VwGH 2010/10/0107

VwGH2010/10/010729.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der G und des HA in I, beide vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Ullmann-Geiler und Partner in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 17-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. März 2010, Zl. IIIa1-F-10.068/1, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §18;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §18;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. März 2010 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Bewilligung der Rodung einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 3233, KG H., im Ausmaß von insgesamt ca. 208 m2 zum Zweck der Errichtung eines Stadels abgewiesen.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die zur Rodung beantragte Fläche, deren Bewuchs bereits entfernt worden sei, weise höchste Schutzfunktion auf, weil die letzten Ausläufer größerer Lawinen des H.-Grabens bis hierher gereicht hätten, weiters ein hohes Nutzpotenzial sowie hohe Wohlfahrts- und Erholungsfunktion. Demgemäß lauteten die Wertziffern des Waldentwicklungsplanes 322. An der Walderhaltung der Fläche bestehe ein besonderes öffentliches Interesse. Demgegenüber liege die Errichtung des Stadels im privaten Interesse der beschwerdeführenden Parteien. Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche iSd § 17 Abs. 3 und 4 Forstgesetz 1975 seien nicht feststellbar. Die beschwerdeführenden Parteien hätten zwar vorgebracht, dass der Stadel zur Lagerung von Geräten verwendet werden solle, die für forstwirtschaftliche Arbeiten erforderlich seien (Motorsägen, Schubkarren, Dengelmaschinen udgl.). Angesichts des Umstandes, dass sie auch Eigentümer des an die Rodefläche angrenzenden Grundstückes seien, auf dem sich ein Gebäude befinde und auf dem die Geräte gelagert werden könnten, sei jedoch nicht ersichtlich, weshalb es unbedingt erforderlich sei, für die Lagerung der forstwirtschaftlichen Geräte einen neuen Stadel auf Waldboden zu errichten.

Die beschwerdeführenden Parteien hätten weiters auf die im öffentlichen Interesse gelegene Agrarstrukturverbesserung, den Naturschutz und auf das Siedlungswesen hingewiesen. Allerdings handle es sich bei der Errichtung des Stadels um keine Maßnahme, die zur Existenzsicherung eines landwirtschaftlichen Betriebes oder unter dem Blickwinkel eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes erforderlich wäre. Auch Gesichtspunkte des Siedlungswesens würden nicht berührt. Schließlich sei auch nicht entscheidend, dass die zur Rodung beantragte Fläche eine Größe von nur 208 m2 aufweise.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 55/2007, (ForstG 1975) lauten auszugsweise wie folgt:

"Rodung

§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

...

Rodungsbewilligung; Vorschreibungen

§ 18. (1) Die Rodungsbewilligung ist erforderlichenfalls an Bedingungen, Fristen oder Auflagen zu binden, durch welche gewährleistet ist, dass die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere sind danach

1. ein Zeitpunkt festzusetzen, zu dem die Rodungsbewilligung erlischt, wenn der Rodungszweck nicht erfüllt wurde,

2. die Gültigkeit der Bewilligung an die ausschließliche Verwendung der Fläche zum beantragten Zweck zu binden oder

3. Maßnahmen vorzuschreiben, die

a) zur Hintanhaltung nachteiliger Wirkungen für die umliegenden Wälder oder

b) zum Ausgleich des Verlustes der Wirkungen des Waldes (Ersatzleistung) geeignet sind.

(2) In der die Ersatzleistung betreffenden Vorschreibung ist der Rodungswerber im Interesse der Wiederherstellung der durch die Rodung entfallenden Wirkungen des Waldes zur Aufforstung einer Nichtwaldfläche (Ersatzaufforstung) oder zu Maßnahmen zur Verbesserung des Waldzustandes zu verpflichten. ..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die unter Beiziehung eines forstfachlichen Sachverständigen gewonnene Auffassung zu Grunde, es bestehe an der Walderhaltung der zur Rodung beantragten Fläche insbesondere wegen der hohen Schutzfunktion ein besonderes öffentliches Interesse. Eine Rodungsbewilligung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG 1975 komme daher nicht in Betracht. Mangels eines überwiegenden öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der Waldfläche könne den beschwerdeführenden Parteien die zum Zweck der Errichtung eines Stadels beantragte Rodungsbewilligung aber auch nach § 17 Abs. 3 ForstG 1975 nicht erteilt werden.

Die beschwerdeführenden Parteien, die sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Erteilung der beantragten Rodungsbewilligung verletzt erachten, bringen dagegen im Wesentlichen vor, sie hätten von Anfang an darauf hingewiesen, dass der Stadel der forstlichen Bewirtschaftung diene, weil die zur Bewirtschaftung der Waldflächen erforderlichen Geräte darin gelagert werden sollen. Der Stadel sei unbedingt notwendig. Dass die beschwerdeführenden Parteien Eigentümer des Nachbargrundstückes seien, lasse noch keine Rückschlüsse darauf zu, dass es möglich sei, die für die forstliche Bewirtschaftung erforderlichen Geräte hier zu lagern. Die belangte Behörde hätte daher aussprechen müssen, dass "eine Rodungsbewilligung zur Errichtung des gegenständlichen Stadels nicht erforderlich" sei und das Ansuchen zustimmend zur Kenntnis genommen werde. Sollte dessen ungeachtet eine Rodungsbewilligung jedoch erforderlich sei, hätte diese schon deshalb erteilt werden müssen, weil die beschwerdeführenden Parteien eine näher beschriebene Wiederaufforstung angeboten hätten und weil es sich um eine Rodefläche im Ausmaß von nur 208 m2 handle. Schließlich sei die vorgenommene Interessenabwägung mangelhaft, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass an der Errichtung des Stadels ein in der Agrarstrukturverbesserung gelegenes öffentliches Interesse bestehe. Die beschwerdeführenden Parteien führten nämlich einen forstwirtschaftlichen Betrieb und müssten die dafür erforderlichen Geräte kostengünstig lagern. Auch diene der Stadel der Existenzsicherung des Betriebes, sodass unverständlich sei, weshalb die belangte Behörde von rein privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien ausgehe.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:

