BVwG W144 2113793-2

BVwGW144 2113793-28.3.2016

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W144.2113793.2.00

 

Spruch:

W144 2113793-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2016, Zl. GF: 15-1052694703, VZ. 150221387-EAST Ost, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und hat sein Heimatland am 04.02.2015 von Kabul auf dem Luftweg via Anschlussflug ab Dubai und Ankunft an einem - laut seinen Angaben - ihm unbekannten europäischen Flughafen verlassen. Anschließend sei er mittels PKW und Kastenwagen nach XXXX gelangt, wo er am 02.03.2015 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf der Erstbefragung durch die Polizeiinspektion XXXX vom 02.03.2015 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er nicht wisse wie die Einreise in die EU genau erfolgt sei. Er habe von keinem anderen Land ein Visum erhalten und sei er auch in keinem anderen Land von Behörden angehalten oder untergebracht worden. Nach Österreich sei er geflohen, weil seine Ehefrau hier lebe.

Das sich im elektronischen Schengeninformationssystem ein Eintrag der Schweiz betreffend die Person des BF fand, richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in der Folge eine Anfrage an die eidgenössischen Behörden mit dem Ersuchen um nähere Informationen.

Mit E-Mail vom 01.04.2015 gab die Schweiz bekannt, dass dem BF am 24.12.2014 von der Schweiz ein vom 05.02.2015 bis zum 28.02.2015 gültiges Visum ausgestellt worden sei (Vignetten Nummer: XXXX)

Das BFA richtete am 23.04.2015 bezüglich des BF ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an die Schweiz. Die Schweiz stimmte mit email vom 27.04.2015 diesem Ersuchen ausdrücklich zu.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom 01.07.2015 gab der BF zu Protokoll, dass in Norwegen ein Cousin von ihm lebe, in Österreich würden zwei Cousinen und seine Ehefrau leben. Seine zwei Cousinen seien schon sehr lange in Österreich und habe er erst hier mit Ihnen Kontakt aufgenommen. Er lebe mit seiner Ehefrau in XXXX in einer Familiengemeinschaft. Es bestehe eine finanzielle Abhängigkeit von seiner Frau, diese arbeite in einer Apotheke und sorge für ihn. In der Schweiz habe er niemanden, er sei nach Österreich gekommen um mit seiner Frau vereint zu sein. Seine Frau hätte auch einen Antrag stellen können, dass er legale einreise, aber das Problem sei gewesen, dass sein Leben in Gefahr gewesen sei, weshalb er von Afghanistan habe flüchten müssen. Eine Einvernahme habe er in der Schweiz nicht gehabt, eine Entscheidung sei ihm auch nicht mitgeteilt worden. Er wolle die Länderfeststellungen zur Schweiz nicht vorgehalten bekommen, da er auf keinen Fall in die Schweiz zurückkehren wolle.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2015 nahm der BF Stellung zur geplanten Ausweisung in die Schweiz und führte im Wesentlichen aus, dass seine Außerlandesbringung in die Schweiz gegen seine Rechte gemäß Art. 8 EMRK verstoßen würde, da er hier gemeinsam mit seiner Ehegattin lebe.

Unter einem legte der BF diverse afghanische Personenstandsurkunden betreffend seine Person sowie seine "Ehegattin" vor, darunter auch eine afghanische Heiratsurkunde, samt Übersetzung, aus welcher sich ergibt, dass die Hochzeit nicht unter Anwesenheit beider Brautleute geschlossen wurde, sondern dass seine "Ehegattin" sich durch einen bevollmächtigten Vertreter hat vertreten lassen.

Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 16.02.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Schweiz gemäß 12 Abs. 4 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung in die Schweiz zulässig sei.

Dieser Bescheid des BFA wurde nach fristgerechter Beschwerdeerhebung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2015, ZL W184 2113793-1/4E, gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG die behoben.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus:

"Im vorliegenden Fall kann die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens noch nicht beurteilt werden. Denn der angefochtene Bescheid enthält keine ausreichenden Ermittlungen und Feststellungen zur Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Dokumente, aus denen sich eine nach dem afghanischen staatlichen Gericht gültige Eheschließung der Beschwerde führenden Partei mit einer in Österreich Asylberichtigten ergeben könnte."

Im fortgesetzten Verfahren wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz neuerlich ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 16.02.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Schweiz gemäß 12 Abs. 4 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung in die Schweiz zulässig sei.

Zur Frage des Bestehens einer gültigen Ehe des BF mit seiner im Bundesgebiet als Flüchtling anerkannten Gefährtin führte das BFA in der angefochtenen Entscheidung Folgendes aus:

"Im Hinblick auf nicht in Österreich standesamtlich geschlossene Ehen wird hierbei speziell auf Folgendes hingewiesen:

Asylgerichtshof vom 13.10.2009,

Zahl.: C9 245555-0/2008

"Gemäß der Vorbehaltsklausel zur Aufrechterhaltung des sog. "ordre public" im Sinne des § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechtes aber nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden."

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass Sie die behauptete Ehe mit Ihrer Frau namens XXXX in deren Abwesenheit durch den Herrn namens XXXX als persönlichen Bevollmächtigten in Kabul in Afghanistan geschlossen haben. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Ihre Frau nicht in Afghanistan aufgehalten. Dies ist aus der vorgelegten Heiratsurkunde ersichtlich. Da sowohl Sie als auch Ihre Frau afghanische Staatsangehörige sind und die Ehe in Afghanistan geschlossen wurde, wäre hinsichtlich der Rechtsgültigkeit der Eheschließung gemäß § 16 Abs. 2 iVm. § 9 Abs. 1 IPRG grundsätzlich das in Afghanistan geltende Recht als Personalstatut beider Verlobten anzuwenden.

Auf Grund der Tatsache, dass Sie Ihre Ehefrau ohne ihrer persönlichen Erklärung des freien Willens der Eingehung einer ehelichen Lebensgemeinschaft geheiratet haben sowie auf Grund des Umstandes durch die Verehelichung mit Ihrer Frau sich eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verschaffen, ist davon auszugehen, dass eine derartige Eheschließung selbst bei Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung jedenfalls nicht vereinbar ist.

"Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht in seiner bisherigen Rechtsprechung vom traditionellen Bild der Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts aus (vgl. EGMR 24.01.1986, Rees, Serie A 106, Z 49 f.; EGMR 27.09.1990, Cossey, Serie A 184, Z 43; EGMR 11.07.2002 [GK], Christine Goodwin, RJD 2002-VI, Z 98). Er entspricht damit dem Ehebegriff aller europäischen Rechtsordnungen, in denen übereinstimmend unter "Ehe" eine auf Dauer angelegte, unter Beachtung bestimmter staatlicher Formvorschriften geschlossene Verbindung eines Mannes und einer Frau verstanden wird. Die Regelung der Ausübung der Eheschließungsfreiheit muss durch Gesetz erfolgen." Anerkannte Ehehindernisse sind beispielsweise Blutsverwandtschaft, Geschäftsfähigkeit und auch die fehlende freie Zustimmung.

Eine Ehe wird dadurch geschlossen, dass beide Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, aus freiem Wille die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Im Ihrem Fall ist die Eheschließung mit Ihrer genannten Frau in der oben dargelegten Form mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung hinsichtlich der rechtsgültigen Schließung einer Ehe zwischen Mann und Frau jedenfalls nicht vereinbar. Gemäß der Vorbehaltsklausel des § 6 iVm. §§ 9 und 16 IPRG sind daher für die Beurteilung der Rechtsgültigkeit Ihrer geschlossenen Ehe die Bestimmungen des islamischen Rechts nach der in Afghanistan vorherrschenden traditionellen Auslegung nicht anzuwenden.

Es ist daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass keine rechtskonforme Ehe gemäß dem Internationalen Privatrechtsgesetz mit einem anerkannten Flüchtling besteht bzw. Sie nicht rechtsgültig verheiratet sind, weshalb auch nicht Artikel 9 der Dublin-III-VO anwendbar ist.

Abschließend ist auch hervorzuheben, dass diese geschlossene Ehe auch durch die Schweizer Behörden nicht als rechtskonforme Ehe gesehen wird, da die Schweizer Behörden sonst keine Dublin-Zustimmung erteilen hätten können."

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

"Zu Schweiz werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom August 2014):

Inhaltsverzeichnis

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen 8

2. Allgemeines zum Asylverfahren 8

3. Dublin-Rückkehrer 10

4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) 11

5. Non-Refoulement 11

6. Versorgung 12

6.1.

Grundversorgung..............................................................................................................12

6.2. Unbegleitete minderjährige

Dublin-Rückkehrer..........................................................13

7. Schutzberechtigte 13

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

2. Allgemeines zum Asylverfahren

 

Antragsteller 2013

Schweiz

21.305

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 24.3.2014)

Erstinstanzliche

Gesamt

Flüchtlings-

Subsidiärer

Humanitäre

NEGATIV

Entscheidungen

 

status

Schutz

Gründen

 

2013

     
 

16.595

3.115

870

2.405

10.205

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet. (Eurostat 24.3.2014)

Die Schweizer Asylpolitik orientiert sich an den Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention. Missbräuchliche und schlecht begründete Asylgesuche werden prioritär behandelt. Gesuche von Personen, die in der Schweiz straffällig werden oder deren Verhalten zeigt, dass sie nicht gewillt sind, sich in unsere Gesellschaft einzufügen, werden nach Möglichkeit noch rascher bearbeitet (BFM 18.1.2010).

Das Bundesamt für Migration (BFM) entscheidet über Gewährung oder Verweigerung des Asyls sowie über die Wegweisung aus der Schweiz (AsylG 26.6.1998)

Im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) des Bundesamts für Migration findet zunächst der Empfang der Asylsuchenden statt. Dieser beinhaltet die Registrierung der Personalien inkl. Aufnahme eines Passfotos, Abnahme der Fingerabdrücke und die grenzsanitarischen Maßnahmen (z.B. detaillierter Fragebogen zur Gesundheit des Asylbewerbers und gegebenenfalls weitergehende med. Maßnahmen). Bei offensichtlich unbegründeten oder missbräuchlichen Asylgesuchen, aber auch bei klar positiven Fällen, wird ein beschleunigtes Verfahren angewandt. Vermehrt wird das erstinstanzliche Asylverfahren bereits im EVZ abgeschlossen und gegebenenfalls der Vollzug der Wegweisung durchgeführt. Mit allen angrenzenden Ländern bestehen zudem Rückübernahmeabkommen. Die maximale Aufenthaltsdauer im EVZ beträgt 90 Tage. Asylsuchende, deren Gesuch nicht im EVZ entschieden werden kann, werden bis zum Abschluss des Asylverfahrens gemäß einem Verteilschlüssel (nach Bevölkerungsgröße) einem Kanton zugeteilt und dort untergebracht und betreut. Personen, auf deren Asylgesuch nicht eingetreten oder das abgelehnt wurde, können lediglich eine beschränkte Nothilfe verlangen, welche von den kantonalen Behörden ausgerichtet wird. Im EVZ haben alle Asylsuchenden die Möglichkeit, eine unverbindliche und vertrauliche Rückkehrberatung aufzusuchen, welche ihnen im Falle einer Rückkehr bei der Organisation der Ausreise behilflich ist und finanzielle Rückkehrhilfe für die Reintegration im Heimatstaat gewähren kann (BFM 8.10.2012).

Aufgrund der Zunahme von Asylanträgen von Personen, die aus europäischen Herkunftsstaaten ohne Visa in die Schweiz einreisen können (namentlich Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina), jedoch kaum Chancen haben in der Schweiz Asyl zu erhalten, wurde 2012 für Antragsteller aus verfolgungssicheren europäischen Staaten ein 48-Stunden-Verfahren eingeführt. In den EVZ werden diese angehört und binnen 48 Stunden ab der Erstbefragung die Verfahren entschieden. Dies gilt für alle Fälle, in denen nach der Anhörung zu den Asylgründen der rechtserhebliche Sachverhalt erstellt ist und keine weiteren Abklärungen mehr nötig sind. Sämtliche Verfahrensgarantien - insbesondere die Beschwerdemöglichkeiten beim Bundesverwaltungsgericht - bleiben trotz Beschleunigung gewahrt (BFM 21.8.2012). Mit 25.3.2013 wurde das 48-Stunden-Verfahren auch auf Asylwerber aus Kosovo und Georgien ausgedehnt, bei denen keine weiteren Abklärungen nötig sind (BFM 26.3.2013).

Gegen jeden negativen Entscheid oder Nichteintretensentscheid des Bundesamts für Migration kann beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) Beschwerde erhoben werden (BFM 25.6.2014). Mit unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit letztinstanzlichem Urteil des BVGer wird ein Entscheid des BFM rechtskräftig. Es ist kein ordentliches Rechtsmittel mehr möglich, der Entscheid ist verbindlich und durchsetzbar. Indessen stehen einer asylsuchenden Person nun noch eine Reihe außerordentlicher Rechtsmittel zur Verfügung. Diese zielen darauf ab, die bestehende Rechtskraft des Entscheides oder Urteils zu durchbrechen. Außerordentliche Rechtsmittel haben per se keine aufschiebende Wirkung, ein allfälliger Vollzugsstopp muss daher durch die angerufene Behörde verfügt werden (BFM 1.8.2014).

Quellen:

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asvl/asylrecht.html , Zugriff 5.8.2014

http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995092/index.html , Zugriff 6.8.2014

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asvl/asvlverfahren/empfang.html , Zugriff 6.8.2014

aus verfolgungssichereneuropäischen Staaten,

http://www.eipd.admin.ch/eipd/de/home/dokumentation/mi/2012/ref 2012-08-21.html, Zugriff 6.8.2014

Georgienausgeweitet,

https://www.bfm.admin.ch//bfm/de/home/dokumentation/medienmitteilungen/2013/2013-03 - 26. html, Zugriff 6.8.2014

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asvl/asvlverfahren/asvlentscheid.html , Zugriff 6.8.2014

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asvl/asvlverfahren/handbuchasylverfahren.html , Zugriff 6.8.2014

3. Dublin-Rückkehrer

Stellt sich im Rahmen des Dublin-Verfahrens heraus, dass die Schweiz für die Behandlung des Asylgesuches zuständig ist, werden die Fluchtgründe und allfällige Wegweisungshindernisse geprüft und das Asylverfahren wird in der Schweiz abgeschlossen (BFM 1.1.2010).

Zugang zum Asylverfahren ist generell gegeben. Um zu verhindern, dass Antragsteller nach ihrer Dublin-Überstellung in andere Staaten immer wieder in die Schweiz zurückkehren, hat das BFM Ende April 2012 seine Praxis insofern geändert, dass eine Person, die innerhalb von 6 Monaten ab Außerlandesbringung im Rahmen von Dublin, in der Schweiz erneut einen Asylantrag stellt, der keine neuen Elemente enthält, kein neues Verfahren mehr bekommt, sondern unter Verweis auf die frühere Unzulässigkeitsentscheidung zum Verlassen des Landes aufgefordert wird. Auf Antrag des zuständigen Kantons beginnt das BFM ein neues Take-back-Verfahren. Vor einer etwaigen Überstellung hat der Antragsteller noch das Recht auf ein Interview. Diese spezielle Kategorie von Folgeantragstellern wird nicht in normalen Zentren untergebracht, sondern erhält lediglich Nothilfe (Schlafplatz, geringe finanzielle Unterstützung oder Essensgutscheine). Die Nothilfe steht laut Verfassung jeder Person zu, die sich in der Schweiz aufhält. Diese Praxis bei wiederholten Anträgen von Dublin-Überstellten gilt jedenfalls nicht für Vulnerable (Alte, Kranke, Hochschwangere, alleinstehende Mütter mit kleinen Kindern) (DTP 1.2013).

