VwGH 81/10/0101

VwGH81/10/010112.9.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Hnatek, Dr. Stoll und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde des MM in N, vertreten durch DDr. Manfred Erschen, Rechtsanwalt in Leoben, Parkstraße 3/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 7. Juli 1981, Zl. Pst 45/1-1981, betreffend Bestrafung wegen Übertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4 impl;
EGVG 2008 Art8 Abs1 litb;
EGVG 2008 Art9 Abs1 Z2;
VStG §44 lita;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §51 Abs4;
VStG §64 Abs1;
AVG §66 Abs4 impl;
EGVG 2008 Art8 Abs1 litb;
EGVG 2008 Art9 Abs1 Z2;
VStG §44 lita;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §51 Abs4;
VStG §64 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Nachdem ein diesbezügliches Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Leoben vom 24. März 1980 infolge rechtzeitig erhobener Berufung mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 28. April 1980 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 behoben worden war, erließ die erstgenannte Behörde im zweiten Rechtsgang am 19. Februar 1981 ein Straferkenntnis, mit dem über den Beschwerdeführer zu Punkt 3 des Spruches gemäß Art. IX EGVG 1950 eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 60 Stunden, verhängt wurde, weil er sich am 27. Februar 1980 um 01.50 Uhr bei der östlichen Ortsausfahrt von Leoben anläßlich einer straßenpolizeilichen Beanstandung "den in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befindlichen Sicherheitswachebeamten trotz vorheriger Abmahnung durch lautstarke Worte verbunden mit heftiger Gestik ungestüm verhalten" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 begangen habe. Gemäß § 19a VStG 1950 wurde dem Beschwerdeführer die Vorhaft in der Dauer von 6 Stunden und 15 Minuten auf die Strafe angerechnet. Ferner wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt (§ 64 Abs. 2 VStG 1950) und ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen habe (§ 67 leg. cit.).

In der Begründung des Straferkenntnisses führte die Behörde erster Instanz im wesentlichen aus, daß die dem Beschwerdeführer im Spruch angelastete Tat durch den in der Anzeige dargelegten Sachverhalt in Verbindung mit den Zeugenaussagen der Sicherheitswachebeamten erwiesen sei. Die Behörde sei in freier Beweiswürdigung den Angaben des Meldungslegers und seiner "Dienstkollegen" gefolgt, zumal diese als Zeugen vernommen der Wahrheitspflicht unterlägen, die zusätzlich noch ihre Erhärtung durch den Diensteid erfahren würde.

2. Der gegen Spruchpunkt 3 dieses Straferkenntnisses erhobenen Berufung (Punkt 1 betrifft die Bestrafung wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960, Punkt 2 die Bestrafung wegen Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. a KFG 1967; beide sind nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde) gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 7. Juli 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang. Als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz wurde zu diesem Punkt ein Betrag von S 160,-- bestimmt. Ferner wurde der Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges verpflichtet. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer bemängle, daß die Behörde erster Instanz einerseits dem Sicherheitswachebeamten eine höhere Glaubwürdigkeit zugebilligt, andererseits die Gattin des Beschwerdeführers nicht als Zeugin vernommen habe. In der Berufung sei jedoch nicht begründet worden, inwiefern der Schuldspruch nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 bekämpft werde. In seiner Eingabe vom 10. Juni 1980 (richtig: 6. Oktober 1980) habe der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, die Tathandlung sei von der Strafbehörde erster Instanz nicht ausreichend konkretisiert worden. Die Berufung habe sich als unbegründet erwiesen. Laut Aktenlage sei der Zeugin H. M. (der Gattin des Beschwerdeführers) von der Erstinstanz Gelegenheit geboten worden, ihre Aussage abzulegen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers seien im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses alle zur Individualisierung und Konkretisierung des ungestümen Benehmens erforderlichen Tatmerkmale enthalten. Dem Beschwerdeführer sei zur Last gelegt worden, er habe sich trotz vorheriger Abmahnung "durch lautstarke Worte verbunden mit heftiger Gestik" ungestüm verhalten. Der Schuldspruch enthalte somit jenen Sachverhalt, der die Qualifikation als ungestüm rechtfertige, und sei demnach zu Recht erfolgt.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid, wie aus der Gesamtheit des Beschwerdevorbringens hervorleuchtet, in seinem Recht, der ihm zur Last gelegten Tat nicht schuldig erkannt und ihretwegen auch nicht bestraft zu werden, verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides und Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In Ausführung seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, der angefochtene Bescheid weise insofern "schwerwiegende Begründungsmängel" auf, als es die belangte Behörde verabsäumt habe, auszuführen, durch welche lautstarken Worte und durch welche Gestik die Verwaltungsübertretung begangen worden sei. Es wäre erforderlich gewesen, darzutun, welche Worte der Beschwerdeführer gebraucht habe, ferner hätte es nähere Ausführungen über die Lautstärke dieser Worte und schließlich einer Spezifizierung der heftigen Gestik bedurft. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde unterlassen, den Sicherheitswachebeamten, dem gegenüber sich der Beschwerdeführer ungestüm benommen haben soll, namentlich zu nennen. Eine derartige Spezifizierung im Spruch des bekämpften Bescheides wäre vonnöten gewesen, da an der Amtshandlung mehrere Sicherheitswachebeamte beteiligt gewesen seien.

Gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während sich diese Personen in rechtmäßiger Ausübung des Amtes oder Dienstes befinden, ungestüm benimmt.

Unter einem ungestümen Benehmen im Sinne des Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 ist ein solches Verhalten zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organes zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechtes derart überschritten wird, daß diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen bereits als aggressives Verhalten gewertet werden muß (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1970, Slg. Nr. 7815/A, vom 10. Mai 1982, Zl. 10/1546/80, und vom 22. November 1982, Zl. 82/10/0134). Daraus folgt, daß der Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten nach erfolgter Abmahnung ein ungestümes Benehmen darstellt, wobei der Gebrauch lautstarker Worte schreiend vorgebrachten Worten gleichzusetzen ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 22. November 1982, Zl. 82/10/0134).

Nach § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 15. März 1979, Zl. 2932/78, und vom 7. Mai 1982, Zl. 04/0250/80), gehört es zu den selbstverständlichen Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat (Handlung oder Unterlassung) so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist, und daß die Möglichkeit ausgeschlossen wird, daß er etwa wegen derselben Handlung (Unterlassung) nochmals zur Verantwortung gezogen werden könnte. Indem die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 19. Februar 1981 hinsichtlich des hier allein interessierenden Spruchpunktes 3 bestätigte, hat sie sich den diesbezüglichen Schuldspruch der Erstinstanz zu eigen gemacht. Die belangte Behörde hat aber damit - entgegen dem Beschwerdevorbringen dem Beschwerdeführer nicht ganz allgemein zum Vorwurf gemacht, er habe sich trotz vorheriger Abmahnung ungestüm verhalten; sie hat ihm vielmehr zur Last gelegt, daß er sich unter den näher bezeichneten Umständen "durch lautstarke Worte verbunden mit heftiger Gestik" ungestüm benommen habe. Einer näheren Beschreibung des Inhaltes und der Lautstärke der Worte sowie einer näheren Beschreibung der Gestik des Beschwerdeführers bedurfte es nicht. Die vorstehend wiedergegebene, von der Erstinstanz für die Tatumschreibung gewählte und von der belangten Behörde bestätigte Wortfolge wird im Zusammenhalt mit den spruchmäßig hinreichend präzisierten Angaben zum Tatort und zur Tatzeit sowie den - vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebenen - Ausführungen, daß das solcherart umschriebene Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem sich in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befindlichen Organ der öffentlichen Aufsicht gesetzt wurde, den dargelegten, vom § 44 a lit. a VStG 1950 her an den Spruch eines Straferkenntnisses zu stellenden Anforderungen gerecht. Einerseits läßt diese Tatumschreibung keine Zweifel offen, für welche Handlung der Beschwerdeführer bestraft worden ist - "lautstarke Worte verbunden mit heftiger Gestik" erfüllen, wie oben dargetan, ohne weitere Erläuterungen das Tatbild des ungestümen Benehmens - andererseits schließt sie aus, daß der Beschwerdeführer wegen derselben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen werden könnte.

