BVwG W175 2121631-1

BVwGW175 2121631-125.4.2016

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W175.2121631.1.00

 

Spruch:

W175 2121631-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, irakische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2016, Zahl: 1095108606/ 151792242, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) reiste am 16.11.2015 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und brachten am selben Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015 (AsylG) ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die BF am 08.11.2015 in Norwegen infolge Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz erkennungsdienstlich behandelt worden war.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 17.11.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Steiermark gab die BF im Wesentlichen an, dass sie im Irak seit 2005 einen Freund gehabt habe. Dieser habe den Irak 2008 Richtung Österreich verlassen und sie mitnehmen wollen. Die Familie sei dagegen gewesen. Seit einem Jahr werde sie zu einer Heirat gedrängt, sie werde von ihrer Familie bedroht und geschlagen. Deshalb habe sie den Irak verlassen.

Sie sei am 04.11.2015 nach Istanbul und von dort nach Moskau geflogen. Danach sei sie nach Norwegen gereist und über Deutschland dann nach Österreich.

Sie habe sich in Norwegen nur etwa sechs Stunden bei der Polizei aufgehalten, ansonsten sei sie nur durch das Land durchgereist. Man habe sie erkennungsdienstlich behandelt, Antrag auf internationalen Schutz habe sie keinen eingebracht. Sie habe ihr Leben in der Heimat zerstört und wolle nur zu ihrem Freund.

I.3. Das BFA richtete an Norwegen am 02.12.2015 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend die BF.

I.4. Mit Schreiben vom 14.12.2015 (eingelangt am selben Tag), stimmten die norwegischen Behörden der Wiederaufnahme der BF gemäß Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

I.5. In einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, East-Ost, vom 13.01.2016 gab die BF in Sorani befragt im Beisein eines Rechtsberaters und nach erfolgter Rechtsberatung an, dass sie derzeit in medizinischer Behandlung sei, da sie ein Kind verloren habe.

Die BF legte einen Befund vom 30.12.2015 vor, wonach sie im Krankenhaus vorgesprochen habe, da sie Schmerzen im Unterbauch habe und schwanger werden wolle. Diagnostiziert wurde ein XXXX. Ein Konsiliarbefund vom 12.01.2016 hält starke Blutungen am 06.01.2016 fest. In einem Befund vom 15.01.2016 werden wird als Diagnosen XXXX und ein Abortus festgehalten, da die ß-HCG-Werte zuletzt negativ gewesen wären.

Sie habe seit 2005 eine Beziehung zu ihrem nun in Österreich lebenden Freund, mit dem sie ihm gemeinsamen Haushalt lebe, seit sie nach Österreich gekommen sei. Sie werde von der Caritas unterstützt, der Freund beziehe Sozialhilfe. Weiters werde sie einen Deutschkurs besuchen.

Ihr Ziel sei immer Österreich gewesen. Sie habe nie in Norwegen bleiben wollen und keinen Antrag gestellt. Lediglich an der Grenze sei sie kontrolliert worden. Sie habe niemanden in Norwegen und wolle ihren Freund heiraten. Ein Termin beim Standesamt stehe fest. Eine Terminvergabe für den 02.02.2016 wurde vorgelegt.

I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA, EAST-Ost, mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 04.02.2016, Zahl: 1095108606/151792242, übernommen am 08.02.2016, den Antrag der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Norwegen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 20 Abs. 5 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (FPG) ), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF nach Norwegen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zu Norwegen werden folgende Feststellungen (Stand August 2014) getroffen:

Das Directorate of Immigration (UDI) ist die zentrale Stelle für alle Immigrationsangelegenheiten in Norwegen. U.a. ist es auch für die Abwicklung des Asylverfahrens, für die Unterbringung von Asylwerbern während des Asylverfahrens und für die Unterstützung von Rückkehrwilligen zuständig. Gesetzliche Grundlage ist u.a. der "Immigration Act and Immigration Regulations" (2010) (UDI o.D.a).

