VwGH Ra 2017/04/0045

VwGHRa 2017/04/004511.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, in der Rechtssache der M G in P, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4/DG, betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 12. August 2016, Zl. LVwG-850593/6/Re/BHu, in einer Angelegenheit nach § 360 Abs. 1 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt), und die Revision gegen das genannte Erkenntnis, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017040045.L00

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Erkenntnis vom 12. August 2016 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 9. März 2016, mit dem gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 die Einstellung des Betriebes einer Hundepension und einer Hundeschule in P verfügt wurde, als unbegründet abgewiesen.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die sie mit einem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verband.

3 Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2016, E 2476/2016, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Verfassungsgerichtshof stellte den Beschluss am 17. Oktober 2016 mittels Web-ERV zu.

4 Mit dem auf das Einlangen des Beschlusses in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgenden Werktag (§ 89d Abs. 2 GOG) begann gemäß § 26 Abs. 4 VwGG die Revisionsfrist zu laufen (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 19.867/2014). Die sechswöchige Revisionsfrist endete sohin am 29. November 2016.

5 2. Ausgehend von einer verspäteten Revisionserhebung brachte die Revisionswerberin am 4. April 2017 beim Verwaltungsgericht unter einem mit der außerordentlichen Revision einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG ein.

6 Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird vorgebracht, der Rechtsanwalt der Revisionswerberin habe nach der Zustellung des Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes nicht darüber informiert, dass nunmehr eine außerordentliche Revision auszuführen wäre und diese innerhalb einer bestimmten Frist eingebracht werden müsste. Das Vollmachtverhältnis sei in der weiteren Folge aus Kostengründen aufgelöst worden. Die Revisionswerberin sei der Ansicht gewesen, dass es einer weiteren Ausführung der außerordentlichen Revision nicht bedürfe. Sie habe daher auch nach Auflösung der Vollmacht keine weiteren Aufträge an einen Rechtsvertreter erteilt.

7 3. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

8 Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/04/0098, mwN). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 2017, Ra 2016/20/0229).

9 Dass dem vertretenden Rechtsanwalt im vorliegenden Fall ein solches "Ereignis" im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG widerfahren ist, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt.

Wenn man die oben wiedergegebene Begründung des Wiedereinsetzungsantrages dahin verstehen wollte, dass das die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Ereignis in einem Rechtsirrtum des vertretenden Rechtsanwaltes über die Rechtslage betreffend die Einbringung einer Revision nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof bestanden hat, könnte dies dem Antrag ebenso nicht zum Erfolg verhelfen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden vorliegen. Die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch keinen minderen Grad des Versehens dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. erneut den hg. Beschluss Ra 2016/20/0229, mwN). Wie sich die Rechtslage hinsichtlich der Einbringung einer Revision nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof darstellt, insbesondere, dass mit der Zustellung des Abtretungsbeschlusses durch den Verfassungsgerichtshof lediglich der (erneute) Lauf der Frist zur Einbringung der Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ausgelöst wird (vgl. § 26 Abs. 4 VwGG), wurde durch die Rechtsprechung zudem bereits klargestellt (vgl. insbesondere den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 19.867/2014 sowie zB den hg. Beschluss vom 31. Jänner 2017, Ra 2017/03/0001, mwN).

10 4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2017

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