Im Lichte der vorstehenden Erwägungen erweist sich auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Sicherheitswachebeamten, dem gegenüber er sich ungestüm verhalten haben solle, namentlich zu nennen, als nicht stichhältig. Wie gezeigt, enthält der Spruch des angefochtenen Bescheides eine in Ansehung aller wesentlichen Tatbestandselemente hinreichende Konkretisierung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat. Eine zusätzliche Präzisierung durch die Nennung des Namens des eingeschrittenen Organes der öffentlichen Aufsicht war entbehrlich, da dem mit der Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950 verfolgten Zweck auch ohne eine solche Namensnennung entsprochen worden war. Was im übrigen die Zahl der an der betreffenden Amtshandlung beteiligt gewesenen Sicherheitsorgane anlangt (eines oder mehr als eines), so geht der Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung des Inhaltes der Verwaltungsakten und auch in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen davon aus, daß gegen den Beschwerdeführer mehr als ein Sicherheitswachebeamter eingeschritten ist. Die in dieser Hinsicht grammatikalisch mißglückte - und insoweit vom Beschwerdeführer bemängelte - Formulierung des von der belangten Behörde übernommenen Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (anstatt "seines Dienstes" hätte es richtig "ihres Dienstes" zu heißen; außerdem fehlt das Wort "gegenüber") stellt lediglich ein Vergreifen im Ausdruck dar und vermag eine dem Beschwerdeführer offenbar im Grunde des § 44 a lit. a VStG 1950 vorschwebende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu begründen.

2. Der Auffassung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe dadurch, daß sie ihn zum Ersatz der "Strafvollzugskosten in der Höhe von S 160,--" verpflichtete, gegen den Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius verstoßen und darüber hinaus auch die Vorschriften über die Verfolgungsverjährung außer acht gelassen, kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist vom Verbot der reformatio in peius die Bemessung des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens nicht betroffen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1956, Slg. Nr. 3951/A). Zum anderen hat die sogenannte Verfolgungsverjährung, wie sich aus § 31 Abs. 2 VStG 1950 ergibt, ausschließlich die Verwaltungsübertretung zum Gegenstand - mit der Wirkung, daß die Verfolgung eines Beschuldigten wegen einer ihm zur Last gelegten Tat dann unzulässig ist, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (im vorliegenden Fall gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950 sechs Monate) von der Behörde eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 leg. cit. nicht vorgenommen worden ist. Die Bemessung des Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens ist demnach auch von der Einrichtung der Verfolgungsverjährung nicht erfaßt.

3. Auch die unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorgebrachte Rüge des Beschwerdeführers, sowohl die belangte Behörde als auch die Behörde erster Instanz hätten es unterlassen, seine Gattin als Zeugin zu vernehmen, und seien allein den Angaben der Sicherheitswachebeamten gefolgt, denen damit von vornherein mehr Glauben geschenkt werde als einer "strafrechtlich unbescholtenen Zeugin", ist nicht zielführend. Ein Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der H. M. hinsichtlich des dem Beschwerdeführer angelasteten ungestümen Benehmens im Sinne des Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 war von diesem in keiner Phase des Strafverfahrens (auch nicht in der Berufung vom 4. März 1981) gestellt worden. Da sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung darauf beschränkt hatte, der Erstinstanz vorzuwerfen, sie messe "von vornherein Amtsträgern eine höhere Glaubwürdigkeit bei", ohne Gegenbeweise anzubieten (insbesondere, wie erwähnt, die Vernehmung seiner Gattin als Zeugin zu beantragen), durfte die belangte Behörde auf Grund der - im übrigen vom Beschwerdeführer nie bestrittenen - Zeugenaussagen der Sicherheitswachebeamten die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat des ungestümen Benehmens als erwiesen annehmen. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher nicht vor.

4. Damit erweist sich die Beschwerde nach jeder Richtung hin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

5. Soweit in den Entscheidungsgründen auf in der Amtlichen Sammlung nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird, wird Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, in Erinnerung gebracht.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 12. September 1983

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