Mit der Behauptung, für die Errichtung des in Rede stehenden Stadels auf Waldboden sei keine Rodungsbewilligung erforderlich, weil diese der forstlichen Bewirtschaftung diene, übersehen die beschwerdeführenden Parteien zunächst, dass für den Fall, dass eine Rodungsbewilligung nicht erforderlich wäre, sie auch nicht - wie sie in der vorliegenden Beschwerde behaupten - im Recht auf Erteilung einer Rodungsbewilligung verletzt werden könnten.

Davon abgesehen sind sie zu diesem Vorbringen auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach die Verwendung einer Waldfläche für die Bebauung mit einer Hütte - unter dem Gesichtspunkt der Verwendung des Waldbodens für Zwecke der Waldkultur - nur dann keine Rodung darstellt, wenn die Hütte allein der forstlichen Bewirtschaftung dient und hiezu unbedingt notwendig ist, wobei an das Erfordernis der unbedingten Notwendigkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2009, Zl. 2006/10/0052, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat die Erforderlichkeit des Stadels für die Waldbewirtschaftung schon aus dem Grunde verneint, dass in unmittelbarer Nähe zum geplanten Standort die Möglichkeit bestehe, die erforderlichen Geräte zu lagern; es bedürfe daher der Inanspruchnahme der in Rede stehenden Waldfläche nicht, um eine ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung zu gewährleisten.

Dem sind die beschwerdeführenden Parteien nicht konkret entgegengetreten. Selbst in der vorliegenden Beschwerde haben sie sich auf das Vorbringen beschränkt, es könnten aus ihrer "Eigentümereigenschaft hinsichtlich des Nachbargrundstückes noch überhaupt keine Rückschlüsse" auf die Möglichkeit gezogen werden, hier Geräte zu lagern. Damit wird allerdings nicht aufgezeigt, dass die Annahme der belangten Behörde, es bedürfe zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung gar nicht der Inanspruchnahme der zur Rodung beantragten Waldflächen, unzutreffend wäre.

Bei ihrem weiteren Vorbringen, sie hätten eine Ersatzaufforstung angeboten, übersehen die beschwerdeführenden Parteien, dass das Angebot einer Ersatzaufforstung im Rahmen der Beurteilung, ob eine beantragte Rodung zulässig ist, nicht maßgeblich ist. Das Gesetz bietet nämlich keine Grundlage dafür, das Angebot einer Ersatzaufforstung im Verfahren über die Erteilung der Rodungsbewilligung, und zwar im Rahmen der Interessenabwägung, zu berücksichtigen. Einer Ersatzaufforstung käme im Hinblick auf § 18 ForstG 1975 erst für den Fall einer Bewilligung Bedeutung zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 2001/10/0073, und die dort zitierte Vorjudikatur). Auch der Umstand, dass die Rodefläche ein Ausmaß von nur 208 m2 aufweisen solle, hat im Rodungsverfahren gemäß § 17 Abs. 3 ForstG 1975 keine entscheidende Bedeutung.

Schließlich weisen die beschwerdeführenden Parteien noch auf das in der Agrarstrukturverbesserung gelegene öffentliche Interesse hin. Sie haben aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde auch nur ansatzweise Umstände aufgezeigt, aus denen ersichtlich wäre, dass der angegebene Rodungszweck als Maßnahme der Agrarstrukturverbesserung angesehen werden könnte. Vielmehr haben sie sich auf das Vorbringen beschränkt, die Errichtung des Stadels sei "für einen zeitgemäßen Wirtschaftsbetrieb ... unzweifelhaft erforderlich" und diene der "Existenzsicherung". Mangels konkreter Anhaltspunkte für ein in der Agrarstrukturverbesserung gelegenes öffentliches Interesse an der Errichtung des Stadels kann der belangten Behörde daher schon aus diesem Grund nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie ein entsprechendes öffentliches Interesse iSd § 17 Abs. 4 ForstG 1975 verneinte.

Schließlich rügen die beschwerdeführenden Parteien unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften noch, dass die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt habe, dass ein zur Frage der Erforderlichkeit der Gerätelagerung namhaft gemachter Zeuge nicht gehört worden sei, dass sie keine abschließende Möglichkeit gehabt hätten, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen und dass sie durch die Auffassung der Behörde, die erforderlichen Geräte könnten auf dem benachbarten Grundstück gelagert werden, überrascht worden seien. Sie haben es jedoch unterlassen, die Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG konkret darzutun.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. Februar 2012

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