VwGH Ra 2019/02/0172

VwGHRa 2019/02/01723.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision 1. des Ing. B in S und 2. der C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19. Februar 2019, Zlen. 1. VGW- 002/094/16359/2018-10 (hg. prot. zu Ra 2019/02/0172) und 2. VGW- 002/V/094/16361/2018 (hg. prot. zu Ra 2019/02/0173), betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §44
VwGVG 2014 §46 Abs3
VwGVG 2014 §48
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020172.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien vom 27. Februar 2018 lastete dem Erstrevisionswerber als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlichen Beauftragten der zweitrevisionswerbenden Partei u.a. an, er habe zu verantworten, dass diese in einer näher bezeichneten Betriebsstätte die Tätigkeit als Wettunternehmerin ausgeübt und am 28. März 2017 um

13.30 Uhr insofern die Bestimmung des § 15 Abs. 5 erster Satz Wiener Wettengesetz, wonach bei Wettterminals die Bestimmungen des Wettreglements nach Eingabe von Geld kostenfrei und selbsttätig auf dem Bildschirm aufscheinen müssen, nicht eingehalten habe, als im Rahmen einer Probewette durch ein Organ des Magistrats an dem Wettterminal das Wettreglement nicht selbsttätig und kostenfrei auf dem Bildschirm aufgeschienen sei. Die zweitrevisionswerbende Partei hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die dem Erstrevisionswerber auferlegte Geldstrafe und Verfahrenskosten.

2 Nach Erhebung eines Einspruchs brachten die revisionswerbenden Parteien in ihrer Stellungnahme vom 1. Juni 2018 vor, der Magistrat meine, im Rahmen einer Probewette sei nach Eingabe eines Geldbetrages das Wettreglement nicht selbsttätig und kostenfrei am Bildschirm erschienen und der Wettkunde habe auch nicht die Kenntnisnahme des Wettreglements vor Abschluss der Wette aktiv bestätigen müssen. Dieser Vorhalt sei schlichtweg unrichtig und es handle sich bei diesem Vorwurf ganz offensichtlich um einen Irrtum der einschreitenden Behörde. 3 Gegen das auf der Grundlage des vom Kontrollorgan erstellten Aktenvermerks vom 28. März 2017 ergangene Straferkenntnis des Magistrats vom 19. September 2018, das dieselbe Tatanlastung wie die oben in Rz. 1 wiedergegebene Strafverfügung enthält, erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Dieses führte am 12. Februar 2019 eine mündliche Verhandlung durch, in der u.a. der genannte Erhebungsbeamte als Zeuge zum genannten Aktenvermerk befragt wurde, und es wies mit dem angefochtenen Erkenntnis - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Beschwerde als unbegründet ab. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1218/2019-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung abtrat. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil zwischen dem Spruch und der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ein unlösbarer Widerspruch bestehe: Dem Spruch des vom Verwaltungsgericht bestätigten Straferkenntnisses fehle das nach § 15 Abs. 5 Wiener Wettengesetz erforderliche Sachverhaltselement "nach Eingabe von Geld", wovon in der Entscheidungsbegründung jedoch trotz mittlerweile eingetretener Verfolgungsverjährung ausgegangen werde.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind maßgebliche Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/02/0152).

11 Eine dahingehende Relevanz des behaupteten

Verfahrensmangels nach § 44a Z 1 VStG wurde in der Revision indes nicht aufgezeigt, zumal die revisionswerbenden Parteien bereits in ihrer Stellungnahme vom 1. Juni 2018 den vom Magistrat erhobenen Vorwurf erkannten, im Rahmen einer Probewette sei nach Eingabe eines Geldbetrages das Wettreglement nicht selbsttätig und kostenfrei am Bildschirm erschienen. Damit fehlt es auch am behaupteten Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfolgungsverjährung (vgl. die in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (2017) § 32 Rz. 18 wiedergegebene hg. Judikatur).

