Normen
ApG 1907 §10 Abs1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs2;
ApG 1907 §10;
ApG 1907 §48 Abs2;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 21. März 2017 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 22. Juni 2016, mit dem der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in H erteilt und der Einspruch der Revisionswerberin abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision wird vorgebracht, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob "Personen, die innerhalb des ermittelten Versorgungspolygons ihren ständigen Wohnsitz haben, und daher aus geografischer Sicht Kunden einer von einer Neukonzession betroffenen Apotheke sein sollten, dies aber durch Maßnahmen, wie im gegenständlichen Fall, verhindert wird", (gemeint offenbar:) als "zu versorgende Personen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 3 Apothekengesetz (ApG) anzusehen seien. Es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der "ein gleichgelagerter Sachverhalt wie der hier gegenständliche zugrunde gelegen" sei, "nämlich dass der eindeutige Nachweis erbracht" habe werden können, dass "in diesen Polygonen eben auch ständige Einwohner niedergelassen" seien, die "aufgrund besonderer Umstände eben nicht von der ihnen nächstgelegenen öffentlichen Apotheke versorgt werden" könnten bzw. dürften.
6 Mit diesem Vorbringen wird darauf Bezug genommen, dass nach Ansicht der Revisionswerberin 170 Einwohner eines Pflegeheimes nicht in die Anzahl von 5.542 ständigen Einwohnern - die aufgrund eines Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer sowohl von der belangten Behörde als auch vom Verwaltungsgericht als (unter anderem) weiterhin zu versorgende Personen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 3 ApG angesehen wurden - einzubeziehen seien, weil die Bewohner des Pflegeheimes (nunmehr) durch eine andere Apotheke "beliefert" würden.
7 Mit diesen Ausführungen wird schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil es nicht zutrifft, dass insoweit keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Vielmehr hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Gesetzgeber bei der Beurteilung des Bedarfes durch die Wohnbevölkerung auf eine Durchschnittsbetrachtung abstellt, sodass der "ständige Einwohner" als "zu versorgende Person" gilt, ohne dass im Einzelnen festgestellt werden müsste, in welchem Ausmaß durch ihn ein Bedarf an der öffentlichen Apotheke (mit)begründet wird (vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 30.9.2015, 2013/10/0147; 25.4.2014, 2013/10/0022; 9.12.2013, 2012/10/0196; 20.11.2013, 2012/10/0125; 18.4.2012, 2010/10/0254; 26.9.2011, 2009/10/0261). Das Gesetz kennt keine Unterscheidung der Wohnbevölkerung in verschiedene Arten ständiger Einwohner. Vielmehr sind Einwohner, deren Eigenschaft als "ständige Einwohner" nicht zweifelhaft ist, der Bedarfsbeurteilung ohne weitere Prüfung als "zu versorgende Personen" zu Grunde zu legen (vgl. VwGH 21.5.2008, 2007/10/0029, VwSlg. 17458 A). Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.
8 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision wird auch vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche hinsichtlich einer näher genannten, im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer berücksichtigten Studie zur Ermittlung von Einwohnergleichwerten für Inhaber von Zweitwohnsitzen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Es seien insofern 118 Einwohnergleichwerte zu Unrecht berücksichtigt worden.
9 Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, von deren Lösung das Schicksal der Revision abhängt, angesprochenen, weil selbst bei Zutreffen dieses Vorbringens die Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 3 ApG nach den Annahmen des Verwaltungsgerichtes nicht weniger als 5.500 betragen würde.
10 In den Zulässigkeitsausführungen wird schließlich mit näheren Ausführungen geltend gemacht, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, "ob Einspruchswerbern Parteistellung zur Beurteilung, ob ein positiver Bedarf nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 ApG besteht, zustehen soll oder nicht" bzw. "ob aufgrund der örtlichen Verhältnisse überhaupt ein positiver Bedarf gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 ApG besteht".
11 Auch mit diesen Ausführungen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil bereits die diesen Ausführungen zugrundeliegende Annahme der Revisionswerberin, es sei trotz Feststellung des Fehlens der negativen Bedarfsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 2 ApG eine weitere Bedarfsfeststellung vorzunehmen, mit dem Gesetz nicht im Einklang steht (vgl. VwGH 11.8.2017, Ra 2017/10/0061; 23.5.2017, Ro 2017/10/0017; 22.2.2017, Ra 2016/10/0152). Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin mangelt es demnach insofern nicht an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
12 Im Übrigen können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Inhaber bestehender öffentlicher Apotheken im Verfahren über die Verleihung einer Apothekenkonzession den mangelnden Bedarf an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke nur insofern geltend machen, als sie eine Existenzgefährdung ihrer Apotheke als Folge der Errichtung der neuen Apotheke vorzubringen berechtigt sind. Sie können daher geltend machen, die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte ihrer bestehenden öffentlichen Apotheke betrage weniger als 500 m oder die Zahl der von ihrer bestehenden öffentlichen Apotheke aus weiterhin zu versorgenden Personen werde sich infolge der Neuerrichtung verringern und weniger als 5.500 betragen. In den anderen Fragen des Verfahrens über die Verleihung einer Apothekenkonzession kommt den Inhabern bestehender öffentlicher Apotheken jedoch kein Mitspracherecht zu (vgl. nochmals VwGH 11.8.2017, Ra 2017/10/0061; 22.2.2017, Ra 2016/10/0152).
13 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision werden allerdings keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG in Bezug auf jene Fragen, in denen der Revisionswerberin ein Mitspracherecht zukommt, aufgezeigt.
14 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2017
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