VwGH Ra 2016/18/0045

VwGHRa 2016/18/004527.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision der 1. XY, und

2. ZY, beide in W, beide vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 29. Jänner 2016, Zlen. W206 2115096-1/6E (zu 1.) und W206 2115095-1/5E (zu 2.), betreffend jeweils Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §29 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheiden jeweils vom 8. September 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der Revisionswerberinnen, beide somalische Staatsangehörige, auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.); gleichzeitig wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

2 Die gegen Spruchpunkt I. der jeweiligen Bescheide erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Die Revisionen erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils für nicht zulässig.

3 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 3. Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, die Entscheidungen des BVwG seien bei der Frage, ob den Revisionswerberinnen aufgrund der Gefahr von Genitalverstümmelung die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zukomme, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Der Verwaltungsgerichtshof hätte bereits entschieden, dass Genitalverstümmelung eine Verfolgung im Sinne der GFK darstellen könne. Aus den angefochtenen Erkenntnissen gehe nicht hervor, weshalb gerade die Revisionswerberinnen im Falle ihrer Rückkehr effektiven Schutz davor fänden. Zudem würden die angefochtenen Erkenntnisse nicht den vom Verwaltungsgerichtshof konkretisierten Anforderungen an die Begründungspflicht entsprechen, da sich das BVwG ohne Begründung über die getroffenen Länderfeststellungen hinweggesetzt und weitere Ermittlungen zu dieser Thematik unterlassen habe.

7 4. Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:

8 4.1. Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens des Asylwerbers sind Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat. Dabei ist von den Asylbehörden zu erwarten, dass sie von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen. Es ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob gemäß § 3 AsylG 2005 glaubhaft ist, dass einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Diese Einzelfallbeurteilung begründet in der Regel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, soweit das BVwG dabei von den Leitlinien der Rechtsprechung des VwGH nicht abgewichen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2015/01/0069, mwN).

9 4.2. Dass Genitalverstümmelung eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK darstellen kann, hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen (vgl. etwa VwGH vom 24. Juni 2010, 2007/01/1199; VwGH vom 22. November 2005, 2005/01/0285; VwGH vom 28.06.2011, 2008/01/0618). Den angefochtenen Erkenntnissen ist auch nicht zu entnehmen, dass das BVwG Genitalverstümmelung als nicht asylrelevant im Sinne der GFK beurteilt hätte. Vielmehr hat das BVwG in den vorliegenden Fällen das Vorliegen einer konkreten Verfolgungsgefahr jeweils deshalb verneint, weil sowohl der Vater als auch die Mutter der Revisionswerberinnen die Genitalverstümmelung ablehnen würden. Aus diesem Grund sei nicht ersichtlich, dass die Revisionswerberinnen der behaupteten Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien.

10 4.3. Das Vorbringen der Revision betreffend die Verletzung der Begründungspflicht durch das BVwG geht ins Leere, weil in den angefochtenen Erkenntnissen darauf abgestellt wird, dass die Revisionswerberinnen deshalb nicht der Gefahr der Genitalverstümmelung ausgesetzt seien, weil ihre Eltern explizit gegen die Vornahme der Bescheidung seien. Das BVwG hat daher - anders als in den von der Revision angeführten Vorerkenntnissen - konkret begründet, warum fallbezogen vom Nichtvorliegen der vorgebrachten Verfolgungsgefahr auszugehen sei.

11 4.4. Insofern die Revision auf die mangelnde Aktualität der Länderberichte verweist und auf einen Verstoß gegen die amtswegige Ermittlungspflicht vorbringt, ist dem zu entgegnen, dass die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0205, mwN).

12 Insbesondere mit dem Verweis auf den Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2016 (Danish Immigration Service, Thematic Paper: South Central Somalia - Female Genital Mutilation/Cutting, Jänner 2016) über Genitalverstümmelung in Süd-/Zentralsomalia vermag die Revision nicht aufzuzeigen, inwiefern die Einbeziehung dieses Berichts zu einem anderen Verfahrensausgang hätte führen können, zumal sich aus diesem Bericht ergib, dass in Somalia die Vornahme einer Genitalverstümmelung gegen den expliziten Willen der Kindesmutter unwahrscheinlich erscheint. Dass die Mutter der Revisionswerberinnen im vorliegenden Fall allfälligem gesellschaftlichen Druck nicht standzuhalten in der Lage wäre, wurde auch in der Revision nicht vorgebracht.

13 5. In der Revision werden insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher über Beschluss in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

14 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 27. Juni 2016

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