12 In der Revision wird weiters vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nach § 48 VwGVG verstoßen, indem es seine Entscheidung auf den die vermeintlichen Wahrnehmungen des Erhebungsorgans wiedergebenden Aktenvermerk vom 28. März 2017 gestützt habe, obwohl die genannte Urkunde nicht zulässigerweise gemäß § 46 Abs. 3 VwGVG verlesen worden sei.

13 § 46 Abs. 3 VwGVG regelt nach seinem klaren Wortlaut die Zulässigkeit der Verlesung von Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie von Gutachten der Sachverständigen. In diesem Zusammenhang sind die Anforderungen an ein faires Verfahren im Sinne der EMRK zu beachten, wonach alle Beweise normalerweise in Anwesenheit des Beschuldigten in einer öffentlichen Verhandlung mit dem Ziel einer kontradiktorischen Erörterung vorgebracht werden müssen und Aussagen, die im Vorverfahren gemacht wurden, in der Regel nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Beschuldigte eine angemessene und ausreichende Gelegenheit zur Widerlegung und Befragung des Belastungszeugen erhält (vgl. VwGH 6.7.2015, Ra 2014/02/0152, mwN).

14 Der hier in Rede stehende Aktenvermerk über die Kontrolle des Wettlokals hat weder die Aussage eines Zeugen oder des Beschuldigten noch ein Gutachten zum Inhalt und der diese Urkunde ausstellende Ermittlungsbeamte wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch vom Vertreter der revisionswerbenden Parteien befragt, sodass nicht aufgezeigt wird, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Unmittelbarkeitsgrundsatz abweiche, oder eine dahingehende Judikatur fehle.

15 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage vermisst, ob die Pflicht nach § 15 Abs. 5 erster Satz Wiener Wetten gesetz auch Wettunternehmer treffe, die aufgrund einer Bewilligung nach dem Gesetz betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens (GTBW-G) iVm der Bestimmung des § 27 Wiener Wettengesetz zur Ausübung einer Wettunternehmertätigkeit befugt seien, genügt der Hinweis auf den klaren Wortlaut des § 27 Abs. 1 Wiener Wettengesetz, wonach aufgrund von Berechtigungen, die nach dem GTBW-G erteilt wurden, die Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 ausgeübt werden darf und diese Berechtigungen bis dahin als Bewilligungen im Sinn des am 14. Mai 2016 in Kraft getretenen Wiener Wettengesetzes (vgl. § 30 leg. cit.) gelten.

16 Des weiteren liege - so die Begründung zur Zulässigkeit der Revision - noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage vor, wen die Pflicht des § 15 Abs. 5 erster Satz Wiener Wettengesetz treffe.

17 Dazu ist darauf zu verweisen, dass sich die angesprochene Regelung im V. Abschnitt des Wiener Wettengesetzes befindet, der nach seiner Überschrift Bestimmungen betreffend Wettunternehmungen enthält. Da nach § 15 Abs. 5 Wiener Wettengesetz bei Wettterminals nach Eingabe von Geld die Bestimmungen des Wettreglements kostenfrei selbsttätig auf dem Bildschirm aufscheinen müssen und gemäß § 24 Abs. 1 Z 8 leg. cit. eine Verwaltungsübertretung begeht und zu bestrafen ist, wer als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer die Bestimmungen des § 15 Wiener Wettengesetz nicht einhält, ist davon nach dem klaren Gesetzeswortlaut die zweitrevisionswerbende Partei erfasst, weil sie nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis in der gegenständlichen Betriebsstätte, wo sich die Wettterminals befanden, als Vermittlerin, sohin als Wettunternehmerin tätig war. 18 Soweit schließlich die Zulassungsbegründung die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung in Frage stellt, ist ihr entgegenzuhalten dass der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 11.6.2019, Ra 2019/02/0077, mwN). Dass dem Verwaltungsgericht ein derartiger krasser Fehler bei der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, wird nicht aufgezeigt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar. 19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2020

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