Für die Registrierung von Asylwerbern (AW) ist die Fremdenpolizei zuständig. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung, werden AW zuerst in das Ankunftsaufnahmezentrum inRefstad in Oslo gebracht, danach auf andere Asylunterbringungszentren verteilt. Die Norwegische Organisation für Asylwerber (NOAS) versorgt ankommende AW mit allgemeinen Informationen, gibt einen Überblick über das Asylverfahren, informiert über deren Rechte und Pflichten und hilft in der Asylantragsstellung vor dem UDI (NOAS o.D.).

Die Entscheidung über das Asylverfahren wird nach einem Interview durch das UDI getroffen. Dabei wird internationaler Schutz nach den Bestimmungen der GFK gewährt, allerdings nur unter der Bedingung, dass niemand im Heimatland Schutz bieten kann. Asyl kann auch aus humanitären Gründen zugesprochen werden, insbesondere dann, wenn der AW und seine Kinder mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben und im Herkunftsland keine entsprechende Behandlungsmöglichkeiten vorliegen (NOAS o.D.).

Schnellverfahren

In Norwegen gibt es neben dem normalen Verfahren ein 48 Stunden- bzw. ein 3 Wochen-Verfahren. Das 48 Stunden-Verfahren ist ein vereinfachtes Verfahren das bei Asylanträgen stattfindet, die vermutlich unbegründet sind, da die Asylwerber aus einem Staat kommen, der als sicher eingestuft wird. Das 3 Wochen-Verfahren findet Anwendung bei Asylwerbern, die aus folgenden Ländern kommen:

Armenien, Bangladesh, Georgien, Weißrussland, Indien, Nepal, Russland (nur ethnische Russen!) oder dem Kosovo (nur Minderheiten). Alle anderen Anträge durchlaufen das normale Verfahren das einige Monate dauern kann (UDI o.D.b).

Im Falle einer negativen Asylentscheidung durch das UDI kann mittels eines kostenlosen Rechtsanwalts eine Beschwerde dagegen erhoben werden. Diese darf nicht später als 3 Wochen nach Erhalt der Entscheidung beim UDI einlangen. Der Einspruch wird zunächst vom UDI geprüft. Bleibt das UDI bei seiner Entscheidung, wird der Fall an das Immigration Appeals Board (UNE) zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Der AW erhält eine Aufenthaltserlaubnis im Falle einer positiven Entscheidung von UNE. Sollte der AW jedoch neue Dokumente oder Informationen zu seinem Fall vorweisen können, kann beim UNE um Aufhebung des bereits erfolgten Urteils angesucht werden. Eine weitere Möglichkeit des Einspruchs besteht bei einem Gericht (NOAS o.D.).

Bei einer endgültigen Ablehnung des Asylantrags muss das Land verlassen werden, entweder auf freiwilliger Basis oder durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen. Bei einer freiwilligen Rückkehr (innerhalb von 3 Wochen) kann man die Hilfe der Polizei oder die von IOM anfordern. IOM bezahlt u.a. die Heimreisekosten und unterstützt bei sonstigen Reisearrangements. Nach diesen 3 Wochen wird man von der Polizei, wenn alle Dokumente und Unterlagen vorhanden sind, in das jeweilige Herkunftsland zurückgebracht (NOAS o.D.).

Quellen:

Dublin-Rückkehrer

Das UDI überprüft jeden Dublin-Fall einzeln, bevor eine Entscheidung darüber getroffen wird, ob der AW zwecks Durchführung des Asylverfahrens in ein anderes Land überführt werden muss oder ob Norwegen selbst das Verfahren zu führen hat (UDI o.D.c).

AW, die gemäß der Dublin-Verordnung nach Norwegen zurückgebracht wurden, haben wiederum Zugang zum ordentlichen Asylverfahren. Ist das ursprüngliche Verfahren aufgrund von Abwesenheit des AW mittlerweile geschlossen worden, ist ein Antrag auf Wiedereröffnung desselben bei der Berufungsinstanz zu beantragen. Kommt der AW aus einem Land, dass seitens der norwegischen Behörden als sicher eingestuft wird, wird dabei das sog. 48-Stunden-Verfahren angewandt. Eine diesbezügliche negative Entscheidung kann zwar beeinsprucht werden, hat aber keine aufschiebende Wirkung. Asylwerber, die sich in einem Asylverfahren gemäß der Dublin II-Verordnung befinden (die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates wird überprüft), haben den gleichen Zugang zu Versorgungseinrichtungen wie andere Asylwerber, jedoch erhalten sie weniger finanzielle Unterstützung (ECRE 3.2006).

