VwGH Ra 2019/03/0028

VwGHRa 2019/03/002812.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des Dr. L S in W, vertreten durch Mag. Florian Kuch, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 11/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. Dezember 2018, Zl. VGW-103/064/9823/2018-13, betreffend Erlassung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

VwRallg
WaffG 1996 §12 Abs1
WaffG 1996 §50 Abs1 Z1
WaffG 1996 §50 Abs1 Z2
WaffG 1996 §50 Abs1 Z4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030028.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 A. Das Verwaltungsgericht (VwG) erließ im Rechtszug gegen die revisionswerbende Partei gemäß § 12 Abs. 1 WaffG iVm § 28 Abs. 1 VwGVG ein Waffenverbot (Spruchpunkt I.) und ließ dagegen die ordentliche Revision nicht zu (Spruchpunkt II.).

2 Mit dem vor dem VwG bekämpften Bescheid habe die vor dem VwG belangte Landespolizeidirektion (LPD) das mit einem Mandatsbescheid vom 2. Juli 2014 gegen den Revisionswerber verhängte Waffenverbot bestätigt. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hielt das VwG fest, dass der im Jahr 1975 geborene Revisionswerber Inhaber einer ihm im Jahr 2007 ausgestellten Waffenbesitzkarte für drei Schusswaffen der Kategorie B sei. Am 3. Juni 2014 hätten österreichische Sicherheitsbehörden Erhebungen gegen eine französische Verbrechergruppe durchgeführt, dabei habe sich der Verdacht einer Beteiligung des Revisionswerbers an einer kriminellen Vereinigung ergeben. Die Wohnung des Revisionswerbers in W sei von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchsucht worden. Dabei seien 35 Schusswaffen sichergestellt worden, von denen drei laut zentralem Waffenregister auf den Revisionswerber registriert gewesen seien. Weiters seien 21 Gehstöcke mit verborgener Klinge sowie näher aufgezählte Munition sichergestellt worden. Ferner seien näher aufgezähltes Kriegsmaterial (u.a. eine funktionsfähige Handgranate) sowie schließlich eine Vielzahl von Hieb- und Stichwaffen sichergestellt worden. Der Revisionswerber habe die Wohnung im Jahr 2004 von seinem Adoptivvater übernommen, bereits zu diesem Zeitpunkt seien zahlreiche Waffen dort aufbewahrt gewesen (u.a. etwa 100 antike Spazierstöcke, darunter 21 Stück mit verborgener Klinge). Die sechsfach verankerte Eingangstüre zur Wohnung sei mit einer Gittertüre gesichert. In der Wohnung gebe es ein separat versperrtes Zimmer, in welchem sich ein Waffenschrank befinde. Darin habe der Revisionswerber die auf ihn registrierten Schusswaffen aufbewahrt. Auch die übrigen Schusswaffen seien in diesem Zimmer aufbewahrt worden, teilweise seien sie als Dekorationsobjekte an den Wänden gehangen, teilweise seien sie in Schränken und Kästen gelegen. Sämtliche Schusswaffen seien zum Zeitpunkt der Sicherstellung ungeladen gewesen. Der Revisionswerber habe aus seinem Dienst beim österreichischen Bundesheer Knallkörper, Knallpatronen und Übungshandgranaten und Zünder in die besagte Wohnung mitgenommen. Wo diese Gegenstände sowie die Handgranate in der Wohnung konkret aufbewahrt worden seien, habe nicht festgestellt werden können, der Revisionswerber habe bei der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihm der Fund der Handgranate in der Wohnung nicht erklärlich sei. Die Schwester des Revisionswerbers, die sich immer wieder in der besagten Wohnung aufgehalten habe, habe keinen Zugang zum versperrten Zimmer gehabt, in welchem sich die Schusswaffen befunden hätten. Der Revisionswerber habe die sichergestellten Waffen niemandem anderen überlassen. Am 3. Juli 2014 sei gegen den Revisionswerber mit Mandatsbescheid ein Waffenverbot nach § 12 Abs. 1 WaffG erlassen worden. Dagegen habe dieser Vorstellung erhoben. Im September 2016 sei der Revisionswerber vom Landesgericht für Strafsachen Wien (u.a.) wegen Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG und nach § 50 Abs. 1 Z 4 WaffG zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die Hälfte der verhängten Geldstrafe sei unter Setzung einer Probezeit für die Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen worden. Freigesprochen sei der Revisionswerber insbesondere vom Vorwurf der Beitragstäterschaft zu einem verbrecherischen Komplott worden (§ 259 Z 3 StPO). Das Oberlandesgericht Wien habe der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil Folge gegeben, über den Revisionswerber sei eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt worden.

