VwGH Ra 2015/02/0222

VwGHRa 2015/02/022217.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision 1. der R in B (Schweiz), und 2. des F in F (Deutschland), beide vertreten durch die Sutterlüty Klagian Brändle Lercher Gisinger Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 14. August 2015, Zl. LVwG- 301-007/R10-2015, betreffend "Zurückweisung" eines Wiedereinsetzungsantrags in einer Grundverkehrsangelegenheit sowie Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg wurde die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg vom 9. Februar 2015 als verspätet zurückgewiesen sowie dem Antrag der Revisionswerber auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.

Begründend führte das Landesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, der fragliche kuvertierte Brief mit der Beschwerde sei erst einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist von einer Kanzleikraft frankiert und zur Post gegeben worden. In einer solchen außerordentlichen Vertretungssituation aufgrund der Abwesenheit der sonst für die Post zuständigen Kanzleikraft, wie sie im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht worden sei, wäre eine besondere Kontrollpflicht geboten gewesen, um den ordnungsgemäßen Ablauf in der Kanzlei zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, dass die im vorliegenden Fall vorgekommenen Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen seien. Unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit könne daher im gegenständlichen Fall nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.

In der dagegen erhobenen Revision wird als Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vorgebracht, der angefochtene Beschluss sei insofern von der hg. ständigen Rechtsprechung abgewichen, als dieser zufolge die tatsächliche Ausführung rein manipulativer Tätigkeiten wie der Postaufgabe durch eine erfahrene und sonst zuverlässige Kanzleikraft nicht mehr vom Rechtsvertreter kontrolliert werden müsse; das Landesverwaltungsgericht habe demgegenüber jedoch sogar eine aufgrund der Abwesenheit einer Mitarbeiterin gegebene erhöhte Kontroll- und Sorgfaltspflicht angenommen. Wenn nun Kuvertierung und Postaufgabe grundsätzlich nicht von einem Rechtsanwalt kontrolliert werden müssten, könne nicht deswegen eine Kontrollpflicht bestehen, nur weil die ohnehin gut strukturierten Vertretungsregeln aufgrund der Abwesenheit einer Mitarbeiterin griffen. Zudem sei ein Versehen bei der Postaufgabe maximal ein minderer Grad des Versehens; das Verwaltungsgericht habe sich nicht schlüssig mit den vorgebrachten Gründen für die Versäumung auseinandergesetzt und dargelegt, worin ein Verschulden der Rechtsvertreterin bestehe und welche Maßnahmen von ihr gefordert würden.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Im vorliegenden Fall wurde im Wiedereinsetzungsantrag an das Verwaltungsgericht dargelegt, dass der fragliche Brief mit der Beschwerde zunächst vom hauptzuständigen Rechtsvertreter der laut Einteilungsplan der Kanzlei nicht zuständigen Kanzleikraft Z mit dem Auftrag zur Kuvertierung und Versendung übergeben und dieser dann von Z in der Annahme, die Post werde planmäßig von der für die Postaufgabe an diesem Tag vertretungsweise zuständigen Kanzleikraft L zur gewohnten Zeit zur Post gebracht, in das Post-Ausgangsfach gelegt wurde, während eine an diesem Tag nicht eingeteilte andere Kanzleikraft E sich spontan bereiterklärt hatte, die Post mitzunehmen und dies - ohne Z zu informieren - zu einem früheren Zeitpunkt als an diesem Tag vorgesehen getan hatte.

In seiner Rechtsprechung hat es der Verwaltungsgerichtshof nicht als zweckmäßige und zumutbare Kontrollmaßnahme angesehen, dass sich der Rechtsanwalt nach Übergabe sämtlicher Schriftstücke an die bisher bewährte Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expeditierung der Sendung überzeugt. Die Überwachungspflicht des Parteienvertreters geht als nicht so weit, jede einzelne einfache Arbeitsverrichtung, wie die Kuvertierung und Aufgabe von Postsendungen, zu kontrollieren.

Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Unterläuft im Zuge eines solchen manipulativen Vorgangs ein Fehler, liegt dem Rechtsanwalt - unter dem Gesichtspunkt einer rationellen und arbeitsteiligen, die Besorgung abgegrenzter Aufgabenbereiche delegierenden Betriebsführung - eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nicht dadurch zu Last, dass er sich etwa nach Zusammenstellung und Kontrolle des Mängelbehebungsschriftsatzes nicht von der richtigen Anzahl der Schriftsätze in der Mängelbehebungspostsendung überzeugte (vgl. dazu VwGH vom 25. September 2014, Ro 2014/07/0058, mwH).

Dem Verwaltungsgericht kann im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es fallbezogen zum Schluss gelangt ist, dass die von den Revisionswerbern in ihrem Wiedereinsetzungsantrag beschriebene, für die ausführenden Kanzleikräfte unübersichtliche und von der planmäßigen Zuständigkeitsverteilung und den üblichen Ausführungen abweichende Aufgabenverteilungssituation an jenem Tag der beauftragten Versendung des Schriftsatzes eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert hätte und durch die Unterlassung einer Kontrolle in einer überlastungsbedingten Situation, in der für den Rechtsvertreter erkennbar von den üblichen Kanzleivertretungsregeln und -abläufen abgewichen wird, der mindere Grad des Versehens fallbezogen überschritten wurde.

Gerade in jenen Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, jedoch fristgebundene Schriftsätze dringend einzubringen sind, ist das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines - im Übrigen nicht einmal behaupteten - Kontrollsystems, insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich (bereits) zur Post gegeben und versendet wurden, nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (vgl. etwa VwGH vom 17. Juni 2015, Ra 2015/02/0092, oder vom 29. Mai 2015, Ra 2015/08/0013, mwN). Entgegen der Revisionsansicht ist das Verwaltungsgericht somit nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte