VwGH Ra 2016/15/0062

VwGHRa 2016/15/006229.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der I G in V (L), vertreten durch die KPMG Alpen‑Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. März 2016, Zl. RV/1100089/2012, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2000 und 2001, Einkommensteuer 2000 bis 2007, Anspruchszinsen 2000 bis 2007 sowie Einkommensteuervorauszahlungen 2009 und 2010, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §2 Abs1
VwGG §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150062.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin brachte am 9. Mai 2008 „vorsorgliche“ Selbstanzeige ein, in der sie u.a. angab, im Jahr 1994 eine Anstalt nach liechtensteinischem Recht mit dem Sitz in Vaduz gegründet zu haben. Im Rahmen der Anstaltsgründung seien dieser Anstalt Vermögenswerte von schätzungsweise 3,087.117,48 CHF zugeführt worden. Die Revisionswerberin sei in Liechtenstein ansässig, verfüge aber auch über zwei österreichische Wohnsitze. Die Mittel stammten aus versteuerten Einkünften des inzwischen verstorbenen Ehemannes. Mit der Gründung sollte ein „abgeschottetes Vermögen“ geschaffen werden, welches ungeschmälert den Angehörigen der Revisionswerberin zukommen sollte.

2 Die M Anstalt sei eine selbständige Anstalt mit juristischer Persönlichkeit. Die Anstalt sei berechtigt, alle Geschäfte abzuschließen, die dem Zweck der Anstalt dienen können. Das Kapital der Anstalt betrage 30.000 CHF, sei voll einbezahlt und nicht in Teile zerlegt. Für die Verbindlichkeiten der Anstalt hafte ausschließlich das Anstaltsvermögen. Eine Nachschusspflicht des Gründers oder Dritter bestehe nicht. Der Inhaber der Gründerrechte sei deren oberstes Organ; er könne die Anstalt jederzeit auflösen. Die Revisionswerberin sei zeitlebens zur alleinigen Begünstigten der M Anstalt ernannt. Nach ihrem Tod sei EB alleiniger Zweitbegünstigter, sodann die Erben nach dem zuletzt Begünstigten.

3 Aus dem vorgelegten Mandatsvertrag vom 25. November 1994 geht hervor, dass eine näher bezeichnete liechtensteinische AG von der Revisionswerberin mit der Errichtung der liechtensteinischen Anstalt, der Übernahme der gesetzlichen Repräsentanz dieser Anstalt, der Delegation der Verwaltungsräte sowie mit der Ausübung des Verwaltungsmandates beauftragt worden sei.

4 In der Selbstanzeige wies die Revisionswerberin darauf hin, dass nach Ansicht des BMF ausländische Anstalten als transparent zu behandeln seien, d.h. dem Inhaber der Gründungsrechte auch nach Gründung der Anstalt die Erträge in voller Höhe zuzurechnen seien. Dies könne jedoch nur dann der Fall sein, wenn unbeschränkte Steuerpflicht bestünde. Im vorliegenden Fall sei die Revisionswerberin aber in Österreich ‑ zumindest seit 2004 ‑ nur beschränkt steuerpflichtig. Für die Zeiträume vor 2004 („möglicherweise Nichtanwendbarkeit der Zweitwohnsitz‑VO und daher uU unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich“) sei darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin auf Grund des Mittelpunktes ihrer Lebensinteressen in Liechtenstein mit den aus Liechtenstein stammenden Einkünften nur im Ansässigkeitsstaat Liechtenstein der Steuer zu unterwerfen sei. Wenn nach Ansicht der Behörde eine intransparente ausländische Anstalt vorliegen sollte, wären die Vermögenswidmungen im Jahr 1994 der Schenkungssteuer zu unterwerfen gewesen, was irrtümlicherweise nicht erfolgt und mittlerweile verjährt sei. In diesem Fall würden bei unbeschränkter Steuerpflicht in Österreich die Zuwendungen aus der M Anstalt der Einkommensteuer unterliegen. Auf Grund der Sichtweise des BMF sei die M Anstalt aber als transparent, d.h. nicht einer österreichischen juristischen Person vergleichbar, einzuordnen. Dies hätte ertragsteuerlich die Konsequenz, dass die Erträge bzw. das Vermögen der Revisionswerberin für den gesamten „Anstaltszeitraum (1994 ‑ 2006)“ zuzurechnen gewesen wären. Da die Revisionswerberin aber in Liechtenstein ansässig sei, ergebe sich daraus wiederum keine steuerliche Konsequenz.