Quellen:

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asyl/asylverfahren/ref dublinverfahren /ref abschluss verfahren.html, Zugriff 6.8.2014

4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA)

Jeder unbegleitete Minderjährige erhält einen Vormund. Der Vormund muss über Basiswissen bezüglich des Asylverfahrens verfügen. Seine Aufgabe ist es, den Minderjährigen in allen Belangen zu unterstützen (Asylverfahren, soziale Fragen, Schule, Unterbringung, usw.). Die Vormundschaft wird auf kantonaler Ebene organisiert. Ein Vormund ist oft für mehrere Mündel verantwortlich (DTP 1.2013).

Asylgesuche von unbegleiteten Minderjährigen werden prioritär behandelt. Die zuständigen kantonalen Behörden bestimmen für unbegleitete minderjährige Asylsuchende unverzüglich eine Vertrauensperson, welche deren Interessen wahrnimmt für die Dauer:

a) des Verfahrens am Flughafen, wenn dort entscheidungsrelevante Verfahrensschritte durchgeführt werden; b) des Aufenthaltes in einem Empfangs- und Verfahrenszentrum, wenn dort über die Kurzbefragung hinausgehende entscheidungsrelevante Verfahrensschritte durchgeführt werden; oder c) des Verfahrens nach Zuweisung in den Kanton. Bestehen Hinweise, dass eine angeblich minderjährige asylsuchende Person das Mündigkeitsalter bereits erreicht hat, so kann das BFM ein Altersgutachten veranlassen (AsylG 26.6.1998, vgl. auch: BFM 1.8.2014).

Quellen:

http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995092/index.html , Zugriff 6.8.2014

5. Non-Refoulement

Nach Ablehnung eines Asylgesuchs oder bei einem Nichteintretensentscheid wird in der Regel die Wegweisung der betroffenen Person verfügt. Dabei prüft das BFM von Amtes wegen, ob allfällige Vollzugshindernisse vorliegen. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig (Verstoß gegen Völkerrecht), nicht zumutbar (konkrete individuelle Gefährdung) oder nicht möglich (vollzugstechnische Gründe), wird die vorläufige Aufnahme verfügt. Die Anordnung der vorläufigen Aufnahme ist zwingend, wenn eines oder mehrere der genannten Vollzugs-hindernisse vorhanden sind (BFM 1.8.2014).

Keine Person darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Artikel 3 Absatz 1 gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden.

Eine Person kann sich nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn sie als gemeingefährlich einzustufen ist, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist (AsylG 26.6.1998).

Quellen:

http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995092/index.html , Zugriff 6.8.2014

6. Versorgung

6.1. Grundversorgung

Die Kantone sind zuständig für die Gewährleistung der Sozialhilfe an Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen. Der Bund erstattet den Kantonen die entstehenden Sozialhilfekosten für alle Asylsuchenden und für diejenigen vorläufig aufgenommenen Personen, die noch nicht seit 7 Jahren in der Schweiz leben. Pro asylsuchende oder vorläufig aufgenommene Person die von der Sozialhilfe unterstützt werden muss, erhält der Kanton im Jahr 2009 den Betrag von Fr. 54.30.- pro Tag (schweizerischer Durchschnitt). Mit diesem Pauschalbetrag finanziert der Kanton die gesamten Ausgaben für die Unterbringung, die Unterstützung, die obligatorische Krankenversicherung und für allfällig weitere medizinische Versorgung (z.B. Zahnbehandlungskosten). Die Ausrichtung von Unterstützungsleistungen erfolgt durch die Kantone oder Gemeinden bzw. durch beauftragte Dritte. Die Unterbringung von Asylsuchenden erfolgt zum Teil in Gemeinschaftsunterkünften, zum Teil - insbesondere wenn es sich um Familien handelt - in Wohnungen. Die übrige Unterstützung soll nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen ausgerichtet werden. Wo dies nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist, wird die Unterstützung in Geldform gewährt. Die an Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen ausgerichteten Sozialhilfeleistungen sind im Vergleich zu denjenigen an schweizerische Sozialhilfeempfänger generell um ca. 20% niedriger. Sie betragen unter Einrechnung der Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Toiletten- und Haushaltsartikel, Kleidung, Taschengeld, Gesundheitsversorgung und Betreuung im Durchschnitt ungefähr 1.200 Franken pro Person und Monat (BFM 18.1.2010a).

Mit Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 hat das Bundesparlament die Ausdehnung des Sozialhilfestopps beschlossen. Seit dem 1. Januar 2008 gilt der so genannte Sozialhilfestopp für alle Personen, die die Schweiz nach einem Asylentscheid verlassen müssen. Schieden vom 1. April 2004 bis zum 31. Dezember 2007 einzig diejenigen Personen aus dem Soziahilfesystem des Asylbereichs aus, auf deren Asylgesuch rechtskräftig nicht eingetreten wurde, so können ab Anfang 2008 alle Personen von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden, wenn ihr Asylverfahren mit einem Wegweisungsentscheid rechtskräftig abgeschlossen wurde und sie zur Ausreise verpflichtet sind. Wer in eine Notlage gerät, kann um Ausrichtung von Nothilfe ersuchen. Die Ausrichtung von Nothilfe richtet sich nach kantonalem Recht (BFM 18.1.2010b).

Nothilfe (Schlafplatz, geringe finanzielle Unterstützung oder Essensgutscheine) steht laut Verfassung jeder Person zu, die sich in der Schweiz aufhält (DTP 1.2013).

