Normen
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030120.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht im Rechtszug den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen (Kategorie B) gemäß §§ 10, 21 Abs. 2 und 22 Abs. 2 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) nach Durchführung einer Verhandlung ab (Spruchpunkt I.) und erachtete eine Revision dagegen als unzulässig (Spruchpunkt II.).
2 Begründend wurde u.a. Folgendes festgehalten: Der Revisionswerber sei Angestellter einer Waffenhandelsfirma mit dem Sitz in K. Dieses Unternehmen übe einerseits den Großhandel und die Vermittlung des Kaufes und Verkaufes von nichtmilitärischen Waffen und nichtmilitärischer Munition sowie auch das Waffengewerbe hinsichtlich des Kleinhandels mit nichtmilitärischen Waffen und nichtmilitärischer Munition aus. Als Controller und Disponent besitze der Revisionswerber Schlüssel zu den Geschäftsräumlichkeiten in K, in W und auch für ein Außenlager in L. Ebenso seien ihm die Zugangscodes von Alarmanlagen für die Firmenräumlichkeiten bekannt. Das Außenlager sei immer unbesetzt, im Standort in K seien zeitweise andere Mitarbeiter vorhanden.
3 Im Zuge seiner Tätigkeit sei der Revisionswerber dafür verantwortlich, diverse Waffen und Munition von bzw. zu den einzelnen Firmenstandorten zu verbringen. Die Vorgangsweise beim Außenlager sei derart, dass der Revisionswerber zunächst aufsperre, anschließend sein Firmenfahrzeug belade und schließlich vor dem Wegfahren dieses Lager wieder verschließe. Es sei zwar möglich, sowohl vor dem Außenlager als auch vor dem Standort in K mit dem Fahrzeug direkt zu halten, beide Standorte seien aber einsehbar und könnten von anderen Personen betreten werden bzw. diese könnten daran vorbei gehen. Ebenso verhalte es sich beim Standort in W.
4 Der Revisionswerber transportiere Waffen der Kategorien B, C und D.
5 Diese Tätigkeit führe der Revisionswerber seit dem Jahr 2017 durch. Im Zuge dieser einjährigen Tätigkeit seien ihm keine negativen Vorfälle bzw. Gefährdungen untergekommen. Von seinem Chef habe der Revisionswerber allerdings ein Schreiben des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 30. Juni 2017 bekommen, wonach er im Fall von Auffälligkeiten die nächstgelegene Polizeiinspektion verständigen bzw. den Notruf 133 wählen sollte. Im Zuge der mündlichen Verhandlung habe der Rechtsvertreter des Revisionswerbers einen Artikel der Zeitung Kurier vom 13. Februar 2018 vorgelegt, wonach IS-Terroristen 2015 ein Attentat in St. Pölten auf einen Waffenhändler geplant hätten. Auf Ersuchen des Rechtsvertreters habe das besagte Landesamt mitgeteilt, dass der im Zeitungsbericht beschriebene Sachverhalt im Jahr 2015 stattgefunden habe, es aber zu keiner Ausführungsnähe gekommen sei. Es habe keine vergleichbaren Vorfälle in Niederösterreich gegeben.
6 B.a. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 B.b. Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Schusswaffen der Kategorie B nur auf Grund einer behördlichen Bewilligung zulässig. Die Bewilligung zum Erwerb, Besitz und zum Führen dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung eines Waffenpasses, die Bewilligung zum Erwerb und zum Besitz dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zu erteilen.
8 Nach § 21 Abs. 2 WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.
9 Gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.
10 Auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine ganz konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. dazu aus der ständigen Judikatur etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/03/0047).
11 C. Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich die Revision als unzulässig, zumal das Verwaltungsgericht die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bezüglich der von der revisionswerbenden Partei relevierten Möglichkeit eines räuberischen Überfalls in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass selbst die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellen, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet; liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl. etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0082; VwGH 23.2.2018, Ra 2018/03/0002).
