Normen
ABGB §1152
ASVG §111
ASVG §111 Abs1 Z1
ASVG §33 Abs1
ASVG §33 Abs2
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
VStG §31
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080050.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 3. November 2017 bestrafte die Bezirkshauptmannschaft Zell am See den Revisionswerber, weil er es als Dienstgeber und "Gewerbeinhaber" eines näher bezeichneten Restaurantbetriebs unterlassen habe, den zumindest am 29. Oktober 2016 in diesem Betrieb beschäftigten KM, bei dem es sich um "eine in der Krankenversicherung (vollversicherte oder teilversicherte) pflichtversicherte Person" gehandelt habe, vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 und 2 ASVG begangen. Über ihn werde nach dem ersten Strafsatz des § 111 Abs. 2 ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1000,-- verhängt.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit Folge, als es die Geldstrafe auf EUR 730,-- herabsetzte und das Wort "Gewerbeinhaber" durch die Wortfolge "Inhaber des Gastgewerbebetriebes" sowie die Wortfolge "eine in der Krankenversicherung (vollversicherte oder teilversicherte) pflichtversicherte Person" durch "eine zumindest in der Unfallversicherung pflichtversicherte Person" ersetzte. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig. 3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 12.8.2016, Ra 2015/08/0164; 30.7.2019, Ra 2018/05/0273; jeweils mwN). In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2019/08/0098, mwN).
7 Soweit der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, weil der erkennende Richter befangen gewesen sei, unterlässt er jegliche fallbezogene Konkretisierung dieses Vorwurfes. Soweit in diesem Zusammenhang auf die Revisionsgründe verwiesen wird, ist festzuhalten, dass ein bloßer Verweis auf sonstige Revisionsausführungen dem Erfordernis der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht genügt (vgl. etwa VwGH 26.11.2018, Ra 2018/02/0283, mwN; vgl. im Übrigen dazu, dass eine Befangenheit eines Richters eines Verwaltungsgerichts nur dann die Zulässigkeit der Revision begründet, wenn im konkreten Fall tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt werden bzw. die Beurteilung in unvertretbarer Weise erfolgt VwGH 11.4.2018, Ra 2017/08/0122-0123, mit weiteren Hinweisen).
8 Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters vor, das Verwaltungsgericht habe einen von ihm beantragten Zeugen zu Unrecht nicht einvernommen und sich mit seinem Vorbringen, dass ein reiner Gefälligkeitsdienst des KM vorgelegen sei, nicht beschäftigt und dazu keine Feststellungen getroffen. 9 Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste, die keine Pflichtversicherung begründen, sind nur kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Das Vorliegen unentgeltlicher Dienste ist nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern die Unentgeltlichkeit muss ausdrücklich und erwiesenermaßen - wenigstens nach den Umständen konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/08/0099, mwN; vgl. zur Unerheblichkeit gefälligkeitshalber geförderter Interessen Dritter bzw. "indirekter Freundschaftsdienste" VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165).
10 Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat das Verwaltungsgericht sich mit dem Vorliegen eines Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienstes in diesem Sinn auseinandergesetzt, dazu - wenngleich teilweise disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung - Feststellungen getroffen und ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen eines bloßen Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienstes verneint. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts diesbezüglich unvertretbar erfolgt bzw. dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ein Begründungsmangel unterlaufen wäre. 11 Beweisanträgen ist grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141; 8.1.2015, Ra 2014/08/0064).
12 Das Verwaltungsgericht stützte seine Beurteilung, dass die Einvernahme des durch den Revisionswerber beantragten weiteren Zeugen zu unterbleiben habe darauf, dass - insbesondere auch unter Beachtung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten - kein taugliches Beweisthema genannt worden sei. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass diese Beurteilung im dargestellten Sinn grob fehlerhaft gewesen wäre.