Quellen:

Aufgenommene, Schutzbedürftige,

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asvl/sozialhilfe/asvlsuchende vorlae ufig.html, Zugriff 7.8.2014

https://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/asyl/sozialhilfe/nothilfe .

html, Zugriff 7.8.2014

6.2. Unbegleitete minderjährige Dublin-Rückkehrer

Die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) während ihres Aufenthaltes in den vier Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) Basel, Kreuzlingen, Vallorbe und Chiasso sowie im Transitzentrum (TZ) Altstätten für den Zeitraum von bis zu 60 Tagen ist einheitlich und verbindlich geregelt. Bei der Unterbringung und Betreuung der UMA in den EVZ/TZ ist zwischen jüngeren und älteren, mithin nahezu volljährigen, UMA zu unterscheiden. Es ist eine dem Alter und der Reife des UMA angepasste Unterbringung anzuordnen. Folglich sind jüngere UMA im Rahmen der Möglichkeiten privat unterzubringen, wenn sie in Begleitung einer erwachsenen Person ins EVZ/TZ gekommen sind und keine besonderen Gründe gegen die private Unterbringung sprechen.

UMA sind im EVZ wenn immer möglich in Zimmern mit Personen desselben Sprach- und Kulturkreises oder desselben Geschlechts bzw. mit Reisegefährten unterzubringen, wobei vor allem Geschwister oder minderjährige Verwandte gemeinsam untergebracht werden sollen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass UMA während ihres Aufenthaltes mit Personen leben, welche ihre sprachlichen, kulturellen und religiösen Bedürfnisse verstehen und respektieren und diese bei Bedarf an die Betreuung bzw. an die Asylbehörden weiterleiten (BFM 20.6.2014).

Quellen:

7. Schutzberechtigte

Seit dem 1. Oktober 1999 sind die Kantone auch bei den anerkannten Flüchtlingen zuständig für die Gewährung der Sozialhilfe. Für die Ausrichtung und Bemessung der Sozialhilfeleistungen gilt kantonales Recht. Aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention haben Flüchtlinge in Bezug auf die Sozialhilfe Anrecht auf Gleichbehandlung mit der einheimischen Bevölkerung. Das Bundesrecht hält zudem fest, dass der besonderen Lage von Flüchtlingen bei der Unterstützung Rechnung zu tragen ist; namentlich soll die berufliche und soziale Integration erleichtert werden. Die Hälfte der Kantone hat Hilfswerke mit der Führung der Sozialdienste für die anerkannten Flüchtlinge beauftragt. In den anderen Kantonen sind die Sozialdienste der Gemeinden zuständig oder es wurden spezielle kantonale Sozialdienste für Flüchtlinge geschaffen. Der Bund erstattet den Kantonen die Kosten der Sozialhilfe für anerkannte Flüchtlinge. Pro Flüchtling, der von der Sozialhilfe unterstützt werden muss, erhält der Kanton einen bestimmten Betrag (schweizerischer Durchschnitt). Mit diesem Pauschalbetrag finanziert der Kanton die gesamten Ausgaben für die Unterbringung, die Unterstützung, die Gesundheitsversorgung und für allfällig weitere besondere Bedürfnisse einzelner Flüchtlinge. Der Bund beteiligt sich an den Kosten der Kantone für die Integration der anerkannten Flüchtlinge (BFM 1.2.2010).

Die Schweiz kann bestimmten Personengruppen aufgrund eines Beschlusses des Bundesrates vorübergehenden Schutz gewähren. Dabei werden die Asylgründe von schutzsuchenden Personen nicht individuell geprüft. Schutz wird einzig aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe gewährt. Durch den Bundesratsentscheid wird ein originärer Status für die Angehörigen der betreffenden Gruppe geschaffen. Das heißt, ihr Status ist nicht identisch mit demjenigen von Flüchtlingen oder vorläufig aufgenommenen Personen. Personen, die der schutzbedürftigen Gruppe angehören, erhalten einen "Ausweis S". Dieser Ausweis ist auf höchstens 1 Jahr befristet und verlängerbar. Hat der Bundesrat den vorübergehenden Schutz nach 5 Jahren noch nicht aufgehoben, so erhalten Schutzbedürftige von dem ihnen zugewiesenen Kanton eine "Aufenthaltsbewilligung B". Nach 10 Jahren Aufenthalt kann der Kanton die "Niederlassungsbewilligung C" erteilen. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Rückkehr in das Heimatland, in dem ein Konflikt zehn Jahre andauert, immer unwahrscheinlicher wird und die Integration in der Schweiz, insbesondere bei Familien mit Kindern, immer stärker wird. Die Familienzusammenführung ist analog zu derjenigen bei anerkannten Flüchtlingen geregelt. Während der ersten drei Monate nach der Einreise besteht ein Arbeitsverbot für Schutzbedürftige. Danach ist die Erwerbstätigkeit im Ausländerrecht geregelt. Der Bundesrat kann günstigere Bedingungen für die Erwerbstätigkeit erlassen. Schutzsuchende unterstehen wie Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen der Sonderabgabepflicht (BFM 1.8.2014).

Quellen:

Schutzbedürftigkeit und Gewährung vorübergehenden Schutzes,

https://www.bfm.admin.ch/content/dam/data/bfm/asyl/verfahren/hb/c/hb-c11-d.pdf ,

Zugriff 6.8.2014

Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

[ ... ]

Die in den Feststellungen zur Schweiz angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §60 Asylgesetz 2005 betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.

Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §60 Asylgesetz 2005 bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zur Schweiz nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

[ ... ]

Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Schweiz ausreichende Versorgung gewährleistet ist. Aufgrund dieser Aspekte ist im gegenständlichen Fall keine drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Schweiz ersichtlich.

