VwGH Ra 2015/08/0013

VwGHRa 2015/08/001329.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über den Antrag 1. des Mag. H J in G, und 2. der C GmbH in G, beide vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Neubaugasse 24, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 9. Dezember 2014, Zlen. LVwG 30.15-4545/2014-49 und LVwG 35.15-4546/2014-49, in einer Angelegenheit einer Übertretung des ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Den Antragstellern wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 9. Dezember 2014, mit dem der Erstantragsteller wegen einer Übertretung des ASVG bestraft und die Haftung der Zweitantragstellerin ausgesprochen wurde, am 16. Dezember 2014 zugestellt. Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Antragsteller eine (an das Landesverwaltungsgericht Steiermark adressierte) außerordentliche Revision, die jedoch durch den Vertreter der Antragsteller am 26. Jänner 2015 mittels Web-ERV beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde. Das Bundesverwaltungsgericht leitete die außerordentliche Revision gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG am 4. Februar 2015 - sohin nach Ablauf der Revisionsfrist am 27. Jänner 2015 - an das zuständige Landesverwaltungsgericht Steiermark weiter, wo sie am 9. Februar 2015 eintraf.

2. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag wendet sich gegen die Versäumung der Revisionsfrist. Gleichzeitig haben die Antragsteller außerordentliche Revision erhoben.

3. Die Antragsteller begründen den Wiedereinsetzungsantrag damit, dass ihre Vertreter die Revision freigegeben und am 26. Jänner 2015 "an das Sekretariat zur gerichtlichen Einbringung übergeben" hätten. Im Rubrum sei das zuständige Gericht (korrekt) angeführt worden. Das Sekretariat sei zusätzlich ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Schriftsatz beim Landesverwaltungsgericht Steiermark einzubringen sei. Nachdem das Sekretariat "sodann am selben Tage mitgeteilt hat, dass die außerordentliche Revision nunmehr ordnungsgemäß eingebracht wurde", sei "die entsprechende Frist auf erledigt gesetzt" worden. Das schuldhafte Verhalten der Kanzleikraft, welche "den Schriftsatz letztendlich irrtümlicherweise doch beim falschen Gericht eingebracht hat", sei für den Vertreter der Antragsteller ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis gewesen, zumal es sich bei der Sekretärin um eine zuverlässige und erfahrene Kanzleimitarbeiterin gehandelt habe. Der Vertreter habe nochmals am 26. Jänner 2015, nachdem der Schriftsatz dem Sekretariat zur Einbringung übergeben worden sei, nachgefragt, ob dieser auch tatsächlich eingebracht worden sei, was von dem Sekretariat ausdrücklich bejaht worden sei. Aus diesem Grunde sei sodann die Frist auf "erledigt" gesetzt worden. Bei der Einbringung von Schriftsätzen handle es sich um rein manipulative Tätigkeiten, welche entsprechend den Angaben des Rechtsanwaltes von der Sekretärin vorzunehmen seien. Hinsichtlich derartiger Tätigkeiten wäre eine Kontrolle einer erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikraft, ob sie diese Tätigkeiten auch ordnungsgemäß ausführe, dem Rechtsanwalt nicht mehr zumutbar. Es sei dem Rechtsanwalt insbesondere nicht zumutbar, "sämtliche Web-ERV-Eingaben bzw. Postaufgaben von Schriftsätzen zu kontrollieren". Der Vertreter der Antragsteller sei seiner Überwachungspflicht und seinen Kontrollpflichten nachgekommen, ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Revisionsfrist.

3.1. § 46 VwGG idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet samt Überschrift:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

3.2. Ein Verschulden des Vertreters ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt somit einen Wiedereinsetzungsgrund für den Antragsteller nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war bzw. wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, wenn er also der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2010, Zl. 2010/08/0135). Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 21. März 2014, Zl. 2013/06/0254).

3.3. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Im Antrag auf Wiedereinsetzung wurde dargelegt, in welcher Weise dafür vorgesorgt worden sei, dass die außerordentliche Revision beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingebracht werde. Zur Frage, wie kontrolliert worden sei, dass die zuständige Kanzleikraft dieser Weisung tatsächlich Folge geleistet habe, bringt der Antrag lediglich vor, man habe sich auf die - nicht näher konkretisierte - "Mitteilung" des Sekretariats verlassen, dass die außerordentliche Revision nunmehr "ordnungsgemäß" eingebracht worden sei. Daraufhin sei die entsprechende Frist auf erledigt gesetzt worden.

Eine derartige Kontrolle kann jedoch in Anbetracht dessen, dass die außerordentliche Revision im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (Web-ERV) beim Bundesverwaltungsgericht statt beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingebracht wurde, nicht als ausreichend angesehen werden. Die Einhaltung der den anwaltlichen Vertreter treffenden Sorgfaltspflicht hätte es im vorliegenden Fall erfordert, die ordnungsgemäße Einbringung des Schriftsatzes etwa dadurch zu kontrollieren, dass die Sendebestätigung über die Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr geprüft worden wäre und erst nach einer Bestätigung der tatsächlich ordnungsgemäß erfolgten Einbringung die Abstreichung der Frist erfolgt. Gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit ist das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems, insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet wurden, nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (vgl. nochmals den hg. Beschluss Zl. 2013/06/0254, mwN).

  1. 4. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen.
  2. 5. Somit war auch die außerordentliche Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

    Wien, am 29. Mai 2015

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