12 Wenn das Verwaltungsgericht diese Beurteilung auch für den vorliegend relevanten Transport von Waffen und Munition für einschlägig erachtete, hat es die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verlassen. Danach hat der Revisionswerber nicht nur für eine ordnungsgemäße Verwahrung von Waffen und Munition während eines Transportes zu sorgen, sondern es ist ihm auch zuzumuten, durch die Wahl von Transportzeiten und Transportwegen das Entstehen einer Gefahrenlage hintanzuhalten, zumal das Begeben in eine mutmaßliche Gefahrensituation aus eigenen Stücken der Begründung eines waffenrechtlichen Bedarfs grundsätzlich entgegensteht (vgl. VwGH 29.1.2015, Ra 2014/03/0061). Außerdem liegt es auf Grundlage seiner Fürsorgepflicht beim Dienstgeber, den Revisionswerber als Dienstnehmer einen erforderlichen Schutz vor Straftaten (gefährlichen Angriffen, auch Drohungen, Überfällen) zukommen zu lassen. Es besteht kein Zweifel daran, dass dieser Schutz unter die (allgemeine) Fürsorgepflicht des Dienst- bzw. Arbeitsgebers fällt, der u.a. die Dienstleistungen so zu regeln hat, dass Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers bzw. Dienstnehmers (soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist) geschützt werden (vgl. idZ VwGH 27.1.2011, 2010/03/0072, VwSlg. 18.032 A; VwGH 20.6.2012, 2012/03/0037, VwSlg. 18.438 A; VwGH 18.9.2013, 2013/03/0102). Auf dem Boden dieser Fürsorgepflicht obliegt es dem Arbeitgeber bzw. Dienstgeber, für ihn tätigen Personen den erforderlichen Schutz zukommen zu lassen und daher auch derart vorzusorgen, dass eine vom Revisionswerber befürchtete Gefahr im Wege der Organisation und Vorgangsweise beim Transport (sowohl bei Zurücklegung der Wegstrecken als auch bezüglich der Ausgangspunkte, Zielpunkte und Zwischenstationen) hintangehalten wird. Ferner liegt, wie in der bekämpften Entscheidung angesprochen, die Abwehr von gefährlichen Angriffen (insbesondere die Bedrohung des Lebens bzw. der körperlichen Integrität, wie dies dem Revisionswerber offensichtlich vor Augen steht) bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive. Damit ist es dem Revisionswerber zuzumuten, gegebenenfalls die Sicherheitsbehörden zu verständigen, anstatt sich aus eigenen Stücken in mutmaßliche Gefahrensituationen ohne entsprechende Abwehrvorsorge zu begeben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen und der Versuch, Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, eine Erhöhung der Gefährlichkeit solcher Situationen mit sich bringen kann (vgl. aus der gefestigten Rechtsprechung nochmals VwGH 29.1.2015, Ra 2014/03/0061, mwH). Dies gilt auch für das in der Revision wiederholte eingehende Vorbringen betreffend die Lieferung und Abholung von Waffen und Munition bei einem (dislozierten) Außenlager. Dies gilt prinzipiell auch bezüglich der von - wie die Revision releviert - bestimmten Einzeltätern ausgehenden Gefahr, wobei die Revision nicht in Abrede stellt, dass in einer von Polizeiseite stammenden Information ausdrücklich festgehalten wurde, dass es derzeit keine konkreten Hinweise auf Überfälle durch Terrororganisationen in Österreich gebe und diese Information lediglich der Sensibilisierung der Berufsgruppe der Gewerbetreibenden des Waffenhandels diene. Die Revision stellt auch nicht in Abrede, dass sich nach einer Auskunft eines namentlich genannten Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung NÖ bezüglich einer terroristischen Gefahrenlage an der besagten Information nichts geändert habe. Ausgehend davon ist für die Revision mit der Verfahrensrüge, das Verwaltungsgericht habe die beantragte Einvernahme des genannten Beamten als Zeugen nicht durchgeführt, ebenso wenig zu gewinnen wie mit dem Hinweis auf den Verfassungsschutzbericht 2017, wonach bestimmte Aktivisten in Europa als Einzeltäter aktiv werden könnten.
13 D. In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG von einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.
Wien, am 13. November 2018
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