VwGH Ra 2016/19/0109

VwGHRa 2016/19/01095.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, in der Revisionssache der K A in W, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. April 2016, W175 2121631-1/5E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

GOG §89d Abs2;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §61;
ZPO §112;
ZustG §37;
ZustG §7;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016190109.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Beschluss vom 21. Juni 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof der Revisionswerberin über ihren - innerhalb der Revisionsfrist gestellten - Antrag die Verfahrenshilfe (ua.) durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. April 2016 bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 24. Juni 2016 wurde der nunmehr einschreitende Rechtsanwalt zum Vertreter der Revisionswerberin bestellt. Dieser Bescheid wurde dem Verfahrenshelfer am selben Tag mittels der sog. "Teilnehmer-Direktzustellung" übermittelt. In der Revision wird ausdrücklich ausgeführt, dieser Bescheid sei dem Verfahrenshelfer am 24. Juni 2016 "elektronisch" zugestellt worden.

2 Gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes brachte die Revisionswerberin, vertreten durch den Verfahrenshelfer, im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs die außerordentliche Revision am 5. August 2016 beim Verwaltungsgerichtshof und (nachdem der Verfahrenshelfer am 8. August 2016 von einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass die Revision beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen sei) am 8. August 2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revisionsschriftsatz wurde mit Verfügung vom 8. August 2016 (zur Post gegeben am 9. August 2016) an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet. In der Folge wurde die Revision vom Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

3 Über Vorhalt der sich nach der Aktenlage darbietenden verspäteten Einbringung der Revision führt die Revisionswerberin in ihrer Stellungnahme vom 1. September 2016 aus, die Bestellung des Verfahrenshelfers sei "durch Bereitstellung im elektronischen Rechtsverkehr" erfolgt. Gemäß § 89d (Abs. 2) GOG gelte als Zustellzeitpunkt jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten. Es sei daher als Zustellzeitpunkt der 27. Juni 2016 (der dem Freitag, 24. Juni 2016, folgende Montag) anzunehmen, sodass die Frist zur Einbringung der Revision (erst) mit 8. August 2016 geendet habe. Somit sei die am 8. August 2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Revision rechtzeitig erhoben worden.

4 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes sechs Wochen. Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt für sie gemäß § 26 Abs. 3 erster Satz VwGG die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen (§ 25a Abs. 5 VwGG).

5 Die (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte) "Teilnehmer-Direktzustellung" ist die - technisch eröffnete - Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen von für den elektronischen Rechtsverkehr verwendeten EDV-Programmen zwischen Teilnehmern des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie dient in erster Linie der Übermittlung von für einen Prozessgegner bestimmten Gleichschriften im zivilgerichtlichen Verfahren durch eine Partei des Verfahrens an eine andere Verfahrenspartei (vgl. etwa die im Internet zugänglichen Programmbeschreibungen unter http://www.advokat.at/Advokat-Online/Module/Elektronischer-Rechtsverkehr.aspx#1.3.2 ,

http://test.jurxpert.at/hilfe/weberv_teilnehmerdirektzustellung.htm , https://www.imd.at/news--450.html ). Diesbezüglich findet sich eine Rechtsgrundlage etwa in § 112 ZPO, der eine solche Übersendung auch mittels elektronischer Post ermöglicht (§ 112 ZPO lautet: "Sind beide Parteien durch Rechtsanwälte vertreten, so hat jeder dieser Rechtsanwälte, der einen Schriftsatz einbringt, die für den Gegner bestimmte Gleichschrift dessen Rechtsanwalt durch einen Boten, die Post oder mittels Telefax oder elektronischer Post direkt zu übersenden; diese Übersendung ist auf dem dem Gericht überreichten Stück des Schriftsatzes zu vermerken. Dies gilt nicht für Schriftsätze, die dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellen sind oder durch deren Zustellung eine Notfrist in Lauf gesetzt wird."). Diese Bestimmung wird zuweilen auch für nach anderen Gesetzen zu führende Verfahren für anwendbar erklärt (vgl. § 40 Abs. 4 ASGG und § 24 Abs. 1 AußStrG).

