Normen
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §14 Abs1;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;
FSG-GV 1997 §2 Abs1 idF 2011/II/280;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016110088.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 1. Juli 2015 war dem Revisionswerber angelastet worden, im Zeitraum November 2014 bis Anfang Juni 2015 in mehrmaligen Käufen insgesamt 50 Gramm Cannabiskraut und 10 Gramm Cannabisharz erworben und davon an den Wochenenden ca. ein bis zwei Gramm konsumiert zu haben, während Reste des Suchtmittels am 7. Juni 2015 sichergestellt hätten werden können. Im Oktober oder November 2014 habe der Revisionswerber zudem eine "Indoor-Anlage" sowie zehn Cannabissetzlinge erworben und diese in seiner Wohnung zur Cannabisgewinnung aufgezogen.
2 Da der Revisionswerber einer daraufhin von der belangten Behörde verfügten Ladung zur Überprüfung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht nachkam, forderte sie ihn mit Bescheid vom 11. August 2015 gemäß § 24 Abs. 4 FSG auf, sich zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen amtsärztlich untersuchen zu lassen. Die Amtsärztin hielt nach der Untersuchung die Beibringung fachärztlicher Stellungnahmen (aus den Fachgebieten für Innere Medizin und für Psychiatrie) für erforderlich, weshalb der Revisionswerber, der diese Stellungnahmen zunächst nicht vorlegte, mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Oktober 2015 gemäß § 24 Abs. 4 FSG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 FSG-GV zur Vorlage fachärztlicher Stellungnahmen aus dem Sonderfach Psychiatrie sowie aus dem Sonderfach Innere Medizin aufgefordert wurde.
3 In der daraufhin vom Revisionswerber beigebrachten nervenfachärztlichen Stellungnahme des Dr. B vom 14. Dezember 2015 wird nach einer Befundaufnahme durch Aktenstudium und Untersuchung des Revisionswerbers folgende Diagnose abgegeben:
"Diagnose: Cannabisabhängigkeitssyndrom, derzeit Abstinent F 12.20 Zustand nach OP im Alter von 10 Jahren einer angeborenen Aortenklappen Stenose Q23.0
Beurteilung und Prognose: (Der Revisionswerber) leidet an einem Cannabis-Abhängigkeitssyndrom F12.20 ist aber derzeit glaubwürdig abstinent und bezüglich seines Suchtverhaltens einsichtig. Es gelang ihm auch über mehrere Jahre abstinent zu leben, dies durch sportliche Betätigung zu kompensieren jedoch durch besondere exogene, zeitliche und emotionale Stresssituationen (Vater-Kind-beziehung, Trennung, Sorgerechtstreit etc.) kann (der Revisionswerber) wieder in alte Stressbewältigungsmuster im Sinne der Entspannung und Beruhigung mit Cannabis zurückfallen, die wieder das Missbrauchsverhalten bis zur Abhängigkeit triggern."
4 Die daran anschließende "nervenfachärztliche Stellungname" lautet:
"(Der Revisionswerber) ist aus nervenfachärztlicher Sicht zum Lenken eines Fahrzeuges der Gruppe 1 fähig wenn folgende Punkte, die für ein halbes Jahr empfohlen sind, eingehalten werden
1) Harnkontrollen in monatlichen Abständen mittels Multi- 10 Test bei einem niedergelassenen Facharzt, einer Fachambulanz oder einer höherschwelligen Suchtberatungsstelle, zur Stabilisierung und Compliance der Abstinenz
2) Vierteljährliche Kontrollen durch den niedergelassenen Facharzt, einer Fachambulanz oder einer höherschwelligen Suchtberatungsstelle
3) Vierteljährliche Schriftliche Bestätigung der Termine und Befunde an den amtsärztlichen Dienst
4) Bei Einhaltung der vorgeschlagenen Empfehlungen ist nach aller Voraussicht (der Revisionswerber) aus fachärztlicher Sicht weiterhin fahrtauglich
5) Bei teilweiser oder vollständiger Nichteinhaltung ist nach amtsärztlicher Maßgabe die Fahrtauglichkeit (des Revisionswerbers) neulich zu begutachten"
5 Unter Bezugnahme auf diese Unterlagen kam das amtsärztliche Gutachten vom 28. Dezember 2015 zum Ergebnis, der Revisionswerber sei unter näher genannten (von der belangten Behörde in ihrem Bescheid übernommenen) Einschränkungen "bedingt geeignet" zum Lenken eines Kraftfahrzeugs der Klassen AM, A und B. Begründet wird dies im Wesentlichen mit der (oben wiedergegebenen) psychiatrischen Stellungnahme, die schlüssig und nachvollziehbar sei.
6 Daraufhin schränkte die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 die Gültigkeit der Lenkberechtigung des Revisionswerbers gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 5 FSG wie folgt ein:
"A) Auflage:
- Monatliche psychosoziale Betreuung inkl. Drogenharnkontrolle an einer höherschwelligen Drogenberatungsstelle (kein Code)
- Vorlage der Betreuungsbestätigungen inkl. Drogenharn alle 3 Monate, erstmals bis zum 28.03.2016, im Kundenservicecenter (Code 104)
- Regelmäßige internistische Kontrolluntersuchungen nach Maßgabe des behandelnden Arztes (kein Code)
B) Befristung
- Nachuntersuchung durch die Amtsärztin in einem Jahr, somit spätestens bis zum 28.12.2016 unter Vorlage einer aktuellen fachärztlichen Stellungnahme aus dem Sonderfach Psychiatrie mit Berücksichtigung der Drogenharnbefunde."
7 Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
8 In der Begründung stützte sich die belangte Behörde auf das amtsärztliche Gutachten vom 28. Dezember 2015, dem zu entnehmen sei, dass der Revisionswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und A sowie B nur bedingt geeignet sei.
9 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der er im Wesentlichen geltend machte, die zugrunde gelegten Umstände rechtfertigten die vorgenommene Einschränkung der Lenkberechtigung nicht, zumal ihm nicht einmal vorgeworfen worden sei, auch nur ein einziges Mal unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben. Da das psychiatrische Gutachten ihm Abstinenz attestiere, und er schon wegen des im gegen ihn gerichteten Strafverfahren nach dem SMG erfolgten (bloß) bedingten Rücktritts von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft gehalten sei, die Abstinenz fortzusetzen, wobei in diesem Rahmen ohnedies eine Kontrolle erfolge, liege Gefahr im Verzug nicht vor; der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sei daher zu Unrecht erfolgt.
10 Nachdem das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14. März 2016 der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung durch Spruchpunkt II des behördlichen Bescheids richtete, keine Folge gegeben hat (gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zur hg. Zl. Ra 2016/11/0077 protokollierte außerordentliche Revision), wurde von ihm für den 19. April 2016 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der der Revisionswerber (mit dem Zusatz "Es ist notwendig, dass Sie persönlich zur Verhandlung kommen.") und als Amtssachverständiger für Medizin Dr. G zwecks Beurteilung, ob das amtsärztliche Gutachten vom 28. Dezember 2015, auf das sich der behördliche Bescheid stützte, schlüssig und nachvollziehbar sei, geladen wurden. In dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. G wird zunächst (unter anderem) die ICD- 10-Klassifikation für die Gruppe F 12.20: Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide-Abhängigkeitssyndrom wiedergegeben:
"Eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln. Typischerweise besteht ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren, und anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen. Dem Substanzgebrauch wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben. Es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung und manchmal ein körperliches Entzugssyndrom."
11 Das daran anschließende Gutachten lautet:
"(Der Revisionswerber) wurde zum wiederholten Male nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt, wobei ein Konsum von Cannabis, Ectasy, Amphetamine, Pilzen und Kokain über einen längeren Zeitraum erhebbar ist. Zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Begutachtung an der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (17.09.2015) konnte ein unmittelbar zurückliegender Cannabismissbrauch nicht nachgewiesen werden, eine Harn-Untersuchung auf THC war negativ.
Vom begutachtenden Nervenfacharzt wurde nach durchgeführter Untersuchung am 14.10.2015 ein Cannabisabhängigkeits-Syndrom bei momentaner Abstinenz diagnostiziert. Gemäß § 14 Abs 5 FSG-Gesundheitsverordnung darf Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 erteilt werden. Diesbezüglich wurden vom begutachtenden Nervenfacharzt Harnkontrollen in monatlichen Abständen bei einem niedergelassenen Facharzt, in einer Fachambulanz oder in einer höherschwelligen Suchtberatungsstelle über den Zeitraum eines halbes Jahres für notwendig erachtet.
Offensichtlich befindet sich (der Revisionswerber) auch gem. § 11 SMG in einer gesundheitsbezogenen Maßnahme.
Zur endgültigen Beurteilung, ob es sich bei der damals nachweisbaren Abstinenz um eine dauerhafte Abstinenzphase und somit eine Stabilisierung der Abhängigkeitserkrankung unverändert vorliegt, ist die Vorlage der Harnuntersuchungsergebnisse seit der amtsärztlichen- bzw. nervenfachärztlichen Begutachtung im Oktober 2015 erforderlich."
12 Der Revisionswerber war zur Verhandlung nicht erschienen, was sein anwaltlicher Vertreter damit begründete, dass "der
Sachverhalt ... aufgrund des erstinstanzlichen Aktes bereits
ausreichend geklärt" sei, weshalb der Revisionswerber zur Verhandlung nicht habe erscheinen müssen.
13 Über Befragung durch den medizinischen Amtssachverständigen brachte der anwaltliche Vertreter des Revisionswerbers weiter vor, der von der Erstbehörde angenommene Sachverhalt werde nicht in Frage gestellt, die Richtigkeit der psychiatrischen Stellungnahme des Dr. B vom 14. Dezember 2015 werde ebenso außer Streit gestellt wie die Richtigkeit der Sachverhaltsannahmen. Dies rechtfertige nach Auffassung des Rechtsvertreters des Revisionswerbers aber keine Einschränkung der Lenkberechtigung, zumal der Revisionswerber "seit 2010 abstinent gelebt" habe, es nur im Zeitraum November 2014 bis Anfang Juni 2015 zu einem "gelegentlichen Cannabiskonsum" in der Weise gekommen sei, dass der Revisionswerber durchschnittlich jedes Wochenende ein bis zwei Gramm Cannabis konsumiert habe und seither "wieder abstinent" lebe. Von einem gehäuften Konsum im Zeitraum November 2014 bis Anfang Juni 2015 könne nicht gesprochen werden; der Umstand, dass ein Rückfall nicht ausgeschlossen werden könne, rechtfertige keine Einschränkungen der Lenkberechtigung.
14 Mit Erkenntnis vom 10. Mai 2016 wies daraufhin das Verwaltungsgericht die gegen den behördlichen Bescheid erhobene Beschwerde in der Hauptsache ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
15 In den Sachverhaltsfeststellungen gab das Verwaltungsgericht die (oben zusammengefasst dargestellten) Gutachten beziehungsweise medizinischen Stellungnahmen wieder und führte im Rahmen der rechtlichen Beurteilung und nach Wiedergabe der §§ 3 Abs. 1 Z 3, 8 Abs. 3 Z 2, 24 Abs. 1 und 5 Abs. 5 FSG im Wesentlichen aus, beim Revisionswerber sei nervenfachärztlich eine Abhängigkeitserkrankung attestiert worden. Er sei trotz ausdrücklicher persönlicher Ladung zur mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht nicht erschienen und habe keine Harnuntersuchungsergebnisse über einen längeren Zeitraum vorgelegt. Dem medizinischen Sachverständigen sei es daher mangels Mitwirkung des Revisionswerbers nicht möglich gewesen, eine geänderte Beurteilung abzugeben. Die Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten des Dr. G seien schlüssig und nachvollziehbar.
16 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision wird im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung die nach Auffassung der Revision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts gegebene Zulässigkeit der Revision damit begründet, dass das angefochtene Erkenntnis der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Befristung und von Nachuntersuchungen insofern widerspreche, als danach die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen iSd § 8 Abs. 3 Z 2 FSG nur dann gegeben sei, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustands nicht ausgeschlossen werden könne, rechtfertige die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung nicht. Das angefochtene Erkenntnis stütze sich lediglich auf die Einschätzung der belangten Behörde, wonach ein Rückfall derzeit nicht ausgeschlossen werden könne, und trage die vorgenommene Einschränkung deshalb nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Revision ist - zur Klarstellung der Rechtslage im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Einschränkungen der Lenkberechtigung nach Maßgabe der FSG-GV - zulässig; sie ist aber nicht begründet.
18 Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen (Z 1) oder die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken (Z 2).
19 § 3 Abs. 1 Z 3 FSG nennt als allgemeine Voraussetzung für die Erteilung einer Lenkberechtigung, dass die betreffende Person gesundheitlich geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu lenken.
20 Nach Abs. 1 erster Satz des mit "Gesundheitliche Eignung" überschriebenen § 8 FSG hat vor der Erteilung der Lenkberechtigung der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist.
21 Gemäß § 8 Abs. 3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen "geeignet", "bedingt geeignet", "beschränkt geeignet" oder "nicht geeignet".
22 Gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 letzter Satz FSG hat das ärztliche Gutachten "bedingt geeignet" für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann, wenn bei der betreffenden Person die Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind.
23 Gemäß § 8 Abs. 6 FSG hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit, dem jeweiligen Stand der medizinischen und psychologischen Wissenschaft und der Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen (ua) über die ärztliche Untersuchung und die Erstellung des ärztlichen Gutachtens nach Abs. 1 und 2; hiebei ist auch festzusetzen, unter welchen Auflagen oder Beschränkungen Personen, bei denen bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen, als zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet zu gelten haben.
24 Die auf dieser Basis erlassene Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV idF BGBl. II Nr. 285/2015 lautet (auszugsweise) wie folgt:
"Begriffsbestimmungen
§ 1. Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:
1. ärztliches Gutachten: ein von einem Amtsarzt oder von einem gemäß § 34 FSG bestellten sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin gemäß der Anlage erstelltes Gutachten, das in begründeten Fällen auch fachärztliche Stellungnahmen, gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt gemäß § 9 FSG oder erforderlichenfalls auch eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu umfassen hat.
2. fachärztliche Stellungnahme: diese hat ein Krankheitsbild zu beschreiben und dessen Auswirkungen auf das Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen und ist von einem Facharzt des entsprechenden Sonderfaches abzugeben. In dieser ist gegebenenfalls auch die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitzubeurteilen.
...
4. amtsärztliche Nachuntersuchung: Grundlage für ein von einem Amtsarzt erstelltes ärztliches Gutachten über die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen eines Besitzers einer Lenkberechtigung; sie umfaßt sowohl das Aktenstudium als auch die Beurteilung allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen sowie gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt und hat sich auf die gesundheitlichen Mängel zu beschränken, auf Grund derer die Nachuntersuchung vorgeschrieben wurde, es sei denn, anläßlich der Nachuntersuchung treten andere Auffälligkeiten auf.
3. ärztliche Kontrolluntersuchung: Grundlage für eine fachärztliche Stellungnahme, auf Grund bestimmter Leiden, die im Hinblick auf eine Befristung der Lenkberechtigung regelmäßig durchzuführen ist und für die amtsärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist.
...
Allgemeines
§ 2. (1) Das ärztliche Gutachten hat gegebenenfalls auszusprechen:
1. ob und nach welchem Zeitraum eine amtsärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist,
2. ob und in welchen Zeitabständen ärztliche Kontrolluntersuchungen erforderlich sind,
3. ob die Verwendung eines Körperersatzstückes oder Behelfes unumgänglich notwendig ist, um das sichere Lenken eines Kraftfahrzeuges zu gewährleisten,
4. ob der Bewerber oder Führerscheinbesitzer nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet ist.
Werden in den Fällen der §§ 5 bis 16 ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben, so dürfen diese niemals alleine, sondern immer nur in Verbindung mit einer Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung bei Ablauf dieser Befristung verfügt werden.
...
Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
- 1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
- 2. die nötige Körpergröße besitzt,
- 3. ausreichend frei von Behinderungen ist und
- 4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.
...
Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
...
(4) Personen, die aus medizinischen Gründen Sucht- oder Arzneimittel erhalten, die geeignet sind, die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen, darf nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden.
(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen."
25 Das Verwaltungsgericht hat (wie auch schon die belangte Behörde) seiner am 10. Mai 2016 getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt, dass beim Revisionswerber eine Abhängigkeitserkrankung vorliege, nämlich ein "Cannabis-Abhängigkeitssyndrom" bei "derzeitiger" Abstinenz. Im Zeitraum November 2014 bis Anfang Juni 2015 habe der Revisionswerber an den Wochenenden ein bis zwei Gramm Cannabis konsumiert; zum Gebrauch der in der "Indoor-Anlage" gezogenen Cannabispflanzen sei es wegen der im Juni 2015 erfolgten polizeilichen Sicherstellung und Vernichtung der Pflanzen nicht mehr gekommen.
26 Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn reicht es nicht aus, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann (ständige Judikatur; vgl. nur etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. November 2012, Zl. 2012/11/0132, und vom 2. April 2014, Zl. 2012/11/0096, je mwN).
27 § 8 Abs. 6 FSG ermöglicht dem Verordnungserlasser - nach dem jeweiligen Stand der medizinischen und psychologischen Wissenschaft - die Festlegung näherer Bestimmungen (ua) über bei Personen mit bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigungen festzusetzende Auflagen oder Beschränkungen.
28 In diesem Sinn regelt § 14 FSG-GV die Vorgangsweise im Zusammenhang mit "Alkohol-, Sucht- und Arzneimittel":
29 Gemäß § 14 Abs. 1 FSG-GV darf (von der im vorliegenden Fall nicht relevanten Ausnahme des Abs. 4 abgesehen) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht soweit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden.
30 Personen hingegen, die (in der Vergangenheit) alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungname und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu "erteilen oder wiederzuerteilen" (§ 14 Abs. 5 FSG-GV).
31 Während § 14 Abs. 1 FSG-GV im Fall einer aktuellen Abhängigkeit also sowohl die Fälle der Erteilung als auch der Entziehung regelt ("weder erteilt noch belassen"), erfasst der die Konsequenzen einer in der Vergangenheit bestandenen Abhängigkeit normierende Wortlaut des § 14 Abs. 5 FSG-GV nur die Erteilung, nicht aber die Einschränkung einer bestehenden (unbeschränkten) Lenkberechtigung.
32 Diese Systematik des § 14 FSG-GV ist offenbar davon getragen, dass eine bestehende (aktuelle) Abhängigkeit ohnehin zwingend (abgesehen vom Sonderfall des Abs. 4) zur Entziehung und nicht bloß Einschränkung einer Lenkberechtigung zu führen hat, wobei nach erfolgter Entziehung, wenn eine aktuelle Abhängigkeit nicht mehr besteht, nach Maßgabe des Abs. 5 eine Wiedererteilung Platz greifen kann.
33 Vom Wortlaut nicht erfasst sind dabei Fälle, in denen nach Erteilung der Lenkberechtigung eine Abhängigkeit entwickelt wird, während ihres aktuellen Bestehens aber nicht zutage tritt und demgemäß nicht zur Einleitung eines Entziehungsverfahrens führt. Wenn nun der Betroffene die Abhängigkeit überwindet, also nicht mehr (aktuell) abhängig "ist", sondern bloß (in der Vergangenheit) "war", liegt zwar die in Abs. 5 als Voraussetzung für die Erteilung der Auflage einer ärztlichen Kontrolluntersuchung genannte Abhängigkeit in der Vergangenheit vor, da der Betroffene aber bereits (bzw. noch) über eine Lenkberechtigung verfügt, kann eine solche nicht - mit der erwähnten Einschränkung - erteilt bzw. wiedererteilt werden.
34 Gemessen an der Zielsetzung des FSG (vgl. insb. § 3 Abs. 1 Z 3 und § 24 Abs. 1 Z 1) und der FSG-GV, nur Personen, die zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund sind (§ 5 FSG-GV), eine Lenkberechtigung zu erteilen und zu belassen, weist § 14 FSG-GV insofern eine Lücke auf. Diese ist derart zu schließen, dass das in Abs. 5 für Fälle der Erteilung vorgesehene Instrument der ärztlichen Kontrolluntersuchung auch auf Fälle wie den beschriebenen, im Revisionsfall zu prüfenden anzuwenden ist, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden: Zu derartigen Situationen kann es nur dadurch kommen, dass eine früher aktuelle Abhängigkeit unentdeckt und damit ohne Konsequenzen (für den Bestand der Lenkberechtigung) blieb. Die hier vorgenommene Auslegung gewährleistet die Gleichbehandlung mit den in Abs. 5 unmittelbar normierten Fällen. In beiden - zwecks Gewährleistung der Verkehrssicherheit durch Ausschluss gesundheitlich nicht geeigneter Personen vom Lenken eines Kraftfahrzeugs gleich zu behandelnden - Konstellationen ist damit bei Abhängigkeit in der Vergangenheit eine ärztliche Kontrolluntersuchung zu veranlassen (vgl. in diese Richtung bereits die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0258, und vom 22. Februar 2007, Zl. 2004/11/0096).
35 Ist aber nach den Bestimmungen der FSG-GV die Auflage einer ärztlichen Kontrolluntersuchung erforderlich, ist dies mit Befristung und amtsärztlicher Nachuntersuchung zur verbinden:
Gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV (idF der Novelle BGBl. II Nr. 280/2011) dürfen dann, wenn in den Fällen der §§ 5 bis 16 ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben werden, diese niemals alleine, sondern immer nur in Verbindung mit einer Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung bei Ablauf dieser Befristung verfügt werden. Daraus folgt, dass eine Befristung (samt amtsärztlicher Nachuntersuchung bei Ablauf) jedenfalls dann vorzunehmen ist, wenn eine Krankheit bzw. gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt wird, die nach der FSG-GV eine ärztliche Kontrolluntersuchung erfordert.
36 Dass beim Revisionswerber, der jedenfalls noch bis Anfang Juni 2015 Cannabis konsumiert hatte, (zumindest in der Vergangenheit) eine Abhängigkeit im Sinne des § 14 Abs. 5 FSG-GV vorlag, wird in der Revision nicht bestritten. Damit liegt aber vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rechtslage die in der Revision behauptete Rechtswidrigkeit (insbesondere wegen Unterlassung von Feststellungen zum Ausmaß eines "gehäuften" Missbrauchs und zu konkret absehbarer Verschlechterung des Gesundheitszustands) nicht vor: Beim Revisionswerber wurde (insoweit nicht in Zweifel gezogen) eine gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt, die im Sinne der § 2 Abs. 1 letzter Satz in Verbindung mit § 14 Abs. 5 FSG-GV zur Einschränkung der Lenkberechtigung durch die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen, Befristung und amtsärztliche Nachuntersuchung zwingt, nämlich das Bestehen einer Suchtmittelabhängigkeit in der Vergangenheit.
37 Die Revision war daher, da ihr Inhalt erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2016
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