Aus Ihren Angaben ergibt sich insgesamt kein Hinweis darauf, dass Ihnen in Schweiz in einer der EMRK widersprechenden Weise eine erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten worden wäre oder in der Zukunft vorenthalten werden könnte. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Schweiz ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Zu den Dublin-Rückkehrern ist anzumerken, dass die Fluchtgründe und allfällige Wegweisungshindernisse geprüft werden und das Asylverfahren in der Schweiz abgeschlossen wird. Zugang zum Asylverfahren ist generell gegeben. Die Regierung Schweiz gewährt laut Länderfeststellungen ebenso einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, wo ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre.

Zusammengefasst sind aus Ihren Angaben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Schweiz Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates sind für Schweiz folgende Richtlinien beachtlich:

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand -ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Schweiz die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Schweiz im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

[ ... ]

.......ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte

für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in der Schweiz ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Schweiz als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Schweiz Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, -gleiches gilt auch für die Schweiz- was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall zu Schweiz nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Schweiz ergeben.

Auf die Ausfolgung der Länderfeststellungen zu Schweiz und eine damit verbundene mögliche Stellungnahme zu den Länderfeststellungen verzichteten Sie. Es langte jedoch eine allgemeine Stellungnahme ein, in Bezug auf Ihr Familienleben. Es wird jedoch bemerkt, dass den in Feststellungen und der Rechtlichen Beurteilung sowie Beweiswürdigung in diesem Bescheid angeführten Tatsachen, mehr Beweiskraft zukommen.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Schweiz mit Schreiben vom 28.04.2015 ausdrücklich bereit erklärt hat, Sie im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin Verordnung zur Prüfung Ihres Asylantrages zu übernehmen und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in Schweiz verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Schweiz kann daher auch nicht erwartet werden."

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO formell erfüllt (und gemeint: sohin die Schweiz für die Prüfung des Antrags zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Humanitäre Gründe gem. Art 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO lägen (implizit) nicht vor. Der BF verfüge im Bundesgebiet über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte durch zwei Cousinen, mit welchen jedoch kein relevantes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK bestehe, sowie durch seine traditionell geehelichte Frau, mit der ein Familienleben führe. Dieses Familienleben sei jedoch - unter Anführung näherer Erwägungen - weder fortgeschritten, noch besonders ausgeprägt und sei daher ein Eingriff in dieses Familienleben gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK und dem dort normierten Eingriffsvorbehalt zulässig. Seine Ausweisung stelle somit keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des BF, in welcher er im Wesentlichen vorbrachte, dass er im Bundesgebiet mit seiner Frau in einer Hausgemeinschaft und ortsüblichen Unterkunft lebe und darüber hinaus noch familiäre Anknüpfungspunkte durch Cousinen, Schwägerinnen und die Eltern seiner Gattin habe. Eine Abschiebung in die Schweiz würde somit zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen. In der Beweiswürdigung des BF Art fänden sich ausschließlich generelle Überlegungen zur Lage von Asylwerbern in der Schweiz, auf sein Vorbringen sei jedoch nicht eingegangen worden, insbesondere darauf, dass er von seiner Frau finanziell abhängig sei. Darüberhinaus sei festzustellen, dass eine Beurteilung hätte stattfinden müssen, ob im Einzelfall des BF ein Mangel im schweizerischen Asylsystem vorliege, der einen Selbsteintritt Österreichs geboten erscheinen ließe, auch wenn keine generellen systemischen Mängel hätten erkannt werden können. Zudem hätten die Schweizer nur deshalb der Rückübernahme des BF zugestimmt, da sie dessen familiäre Hintergründe nicht gekannt hätten. In der Folge wurden Ausführungen zum afghanischen Eherecht und den dortigen Gepflogenheiten eine Ehe einzugehen und sich dabei vertreten zu lassen, erstattet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt werden zunächst der dargelegte Verfahrensgang sowie der ebenfalls oben dargestellte Reiseweg des BF samt dem Vorliegen der von der Schweiz an den BF ausgestellten Visa.

Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in den Schweiz sprechen, liegen nicht vor. Der BF leidet an keinen gravierenden gesundheitlichen Problemen.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Der BF lebt im Bundesgebiet mit seiner Lebensgefährtin, die sich seit dem Jahr 2006 im Bundesgebiet befindet und die er am 04.07.2013 in ihrer Abwesenheit in Afghanistan traditionell "geheiratet" hat. Zudem hat er weitere familiäre Anknüpfungspunkte durch in Österreich lebende Cousinen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg des BF und zu seinem schweizerischen Visum ergeben sich aus den Akten des BFA, dem darin befindlichen Schreiben der schweizerischen Behörden, und aus seinem eigenen Vorbringen.

Die Feststellungen zur familiären Situation des BF im Bundesgebiet ergeben sich aus seinem Vorbringen in Verbindung mit den diesbezüglich vorgelegten Urkunden, ebenso wie die Feststellung, dass er seine Lebensgefährtin in deren Abwesenheit nach afghanisch-traditioneller Art im bloßen Beisein eines Vertreters ihrer Person geheiratet hat, was - wie unten rechtlich ausgeführt wird - im österreichischen Rechtsverkehr jedenfalls als ungültig zu qualifizieren ist.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des BF ergeben sich daraus, dass er keine Erkrankungen geltend gemacht hat.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in den Schweiz auch Feststellungen zur schweizerischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit 1.1.2014 sind das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Verfahrensgesetz (BFA-VG) und das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 87/2012 in Kraft getreten.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

In den vorliegenden Fällen ist gemäß ihres Art. 49 (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") anzuwenden:

"Art. 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 .

