VwGH Ra 2019/11/0024

VwGHRa 2019/11/00248.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. A F in W, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Jänner 2018, Zl. VGW- 162/045/13495/2015 u.a., betreffend Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Jahre 2009 bis 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110024.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem - allein - angefochtenen Spruchpunkt I. des oben angeführten Erkenntnisses hat das Verwaltungsgericht einerseits sechs Bescheide insoweit bestätigt, als mit ihnen die belangte Behörde dem Revisionswerber die Wohlfahrtsfondsbeiträge für die Jahre 2009 bis 2014 vorgeschrieben hatte, und andererseits vier Bescheide insofern bestätigt, als mit ihnen die Anträge des Revisionswerbers auf Erlass, in eventu Ermäßigung, der Fondsbeiträge für die Jahre 2009 bis 2014, auf Befreiung von der Beitragspflicht für denselben Zeitraum und auf Rückzahlung des vorläufigen Fondsbeitrags 2014 abgewiesen worden waren. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sei von 1. April 1988 bis 31. Dezember 2008 im Krankenhaus Hietzing (Rechtsträger: Gemeinde Wien) angestellt gewesen. Von 1. März 1999 bis 31. Dezember 2008 sei er karenziert gewesen und habe im Sanatorium Hera (Rechtsträger: Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien - KFA) gearbeitet. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 1994 sei der Revisionswerber antragsgemäß infolge eines nachgewiesenen unkündbaren Dienstverhältnisses zur Gemeinde Wien (KH Hietzing) bis zum "Wegfall eines für die Befreiung maßgebenden Umstandes" von der Beitragspflicht befreit worden. Im Dezember 2008 sei dieses Dienstverhältnis beendet worden und die KFA habe dem Revisionswerber, welcher "bis dato" (Jänner 2018) im Sanatorium Hera angestellt sei, das Bestehen eines erhöhten Kündigungsschutzes bescheinigt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2014 habe die belangte Behörde dem Revisionswerber das durch Wegfall des unkündbaren Dienstverhältnisses ausgelöste Bestehen seiner Beitragspflicht ab 1. Jänner 2009 mitgeteilt und die Dienstgeberin habe einen vorläufigen Fondsbeitrag für 2014 einbehalten. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 2015 sei der Revisionswerber antragsgemäß ab 1. Jänner 2015 von der Beitragspflicht befreit worden, weil "seit 01.12.2008 auch ein unkündbares Dienstverhältnis zum Sanatorium Hera" (KFA) bestehe. In der Folge ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der einzig maßgebliche Umstand für die 1994 ausgesprochene Befreiung mit der Beendigung des unkündbaren Dienstverhältnisses am 31. Dezember 2008 weggefallen und die Beitragspflicht ex lege eingetreten sei (Hinweis auf VwGH 25.7.2007, 2005/11/0131). Der Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 2015 über die Befreiung von der Beitragspflicht ab 1. Jänner 2015 sei entgegen der Ansicht des Revisionswerbers für die Beurteilung des Zeitraums 2009 bis 2014 irrelevant, abgesehen davon, dass darin der "erhöhte Kündigungsschutz" fälschlicher Weise (Hinweis auf VwGH 29.1.2008, 2006/11/0114) als Unkündbarkeit qualifiziert worden sei. Überdies mangle es an einer Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Befreiung. Die Abweisung der Anträge auf Erlass bzw. Ermäßigung der Fondsbeiträge für die Jahre 2009 bis 2014 wurde damit begründet, dass die Höhe der Nachzahlung für diesen Zeitraum keinen berücksichtigungswürdigen Umstand iSd. Satzung darstelle (Hinweis auf VwGH 15.10.2015, Ro 2014/11/0053, mwN), da es sich dabei nicht um ein außergewöhnliches Ereignis außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds handle, das eine Behinderung der Berufsausübung und dadurch einen Einkommensverlust zur Folge habe.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2018, E 770/2018-7, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Zulässigkeitsbegründung der daraufhin erhobenen außerordentlichen Revision wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zusammengefasst geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis greife in die Rechtskraft der Bescheide vom 9. Mai 1994 und vom 30. März 2015 ein. In der Begründung des letzteren sei die belangte Behörde davon ausgegangen, der Revisionswerber stehe seit 1. Dezember 2008 in einem unkündbaren Dienstverhältnis zum KFA-Sanatorium Hera. Da dieses Dienstverhältnis nahtlos an jenes zur Gemeinde Wien angeschlossen habe, sei somit rechtskräftig festgestellt, dass seit dem Befreiungsbescheid von 1994 nie ein für die Befreiung maßgebender Umstand weggefallen sei. Aufgrund der Bindung an diese rechtskräftige Feststellung sei das Verwaltungsgericht auch an den Befreiungsbescheid von 1994 gebunden gewesen. Es habe diese Bindung hinsichtlich beider Bescheide entgegen der Judikatur missachtet.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, ist die Begründung eines Bescheides nicht der Rechtskraft fähig und entfaltet damit (von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen) keine Bindungswirkung. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. etwa VwGH 30.3.2017, Ro 2016/07/0015-0016, oder VwGH 27.4.2017, Ra 2017/07/0028, jeweils mwN).

7 Aus der Begründung des Befreiungsbescheids vom 30. März 2015 kann somit - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - eine rechtskräftige Feststellung über das durchgehende Bestehen der Befreiungsvoraussetzungen seit 1994 nicht abgeleitet werden.

8 Im Übrigen ergibt sich weder aus dem angefochtenen Erkenntnis noch aus der Revision ein Hinweis darauf, dass der Spruch des Bescheides vom 30. März 2015 (Befreiung ab 1. Jänner 2015) unklar gewesen wäre und daher einer Auslegung bedurft hätte. Der behauptete Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zur hg. Judikatur zur Bindungswirkung rechtskräftiger Bescheide ist daher nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht war somit, anders als die Revision meint, hinsichtlich des Zeitraumes 2009 bis 2014 nicht gehindert, aufgrund seiner eigenen Rechtsansicht zu beurteilen, ob der im Befreiungsbescheid vom 9. Mai 1994 festgelegte "Wegfall eines für die Befreiung maßgebenden Umstandes" vorlag oder nicht.

9 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. März 2019

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