VwGH Ra 2017/11/0234

VwGHRa 2017/11/023418.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der M K in R, vertreten durch Dr. Elfgund Abel-Frischenschlager, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Marienstraße 13/2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 18. April 2017, Zl. LVwG-350261/12/Bm/BBa, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags wegen Versäumung der Revisionsfrist in einer Angelegenheit des Nachtschwerarbeitsgesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017110234.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Wiedereinsetzungsantrag an das Verwaltungsgericht wegen Versäumung der Revisionsfrist wurde vorgebracht, dass die Revision am 9. März 2017 zur Einbringung unterschrieben und kalendiert gewesen sei. Aufgrund der Inanspruchnahme von Pflegeurlaub durch die zuständige Kanzleikraft und der krankheitsbedingten Abwesenheit einer weiteren Mitarbeiterin habe die Einbringung des Rechtsmittels nicht mehr am 9. März 2017 erfolgen können. Am letzten Tag der Frist, dem 10. März 2017, habe in der Kanzlei ein ungewöhnlich hohes Arbeitsaufkommen bei gleichzeitigem Personalengpass geherrscht, da eine weitere Mitarbeiterin krank gewesen sei. Die zuständige Kanzleimitarbeiterin habe in der Nacht davor wegen der Pflege ihres Kindes kaum schlafen können. In dieser angespannten Situation sei irrtümlich eine Versendung der Revision an den Verfassungsgerichtshof mittels Web-ERV erfolgt. Durch einen Anruf einer Mitarbeiterin des Verfassungsgerichtshofs am folgenden Montag, dem 13. März 2017, sei man auf den Irrtum aufmerksam geworden.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. Jänner 2017, Zl. LVwG-350261/5/Bm/BBa, als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Revision gegen Spruchpunkt II. für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, sein Erkenntnis vom 16. Jänner 2017 sei der Revisionswerberin am 27. Jänner 2017 zugestellt worden. Die dagegen gerichtete ordentliche Revision sei am 10. März 2017 mittels Web-ERV beim Verfassungsgerichtshof eingebracht und erst am 17. März 2017 per Post an das Verwaltungsgericht versandt worden, wo sie am 20. März 2017 eingelangt sei.

In einer Ausnahmesituation aufgrund der Indisponiertheit der für die Post zuständigen Kanzleikraft und der krankheitsbedingten Abwesenheit einer weiteren Mitarbeiterin, wie sie im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht worden sei, wäre eine besondere Kontrollpflicht geboten gewesen, um den ordnungsgemäßen Ablauf in der Kanzlei zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, dass die im vorliegenden Fall vorgekommenen Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen seien. Unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit könne daher im gegenständlichen Fall nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.

4 In der gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Beschlusses erhobenen Revision wird als Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei sehr wohl ein Kontrollsystem eingerichtet habe, "auf Grund dessen der gegenständliche Fehler an sich auffallen hätte müssen und nur auf Grund der unglücklichen besonderen Umstände im gegenständlichen Fall nicht aufgefallen ist". Üblicherweise würden nämlich Schriftsätze einen Tag vor Fristende zur Post gegeben, um der Rechtsanwältin am letzten Tag der Frist eine Kontrollmöglichkeit einzuräumen, welche sie regelmäßig wahrnehme.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision ist nicht zulässig:

7 In seiner Rechtsprechung hat es der Verwaltungsgerichtshof nicht als zumutbare Kontrollmaßnahme angesehen, dass sich der Rechtsanwalt nach Übergabe von Schriftstücken an die bisher bewährte Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung überzeugt. Die Überwachungspflicht des Parteienvertreters geht also nicht so weit, jede einzelne einfache Arbeitsverrichtung, wie die Kuvertierung und Aufgabe von Postsendungen, zu kontrollieren. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Juni 2016, Zl. Ra 2016/02/0100 et al., mwN).

8 Dem Verwaltungsgericht kann aber im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es zum Schluss gelangt ist, dass die von der Revisionswerberin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag beschriebene, von der planmäßigen Vorgangsweise abweichende Situation am 9. und 10. März 2017 eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert hätte und durch die Unterlassung einer Kontrolle in einer überlastungsbedingten Situation, in der für den Rechtsvertreter erkennbar von den üblichen Kanzleiabläufen abgewichen wird, der mindere Grad des Versehens im vorliegenden Fall überschritten wurde.

9 Gerade in jenen Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, jedoch fristgebundene Schriftsätze dringend einzubringen sind, ist das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems, insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich (bereits) zur Post gegeben und versendet wurden, nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 29. Mai 2015, Zl. Ra 2015/08/0013, oder vom 17. Dezember 2015, Zl. Ra 2015/02/0222, jeweils mwN). Entgegen der Revisionsansicht ist das Verwaltungsgericht somit nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen.

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2017

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