Die in dieser Verordnung enthaltenen Verweise auf die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 , Richtlinie 2013/32/EU und Richtlinie 2013/33/EU gelten, bis zu ihrer jeweiligen Anwendbarkeit, als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 , Richtlinie 2003/9/EG bzw. Richtlinie 2005/85/EG ."

Die Dublin III-VO wurde am 29.6.2013 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und trat am 19.7.2013 (am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung) in Kraft. Sie gilt im vorliegenden Fall aufgrund des Umstandes, dass das Gesuch um Aufnahme des Antragstellers seitens der erstinstanzlichen Behörde erst am 11.3.2014 und somit nach dem 1.1.2014 (dem ersten Tag des sechsten Monats nach dem Inkrafttreten) gestellt wurde.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

"KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 8

Minderjährige

(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener - der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist - oder sich eines seiner Geschwister aufhält.

(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

(3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt,

was dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dient.

(4) Bei Abwesenheit eines Familienangehörigen eines seiner Geschwisters oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2, ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

(5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Ermittlung von Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten eines unbegleiteten Minderjährigen; die Kriterien für die Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung; die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit eines Verwandten, für den unbegleiteten Minderjährigen zu sorgen, einschließlich der Fälle, in denen sich die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandten des unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat aufhalten, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommission nicht über den in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Umfang des Wohls des Kindes hinaus.

(6) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 9

Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind

Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

Art. 10

Familienangehörige, die internationalen Schutz beantragt haben

Hat ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen,

über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch

keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, so ist dieser

Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen

Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen

Wunsch schriftlich kundtun.

Artikel 11

Familienverfahren

Stellen mehrere Familienangehörige und/oder unverheiratete minderjährige Geschwister in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Antrag auf internationalen Schutz, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Folgendes:

a) zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger und/oder unverheirateter minderjähriger Geschwister ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist;

b) andernfalls ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten von ihnen gestellten Antrags zuständig ist.

Art. 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des

Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines

seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

KAPITEL V

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

KAPITEL VI

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

Art. 20

Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen

Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

Art. 21

Aufnahmegesuch

(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.

(2) Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, nachdem die Einreise oder der Verbleib verweigert wurde, der Betreffende wegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde, eine dringende Antwort anfordern. In dem Gesuch werden die Gründe genannt, die eine dringende Antwort rechtfertigen, und es wird angegeben, innerhalb welcher Frist eine Antwort erwartet wird. Diese Frist beträgt mindestens eine Woche.

(3) In den Fällen im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 ist für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist. Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Aufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 22

Antwort auf ein Aufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.

(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

a) Beweismittel:

i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;

ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;

b) Indizien:

i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;

ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.

(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.

(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.

(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."

Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:

Form der Eheschließung

§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.

(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.

Vorbehaltsklausel (ordre public)

§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 17 und 21) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt

§ 17 Form der Eheschließung

(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.

(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.

§ 21 Mangel der Form

(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch

§ 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.

(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.

Zu A)

1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz):

Zunächst ist auszuführen, dass nach dem österreichischen Ehegesetz eine nicht unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Verlobten eingegangene Ehe gem. §§ 17 Abs. 1 und 21 Abs. 1 EheG nichtig ist. Im Hinblick auf die Eheschließungsfreiheit bzw. die essentiell notwendige freie Zustimmung zur Eingehung einer Ehe erscheint im vorliegenden Fall, indem die "Ehegattin" bereits etwa 7 Jahre vor der "Heirat" schon nicht mehr im Heimatland aufhältig war und der BF zu seiner nunmehrigen "Gattin" (selbst wenn er sie schon vormals gekannt hätte, wofür es aber keine Anhaltspunkte gibt) somit vor der "Heirat" (jedenfalls seit 7 Jahren) keinen persönlichen Kontakt hatte, die gleichzeitige Anwesenheit beider Partner unabdingbar, da angesichts dieser Umstände die freie Zustimmung zur Eheschließung im Falle einer Stellvertretung nicht gewährleistet ist. Die Eheschließung mit einem Partner, zu dem man vorher gar keinen oder seit mehreren Jahren keinen persönlichen Kontakt (mehr) hatte, widerspricht ganz klar den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung und ist mit diesen unvereinbar. Hieraus folgt aus § 6 IPRG, dass für den österreichischen Rechtsverkehr die vom BF geschlossene Ehe in Abwesenheit seiner Partnerin jedenfalls als ungültig zu qualifizieren ist und sich der BF im Asylverfahren nicht auf die Bestimmungen des AsylG (vgl. § 34) und der Dublin III-VO (vgl. Art. 9 bis 11) berufen kann, die an das Vorliegen einer Ehe anknüpfen. Daran vermag auch der Umstand, dass die afghanische Ehe des BF im Personenstandsregister des Magistrats der Stadt Wien eingetragen wurde, nichts zu ändern, da dieser Eintragung eines im Ausland erfolgten Personenstandsfalles, die gem. § 36 Abs. 3 PStG "ohne weiteres Verfahren" vorzunehmen ist, keine konstitutive Wirkung zukommt.