6 Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung eines Bescheides im Weg der "Teilnehmer-Direktzustellung" ist im (hier vorliegenden) Fall der Bestellung eines Verfahrenshelfers durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer allerdings nicht ersichtlich. Insbesondere stellt der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte § 89d Abs. 2 GOG eine solche nicht dar. Diese Bestimmung stellt - unter ausdrücklichen Verweis auf § 89a Abs. 2 GOG - auf elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben ab, wozu der gegenständliche Bestellungsbescheid zweifellos nicht zu zählen ist. Auch § 37 ZustG kommt als Rechtsgrundlage für einen solchen Zustellvorgang nicht in Betracht, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorliegen. Es liegt daher ein Zustellmangel vor (vgl. die hg. Beschlüsse vom 30. Juni 2016, Ra 2015/19/0155 und vom 3. Mai 2016, Ra 2015/18/0236).

Ein solcher Zustellmangel kann jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt werden, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Es kommt im Fall der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver bereitgehaltene Dokument an (vgl. den bereits erwähnten Beschluss vom 3. Mai 2016).

7 Im vorliegenden Fall wurde der Bestellungsbescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien dem Verfahrenshelfer - ausgehend von den Angaben zur Rechtzeitigkeit der Revision - am 24. Juni 2016 (12.23 Uhr) elektronisch übermittelt. Dass der als Verfahrenshelfer bestellte Rechtsanwalt den ab dieser Zeit am Bereithaltungsserver bereitgehaltenen Bestellungsbescheid nicht sogleich an diesem Tag, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen hätte, hat die Revisionswerberin zu keiner Zeit behauptet. Vielmehr spricht sie in der Revision selbst davon, dass der Bestellungsbescheid dem Verfahrenshelfer am 24. Juni 2016 "elektronisch zugestellt" worden sei und verweist auf den an diesem Bescheid vorhandenen "elektronische(n) Eingangsvermerk". Da nach den oben stehenden Ausführungen zudem den rechtlichen Überlegungen der Revisionswerberin in ihrer Stellungnahme vom 1. September 2016 zum sich ihrer Ansicht nach aus dem Gesetz ergebenden Zustellzeitpunkt nicht zu folgen war, ist für die weitere Beurteilung davon auszugehen, dass der hier in Rede stehende Bestellungsbescheid als dem Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt mit 24. Juni 2016 infolge tatsächlichen Zukommens durch Abruf vom Bereithaltungsserver zugestellt anzusehen war.

8 Ausgehend davon endete die sechswöchige Frist zur Einbringung der Revision mit Ablauf des 5. August 2016. Zwar hat die Revisionswerberin innerhalb dieser Frist die Revision erhoben. Allerdings hat sie diese entgegen dem § 25a Abs. 5 VwGG nicht beim hier für die Einbringung zuständigen Bundesverwaltungsgericht, sondern beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

9 Wird ein fristgebundener Schriftsatz nicht bei der für dessen Einbringung gesetzmäßig vorgesehenen Stelle, sondern bei einer dafür unzuständigen Stelle eingebracht und von dieser weitergeleitet, ist die Frist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz entweder vor Fristablauf bei der für die Einbringung zuständigen Stelle einlangt oder von der unzuständigen Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Weiterleitung an diese einem Zustelldienst zur Beförderung übergeben wurde (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 24. September 2014, Ra 2014/18/0041, und vom 24. November 2015, Ra 2015/05/0068, jeweils mwN).

10 Die unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof - und somit bei der falschen Einbringungsstelle - eingebrachte Revision war sohin gemäß § 62 Abs. 1 VwGG iVm § 6 Abs. 1 AVG an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten. Eine Fristwahrung im oben angeführten Sinn kam im vorliegenden Fall jedoch nicht in Betracht, weil die sechswöchige Revisionsfrist am 5. August 2016 und damit schon vor der Weiterleitung durch den Verwaltungsgerichtshof abgelaufen war. Die von der Revisionswerberin vorgenommene direkte Übersendung der Revision an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte ebenfalls erst nach Ablauf der Revisionsfrist, nämlich am 8. August 2016.

11 Sohin erweist sich die Revision wegen Versäumung der nach § 26 Abs. 1 iVm Abs. 3 erster Satz VwGG einzuhaltenden Revisionsfrist als verspätet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 5. Oktober 2016

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