Normen
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs3 Z13;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §8 Abs4;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs3 Z13;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §8 Abs4;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 erteilte die Revisionswerberin dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A1, A2, A und B befristet bis zum 3. Mai 2018 unter der Auflage der Vorlage einer Haaranalyse auf Ethylglucuronid und einer psychiatrischen Betreuungsbestätigung (über die zuverlässige Einhaltung der Therapie und den Therapieverlauf) alle drei Monate, beginnend mit 3. August 2016. In der Begründung wurde ein amtsärztliches Gutachten vom 3. Mai 2016 wiedergegeben, demzufolge der Mitbeteiligte im Hinblick auf seine Alkoholabhängigkeit absolute Alkoholkarenz zu halten und sich angesichts der "derzeit remittierten bipolar-affektiven Störung" in fachärztliche Betreuung zu begeben hätte.
2 Mit Bescheid vom 28. September 2016 forderte die Revisionswerberin den Mitbeteiligten auf, sich innerhalb von drei Wochen ab Zustellung hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen amtsärztlich untersuchen zu lassen. Als Rechtsgrundlage wurde § 24 Abs. 4 iVm. § 8 FSG angeführt. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, der Mitbeteiligte habe entgegen der Auflage im Bescheid vom 3. Mai 2016 den Haarbefund bzw. die Betreuungsbestätigung nicht vorgelegt. Aufgrund seiner Vorgeschichte und der Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten vom 3. Mai 2016 bestünden angesichts des Fehlens der geforderten Unterlagen begründete Bedenken betreffend die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
3 Der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 21. November 2016 statt und hob den Aufforderungsbescheid der Revisionswerberin vom 28. September 2016 auf. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.
5 Der Mitbeteiligte nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
7 1. Das FSG lautet (auszugsweise):
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht
auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer
Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer
Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch
rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit
oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente
beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. ... .
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat
insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
12. die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen als
Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht eingehalten hat;
13. sonstige vorgeschriebene Auflagen als Lenker eines
Kraftfahrzeuges wiederholt nicht eingehalten hat;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. ... .
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
‚geeignet', ‚bedingt geeignet', ‚beschränkt geeignet' oder ‚nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
...
2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer
Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten ‚bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
...
(3a) Die Dauer der Befristung ist vom Zeitpunkt der Ausfertigung des amtsärztlichen Gutachtens zu berechnen.
(4) Wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Auflagen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, so sind diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24.
...
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
..."
8 2. Die Revision ist zulässig, weil es zur Frage, ob die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 FSG in Betracht kommt, wenn der Inhaber einer durch eine Auflage eingeschränkten Lenkberechtigung diese nicht eingehalten hat, aber nicht beim Lenken von Kraftfahrzeugen betreten wurde, soweit ersichtlich keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gibt.
9 3. Die Revision ist auch begründet.
10 3.1. Das Verwaltungsgericht legt dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde, dass der Mitbeteiligte die im Bescheid der Revisionswerberin vom 3. Mai 2016 umschriebenen Auflagen, unter denen ihm die Lenkberechtigung befristet erteilt wurde, insofern nicht eingehalten hat, als er die "fälligen" Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt habe.
11 In rechtlicher Hinsicht vertritt es die Auffassung, Auflagen seien erst dann wirksam, wenn der Betreffende von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch mache. Die Einhaltung der im Revisionsfall einschlägigen Auflagen sei somit erst dann erforderlich, wenn der Mitbeteiligte von der Lenkberechtigung Gebrauch mache, mithin ein führerscheinpflichtiges Fahrzeug lenke. Die Nichteinhaltung einer Auflage iSd. § 7 Abs. 3 Z. 12 und 13 FSG führe nicht etwa an sich zur Annahme des Fehlens der gesundheitlichen Eignung, sondern bilde eine bestimmte Tatsache, welche allenfalls die Verkehrszuverlässigkeit des Betreffenden ausschließe. Zum Tatbestandmerkmal dieser Bestimmung gehöre aber nicht nur das Unterlassen einer als Auflage vorgeschriebenen Kontrolluntersuchung oder einer sonstigen Auflage, sondern auch, dass der Betroffene tatsächlich ein Kraftfahrzeug lenke, ohne die entsprechende Auflage eingehalten zu haben. Der Mitbeteiligte habe zwar unbestrittenermaßen die Auflage "Vorlage einer Haaranalyse" nicht eingehalten, er sei jedoch bisher nicht beim Lenken eines führerscheinpflichtigen Fahrzeuges betreten worden.
12 3.2. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, verkennt das Verwaltungsgericht im Ergebnis den Unterschied zwischen dem Mangel der Verkehrszuverlässigkeit und dem Mangel der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
13 3.2.1. Es trifft zu, dass eine bestimmte Tatsache iSd. § 7 Abs. 3 Z. 12 bzw. Z. 13 FSG nur verwirklicht, wer die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen als Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht eingehalten hat (Z. 12) bzw. sonstige vorgeschriebene Auflagen als Lenker eines Kraftfahrzeuges wiederholt nicht eingehalten hat (Z. 13), mithin als Lenker in Erscheinung getreten ist.
14 Damit wird aber nur zum Ausdruck gebracht, dass bei Nichteinhalten dieser Auflagen die Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden iSd. § 7 Abs. 1 FSG anzunehmen ist, was nach Durchführung der in § 7 Abs. 4 FSG vorgesehenen Wertung grundsätzlich zur Entziehung der Lenkberechtigung wegen des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit führt (vgl. in diesem Zusammenhang die beiden hg. Erkenntnisse vom 18. September 2012, Zl. 2010/11/0151, und vom 30. Juni 2016, Zl. Ra 2016/11/0077).
15 Daraus folgt aber nicht, dass das Nichtbefolgen der im Erteilungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen für sich, also ohne dass der Betreffende ein Kraftfahrzeug gelenkt hätte (vgl. § 8 Abs. 4 FSG), keinesfalls Bedenken ob der weiterbestehenden gesundheitlichen Eignung des Betreffenden begründen kann.
16 3.2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 FSG nur zulässig, wenn begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2015, Zl. 2013/11/0172).
17 Ergibt sich wie im Revisionsfall, dass die gesundheitliche Eignung des Betreffenden zum Lenken von Kraftfahrzeugen bei Erteilung der Lenkberechtigung nur bedingt bejaht wurde und wegen des Gesundheitszustandes des Betreffenden (Alkoholabhängigkeitssyndrom und eine wenn auch remittierte bipolar-affektive Störung) - das Verwaltungsgericht trifft dazu keine Feststellungen - eine Überprüfung seiner Alkoholkarenz und der Fortführung einer notwendigen psychiatrischen Behandlung in kurzen Abständen nötig ist, damit der Weiterbestand der nur bedingt angenommenen gesundheitlichen Eignung beurteilt werden kann, so ist das Unterbleiben der Vorlage der abverlangten Befunde bzw. Bestätigungen durchaus geeignet, begründete Zweifel am Weiterbestand der bei Erteilung der Lenkberechtigung noch bedingt bejahten gesundheitlichen Eignung zu wecken.
18 3.3. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus diesen Erwägungen als rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 23. März 2017
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