5 Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung ergingen ‑ teilweise nach Wiederaufnahme der Verfahren ‑ Einkommensteuerbescheide der Jahre 2000 bis 2007, Einkommensteuervorauszahlungsbescheide 2009 und 2010 sowie Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2000 bis 2007. Dabei wurden die Einkünfte der Anstalt steuerlich unmittelbar der Revisionswerberin zugerechnet.

6 Die Revisionswerberin erhob Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen sämtliche Bescheide, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass sich das Finanzamt nicht ausreichend mit ihrem Vorbringen zum Fehlen einer österreichischen Steuerpflicht und den dazu vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt habe. Zudem sei hinsichtlich der Jahre 2000 und 2001 mangels Vorliegens einer Abgabenhinterziehung bereits Verjährung eingetreten.

7 Mit Berufungsvorentscheidungen vom 11. Jänner 2012 wies das Finanzamt die Berufung dem Grunde nach ab. Die Revisionswerberin habe nicht ausreichend nachweisen können, dass sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in den Streitjahren in Liechtenstein gehabt habe. Nach Art. 4 des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens sei die Ansässigkeit der Revisionswerberin im Inland jedenfalls auf Grund der österreichischen Staatsbürgerschaft zu bejahen. Nach dem nach außen in Erscheinung getretenen Verhalten der Revisionswerberin sei es evident, dass sie es zumindest für möglich gehalten habe, Abgaben zu hinterziehen. Die Einkommensteuerfestsetzung der Jahre 2000 bis 2007 sei jedoch abzuändern. Die M Anstalt sei mit einer Körperschaft iSd § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 vergleichbar. Sie sei körperschaftlich strukturiert, besitze eine eigene Rechtspersönlichkeit, habe ein starres Gesellschaftskapital, die Haftung für Gesellschaftsschulden sei auf das Anstaltsvermögen begrenzt. Entsprechend dem Trennungsprinzip seien die von der M Anstalt bezogenen Beträge als Gewinnanteile von Kapitalgesellschaften dem § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zu subsumieren und die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2000 bis 2007 insofern abzuändern.

8 Dadurch kam es in manchen Jahren zu Erhöhungen der im Zusammenhang mit der M Anstalt stehenden Einkünfte (2000, 2004 und 2006), in anderen Jahren zu Verminderungen (2001, 2002) und in den Jahren 2003, 2005 und 2007 mangels Ausschüttungen der M Anstalt an die Revisionswerberin zum gänzlichen Entfall des Ansatzes diesbezüglicher Kapitaleinkünfte.

9 Im Vorlageantrag wurde nicht auf die Ausführungen in den Berufungsvorentscheidungen eingegangen. Gegenstand des Erörterungsgesprächs war nach der Darstellung im angefochtenen Erkenntnis die Frage des Lebensmittelpunkts der Revisionswerberin.

10 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesfinanzgericht die Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil das Erkenntnis der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt sei.

11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung eingebracht.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revisionswerberin erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem Recht verletzt, dass die Zuwendungen aus der M Anstalt als nicht der Einkommensteuer unterliegend behandelt werden. Da in den Jahren 2003, 2005 und 2007 ‑ wie die Revisionswerberin selbst zur Darstellung bringt ‑ keine Einkünfte im Zusammenhang mit der M Anstalt angesetzt wurden, kann die Revisionswerberin hinsichtlich dieser Jahre von vornherein nicht in dem von ihr als Revisionspunkt geltend gemachten Recht verletzt sein, sodass sich die Revision ‑ soweit damit über die Jahre 2003, 2005 und 2007 abgesprochen wurde ‑ schon deshalb als unzulässig erweist.

