VwGH Ra 2015/07/0175

VwGHRa 2015/07/017528.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der U T in Wien, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. Oktober 2015, Zl. LVwG-AV-311/001-2015, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf; mitbeteiligte Partei: J R in S, vertreten durch Mag. Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25/30), zu Recht erkannt:

Normen

UVPG 2000 §2 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs6;
UVPG 2000 §3;
UVPG 2000 §3a Abs1 Z2;
UVPG 2000 §3a Abs4;
UVPG 2000 Anh1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
UVPG 2000 §2 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs6;
UVPG 2000 §3;
UVPG 2000 §3a Abs1 Z2;
UVPG 2000 §3a Abs4;
UVPG 2000 Anh1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 21. Juli 1999 wurde der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für eine Sand- und Schottergewinnung auf den Grundstücken Nr. 425, 428 und 429 KG Schönfeld, Abbaufeld "Petra I" (ca. 17 ha), erteilt; diese Bewilligung wurde mit Bescheid des LH vom 15. September 2009 wiederverliehen.

2 Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Schreiben vom 11. September 2013 die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die dem bisherigen Trockenabbau nachfolgende Gewinnung von Sand und Kies in Form einer Nassbaggerung in südlichen Teilbereichen des bestehenden Abbaugebietes "Petra I". Die Tieferlegung sollte auf einer Fläche von 4,35 ha erfolgen; der offene Teich sollte eine Größe von 3,9 ha (bei NGW) erreichen.

3 Mit einem weiteren Schreiben vom 7. Oktober 2013 ersuchte die mitbeteiligte Partei auch um die wasserrechtliche Bewilligung für die Gewinnung von Sand und Kies in Form einer Nassbaggerung auf den - östlich an das Abbaugebiet "Petra I" angrenzenden - Grundstücken Nr. 432, 433/1, 433/2, 436 und 439, KG Schönfeld, Abbaugebiet "Kerstin I" (8,6 ha). Der entstehende Teich in der Größe von 5,4 ha sollte mit dem Teich auf der Abbaufläche "Petra I" vereinigt und so insgesamt eine Wasserfläche von 9,3 ha geschaffen werden.

4 Mit einem (nicht im Akt erliegendem) rechtskräftigen Bescheid des LH vom 8. Juli 2013 war gemäß § 3 Abs. 7 in Verbindung mit § 3a und Anhang 1 Z 25 UVP-G 2000 nach einer Einzelfallprüfung festgestellt worden, dass für die Nassbaggerung (Kerstin I) im Ausmaß vom 7,37 ha keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehe. Bei dieser Prüfung der Nassbaggerung "Kerstin I" war offenbar davon ausgegangen worden, dass das Abbaufeld "Petra I" mit einer Gesamtfläche von 17,9 ha als Teil des bewilligten und bestehenden Abbaues zu berücksichtigen sei; die geplante Nassbaggerung auf "Petra I" konnte noch nicht berücksichtigt werden. Die Erweiterung um das Abbaufeld "Kerstin I" im Ausmaß von 7,37 ha erfüllte nach Ansicht der Behörde den Änderungstatbestand der Z 25 lit. b) des Anhangs 1 zum UVP-G 2000, weshalb im Einzelfall festzustellen gewesen sei, ob durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 zu rechnen wäre. Dies wurde als Ergebnis dieser Einzelfallprüfung verneint.

5 Am 24. März 2014 fand in Bezug auf die beiden beantragten Vorhaben "Petra I" und "Kerstin I" durch die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (BH) eine gemeinsame mündliche Verhandlung und Besichtigung im Rahmen eines Ortsaugenscheins statt. Die Revisionswerberin als Nachbarin hatte bereits im Vorfeld Einwendungen erhoben; darin machte sie unter anderem Gesundheitsgefährdungen und unzumutbare Belästigungen (durch Lärm, Staub etc.) geltend. Sie zog auch die Zuständigkeit der BH in Zweifel, zumal ihrer Ansicht nach der UVP-Tatbestand des Anhangs I Z 25 verwirklicht sei.

6 Im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör wurde der Revisionswerberin der Inhalt des Feststellungsbescheids vom 8. Juli 2013 zur Kenntnis gebracht.

7 Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2015 wies die Revisionswerberin ua darauf hin, dass es sich um ein Gesamtvorhaben handle, das die Tieferlegung der Abbausohle auf dem Abbaufeld "Petra I" und die Erweiterung dieses Abbaufeldes um das angrenzende Abbaufeld "Kerstin I" umfasse. Auch wenn die Tieferlegung auf dem Abbaufeld "Petra I" selbst nicht UVPpflichtig sei, so hätte sie doch bei der Einzelfallprüfung (betreffend "Kerstin I") berücksichtigt werden müssen, was aber nicht geschehen sei. Abgesehen davon, dass die Nassbaggerung auf "Petra I" bei der Beurteilung nicht mit berücksichtigt worden sei, weiche die dem Feststellungsbescheid betreffend "Kerstin I" zu Grunde gelegene Fläche von 7,37 ha von der nun eingereichten Fläche von 8,6 ha ab. Schließlich hätte man auch das westlich gelegene Abbaufeld "Riedmüller 1" miteinbeziehen müssen.

8 Mit (dem hier allein relevanten) Spruchpunkt I. des Bescheides vom 16. Februar 2015 erteilte die BH der mitbeteiligten Partei lediglich betreffend "Petra I" die wasserrechtliche Bewilligung für die Materialgewinnung in Form einer Nassbaggerung auf Teilflächen der Grundstücke Nr. 425, 428 und 429, KG Schönfeld. Die Einwendungen der Revisionswerberin wurden abgewiesen.

9 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).

10 Das LVwG wies mit Erkenntnis vom 30. Oktober 2015 die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), legte die Bauvollendungsfrist gemäß § 112 Abs. 1 WRG 1959 mit 20. September 2018 neu fest (Spruchpunkt II.) und erklärte die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

11 Begründend führte das LVwG aus, dem Vorbringen, die Vorhaben "Petra I" und "Kerstin I" seien als einheitliches Vorhaben zu werten, weil diese Vorhaben gemeinsam verhandelt und besichtigt worden seien, sei entgegenzuhalten, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheids nur das Vorhaben "Petra I" sei und dieses keine zusätzliche Grundfläche in Anspruch nehme. Unbestritten sei, dass sich die gegenständliche Nassbaggerung auf Teilbereiche des bestehenden Abbaugebietes "Petra I" beziehe. Es liege somit ein Änderungsvorhaben vor.

Dafür könnte § 3a UVP-G 2000 einschlägig sein. Diese Bestimmung verweise auf Tatbestände in Anhang 1 UVP-G 2000. Für Verfahren nach dem WRG 1959 seien die Ziffern 30 bis 42 relevant. Das gegenständliche Verfahren beziehe sich auf die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen durch Nassbaggerung in einer bestehenden Schottergrube. Keine der Ziffern enthalte jedoch einen wasserrechtlichen Tatbestand für ein derartiges Vorhaben, lediglich in Ziffer 37 sei die Rohstoffgewinnung durch Baggerung in einem Fluss angeführt. Dies sei hier aber nicht einschlägig. Da kein wasserrechtlicher Tatbestand des Anhangs 1 UVP-G 2000 erfüllt sei, sei auch für das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren keine UVP durchzuführen gewesen.

Anzumerken sei, dass die für Angelegenheiten des Bergbaus relevanten Z 25 b und 25 d des Anhangs 1 UVP-G 2000 für den gegenständlichen Sachverhalt in Frage kämen. Selbst bei analoger Heranziehung dieser beiden Tatbestände für das Wasserrechtsverfahren könnte eine Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter einen dieser Tatbestände nicht vorgenommen werden, da diese eine zusätzliche Flächeninanspruchnahme voraussetze. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 2015 werde jedoch nur eine Tieferbaggerung an einer bereits bestehenden Abbaufläche genehmigt.

Die gemeinsame Durchführung einer Verhandlung für zwei Vorhaben bedeute nicht automatisch, dass diese auch untrennbar zusammengehörten. Durch diese Vorgehensweise sei dem Grundsatz der Verfahrensökonomie entsprochen worden.

Die in der Beschwerde argumentierte Verbindung des gegenständlichen Vorhabens "Petra I" mit dem Vorhaben "Kerstin I" sei nicht vorzunehmen, da das gegenständliche Vorhaben, welches mit dem angefochtenen Bescheid bewilligt worden sei, keine Relevanz nach dem UVP-G 2000 habe, und daher sowohl im Falle einer Neubewilligung als auch einer Abänderung eines bestehenden Vorhabens keine nach dem UVP-G 2000 zu prüfenden Auswirkungen haben könne.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sei nicht beantragt worden. Von der Durchführung einer solchen Verhandlung habe unabhängig davon abgesehen werden können, da lediglich die Rechtsfrage der Zuständigkeit der belangten Behörde zu lösen gewesen sei und nach der Aktenlage die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten habe lassen.

Das LVwG ließ die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis nicht zu, weil in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.

12 Die Revisionswerberin wandte sich mit einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

13 Dazu erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung vom 15. Februar 2016, in der sie ua die Zulässigkeit der Revision in Frage stellte und ihre kostenpflichtige Zurückweisung beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision geltend, das LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus folgenden Gründen ab:

Zum einen stellten die von der mitbeteiligten Partei beantragten Projekte "Petra I" und "Kerstin I" ein einheitliches Vorhaben im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 dar. Im unmittelbaren Anschluss an das Abbaugebiet "Petra I" befänden sich darüber hinaus in südlicher Richtung noch mehrere Abbaufelder mit einer Flächeninanspruchnahme von rund 200 ha, die im Hinblick auf das Vorliegen einer UVP-Pflicht gänzlich unberücksichtigt geblieben seien. Für das gegenständliche Gesamtvorhaben der mitbeteiligten Partei sei aufgrund der Überschreitung der Schwellenwerte gemäß Anhang 1 Z 25 UVP-G-2000 eine UVP-Pflicht gegeben, weshalb die BH zur Erlassung des Bescheides unzuständig gewesen sei. Die gegenteilige Ansicht des LVwG widerspreche der Rechtsprechung. Zum anderen habe das LVwG trotz entsprechenden Antrages in der Beschwerde keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

16 Nach Ansicht der Revisionswerberin liegt in den von der mitbeteiligten Partei eingebrachten Projekten ("Petra I" und "Kerstin I") ein einheitliches Vorhaben gemäß § 2 Abs. 2 UVP-G 2000, das gemäß Z 25 des Anhangs 1 UVP-G 2000 UVP-pflichtig wäre. Dies ungeachtet des Umstands, dass für die Nassbaggerung auf "Petra I" für sich allein genommen keine UVP-Pflicht bestünde. Mit dieser Rechtsfrage macht die Revisionswerberin geltend, dass im vorliegenden Fall von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum einheitlichen Vorhaben nach § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 abgewichen worden sei.

17 Die hier wesentlichen Bestimmungen des UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2014, lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) ...

(2) Vorhaben ist die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehender Maßnahmen. Ein Vorhaben kann eine oder mehrere Anlagen oder Eingriffe umfassen, wenn diese in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.

(3) ...

(5) Kapazität ist die genehmigte oder beantragte Größe oder Leistung eines Vorhabens, die bei Angabe eines Schwellenwertes im Anhang 1 in der dort angegebenen Einheit gemessen wird. Anlage ist in diesem Zusammenhang eine örtlich gebundene Einrichtung oder eine in engem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Gesamtheit solcher Einrichtungen, die einem im Anhang 1 angeführten Zweck dient.

Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) ...

(4) Bei Vorhaben, für die in Spalte 3 des Anhanges 1 ein Schwellenwert in bestimmten schutzwürdigen Gebieten festgelegt ist, hat die Behörde bei Zutreffen dieses Tatbestandes im Einzelfall zu entscheiden, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Bei dieser Prüfung sind schutzwürdige Gebiete der Kategorien A, C, D oder E des Anhanges 2 nur zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Einleitung des Verfahrens ausgewiesen oder in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Kategorie A des Anhanges 2) aufgenommen sind. Ist mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Abs. 7 (Feststellungsverfahren) ist anzuwenden. Bei der Entscheidung im Einzelfall hat die Behörde folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1. Merkmale des Vorhabens (Größe des Vorhabens, Kumulierung mit anderen Vorhaben, Nutzung der natürlichen Ressourcen, Abfallerzeugung, Umweltverschmutzung und Belästigungen, Unfallrisiko),

2. Standort des Vorhabens (ökologische Empfindlichkeit unter Berücksichtigung bestehender Landnutzung, Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen des Gebietes, Belastbarkeit der Natur, historisch, kulturell oder architektonisch bedeutsame Landschaften),

3. Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Ausmaß der Auswirkungen, grenzüberschreitender Charakter der Auswirkungen, Schwere und Komplexität der Auswirkungen, Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen, Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen) sowie Veränderung der Auswirkungen auf die Umwelt bei Verwirklichung des Vorhabens im Vergleich zu der Situation ohne Verwirklichung des Vorhabens. Bei Vorhaben der Spalte 3 des Anhanges 1 ist die Veränderung der Auswirkungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich.

Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

(5) ...

(6) Vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Einzelfallprüfung dürfen für Vorhaben, die einer Prüfung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 unterliegen, Genehmigungen nicht erteilt werden und kommt nach Verwaltungsvorschriften getroffenen Anzeigen vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung keine rechtliche Wirkung zu. Entgegen dieser Bestimmung erteilte Genehmigungen können von der gemäß § 39 Abs. 3 zuständigen Behörde innerhalb einer Frist von drei Jahren als nichtig erklärt werden.

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

(7a) ...

Änderungen

§ 3a. (1) Änderungen von Vorhaben,

  1. 1. ...;
  2. 2. für die in Anhang 1 ein Änderungstatbestand festgelegt ist, sind einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, wenn dieser Tatbestand erfüllt ist und die Behörde im Einzelfall feststellt, dass durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 zu rechnen ist.

(2) ...

(4) Bei der Feststellung im Einzelfall hat die Behörde die in § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 angeführten Kriterien zu berücksichtigen. § 3 Abs. 7 ist anzuwenden. Die Einzelfallprüfung gemäß Abs. 1 Z 2, Abs. 2, 3 und 6 entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

(5) ...

(6) Bei Änderungen von Vorhaben des Anhanges 1, die die in Abs. 1 bis 5 angeführten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen und mit diesen gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert oder das Kriterium des Anhanges 1 erreichen oder erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die geplante Änderung durchzuführen ist. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das beantragte Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25% des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, § 3 Abs. 7 ist anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen.

(7) ..."

18 Gemäß Anhang 1 Z 25 lit b Spalte 1 zum UVP-G 2000 unterliegen Erweiterungen einer Entnahme von mineralischen Rohstoffen im Tagbau (Lockergestein - Nass- oder Trockenbaggerung, Festgestein im Kulissenabbau mit Sturzschacht, Schlauchbandförderung oder einer in ihren Umweltauswirkungen gleichartigen Fördertechnik) oder einer Torfgewinnung, wenn die Fläche der in den letzten 10 Jahren bestehenden oder genehmigten Abbaue und der beantragten Erweiterung mindestens 20 ha und die zusätzliche Flächeninanspruchnahme mindestens 5 ha beträgt, der UVP-Pflicht.

19 Gemäß Anhang 1 Z 25 lit d Spalte 3 zum UVP-G 2000 unterliegen Erweiterungen einer Entnahme von mineralischen Rohstoffen im Tagbau (Lockergestein - Nass- oder Trockenbaggerung, Festgestein im Kulissenabbau mit Sturzschacht, Schlauchbandförderung oder einer in ihren Umweltauswirkungen gleichartigen Fördertechnik) oder einer Torfgewinnung in schutzwürdigen Gebieten der Kategorien A oder E und für Nassbaggerung und Torfgewinnung auch Kategorie C, wenn die Fläche der in den letzten 10 Jahren bestehenden oder genehmigten Abbaue und der beantragten Erweiterung mindestens 10 ha und die zusätzliche Flächeninanspruchnahme mindestens 2,5 ha beträgt, dann der UVP-Pflicht im vereinfachten Verfahren, wenn dies die Einzelfallprüfung ergibt.

20 Vorweg ist zu bemerken, dass dem Verwaltungsgerichtshof nicht der genaue Inhalt des - offenbar nach einer Einzelfallprüfung nach § 3a Abs. 1 Z 2 iVm § 3a Abs. 4 UVP-G 2000 ergangenen - Feststellungsbescheides vom 8. Juli 2013, betreffend die UVP-Pflicht des Vorhabens auf "Kerstin I", sondern nur dessen Wiedergabe im vorgelegten Verfahrensakt, bekannt ist. Nun zeigte die Revisionswerberin im Verfahren unwidersprochen auf, dass diesem Bescheid eine andere zu beurteilende Kubatur zu Grunde lag als nun beantragt und dass er auch die nun geplante Nassbaggerung auf "Petra I" nicht in seine Prüfung miteinbezog. Ihm lag daher ein anderer Sachverhalt zu Grunde als nun gegeben. Aus diesem Bescheid ist daher jedenfalls nicht abzuleiten, dass die fehlende UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens "Kerstin I" bereits rechtskräftig feststünde. Abgesehen davon könnte der Bescheid gegenüber der Revisionswerberin keine Bindungswirkung entfalten.

Das LVwG hat sich in seiner rechtlichen Argumentation auch gar nicht auf diesen Bescheid gestützt.

21 Das LVwG begründete seine Ansicht, wonach kein einheitliches Vorhaben im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 vorliege, damit, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nur die Nassbaggerung auf "Petra I" sei, die ihrerseits nicht UVPpflichtig wäre. Sie habe daher keine nach dem UVP-G 2000 zu prüfenden Auswirkungen.

22 Mit dieser Argumentation verkennt das LVwG aber die Rechtslage.

23 Hinter dem Begriff des Vorhabens nach § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 und seinem in der Rechtsprechung geprägten Verständnis steht das Ziel, die Umgehung der UVP durch Aufteilung eines Gesamtvorhabens auf einzelne Teile zu verhindern. Unsachliche Dispositionen auf Projektwerberseite sollen nicht eine Flucht aus der UVP ermöglichen (vgl. dazu Schmelz/Schwarzer, UVP-G, Rz 33 zu § 2).

24 Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Prüfung der Umweltverträglichkeit des zur Bewilligung eingereichten Vorhabens. Was unter einem Vorhaben im Sinne des UVP-G 2000 zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 UVP-G 2000. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass der Begriff des Vorhabens im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 weit zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2007, 2006/05/0221, und vom 23. Juni 2010, 2007/03/0160).

Dieser weite Vorhabensbegriff des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 erfordert es, ein oder mehrere Projekt(e) in seiner (ihrer) Gesamtheit und unter Einbeziehung jener Anlagen und Anlagenteile, die für sich nicht UVP-pflichtig wären, zu beurteilen. Es ist auf den räumlichen und sachlichen Zusammenhang der einzubeziehenden Anlagen oder Eingriffe abzustellen; liegt ein solcher Zusammenhang vor, ist von einem Vorhaben auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2015, 2012/05/0073).

25 Nach § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 beschränkt sich das zu prüfende Vorhaben nicht auf die jeweilige "technische Anlage", sondern umfasst auch alle mit dieser in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2014, 2011/07/0244, 0248 bis 0251, mwN). Auf eine Personenidentität der Projektwerber kommt es nicht an (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2001, 2001/07/0047). Aus der im § 2 Abs. 2 letzter Satz UVP-G 2000 enthaltenen Begriffsbestimmung "Vorhaben" ergibt sich, dass ein solches auch mehrere Anlagen oder Eingriffe umfassen kann, wenn diese als räumlich zusammenhängende Projekte in einem engen funktionellen Zusammenhang stehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 2004, 2003/05/0218, vom 31. Juli 2007, 2006/05/0221, vom 23. Juni 2010, 2007/03/0160, und vom 18. Dezember 2012, 2009/07/0179).

Auch das Vorliegen mehrerer selbstständiger Anträge steht der Annahme eines einheitlichen Vorhabens im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 nicht hindernd entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, 2004/04/0129, VwSlg 16.881 A/2006). Die Frage, ob der von § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 geforderte sachliche Zusammenhang vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur individuell von Fall zu Fall beurteilt werden, weswegen auch stets auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist.

26 Im vorliegenden Fall wurden die Tiefergrabung auf dem südlichen Teil des Abbaufelds "Petra I" und der Abbau und die Nassbaggerung auf dem unmittelbar östlich anschließenden Abbaufeld "Kerstin I" nicht nur zeitnah gemeinsam beantragt; die mitbeteiligte Partei machte bei der Antragstellung auch klar, dass die beiden nach der Nassbaggerung entstehenden Teiche in der Zukunft verbunden werden sollten. Feststellungen dahingehend, dass das Verfahren betreffend "Kerstin I" nicht mehr anhängig wäre, wurden nicht getroffen.

Angesichts des räumlichen, sachlichen und funktionellen Zusammenhangs dieser beiden Vorhaben ist daher von einem einheitlichen Vorhaben im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 auszugehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Tieferbaggerung auf "Petra I" für sich genommen keine UVP-Pflicht begründete.

Aber auch die faktische Einschränkung des Verfahrens auf die allein erteilte (wasserrechtliche) Bewilligung für "Petra I" führt - entgegen der Ansicht des LVwG - noch nicht zur Annahme, für "Petra I" wäre keinesfalls UVP-Pflicht gegeben.

27 Löst nämlich eine Anlage die UVP-Pflicht nach Anhang I aus, so gehören zum UVP-pflichtigen Vorhaben alle damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Anlagen und Eingriffe, auch wenn nur ein Teil des Vorhabens die UVP-Pflicht nach Anhang I auslöst (vgl. dazu Schmelz/Schwarzer, UVP-G, Rz 26 zu § 2).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass dann, wenn sich das Vorhaben "Kerstin I" als UVP-pflichtig erwiese, auch das Projekt "Petra I" - ungeachtet des unbestrittenen Fehlens einer "eigenen" UVP-Pflicht - von dieser UVP-Pflicht umfasst wäre, weil es einen Teil eines einheitlichen UVP-pflichtigen Vorhabens darstellt.

28 Der LH ging bei der damaligen Prüfung der UVP-Pflicht von "Kerstin I" (Feststellungsbescheid vom 8. Juli 2013) offenbar davon aus, dass - unter Einbeziehung des bereits bestehenden (Trocken‑)Abbaus auf "Petra I" - der Tatbestand des Anhangs 1 Z 25 lit. b UVP-G 2000 erfüllt und daher in Verbindung mit § 3a Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 leg. cit. eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sei. Diese Einzelfallprüfung ergab das Nichtbestehen einer UVP-Pflicht. Wie oben dargestellt, hat diese Feststellung aber keine Bindungswirkung in Bezug auf das vorliegende Verfahren.

29 Nun weist das anhängige Bewilligungsverfahren "Kerstin I" sogar eine größere geplante Abbaufläche als im damaligen Feststellungsverfahren aus und erfüllt daher ebenfalls den Tatbestand des Anhangs 1 Z 25 lit. b UVP-G 2000. Nach § 3a Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit Abs. 4 leg. cit. wäre daher eine Einzelfallprüfung der UVP-Pflicht vorzunehmen.

Vor dem Hintergrund des einheitlichen Vorhabensbegriffes gehört aber zum Abbau- und Nassbaggerungsvorhaben "Kerstin I" - wie dargestellt - auch die Nassbaggerung "Petra I". Im Falle einer Bejahung der UVP-Pflicht für "Kerstin I" wäre nicht nur dieses Abbau- und Nassbaggerungsvorhaben, sondern auch die Nassbaggerung "Petra I" von der UVP-Pflicht erfasst. Für die Erteilung einer gesonderten wasserrechtlichen Bewilligung für die Nassbaggerung "Petra I" bliebe nach § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 dann kein Raum. Das LVwG versäumte es - ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht zum Vorliegen eines einheitlichen Vorhabens -, die UVP-Pflicht des Vorhabens "Kerstin I" (als Vorfrage) zu beurteilen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass diese Prüfung im Ergebnis eine UVP-Pflichtigkeit ergeben hätte, die auch das Vorhaben "Petra I" umfasste; diesfalls wäre die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für "Petra I" mit dem Bescheid der BH vom 16. Februar 2015 aber mangels Zuständigkeit aufzuheben gewesen.

30 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

31 Angesichts dessen erübrigte sich ein näheres Eingehen auf die Frage der Zulässigkeit des Entfalls der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem LVwG.

32 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 28. April 2016

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