VwGH Ro 2018/10/0040

VwGHRo 2018/10/004027.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der S A in G, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 25. Juni 2018, Zl. LVwG 41.2-415/2018-29, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §9
MRK Art6
MSG Stmk 2011 §4 Abs1 Z3
MSG Stmk 2011 §4 Abs2
VwGG §39 Abs2 Z6
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018100040.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. Juni 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark - im Beschwerdeverfahren - einen Antrag der Revisionswerberin vom 10. Dezember 2017 auf Weitergewährung von Mindestsicherung ab, wobei sich das Verwaltungsgericht insbesondere auf § 4 Steiermärkisches Mindestsic herungsgesetz (Stmk. MSG) stützte. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde zugelassen.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung die wesentlichen Feststellungen zugrunde, die (am 22. Juni 1954 geborene) Revisionswerberin sei seit 25. Juni 1999 in Graz jeweils mit Hauptwohnsitzen gemeldet; sie habe "in ihrer Heimat" die Grundschule besucht und verfüge über keine Berufsausbildung.

3 Über einen von der Revisionswerberin am 22. Juni 1999 gestellten Antrag sei am 11. Oktober 2000 gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 rechtskräftig negativ entschieden worden; da laut Auskunft der Armenischen Botschaft für die Revisionswerberin kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden habe können, seien gegen diese keine "fremdenpolizeilichen Maßnahmen" gesetzt worden.

4 Bereits ab 1999 habe die Revisionswerberin Mittel aus der Sozialhilfe erhalten; so seien die Miete, Krankenkosten und Taschengeld regelmäßig gewährt worden.

5 Von Mai 2004 bis Dezember 2009 habe die Revisionswerberin Leistungen der Grundversorgung in Form von Bekleidungsbeihilfe, Verpflegung, Miete und Krankenversicherung erhalten. Ab Jänner 2010 sei der Revisionswerberin von der belangten Behörde regelmäßig Sozialhilfe ausbezahlt worden. Der fremdenrechtliche Status der Revisionswerberin in diesem Zeitraum könne - mangels deren Mitwirkung - nicht festgestellt werden.

6 Beginnend mit 12. Dezember 2011 sei für die Revisionswerberin für folgende Zeiträume jeweils eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", welche ihr den Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt hätte, ausgestellt worden: am 12. Dezember 2011, am 14. Dezember 2012 sowie am 14. Dezember 2013 jeweils befristet auf ein Jahr. Am 14. Dezember 2014 sei die "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" bis 13. Dezember 2017 und am 14. Dezember 2017 bis 13. Dezember 2020 ausgestellt worden.

7 Für die Revisionswerberin schienen im Versicherungsdatenauszug der "österreichischen Sozialversicherung" für den Zeitraum 8. März 2001 bis 30. April 2001 der Vermerk "Arbeiterin" und für den Zeitraum 29. Juni 2001 bis 30. Juni 2001 der Vermerk "geringfügig beschäftigt" auf; im Zeitraum 2. Juli 2001 bis 16. Juli 2001 sei sie "Erntehelfer" gewesen, vom 24. September 2001 bis 14. Oktober 2001 "Arbeiterin", ebenso im Zeitraum 4. Dezember 2001 bis 25. Dezember 2001.

8 Für den Zeitraum 11. Mai 2004 bis 18. Dezember 2009 sei "Asylwerberin bzw. Flüchtling" vermerkt, vom 1. August 2012 bis 30. September 2012 sei die Revisionswerberin bei der Caritas geringfügig beschäftigt gewesen; weitere geringfügige Beschäftigungen lägen in folgenden Zeiträumen vor:

6. November 2012 bis 30. November 2012, 11. Dezember 2012 bis 31. Dezember 2012, 23. Jänner 2013 bis 31. Jänner 2013 sowie 5. April 2013 bis 30. April 2013.