Quellen:

Non-Refoulement

Die Regierung bot Schutz für Flüchtlinge vor Rückführungen in Länder, in denen diese einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bzw. einer Bedrohung aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, Mitgliedschaft in einer besonderen sozialen Gruppe oder politischen Ansicht ausgesetzt wären. Zwangsrückführungen fanden aber u.a. nach Russland, Irak, Somalia, Afghanistan und vielen anderen Ländern. NGOs kritisierten dabei die Praxis der Regierung, AW in bestimmte Gebiete des Herkunftslandes abzuschieben, insbesondere nach Afghanistan bzw. nach Süd- und Zentralsomalia (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

Versorgung

1. Grundversorgung

Aufnahmezentren sind über ganz Norwegen verteilt und werden von lokalen Behörden, NGOs und privaten Unternehmungen auf Vertragsbasis mit dem UDI geführt, das hauptverantwortlich für die Unterbringung von AW ist. Die Errichtung von Aufnahmezentren ist Sache der jeweiligen Kommunen, wobei diese bei solchen Vorhaben mit der Regierung zusammenarbeiten. Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Unterbringung von AW werden von der Regierung finanziert. Die Unterbringung erfolgt jeweils nach dem aktuellen Verfahrensstand den der AW gerade durchläuft bzw. nach vorhandenen speziellen Bedürfnissen, insbesondere für vulnerable Gruppen. AW leben in offenen Zentren und bilden einen integralen Bestandteil der lokalen Gemeinden. Dabei haben sie meistens Zugang zu den gleichen Dienstleistungen wie sie norwegische Staatsbürger auch haben. Daneben gibt es noch Unterbringungsmöglichkeiten in privaten Häusern, Hotels und anderen Unterkünften, die vom UDI arrangiert werden (UDI/EMN 3.2014).

2. Medizinische Versorgung

Die Gemeinden haben dafür zu sorgen, dass ihre Einwohner die erforderlichen Gesundheitsdienst-leistungen erhalten. Dies gilt auch für Einwanderer, Flüchtlinge und Asylbewerber. Die Fylkeskommunen müssen dafür Sorge tragen, dass alle, die im Fylke wohnen oder sich vorübergehend dort aufhalten, in einem zufriedenstellendem Ausmaß Zugang zu Zahnärzten, hierunter fallen auch Spezialisten, haben. Die regionalen Gesundheitsunternehmen sind für die Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen auf Krankenhaus- und Facharztebene zuständig. Diese Dienstleistungen können von allen Personen in Anspruch genommen werden, die in der betreffenden Gesundheitsregion wohnen oder sich dort vorübergehend aufhalten. Die kommunalen Gesundheitsdienstleistungen werden dabei vom Staat, durch kommunale Mittel und durch Selbstbeteiligung des Patienten getragen (Ny I Norge o.D.).

Quellen:

Schutzberechtigte

Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben, werden nach einiger Zeit einer Gemeinde zugeteilt. Dabei werden Kurse in norwegischer Sprache, über die norwegische Lebensart und über wichtige Gesetze und Regelungen vermittelt. Das Ziel dabei ist es, den Fremden durch diese Maßnahmen zu ermöglichen sich schneller in den Arbeitsprozess zu integrieren, damit er für sich selbst sorgen kann (NOAS o.D.).

Im Falle einer positiven Entscheidung im Asylverfahren (Asylgewährung), wird eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst 3 Jahren (verlängerbar) ausgestellt. Weiters wird einem normalerweise ein Reisedokument für Flüchtlinge ausgestellt und man hat Anspruch auf Familienzusammenführung. Die Unterbringung als Flüchtling erfolgt in einer durch das Directorate of Integration and Diversity (IMDi) zugewiesenen Gemeinde. Bei Aufenthaltserlaubnis aufgrund besonderer humanitärer Gründe oder besonderer Beziehungen zu Norwegen, wird eine solche entweder u.a. nur zeitlich begrenzt verliehen oder es besteht kein Recht auf Familienzusammen-führung. Gegen eine solche Art Aufenthaltserlaubnis kann berufen werden (UDI o. D.d).

Personen, die in Norwegen ohne Aufenthaltserlaubnis leben, sollen nach Angaben des Ministers für Arbeit nicht mehr Zugang zu Sozialleistungen haben. Die Regierung will solchen Personen anstelle von Unterstützungszahlungen Nahrungscoupons und eine Schlafstelle anbieten. Entsprechende Gesetze, die die Sozialleistungen für Personen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis regeln, sollen geändert werden (Norway News 17.3.2014).

Die Flüchtlingsbetreuung, also für Personen, die eine Aufenthaltsbewilligung aus verschiedenen Gründen erhalten haben, wird auf verschiedene Weise in den Gemeinden organisiert, sei es als Teil des NAV (Norwegian Labour and Welfare Administration) oder der Erwachsenenbildung oder in eigenen, spezialisierten Abteilungen der Gemeindeverwaltung. Neu angekommene Flüchtlinge erhalten zunächst Unterstützung in Form von Sozialleistungen. Einige Gemeinden bezahlen einen sog. "Wartebonus", als Überbrückungshilfe für den Zeitraum zwischen Unterbringung und den Beginn des sog. "Einführungsprogramms" (Oren o.D.).

Quellen:

Beweiswürdigend wurde im Bescheid hervorgehoben, dass mit dem Lebensgefährten der BF bereits seit längerem kein gemeinsamer Haushalt bestanden hat, ein besonders intensives Familienleben könne nicht erkannt werden.

Ein im substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der BF ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.

I.7. Am 08.02.2016 stellte das BFA der BF gemäß § 52 Abs. 1 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 84/2015 (BFA-VG) einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) amtswegig zur Seite.

I.8. Mit Fax vom 15.02.2016 brachte die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.

Sie sei seit 2005 mit ihrem nunmehrigen Ehemann liiert. Die Beziehung habe sich auch nach der Ausreise des Mannes aus dem Irak erhalten. Sie sei daher nach Österreich gekommen und sofort bei ihm eingezogen. Sie hätten am 02.02.2016 standesamtlich geheiratet. Im Jänner 2016 hätte sie das gemeinsame Kind verloren.

I.9. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 18.02.2016.

II. Das BVwG hat erwogen:

II.1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

II.2. Feststellungen:

II.2.1. Die BF ist irakische Staatsangehöriger, ihre Identität steht aufgrund der vorgelegten Unterlagen (Reisepass, Geburtsurkunde, Personalausweis) mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

II.2.2. Die BF reiste über die Türkei, die Russische Föderation, Norwegen und Deutschland unrechtmäßig nach Österreich ein. In Norwegen brachte sie am 08.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

II.2.3. Am 02.12.2015 richtete das BFA ein Wiederaufnahmeersuchen an Norwegen, das mit am 14.12.2015 eingelangten Schreiben der Wiederaufnahme gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO ausdrücklich zustimmte.

II.2.4. Das BVwG schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Norwegen an.

Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Norwegen sprechen, liegen nicht vor.

II.2.5. Die BF leidet an keinen akut lebensbedrohenden Krankheiten.

II.2.6. Sie hat in Österreich keine besonders intensiven privaten oder familiären Bindungen.

II.3. Beweiswürdigung:

II.3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg der BF, zu ihrer Antragstellung in Norwegen sowie zu ihren persönlichen Verhältnissen ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der damit im Wesentlichen im Einklang stehenden Aktenlage. Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Norwegen ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmungserklärung Norwegens. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II. 3.3.3.). Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Norwegen wurde nicht substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II. 3.3.2.).

II.3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Norwegen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

II.3.1. Die gegenständliche Beschwerde ist nach dem 02.02.2015 beim BVwG anhängig geworden, sodass insgesamt nach der Rechtslage ab diesem Tag vorzugehen ist.

Gemäß § 6 Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGVG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 70/2015 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(5) Eine Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ist binnen einer Woche einzubringen."

Art. 49 der VO 604/2013 lautet auszugsweise:

Artikel 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 .

Vor dem Hintergrund, dass die Verordnung 604/2013 am 29.06.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, die BF am 16.11.2015 eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sowie das Wiederaufnahmeersuchen an Norwegen nach dem 01.01.2014 gestellt und beantwortet wurde, ist gegenständlich primär die VO 604/2013 (Dublin-III-VO) anwendbar.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung lauten:

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung normiert, dass sich für den Fall, dass sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde für dessen Prüfung zuständig ist.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedsstaat oder an den ersten Mitgliedsstaats, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung behält jeder Mitgliedstaat das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

In Kapitel 3 beziehungsweise den Art. 7 ff der Dublin-III-VO werden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats sowie deren Rangfolge aufgezählt.

Art. 13 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

Gemäß Art. 18 Abs. 1 ist der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrages in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

Gemäß Art. 18 Abs. 2 der Dublin-III-VO prüft der zuständige Mitgliedstaat in allen dem Anwendungsbereich des Abs. 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Abs. 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrages abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Abs. 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

II.3.2. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Verfahren pflichtet das BVwG der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Norwegens ergibt. Dies folgt aus der Regelung des Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO.

In einem (Wieder)Aufnahmeverfahren nach Art. 18 Dublin-III-Verordnung ist primär zu überprüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12); dies nunmehr unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12 ; Shamso Abdullahi/Österreich.

Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates als Norwegen nun keine Anhaltspunkte. Die nunmehr im Wiederaufnahmeverfahren bekräftigte Zuständigkeit Norwegens erweist sich materiell jedenfalls gestützt auf den vorangegangenen Aufenthalt in der Europäischen Union sowie die ursprüngliche Antragstellung in Norwegen.

Der Verweis in der Beschwerde auf Art. 9 Dublin III-VO geht insofern ins Leere, als dass ein Familienverhältnis, dass erst nach Antragstellung entsteht, für Art. 9 irrelevant ist (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO; Dublin II Kontaktausschuss, 24.-25.04.2007, Minutes, P. 3.5). Abgesehen davon ist auch eine konkludente Wunschäußerung des Ehemannes der BF durch erfolgte Eheschließung nicht ausreichend.

II.3.3. Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11 , Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und - soweit damit noch notwendig und vereinbar - aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob die BF im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Norwegen gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

Im Einzelnen war unter diesen Prämissen wie folgt zu erwägen:

II.3.3.1. Mögliche Verletzung des Art. 7 GRC bzw. 8 EMRK:

Die BF hat am 02.02.2016 standesamtlich geheiratet. Dass sie mit dem BF seit seiner Ausreise aus dem Irak eine intensive aufrechte Beziehung führt, darf bezweifelt werden.

In der am 17.11.2015 gab die BF an, dass sie im Irak seit 2005 einen Freund gehabt habe, der den Irak 2008 Richtung Österreich verlassen und sie mitnehmen habe wollen. Tatsächlich hat der Ehemann der BF den Irak im Jahr 2007 verlassen, um ursprünglich nach Schweden zu seinen dort lebenden Familienangehörigen zu ziehen.

Ein gemeinsamer Haushalt der beiden hat im Irak nie bestanden, vielmehr haben sie in verschiedenen Städten bei ihrer jeweiligen Familie gelebt. Somit wurde ein gemeinsamer Aufenthalt erst in Österreich nach der Antragstellung der BF erstmals begründet (ZMR 23.11.2015). Die Vermutung liegt nahe, dass die BF - im Wissen um ihren bloß vorübergehenden Aufenthalt in Österreich und die beabsichtigte Überstellung nach Norwegen versucht, den weiteren Aufenthalt zu erzwingen.

Auch ein (vorerst) nicht erfüllter Kinderwunsch ist nicht geeignet, die Verfestigung einer Beziehung zu begründen.

Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).

Der Ehemann der BF ist seit 2008 als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich zum Aufenthalt berechtigt. Er ist dadurch in der Lage, seinen zumindest vorübergehenden Aufenthalt in Norwegen aufenthaltsrechtlich zu regeln, um die Beziehung bis zu Abschluss des Verfahrens der BF weiter aufrecht zu halten. Es ist den beiden zumutbar, ihr weiters Zusammenleben je nach Verfahrensausgang fremdenrechtlich zu regeln.

Folglich würde die Überstellung der BF nach Norwegen weder Art. 16 VO 604/2013 tangieren, noch einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens bedeuten.

II.3.3.2. Kritik am norwegischen Asylwesen/der Situation in Norwegen:

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).

Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG) sind schon auf Basis der Feststellungen des BFA nicht erkennbar und wurden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Norwegen in Hinblick auf Asylwerber aus dem Irak unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

Die Beschwerdeführer, gehört aktuell keiner vulnerablen Personengruppe an. Ein diesbezügliches Vorbringen wurde nicht erstattet, aus den Befunden ergeben sich keine chronischen physischen oder psychischen Erkrankungen. Selbst bei Vorliegen solcher bestehen keine Hinweise, dass eine gleichwertige Behandlung in Norwegen nicht gegeben sei.

Von einer Vorenthaltung einer ansonsten zustehenden Grundversorgung ist nicht auszugehen.

Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Norwegen und die Situation von Asylwerbern dort geben keinen Anlass, ein "real risk" einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten. Wesentlich erscheint schließlich auch, dass seitens der Europäischen Kommission gegen Norwegen kein Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet wurde und es daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar ist, dass die BF im Fall einer Rücküberstellung nach Norwegen Gefahr liefe, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ihren durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

Seitens Norwegens wurde mit der Zustimmung zur Wiederaufnahme gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zugesichert, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchzuführen beziehungsweise fortzusetzen, sodass das Vorbringen der BF auch deshalb nicht nachvollzogen werden kann.

Jedenfalls hätte die BF noch die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Norwegen und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

II.3.3.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Norwegen

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Norwegen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin III-VO zwingend auszuüben wäre: In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führte der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat beziehungsweise in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung vorliegt.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG in der Stammfassung); dabei sind die von den Asylinstanzen festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Reisefähigkeit" handelt.

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK- Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

Ein diesbezügliches Vorbringen wurde nicht erstattet, aus den Befunden ergeben sich keine chronischen physischen oder psychischen Erkrankungen. Selbst bei Vorliegen solcher bestehen keine Hinweise, dass eine gleichwertige Behandlung in Norwegen nicht gegeben sei.

II.3.4. Das BVwG gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz vorzunehmen.

II.4.1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG lagen zu keinem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens vor.

II.4.2. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Der BF hat auch nicht dargelegt, welche Ausführungen er in einer (nicht explizit beantragten) mündlichen Verhandlung hätten treffen wollen, die ein anderes Verfahrensergebnis bewirken hätten können.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Sofern aufgrund aller von der Verwaltungsbehörde und den BF vorgebrachten Berichte zu Polen eine Würdigung dieser Berichtslage vorgenommen wurde, handelt es sich um Tatsachenfragen. Die Beurteilung des BVwG zur Situation in Polen korreliert mit früherer des VwGH (vgl. VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, 31.05.2005, 2005/20/0095, 30.06.2005, Zl. 2005/20/0082, 25.04.2006, 2006/19/0673), wobei sich aus dem gegenständlichen Erkenntnis ja zeigt, dass auch auf Basis der Beschwerde eine entscheidende Situationsänderung in den letzten Jahren zu verneinen ist.

Für die in seiner Beurteilung leitenden rechtlichen Prämissen konnte sich das BVwG unter anderem auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12 ; Shamso Abdullahi/Österreich sowie auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21.01.2011, Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland und jenes des EuGH vom 21.12.2011, NS, C-411 & 493/10 stützen.

Die gegenständlichen Entscheidungen weichen im Ergebnis weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

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