VwGH Ra 2017/04/0146

VwGHRa 2017/04/014628.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des H D in L, vertreten durch die Riesemann Rechtsanwalts GmbH in 8020 Graz, Stockergasse 10, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 1. August 2017, Zl. LVwG 40.19-1700/2017-2, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040146.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Jänner 2016 in einer Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Starkstromwegegesetz ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 24. Februar 2017, E 3011/2016, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Dieser Beschluss wurde dem Revisionswerber laut eigenen Angaben zu Handen seiner Parteienvertreterin am 4. April 2017 zugestellt.

3 Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017, beim Verwaltungsgericht eingelangt am 26. Juni 2017, beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 12. Oktober 2016. Unter einem wurde gegen das besagte Erkenntnis außerordentliche Revision erhoben.

4 Mit Beschluss vom 1. August 2017 wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG ab. Die ordentliche Revision gegen diesen Beschluss an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht hielt in seiner Begründung fest, ein Rechtsanwalt müsse die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt sei. Vorliegend habe sich die Parteienvertreterin zum Abrufen des Schriftverkehrs im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs und zur Vormerkung von Fristen am fraglichen Tag der 2013 emeritierten Rechtsanwältin Dr. K bedient. Dieser "kanzleifremden" Person gegenüber habe die Parteienvertreterin eine erhöhte Überwachungspflicht und auch eine besondere Schulungspflicht getroffen und sie hätte Dr. K auf die aktuelle Rechtslage - wonach im Fall der Ablehnung einer Beschwerdebehandlung durch den Verfassungsgerichtshof und der Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof keine Aufforderung zur Verbesserung durch den Verwaltungsgerichtshof mehr erfolgt, sondern die Revisionsfrist (neu) zu laufen beginnt - hinweisen müssen. Da die Parteienvertreterin die berufsgebotene Sorgfaltspflicht nicht erfüllt habe, liege keine entschuldbare Fehlleistung vor und eine Wiedereinsetzung sei ausgeschlossen gewesen.

5 In der Folge legte das Verwaltungsgericht die unter einem erhobene außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis vom 12. Oktober 2016 dem Verwaltungsgerichtshof vor (protokolliert zu Ra 2017/04/0085).

6 Gegen den Beschluss vom 1. August 2017 erhob der Revisionswerber - nach Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den Verfassungsgerichtshof und Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint und es habe unrichtiger Weise angenommen, dass hinsichtlich Frau Dr. K eine erhöhte Überwachungspflicht bzw. besondere Schulungspflicht bestanden habe. Der Revisionswerber verweist diesbezüglich auf das allen Anforderungen entsprechende Kontroll- und Überwachungssystem in der Kanzlei seiner Vertreterin, sowie darauf, dass sich die Vertreterin angesichts des Ausbildungsstandes der emeritierten Rechtsanwältin Dr. K auf die ordnungsgemäße Fristeintragung verlassen habe können.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt daher nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0193; 31.5.2017, Ra 2017/22/0064, jeweils mwN).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 11.5.2017, Ra 2017/04/0045, mwN). Der Rechtsanwalt muss gegenüber seinen Mitarbeitern (auch den juristischen) der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nachkommen (siehe VwGH Ra 2017/22/0064, mwN; vgl. etwa zur Kontrolle von Rechtsanwaltsanwärtern VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098).

12 Vorliegend wird weder aufgezeigt noch ist ersichtlich, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Parteienvertreterin fallbezogen dem strengen Sorgfaltsmaßstab nicht gerecht geworden sei, unvertretbar wäre. Der Verweis auf das generell in der Kanzlei der Vertreterin bestehende Kontrollsystem ändert daran nichts, dass nicht dargelegt wurde, dass (und in welcher Weise) eine Überwachung der nur aushilfsweise tätigen Frau Dr. K erfolgt wäre. Soweit der Revisionswerber auf den Ausbildungsstand von Frau Dr. K verweist, vermag dies schon deshalb keine abweichende Beurteilung nach sich zu ziehen, weil deren Emeritierung (als Rechtsanwältin) im Jahr 2013 und somit vor der - vorliegend für die Fristversäumung maßgeblichen - Änderung der Rechtslage im Zusammenhang mit der Behandlung von vom Verfassungsgerichtshof abgelehnten Beschwerden erfolgt ist (vgl. zur gebotenen besonderen Aufmerksamkeit bei rezenten Änderungen der Rechtslage VwGH Ra 2017/04/0045; 31.1.2017, Ra 2017/03/0001, jeweils mwN). So wie von Rechtsanwälten zu erwarten ist, sich über Änderungen der maßgeblichen Rechtslage informiert zu halten (vgl. VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0145, 0016, mwN), ist es auch geboten, derartige Änderungen bei der Schulung bzw. Überwachung der von ihnen herangezogenen Personen gebührend zu berücksichtigen. Dass eine Überwachungs- und Schulungspflicht - wie vom Revisionswerber vorgebracht - dann objektiv nicht einzuhalten wäre, wenn eine Person nur wenige Male bei akutem Personalmangel aushelfe, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

13 Der vom Revisionswerber ins Treffen geführte Umstand, seitens der Parteienvertreterin habe kein Dienstverhältnis mit Frau Dr. K bestanden, vermag an der Überwachungspflicht nichts zu ändern. Soweit sich der Revisionswerber gegen die Zurechnung des Verhaltens von Frau Dr. K an ihn wendet, ist zu erwidern, dass ihm nicht das Verschulden von Frau Dr. K, sondern - zu Recht - das in der Verletzung der Überwachungs- und Schulungspflicht liegende Verschulden der Parteienvertreterin zugerechnet wurde.

14 Das Verwaltungsgericht hat sich somit bei seiner Entscheidung an den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsätzen orientiert.

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2018

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