13 In der Zulassungsbegründung der Revision wird im Übrigen geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis werde den Anforderungen des § 44a VStG nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht habe den falschen Ort, nämlich den Betriebsstandort des Revisionswerbers, als Tatort bezeichnet. Der Tatort der strafbaren Handlung nach § 111 ASVG sei jedoch der Sitz des zuständigen Versicherungsträgers. Als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei, habe das Verwaltungsgericht § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 und 2 ASVG angeführt. Die Bestrafung hätte jedoch nur nach § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 2 ASVG erfolgen dürfen. Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen den erhobenen Vorwurf ausgetauscht und - anders als die Bezirkshauptmannschaft Zell am See - dem Revisionswerber nunmehr vorgeworfen, "eine zumindest in der Unfallversicherung pflichtversicherte Person" beschäftigt zu haben. Ein solcher Austausch des Vorwurfs sei unzulässig. Das Strafverfahren hätte daher wegen bereits eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt werden müssen.
14 Es entspricht der ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass § 44a Z 1 VStG dann entsprochen wird, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden und gleichzeitig der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, eine rechtliche Prüfung vorzunehmen. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem einzelnen Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat § 44a Z 1 VStG genügt oder nicht, mithin ob die erfolgte Umschreibung der Tat im konkreten Fall im Straferkenntnis als rechtmäßig oder als unrechtmäßig zu qualifizieren ist. Das an die Umschreibung der Tat zu stellende Genauigkeitserfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wieder gegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0163, mwN). 15 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht - dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See folgend - den Tatort entgegen der Revision nicht bezeichnet, sondern lediglich bei Umschreibung der Tat den Ort der Beschäftigung des KM angeführt. Dies schadet jedoch fallbezogen nicht. Zur Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat bei Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 ASVG bedarf es nämlich im Allgemeinen keiner näheren Angaben zum Tatort (vgl. dazu nunmehr § 111 Abs. 5 ASVG), weil der Beschuldigte auch ohne diese Angaben in der Lage ist, den konkreten Tatvorwurf zu prüfen bzw. Beweise anzubieten und eine weitere Bestrafung ausscheidet (vgl. VwGH 25.6.2013, 2011/08/0374).
16 Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG besteht diese Anmeldepflicht auch in Bezug auf die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG Pflichtversicherten. 17 § 33 ASVG unterscheidet somit zwischen der Meldung krankenversicherter Personen im Abs. 1 und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter im Abs. 2. Bestraft die Behörde (das Verwaltungsgericht) wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen), so ist in der Entscheidungsbegründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, das heißt ein Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Dies bedeutet zumindest die Feststellung eines solchen Umfangs der Arbeitsverpflichtung, dass daraus mit Blick auf die lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrags verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Andernfalls kommt nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG in Betracht (VwGH 13.5.2019, Ra 2016/08/0138, mwN).
18 Im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigender Anspruchslohn des KM nicht feststellbar sei, und hat auf dieser Grundlage zutreffend einen Schuldspruch (nur) betreffend "eine zumindest in der Unfallversicherung pflichtversicherte Person" und daher (im Hinblick auf die angewendeten Gesetzesstellen auch zutreffend die Bezirkshauptmannschaft Zell am See) nach § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 iVm 2 ASVG vorgenommen. 19 "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Ein Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH 20.5.2019, Ra 2018/02/0043, mwN). Eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung durch das Verwaltungsgericht ist dann zulässig, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0557, mwN).
20 Die erfolgte Klarstellung durch das Verwaltungsgericht, wonach es sich bei KM zumindest um "eine in der Unfallversicherung pflichtversicherte Person" gehandelt habe, stellt in diesem Sinn jedenfalls keinen "Austausch der Tat" dar, zumal auch die Bezirkshauptmannschaft Zell am See ihrem Straferkenntnis vom 3. November 2017 lediglich eine Bestrafung nach § 33 Abs. 1 iVm 2 ASVG zugrunde gelegt hat.
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen bereits ausgeführt, dass in Fällen, in denen zunächst ein Tatvorwurf nach § 111 ASVG iVm § 33 Abs. 1 ASVG erhoben wurde, im Verfahren jederzeit § 33 Abs. 2 ASVG zu § 33 Abs. 1 ASVG als Grundlage einer Bestrafung herangezogen werden kann, wenn zwar eine meldepflichtige Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG oder im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG feststeht, eine Bestrafung wegen Übertretung allein des § 33 Abs. 1 ASVG aber mangels Erweislichkeit einer Vollversicherung nicht in Betracht kommt (vgl. näher VwGH 24.11.2010, 2009/08/0262; 16.2.2011, 2010/08/0153).
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. November 2019
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