16 Zur Zulässigkeit macht die Revisionswerberin geltend, die Revision sei aus zweierlei Gründen zulässig:

„- Es fehlt Rechtsprechung des VwGH zur Einordnung einer liechtensteinischen Anstalt, bei der ein sogenannter ‚Mandatsvertrag‘ vorliegt.

- Wenn die bisherige Rechtsprechung des VwGH, insbesondere dessen Erkenntnis vom 25. Februar 2015, 2011/13/0003,² zur liechtensteinischen Stiftung, bei der ein ‚Mandatsvertrag‘ vorliegt, dahingehend zu deuten ist, dass ein solcher ‚Mandatsvertrag‘ stets die steuerliche Transparenz des damit kontrollierten Konstruktes bedeutet, weicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzgericht in dem angefochtenen Erkenntnis von dieser Rechtsprechung ab.

Aus diesen Gründen hängt daher die außerordentliche Revision von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab, da sowohl Rechtsprechung des VwGH zum gegenständlichen Sachverhalt fehlt als auch ‑ bei Anwendbarkeit der Entscheidungen des VwGH zur liechtensteinischen Stiftung mit Mandatsvertrag auf liechtensteinische Anstalten ‑ die Rechtsprechung des Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des VwGH abweicht.

² Und die daran anschließenden Erkenntnisse VwGH 25.3.2015, 2012/13/0033 und 30.6.2015, 2012/15/0165“

17 Wie der Verwaltungsgerichtshof zum seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012 bestehenden Revisionsmodell bereits vielfach ausgesprochen hat, ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und warum das rechtliche Schicksal der Revision von dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. VwGH 3.4.2017, Ra 2016/20/0373, und 16.12.2014, Ra 2014/11/0095, jeweils mit weiteren Nachweisen).

18 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht, wenn sie die „Einordnung“ einer liechtensteinischen Anstalt als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet. Zunächst ist schon nicht klar erkennbar, was die Revisionswerberin unter „Einordnung“ der liechtensteinischen Anstalt versteht. Soweit damit unter Heranziehung ihres zum zweiten (Zulässigkeits‑)Punkt gemachten Vorbringens die Einstufung der Anstalt als „transparent“ oder „intransparent“ zu verstehen sein sollte, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. April 2018, Ro 2017/13/0004, unter Hinweis auf Vorjudikatur ausgeführt, dass maßgeblicher Gesichtspunkt für die Zurechnung der Einkünfte weder die „Transparenz“ oder „Intransparenz“ des liechtensteinischen „Gebildes“ ist noch die Entscheidungsbefugnisse des Stifters oder Begünstigten, sondern die Frage des wirtschaftlichen Eigentums am Kapitalvermögen.

19 Dass für Zwecke der Einkünftezurechnung nicht zwischen In- und Auslandssachverhalten zu unterscheiden ist, liegt allen von der Revisionswerberin angeführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde. Ob Einkünfte einer in Liechtenstein ansässigen Anstalt oder der Inhaberin der Gründerrechte zuzurechnen sind, ist nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen des österreichischen Rechts zu beurteilen (vgl. nochmals VwGH 25.4.2018, Ro 2017/13/0004).

20 Daher kann das Fehlen von Rechtsprechung zur „liechtensteinischen Anstalt“ ebenso wenig die Zulässigkeit der vorliegenden Revision begründen wie ‑ was in der Natur der Sache liegt ‑ das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum konkret vorliegenden Sachverhalt.

21 Soweit die Revision abschließend ihrer Ausführungen zu den Zulässigkeitsgründen eine Abweichung der vorliegenden Entscheidung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1996, 95/14/0088, für möglich erachtet, zeigt sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht auf, weil dieses Erkenntnis zu einer aktiven Tätigkeit (als Kunsthändler) ergangen ist, für die andere Zurechnungsgrundsätze gelten (vgl. VwGH 25.7.2013, 2011/15/0151 und 0152).

22 Das nach dem Gesagten entscheidungswesentliche Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums der Revisionswerberin am eingebrachten Vermögen wird von der Revision nicht als grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG geltend gemacht.

23 Die Revision war daher hinsichtlich aller Streitjahre zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2018

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