Normen
32013R0604 Dublin-III Art12 Abs4;
32013R0604 Dublin-III Art9;
AsylG 2005 §5 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
IPRG §6;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 16. Februar 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass die Schweiz gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO)zur Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) an und stellte gemäß § 61 Abs. 2 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Schweiz zulässig sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 8. März 2016 wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.
3 Begründend stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber und seine Partnerin am 4. Juli 2013 - in Abwesenheit dieser - in Afghanistan "traditionell" geheiratet hätten. In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, dass die Eheschließung mit einem Partner, zu dem man vorher gar keinen oder seit mehreren Jahren (im vorliegenden Fall seit zumindest sieben Jahren) keinen persönlichen Kontakt gehabt habe, "ganz klar" den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche und mit diesen unvereinbar sei. Im vorliegenden Fall erscheine im Hinblick auf die "Eheschließungsfreiheit bzw. die essentiell notwendige freie Zustimmung zur Eingehung einer Ehe die gleichzeitige Anwesenheit beider Partner unabdingbar, da angesichts dieser Umstände die freie Zustimmung zur Eheschließung im Falle einer Stellvertretung nicht gewährleistet" sei. Es folge aus § 6 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPRG), dass für den österreichischen Rechtsverkehr die vom Revisionswerber geschlossene Ehe in Abwesenheit seiner Partnerin als ungültig zu qualifizieren sei und sich der Revisionswerber nicht auf jene Bestimmungen des AsylG 2005 (§ 34) und der Dublin III-VO (Art. 9 bis 11) berufen könne, die an das Vorliegen einer Ehe anknüpfen. Zur Prüfung des Asylantrages sei gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO die Schweiz zuständig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, sie hänge von der Lösung einer Rechtsfrage ab, welcher grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil bezüglich einer in Abwesenheit eines Verlobten, nach ausländischem Recht rechtswirksam geschlossenen Ehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Die Klärung dieser Rechtsfrage sei auch entscheidungsrelevant, weil im Fall der Gültigkeit der Ehe des Revisionswerbers Art. 9 Dublin III-VO anwendbar wäre und sohin - bei schriftlicher Zustimmung des Revisionswerbers - Österreich für die Führung des Asylverfahrens zuständig wäre.
9 Mit diesen Ausführungen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan.
10 Gemäß § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Von dieser Ausnahme ist sparsamer Gebrauch zu machen, keinesfalls ist ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften bereits ein "ordre public"-Verstoß. Schutzobjekt sind primär die "Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" und nicht subjektive Rechtspositionen von Inländern. Auch der OGH hat in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2011, 9 Ob 34/10f, unter Hinweis auf Judikatur und Lehre ausgesprochen, dass Gegenstand der Verletzung vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein müssten. Dabei spielten einerseits Verfassungsgrundsätze eine tragende Rolle wie das Recht auf persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, das Verbot abstammungsmäßiger rassischer und konfessioneller Diskriminierung; außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen zählten etwa das Verbot der Kinderehe, des Ehezwangs, der Schutz des Kindeswohls im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung zu den geschützten Grundwertungen. Die zweite wesentliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel ist, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht (vgl. den hg. Beschluss vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/01/0025 und 0026, mwN).
11 Das BVwG kam unter Bedachtnahme auf das österreichische Ehegesetz zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Anwendung des fremden Sachrechts betreffend "Ferntrauung" den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung im Sinn des § 6 IPRG entgegensteht. Ausgehend von dem vom BVwG festgestellten Sachverhalt (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2016, Ra 2016/20/0351 bis 0354, mwN) vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die einzelfallbezogene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Juni 2017, Ra 2017/10/0076).
12 Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG zurückzuweisen, ohne dass auf die Frage, ob im vorliegenden Fall eine Verweisung auf das Recht des Heimatstaates der in Österreich asylberechtigten Partnerin des Revisionswerbers überhaupt beachtlich wäre (vgl. § 9 Abs. 3 IPRG), einzugehen war.
Wien, am 19. September 2017
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)