3 Gerade in Bezug auf das in seinem Besitz befindliche Kriegsmaterial habe der Revisionswerber insbesondere vor dem Hintergrund, dass er seit 2007 eine Waffenbesitzkarte besitze und Reserveoffizier beim österreichischen Bundesheer sei, eine auffallende Sorglosigkeit an den Tag gelegt. Das VwG gehe davon aus, dass die Schwester des Revisionswerbers sowie andere Gäste letztlich doch Zugang zu diesen besonders gefährlichen Gegenständen gehabt hätten. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Revisionswerber bei diversen Auslandseinsätzen des Bundesheeres über mehrere Jahre in Krisengebieten stationiert gewesen sei. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass er über Kontakte in Gebiete verfüge, in welchen das Kriegsmaterial womöglich einen bestimmungsgemäßen Einsatz finden könnte. Auch wenn der Revisionswerber den Großteil der bei der Hausdurchsuchung im Juni 2014 in seiner Wohnung sichergestellten Waffen von seinem Adoptivvater übernommen habe, trage er dennoch die Verantwortung für die Einhaltung der waffenrechtlichen Bestimmungen in Bezug auf die in seinem Besitz befindlichen Waffen (vgl. § 6 Abs. 1 WaffG). Aus seinen Aussagen, wonach ihm nicht bewusst gewesen sei, dass die im strafgerichtlichen Urteil angeführten Waffen der Kategorie B zuzuordnen seien, und dass er außerdem um die Existenz einer Handgranate in seiner Wohnung nichts gewusst und ferner das als Dekorationsobjekt benützte Kriegsmaterial als ungefährlich eingestuft habe, sei demnach nichts zu gewinnen. Vielmehr werde dadurch die Sorglosigkeit des Revisionswerbers im Umgang mit Waffen und Kriegsmaterial unterstrichen. Diese Umstände rechtfertigten die Annahme, dass beim Revisionswerber das Risiko bestehe, in Zukunft neuerlich waffenrechtlich mit erheblichen Fehlleistungen in Erscheinung zu treten. Das VwG komme im Rahmen seiner Prognoseentscheidung auf dem Boden des § 12 WaffG daher zur Auffassung, dass bestimmte Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Revisionswerber künftig durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

4 B.  Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Zufolge § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 C.  Auf dem Boden der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich die vorliegende Revision als nicht zulässig, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in dem von den Leitlinien dieser Judikatur abgesteckten Rahmen liegt.

6 C.a. § 12 Abs. 1 WaffG erlaubt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten (vgl. VwGH 20.3.2018, Ra 2018/03/0022, mwH). Danach ist (zusammengefasst) für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Schon ein einmaliger Vorfall vermag ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG zu rechtfertigen.

7 Bezüglich des unbefugten Besitzes von Waffen und Kriegsmaterial rechtfertigt die bloße Tatsache eines allenfalls auch vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffenrecht nicht losgelöst von der Art des Verbotes und den Umständen des Einzelfalls die Verhängung eines Waffenverbotes (vgl. VwGH 29.1.2015, Ra 2015/03/0002, mwH). Auf dem Boden der zuletzt angesprochenen Rechtsprechung könne ein Waffenverbot aber beispielsweise verhängt werden, wenn die festgesetzten Verstöße auf einer kaum noch als rational einzustufenden Leidenschaft für den Besitz von Waffen beruhen oder in Bezug auf Kriegsmaterial auch die Gefahr einer unkontrollierten Weitergabe besteht.