9 Im Zeitraum vom 17. April 2013 bis 2. Juli 2013 habe die Revisionswerberin Arbeitslosengeld bezogen; im Zeitraum vom 14. Juli 2013 bis 31. Juli 2013 sei sie geringfügig beschäftigt gewesen. Im Zeitraum vom 9. September 2013 bis 11. Oktober 2013 sei der Revisionswerberin wiederum Arbeitslosengeld gewährt worden. In der Folge sei sie in folgenden Zeiträumen geringfügig beschäftigt gewesen: 30. Oktober 2013 bis 31. Oktober 2013, 11. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013, 19. Februar 2014 bis 28. Februar 2014, 16. April 2014 bis 30. April 2014, 15. Mai 2014 bis 31. Mai 2014, 16. Juli 2014 bis 31. Juli 2014, 25. September 2014 bis 30. September 2014 sowie 12. November 2014 bis 30. November  2014.

10 Mit verschiedenen (näher genannten) Bescheiden der belangten Behörde aus den Jahren 2011, 2012, 2014 und 2015 seien der Revisionswerberin jeweils - näher festgestellte - Leistungen der Mindestsicherung gewährt worden. Mit Bescheid vom 2. Jänner 2017 sei ihr Mindestsicherung in der Höhe von EUR 844,46 befristet bis 31. Dezember 2017 zuerkannt worden.

11 Mit weiterem (rechtskräftigen) Bescheid seien der Revisionswerberin nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz - Stmk. SHG für den Zeitraum vom 1. Jänner 2018 bis 30. Juni 2018 der Lebensbedarf und die monatliche Miete (insgesamt rund EUR 680,- -) gewährt worden.

12 Die Revisionswerberin habe von 1999 bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses insgesamt EUR 33.206,26 an Sozialhilfe und EUR 64.602,77 an Mindestsicherungsleistungen erhalten. Sie habe (auch) in Österreich keine Berufsausbildung erworben, lebe alleine, habe keine Familie, engagiere sich weder in Vereinen noch in Sozialprojekten und habe - nach eigenen Angaben - auch keine Freunde in Österreich.

13 Den vor dem Verwaltungsgericht bekämpften, den Folgeantrag der Revisionswerberin vom 10. Dezember 2017 abweisenden Bescheid habe die belangte Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich beim Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" um einen befristeten Aufenthaltstitel handle; der Revisionswerberin mangle es an der Anspruchslegitimation gemäß § 4 Abs. 2 Stmk. MSG.

14 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe maßgeblicher Normen - soweit für die vorliegende Revisionsentscheidung relevant - im Wesentlichen aus, die für die Revisionswerberin ausgestellte "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" ermögliche grundsätzlich Drittstaatsangehörigen (also Personen, die weder EU- oder EWR-Bürger noch Schweizer Staatsangehörige seien) einen befristeten Aufenthalt in Österreich sowie eine Berechtigung zu einem beschränkten, teilweise auch zu einem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Revisionswerberin verfüge damit allerdings nicht über einen Aufenthaltstitel, aus dem sich gemäß § 4 Abs. 2 Stmk. MSG eine Anspruchsvoraussetzung ergebe. Es sei daher im Sinn des § 38 AVG zu beurteilen, ob die Revisionswerberin "zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt" im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG sei.

15 Nach den Gesetzesmaterialien zu § 4 Stmk. MSG seien mit der Berechtigung zum "dauernden Aufenthalt" im Inland nicht nur jene Aufenthaltstitel angesprochen, die "unbefristet" im engeren Sinn seien, sondern auch solche, welche "durch die Dauer der Befristungen zu einem nicht bloß vorübergehenden Aufenthalt in Österreich berechtigen" (vgl. Erl. ProtLT XVI. GP, EZ/OZ 148, S. 3).

16 Zur Frage, welcher Zeitraum unter dem Begriff "dauernder Aufenthalt" zu verstehen sei, gäben die Materialien allerdings - so das Verwaltungsgericht weiter - keine konkrete Auskunft.

17 Zur Beurteilung und Feststellung eines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich seien die gesetzlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG sowie des Fremdenpolizeigesetzes 2005 heranzuziehen; sowohl nach den einschlägigen Bestimmungen des NAG als auch den Gesetzesmaterialien sei zweifelsfrei erkennbar, dass der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu einer "befristeten Niederlassung" im Bundesgebiet berechtige.

18 Ausgehend von § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG sei zu prüfen, ob die Revisionswerberin, die ihren Aufenthalt als Drittstaatsangehörige (bloß) auf den befristeten Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" stütze, zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Nach dem zum Oö. Mindestsicherungsgesetz - Oö. BMSG ergangenen hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2017, Ra 2016/10/0130, könne eine "'Aufenthaltsverfestigung' (§ 9 BFA-VG (BFA-Verfahrensgesetz)) materiell-rechtlich zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigen".

19 Im Folgenden nahm das Verwaltungsgericht eine Beurteilung des Aufenthaltes der Revisionswerberin im Inland nach § 9 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG vor: Zwar sei dieser Aufenthalt seit Dezember 2011 (aufgrund des erteilten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus") rechtmäßig, allerdings habe die Revisionswerberin ihren Lebensunterhalt seit 1999 fast ausschließlich durch Sozialmittel finanziert. Sie habe ihren langen Aufenthalt im Bundesgebiet überhaupt nicht zu einer beruflichen Integration genützt; vielmehr sei sie in einem Zeitraum von etwas mehr als 18 Jahren bloß verschiedenen kurzfristigen Beschäftigungen im Ausmaß von insgesamt etwas mehr als fünf Monaten nachgegangen.

20 Abgesehen vom Besuch eines Deutschkurses habe die Revisionswerberin ihren langen Aufenthalt im Inland nicht genützt, um sich beruflich oder sozial zu integrieren. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der bei Aufenthaltsbeendigungen vorzunehmenden Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK gehe zwar bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich aus. Wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt habe, um sich sozial und beruflich zu integrieren, seien jedoch Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch als verhältnismäßig angesehen worden (Hinweis u.a. auf VwGH 16.9.2015, Ra 2015/22/0075).

21 Aus diesen Gründen nahm das Verwaltungsgericht eine Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 9 Abs. 5 BFA-VG nicht an.

22 Mit Blick auf § 9 Abs. 4 BFA-VG prüfte das Verwaltungsgericht abschließend, ob die Revisionswerberin die Voraussetzungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt hätte, verneinte dies allerdings schon mit Blick darauf, dass sich die Revisionswerberin nicht seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten habe (vgl. § 10 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG). Außerdem liege auf der Hand, dass der Lebensunterhalt der Revisionswerberin nicht im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG hinreichend gesichert sei.

23 Die Revisionswerberin habe keine ausreichenden Mittel für ihren Unterhalt, könne ihre Unterkunft nur unter Heranziehung von Sozialleistungen finanzieren und verfüge auch nicht aus eigener Kraft über einen Krankenversicherungsschutz. Schon aufgrund der Tatsache, dass sie Anträge auf Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe gestellt habe, habe sie nicht im Sinn des § 9 Abs. 5 BFA-VG glaubhaft gemacht, ihren Lebensunterhalt in Zukunft aus eigenen Mitteln finanzieren zu können.

24 Mangels Aufenthaltsverfestigung der Revisionswerberin im Sinn einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung sei sie nicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt und zähle somit nicht zu jenem Personenkreis, der einen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung des Landes Steiermark geltend machen könne. Eine "Aufstockung" der der Revisionswerberin gewährten Sozialhilferichtsätze auf den jeweiligen Mindestsicherungsstandard scheide somit schon aus diesem Grund aus.

25 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass hg. Rechtsprechung zur Frage des dauernden Aufenthaltes im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG in Verbindung mit dem Vorliegen befristeter Aufenthaltstitel fehle.

26 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision beantragt; Aufwandersatz wurde nicht begehrt.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 1. Für den vorliegenden Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes - Stmk. MSG, LGBl. Nr. 14/2011 in der Fassung LGBl. Nr. 12/2018, in den Blick zu nehmen:

"§ 4

Persönliche Voraussetzungen

(1) Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben

Personen, die

1. hilfebedürftig sind,

2. ihren Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen

ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark haben und

3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis nach Abs. 1 Z 3 gehören jedenfalls:

1. österreichische Staatsbürgerinnen/Staatsbürger und deren

Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel

‚Familienangehöriger' gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und

Aufenthaltsgesetzes (NAG) verfügen;

2. Personen, die über ein unionsrechtliches

Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen;

3. Asylberechtigte gemäß § 3 Asylgesetz 2005;

4. subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Asylgesetz 2005;

5. Personen

a) mit einem Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt - EU', denen dieser Aufenthaltstitel gemäß § 45 NAG erteilt wurde oder

b) deren vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellter Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt - EG' oder ‚Daueraufenthalt - Familienangehöriger' als solcher gemäß § 81 Abs. 29 NAG als ‚Daueraufenthalt - EU' weiter gilt oder

c) deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts-

und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV) weiter gilt;

6. Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 49 Abs. 2 bis 4 NAG."

28 2. Die Revision erweist sich mit Blick auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes als zulässig. Sie ist allerdings nicht berechtigt.

29 2.1. Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben Personen, die (u.a.) "zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt" sind (§ 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG).

30 Zunächst ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass die der Revisionswerberin wiederholt - jeweils befristet - ausgestellte "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nicht zu jenen Aufenthaltstiteln bzw. Aufenthaltsrechten zählt, welche deren Inhabern nach § 4 Abs. 2 Stmk. MSG "jedenfalls" zu der Anspruchsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG verhelfen.

31 Nach den Gesetzesmaterialien zu § 4 Stmk. MSG (Erl. ProtLT XVI. GP, EZ/OZ 148, S. 3) sind die in § 4 Abs. 2 Stmk. MSG angeführten Tatbestände bloß in demonstrativer Weise genannt und blieben "dadurch im Hinblick auf die weiterhin zu erwartende Dynamik des Fremdenrechts grundsätzlich für weitere Tatbestände offen". Eine dauernde Aufenthaltsberechtigung im Inland im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG ist somit nach der Systematik des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Tatbestände des § 4 Abs. 2 Stmk. MSG beschränkt.

32 2.2. Das Verwaltungsgericht ist im Weiteren zutreffend davon ausgegangen, dass der Besitz der der Revisionswerberin - zuletzt am 14. Dezember 2017 befristet auf drei Jahre - ausgestellten "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (allein) dieser - entgegen der Behauptung der Revision - eine dauernde Aufenthaltsberechtigung im Inland im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG nicht vermitteln konnte.

33 Die Anspruchsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG ist - ihrem wesentlichen Norminhalt nach - jener des § 4 Abs. 1 Z 2 lit. e Oö. BMSG vergleichbar, mit welcher sich der Verwaltungsgerichtshof in dem schon erwähnten Erkenntnis Ra 2016/10/0130 befasst hat, weshalb folgende Grundsätze dieses Erkenntnisses auf die hier maßgebliche Rechtslage zu übertragen sind:

34 § 4 Abs. 1 Z 3 Stmk. MSG stellt nicht - wie die Revisionswerberin vermeint - auf (von der zuständigen Behörde erteilte) "Aufenthaltstitel", sondern auf ein - gegebenenfalls im Wege der Vorfragenbeurteilung zu ermittelndes - "sonstiges dauerndes Aufenthaltsrecht" ab. Ein solches dauerndes Aufenthaltsrecht kommt jener Personengruppe zu, welche aufgrund einer Aufenthaltsverfestigung (vgl. dazu nunmehr § 9 BFA-VG) in Österreich bleiben darf, daher materiell-rechtlich über ein dauerndes Aufenthaltsrecht im Inland verfügt.

35 2.3. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die Vorgangsweise des Verwaltungsgerichtes, welches anhand seiner detaillierten Feststellungen (vgl. deren Wiedergabe oben unter Rz 2 bis 12) den Aufenthalt der Revisionswerberin im Inland nach § 9 BFA-VG und der in diesem Zusammenhang relevanten hg. Rechtsprechung zu Aufenthaltsbeendigungen unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK beurteilt hat, keine Bedenken.

36 Auch das Ergebnis dieser Beurteilung vermag die Revision mit dem bloßen Hinweis darauf, die Revisionswerberin sei "seit bald sieben Jahren in Österreich rechtmäßig aufhältig", nicht in Zweifel zu ziehen.

37 3. Die sich somit als unbegründet erweisende Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

38 Von der Durchführung der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 EMRK stand dem nicht entgegen, weil die Revisionswerberin schon Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorzutragen (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2017/10/0029).

Wien, am 27. März 2019

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