Behörden in mehreren Vollzugsbereichen tätig sind oder bei Erledigungen, welche die Bezeichnung von Hilfsorganen tragen, die für mehrere Behörden tätig werden können, keine besondere Unterscheidungs- oder Zuordnungsfunktion zu. Die Fertigungsklausel „Für den Leiter der Erstaufnahmestelle Ost“ vermag deshalb keine begründeten Zweifel daran zu wecken, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als zuständige Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen hat (vgl. abermals VwGH 27.10.2017, Ra 2016/17/0214, mwN).
15 Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Zurechnung eines Bescheids mangels ausdrücklicher Angabe im Spruch oder Bezugnahme auf das bescheiderlassende Organ in der Begründung des Bescheids in erster Linie die Art der Unterfertigung maßgebend sei, erweist sich sohin als unzutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits ausdrücklich festgehalten, dass ein Zusatz, wonach der eine Erledigung genehmigende Organwalter im Auftrag eines näher bezeichneten Leiters einer Organisationseinheit gehandelt hat, lediglich darauf hinweist, dass der Behördenleiter ‑ zulässigerweise ‑ die Besorgung der betreffenden gesetzlichen Aufgabe einem ihm unterstellten Organ übertragen hat (vgl. VwGH 9.5.2003, 99/18/0246, dort in Bezug auf einen Bescheid der damaligen Bundespolizeidirektion Wien, der von einem Sachbearbeiter der Organisationseinheit dieser Behörde „Fremdenpolizeiliches Büro“ genehmigt wurde und in der Fertigungsklausel den Zusatz „Der Vorstand i.A.“ aufwies).
16 Der vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2017, Ra 2016/12/0064, lag eine andere Ausgangslage zugrunde. Sie bezog sich nämlich auf eine Konstellation, in der verschiedenen in Betracht kommenden Organen vom Gesetz Behördenfunktion zugewiesen wurde. Das liegt hier aber ‑ wie ausgeführt ‑ nicht vor.
17 Dass die sonstigen Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 und Abs. 4 AVG in Bezug auf die in Rede stehende Erledigung ‑ sowohl hinsichtlich der Urschrift als auch der Ausfertigungen ‑ gegeben waren, wird (auch) vom Bundesverwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen.
18 Die verfahrensgegenständliche erstinstanzliche Entscheidung ist somit als vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassener Bescheid zu qualifizieren, weshalb sich die vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochene Zurückweisung der dagegen erhobenen Beschwerde als rechtswidrig erweist.
19 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 19. Mai 2020
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