VwGH Ra 2018/10/0030

VwGHRa 2018/10/003020.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision 1. des R D, 2. der I D, beide in L, beide vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in 4240 Freistadt, Hauptplatz 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 29. September 2017, Zl. LVwG-551076/12/SE-551077/2, betreffend Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrags (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
ForstG 1975 §172 Abs6;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100030.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 31. Jänner 2017 (betreffend Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrags gemäß § 172 Abs. 6 iVm § 17 Abs. 1 ForstG) gerichtete Beschwerde abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass den Revisionswerbern die Entfernung einer ca. 3 x 5 m großen Hütte samt der ca. 2 x 5 m großen Überdachung mit zwei Stehern sowie der Bodenplatte aufgetragen wurde. Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, für die von den Revisionswerbern auf einem näher genannten Waldgrundstück errichtete Hütte liege kein forstrechtlicher Konsens im Sinne des § 17 ForstG vor; die Revisionswerber hätten die Errichtung der Hütte bei der Behörde auch nicht angezeigt noch einen diesbezüglichen Bewilligungsantrag eingebracht. Die Hütte diene auch nicht der forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung bzw. bestehe keine unbedingte Notwendigkeit hiefür.

2 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. Dezember 2017, E 3970/2017-5, die Behandlung der dagegen von den Revisionswerbern erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 15. Jänner 2018, E 3970/2017- 9, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Voraussetzung der Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 ForstG ist, dass es sich bei der betreffenden Fläche zum Zeitpunkt des Zuwiderhandelns gegen forstrechtliche Vorschriften und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des Forstgesetzes handelt. Tatbestandsvoraussetzung des § 172 Abs. 6 ForstG ist darüber hinaus ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften, z. B. das Rodungsverbot (vgl. etwa VwGH 13.10.2004, 2000/10/0115; 27.5.2014, 2012/10/0163, jeweils mwN).

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ermöglicht die Bestimmung des § 172 Abs. 6 ForstG auch einen Auftrag zur Beseitigung einer auf einer Waldfläche ohne behördliche Bewilligung errichteten Bauwerks (vgl. VwGH 9.11.1992, 92/10/0061 sowie das zitierte Erkenntnis 2000/10/0115, jeweils mwN).

8 Die gegenständliche Hütte wurde unstrittig auf einem Waldgrundstück sowie ohne Erteilung einer Rodungsbewilligung gemäß § 17 ForstG errichtet.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass bei Verwendung einer unbestockten Waldgrundfläche für die Bebauung mit einer Hütte nur dann keine Rodung nach § 17 Abs. 1 des ForstG vorliegt, wenn die Hütte tatsächlich der forstlichen Bewirtschaftung dient und wenn sie dazu unbedingt notwendig ist. An das Erfordernis der unbedingten Notwendigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen, da ansonsten angesichts der Struktur des Waldeigentums in Österreich, die eine Vielzahl von Kleinbesitzern aufweist, eine mit den Zielen des ForstG nicht vereinbare Waldverhüttelung drohen würde. Unbedingt erforderlich ist eine Hütte nur dann, wenn ohne sie eine forstliche Bewirtschaftung nicht möglich ist (vgl. etwa VwGH 30.9.1992, 91/10/0172; 14.6.1993, 90/10/0100; 26.9.1994, 93/10/0001, sowie das zitierte Erkenntnis 2000/10/0115, jeweils mwN).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Rechtsprechung in jüngeren Entscheidungen festgehalten (vgl. VwGH 31.7.2009, 2006/10/0052; 29.2.2012, 2010/10/0107). Das Zulässigkeitsvorbringen in der Revision, wonach diesbezügliche Rechtsprechung zur "neuen Rechtslage, nach der Forstgesetznovelle 2002" fehle, geht daher jedenfalls ins Leere.

11 Auch mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, wonach das Verwaltungsgericht "diese Regel zu Unrecht herangezogen (habe), da es an einer konkretisierenden Judikatur durch den VwGH fehlt", wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:

12 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall kommt hingegen dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof kommt nur dann zum Tragen, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. zuletzt VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052, mit Hinweisen auf die ständige hg. Rechtsprechung und Literatur).

13 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht - gestützt auf das Gutachten des forstfachlichen Amtssachverständigen und mit näherer Begründung - festgestellt, dass die Notwendigkeit der Hütte für eine forstliche Bewirtschaftung nicht bestehe. Es ist bei der von ihm vorgenommenen einzelfallbezogenen Beurteilung nicht von den dargestellten Leitlinien der hg. Rechtsprechung abgewichen.

14 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Errichtung der Hütte eine (rechtswidrige) Rodung gemäß § 17 ForstG darstellt, ist im Revisionsfall ebenso wenig zu beanstanden wie die Erteilung des gegenständlichen forstpolizeilichen Auftrages.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. März 2018

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