In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit der Schweiz zur Prüfung des Asylantrags des BF aufgrund der schweizerischen Visumserteilung an den BF jedenfalls in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und 17 Abs. 2 (humanitäre Klausel) Dublin III-VO ergibt sich letztlich keine österreichische Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags des BF:

Im Hinblick auf Art. 16 Dublin III-VO ist schon kein in der Person des BF gelegener Tatbestand einer Hilfsbedürftigkeit erfüllt, und hätte der BF zudem keine Eltern, Kinder oder Geschwister im Bundesgebiet, auf deren Unterstützung (oder vice versa) er angewiesen wäre.

Im Hinblick auf Art. 17 Dublin III-VO verkennt das BVwG nicht, dass ein Verbleib in Österreich für den Antragsteller wünschenswert wäre, doch begegnet es keinen Bedenken, wenn das BFA im Rahmen seines Ermessensspielraumes im vorliegenden Fall keine berücksichtigungswürdigen humanitären Gründe für ein Vorgehen gemäß dieser Bestimmung als gegeben erachtet hat.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, 96/21/0499; 09.05.2003, 98/18/0317; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0025; 25.04.2006, 2006/19/0673), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob der BF im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung in die Schweiz §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

Der angefochtene Bescheid enthält - wie oben ausgeführt - ausführliche Feststellungen zum schweizerischen Asylwesen. Diese Feststellungen basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt. Die belangte Behörde behandelt in ihrem Bescheid etwa Rechtschutz- und Beschwerdemöglichkeiten gegen Entscheidungen der ersten Instanz, die Situation von sogenannten "Dublin-Rückkehrern", das Non-Refoulmentgebot sowie die Versorgung, einschließlich der medizinischen Versorgung, und Unterbringung von Asylwerbern in der Schweiz.

Schon vor dem Hintergrund der zitierten erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO in die Schweiz rücküberstellt werden, aufgrund der schweizerischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.

Hiezu ist festzuhalten, dass auch kein konkretes Vorbringen erstattet wurde, das geeignet wäre anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard der schweizerischen Asylverfahren eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes nicht erkennbar.

Wie festgestellt, hat der Antragsteller keine tödlichen oder akut lebensbedrohlichen Erkrankungen aufgezeigt. Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes "real risk", weshalb eine - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte des BF gemäß Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK wird, um doppelte Ausführungen zu vermeiden, auf nachstehende, unter Punkt 2. ausgeführte, Erwägungen, wonach kein schützenswertes Privat- oder Familienleben des BF erkannt werden kann, verwiesen.

Das BFA hat daher zu Recht keinen Gebrauch vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO gemacht. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

1. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und einer möglichen Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG (iVm § 61 Abs. 1 FPG) ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der BF verfügt im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte, konkret insbesondere über seine Lebensgefährtin, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK der BF mit der Lebensgefährtin ist jedenfalls gegeben.

Bezüglich der Intensität des Familienlebens ist jedoch auszuführen, dass diese als nicht besonders ausgeprägt erscheint:

Es liegt keine Ehe vor und entstammen der Verbindung auch noch keine gemeinsamen Kinder; bezüglich Schwangerschaft der Partnerin des BF gewährt die EMRK keine Rechte im Hinblick auf ungeborene Kinder.

Weiters steht fest, dass der BF vor seiner Ausreise nicht mit der Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, da diese bereits seit dem Jahr 2006 im Bundesgebiet lebt, der BF jedoch erst im Jahr 2015 eingereist ist. Zudem hat der BF sein Familienleben mit seiner Gefährtin zu einem Zeitpunkt begründet, zu dem ihm sein eigener unsicherer Status bewusst war, sodass er mit der Fortsetzung des Familienlebens nicht ohne weiteres hat rechnen dürfen.

Auch ist nicht ersichtlich, dass der BF auf die Hilfe der Lebensgefährtin im Alltag angewiesen wäre - eine finanzielle Unterstützung könnte ihm die Lebensgefährtin auch in der Schweiz zukommen lassen. Es wird nicht verkannt, dass eine Unterstützung für den BF von Vorteil wäre, eine existenziell notwendige Abhängigkeit kann jedoch nicht erkannt werden.

Eine abwägende Gesamtbetrachtung lässt nun das öffentliche Interesse an der Einhaltung der europäischen Zuständigkeitsnormen gewichtiger Erscheinen als das Privatinteresse des BF an der Fortsetzung seines Familienlebens. Ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben erscheint somit gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK als zulässig.

Der durch die normierte Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:

Der nunmehrige Aufenthalt des BF in Österreich in der Dauer von etwa 1 Jahr war nur ein vorläufig berechtigter. Zudem ist dieser Aufenthalt, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, als kein ausreichend langer Zeitraum zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist erkennbar, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt etwa für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124). Der Antragsteller musste sich weiters seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Schon die zeitliche Komponente wiegt schwer zu seinen Lasten, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben des BF zulässig und angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet geradezu geboten ist. Die Verwaltungsbehörde hat daher eine korrekte Interessensabwägung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die Entscheidung liegt allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche bereits durch umfassende und im Detail bzw. in der fachlichen Substanz unwidersprochen gebliebene Feststellungen festgehalten wurde und demgemäß in einer Tatbestandsfrage. Soweit die Entscheidung davon abhängt, dass die im vorliegenden Fall in Abwesenheit der Partnerin geschlossene Ehe dem ordre public im Bundesgebiet zuwider läuft und daher gem. § 6 IPRG als ungültig zu qualifizieren ist, erscheint die Rechtslage klar.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf umfangreiche Judikatur des EGMR sowie auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten der angefochtenen Bescheide wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte