VwGH Ro 2014/02/0103

VwGHRo 2014/02/010319.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des H in U, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. Oktober 2013, Zl. VwSen-165721/28/Sch/AK, betreffend Übertretungen der StVO 1960 (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung),

Normen

AVG §66 Abs4 impl;
VStG §51 Abs4;
VStG §51e Abs3;
VStG §64 Abs1;
VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwGVG 2014 §44;
VwRallg;
AVG §66 Abs4 impl;
VStG §51 Abs4;
VStG §51e Abs3;
VStG §64 Abs1;
VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwGVG 2014 §44;
VwRallg;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Die Revision wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen (hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) wird die Revision zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 2013 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden,

1. er habe am 25. Juli 2010 um 17.00 Uhr an einem näher genannten Ort ein dem Zeichen nach näher bestimmtes Motorrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,50 mg/l ergeben (Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. Dezember 2010),

2. er sei am 25. Juli 2010 um 17.00 Uhr an einem näher genannten Ort mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt (Spruchpunkt 3 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. Dezember 2010),

3. er sei am 25. Juli 2010 um 17.00 Uhr an einem näher genannten Ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, weil er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen. Obwohl er bemerkt habe, dass die Polizei verständigt worden sei, habe er vor Eintreffen dieser die Unfallstelle verlassen (Spruchpunkt 4 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. Dezember 2010).

Er habe dadurch zu Pkt. 1 eine Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960, zu Pkt. 2 eine Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO 1960 und zu Pkt. 3 eine Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 begangen.

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 23. Oktober 2013 wurde der Berufung insofern Folge gegeben, "als die bezüglich Faktum 2. des Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe auf EUR 800,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf eine Woche, jene zu Faktum 4. auf EUR 36,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden und schließlich jene zu Faktum 3. auf EUR 30,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen."

Gemäß Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 23. Oktober 2013 hat der Revisionswerber "als Kostenbeitrag zum erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren den Betrag von EUR 80,-- (Faktum 2.), EUR 10,-- (Faktum 3.) und weiteren EUR 10,-- (Faktum 4.), zusammen sohin EUR 100,--, zu leisten.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrags zum Berufungsverfahren".

Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Beschluss vom 5. Juni 2014, Zl. B 1299/2013-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat diese über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 7. Juli 2014, Zl. B 1299/2013-6, an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes brachte der Revisionswerber einen ergänzenden Revisionsschriftsatz ein, in welchem er die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragte.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof (nach dem Datum des Abtretungsbeschlusses gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG) nach dem 31. Dezember 2013 dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2015, Zl. Ro 2014/02/0105, mwN).

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Der Revisionswerber meint, zur Anwendbarkeit des § 64 Abs. 2 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 liege keine Rechtsprechung vor. Die belangte Behörde hätte § 64 Abs. 2 VStG in dieser Fassung nicht anwenden dürfen, weil das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. Dezember 2010 abgeschlossen gewesen und eine rückwirkende Anwendung des § 64 Abs. 2 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 nicht vorgesehen sei. Mit dem Vorgehen der belangten Behörde sei der Revisionswerber rechtswidrig mit höheren Kosten des Strafverfahrens belastet worden.

§ 64 Abs. 1 und 2 VStG idF BGBl. I Nr. 137/2001 samt Überschrift lauten:

"Kosten des Strafverfahrens

§ 64. (1) In jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit je EUR 1,50 zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 15 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat."

§ 64 Abs. 2 VStG in dieser Fassung ist am 28. Februar 2013 außer Kraft getreten.

§ 64 Abs. 2 VStG in jener Fassung des BGBl. I Nr. 33/2013, die vom 1. März 2013 bis zum 31. Dezember 2013 galt, lautete wie folgt:

"(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat."

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich begründet in seiner Gegenschrift die Anwendung des § 64 Abs. 2 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 damit, dass diese "Rundungsvorschrift" auf mindestens EUR 10,-- mit 1. März 2013 in Kraft getreten sei. Mangels einer Übergangsbestimmung hätte die Kostenberechnung ab diesem Zeitpunkt in dem erwähnten Sinne zu erfolgen. Da der in Revision gezogene Bescheid der belangten Behörde zu einem späteren Zeitpunkt ergangen sei, wäre der gesetzliche Auftrag zur Kostenberechnung und Kostenvorschreibung im Sinne des novellierten § 64 Abs. 2 VStG durchzuführen gewesen. Ab 1. März 2013 wäre mit einem Mindestkostenbeitrag von EUR 10,-- vorzugehen gewesen. Dieser Umstand habe mit einer Schlechterstellung des Revisionswerbers nichts zu tun.

Diese Ausführungen der belangten Behörde erweisen sich im Ergebnis als zutreffend.

Vom Verbot der reformatio peius ist die Bemessung der Kosten des Strafverfahrens nicht betroffen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1956, Zl. 1736/54, VwSlg. 3951 A/1956, und vom 12. September 1983, Zl. 81/10/0101).

Die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe durch die Berufungsbehörde erfordert gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG die neue Bemessung des Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1987, Zl. 87/03/0128, und vom 10. Februar 1998, Zl. 97/04/0215).

Die Neubemessung des Kostenbeitrages konnte von der belangten Behörde nur nach der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage vorgenommen werden. Mangels einer Übergangsbestimmung hatte die Kostenberechnung ab dem 1. März 2013 nach der zitierten Bestimmung des § 64 Abs. 2 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 zu erfolgen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war die Revision daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Was Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides anlangt (entspricht den Spruchpunkten 2 bis 4 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. Dezember 2010), werden in der Revision keine Rechtsfragen dargelegt, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die Revision wendet sich dabei bloß gegen die von der belangten Behörde im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung und zeigt damit das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht auf (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Mai 2015, Zl. Ro 2014/02/0068, mwN).

Mit hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2013, Zl. 2012/02/0089, hob der Verwaltungsgerichtshof den im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2012 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Die belangte Behörde habe durch die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung ihren (bloß) schriftlich erlassenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Bereits vor Erlassung dieses Bescheides vom 15. März 2012 hat die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Der Revisionswerber vertritt die Rechtsansicht, dass die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung im zweiten Rechtsgang (im zum nunmehr angefochtenen Bescheid führenden Verfahren) gegen die Bestimmung des § 51e Abs. 3 VStG verstoße, weil der im ersten Rechtsgang ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2012 aufgehoben worden sei und daher das Verfahren in das Stadium nach Einbringung der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zurückgetreten sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung bei der Unterlassung einer (weiteren) Verhandlung im zweiten Rechtsgang eine Rechtswidrigkeit für den Fall verneint, dass bereits im ersten Rechtsgang eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden war; auch in einem solchen Fall muss jedoch eine der in § 44 VwGVG (entspricht § 51e Abs. 3 VStG) vorgesehenen Ausnahmen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gegeben sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2014, Zl. Ra 2014/09/0013, mwN). Ist auch im zweiten Rechtsgang das auch konkrete Feststellungen auf Sachverhaltsebene erfordernde Verschulden des Revisionswerbers an den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen noch ungeklärt, liegt keine der in § 44 VwGVG (entspricht § 51e Abs. 3 VStG) aufgezählten Ausnahmen vom Grundsatz der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor (vgl. wiederum das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2014, Zl. Ra 2014/09/0013).

Im Revisionsfall war in dieser Hinsicht von einer mangelnden Klärung im zweiten Rechtsgang nicht auszugehen, sodass die belangte Behörde von der Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtsgang absehen konnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Revision hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (entspricht den Spruchpunkten 2. bis 4. des Straferkenntnisses vom 30. Dezember 2010) gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II. Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Juni 2015

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