8 C.b. Der Revisionswerber stellt die vom VwG getroffenen Feststellungen zu Art und Umfang der bei ihm im Juni 2014 sichergestellten (zum Teil verbotenen) Waffen sowie Kriegsmaterial nicht in Abrede. Damit ist auch unstrittig, dass der Revisionswerber auf Basis seiner Waffenbesitzkarte lediglich zum Besitz von drei der bei ihm sichergestellten Schusswaffen der Kategorie B berechtigt war.

9 Der Revisionswerber bestreitet auch nicht seine rechtskräftige Verurteilung wegen des unbefugten Besitzes von Schusswaffen der Kategorie B (§ 50 Abs. 1 Z 1 WaffG), des Besitzes von verbotenen Waffen (§ 50 Abs. 1 Z 2 WaffG) sowie des unbefugten Besitzes von Kriegsmaterial (§ 50 Abs. 1 Z 4 WaffG).

10 Durch diese gerichtliche Verurteilung wurde in einer für das VwG bindenden Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. Das VwG war verpflichtet, die so entschiedene Frage seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. dazu VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0009; VwGH 1.6.2017, Ro 2014/08/0076; VwGH 19.4.2012, 2012/03/0054).

11 Auch wenn der Revisionswerber vorbringt, dass er einen "Gutteil der Waffen" von seinem Adoptivvater "zehn Jahre vor der Amtshandlung" übernommen habe, hat er damit gehäuft strafrechtlich verpönte Gesetzesverletzungen über einen längeren Zeitraum in Kauf genommen, was zu einer unberechtigten Ansammlung einer beachtlichen Menge von Waffen einschließlich Kriegsmaterial und verbotenen Waffen geführt hat. Von einem "Wohlverhalten" des Revisionswerbers "in einem 10-jährigen Beobachtungszeitraum" kann entgegen der Revision derart keine Rede sein. Vielmehr dokumentiert sich in seinem Fehlverhalten eine auffallende Sorglosigkeit im Umgang mit Waffen, wobei der unerlaubte Besitz von verbotenen Waffen und von Kriegsmaterial bei der für eine Verhängung eines Waffenverbots anzustellenden Prognose zu Ungunsten des Revisionswerbers besonders ins Gewicht fällt (vgl. VwGH 27.1.2010, 2009/03/0082; VwGH 19.3.2013, 2012/03/0172). Ebenso fällt in diesem Zusammenhang zu Ungunsten des Revisionswerbers besonders ins Gewicht, dass er aus seinem Dienst beim österreichischen Bundesheer Knallkörper, Knallpatronen und Übungshandgranaten und Zünder in die besagte Wohnung mitgenommen hat; dass er dazu eine Berechtigung besessen hätte, bringt er nicht vor, eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass Kriegsmaterial ausschließlich dem Kampfeinsatz dient und sich durch eine besondere Gefährlichkeit auszeichnet (vgl. VwGH 29.1.2015, Ra 2015/03/0002, mwH).

12 Ausgehend davon liegt die vorliegende Entscheidung des VwG angesichts des (auch) für die Prognoseentscheidung nach § 12 WaffG maßgebenden strengen Maßstabes im Rahmen der Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang ausschließlich die Tatsache, dass dem vom Waffenverbot betroffenen Menschen angesichts seines Verhaltens weiterhin eine missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen bzw. von diesem zu befürchten ist (vgl. VwGH 20.3.2018, Ra 2018/03/0022). Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung angesichts des beschriebenen unerlaubten Besitzes von Waffen in großem Umfang einschließlich von verbotenen Waffen und Kriegsmaterial gegeben. Dass die in Rede stehenden Waffen weder geladen noch ungenügend verwahrt worden seien, vermag daran nichts zu ändern. Fehl geht damit ferner das Vorbringen, das VwG habe den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung schon eingebrachten Antrag des Revisionswerbers auf Aufhebung des verhängten Waffenverbotes sowie die seit der Erlassung des Mandatsbescheides im Jahr 2014 verstrichene Zeit nicht hinreichend berücksichtigt. Von daher erweist sich schließlich der Hinweis als nicht zielführend, der Revisionswerber habe zur "Legalisierung" seines Waffenbesitzes ohnehin im Jahr 2014 einen Büchsenmacher aufsuchen wollen, wozu es aber im Hinblick auf das besagte Waffenverbot nicht mehr gekommen sei.

13 D.  In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

14 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2019

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