VwGH 2012/02/0089

VwGH2012/02/008924.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des H. in U., vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 15. März 2012, Zl. VwSen-165721/11/Sch/Eg, in der Fassung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. April 2012, Zl. VwSen-165721/14/Sch/Eg, betreffend Übertretungen der StVO 1960 (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs2 Z2;
VStG §51h Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs2 Z2;
VStG §51h Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkte 2 bis 4 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 30. Dezember 2010) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2012 in der Fassung des Bescheides der belangten Behörde vom 5. April 2012 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, 1. er habe am 25. Juli 2010 um 17.00 Uhr an einem näher genannten Ort ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Motorrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,50 mg/l ergeben (Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 30. Dezember 2011), 2. er sei am 25. Juli 2010 um 17.00 Uhr an einem näher genannten Ort mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt (Spruchpunkt 3 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 30. Dezember 2011), 3. er sei am 25. Juli 2010 um 17.00 Uhr an einem näher genannten Ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, weil er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen. Obwohl er bemerkt habe, dass die Polizei verständigt worden sei, habe er vor Eintreffen dieser die Unfallstelle verlassen (Spruchpunkt 4 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 30. Dezember 2011).

Es habe dadurch zu Pkt. 1 eine Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960, zu Pkt. 2 eine Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO 1960 und zu Pkt. 3 eine Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diese drei mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. März 2012 in der Fassung des Bescheides der belangten Behörde vom 5. April 2012 angelasteten Übertretungen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde rügt u.a. unter dem Gesichtspunkt des § 51h VStG, dass die belangte Behörde die Berufungsentscheidung anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 11. Mai 2011 nicht mündlich verkündet, sondern lediglich durch Zustellung der schriftlichen Ausfertigung erlassen habe, was mit § 51h Abs. 4 VStG und § 67g Abs. 2 Z. 2 AVG nicht in Einklang zu bringen sei.

In dieser Verhandlung sei lediglich das vom Beschwerdeführer drei Monate vorher vorgelegte kfz-technische Sachverständigengutachten verlesen worden, ebenso die Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung vom 27. Oktober 2010 im Lenkberechtigungsentzugsverfahren, welche das zuständige UVS-Mitglied ebenfalls bereits gekannt habe, weil dieses auch im Entziehungsverfahren zuständig gewesen sei und diese Verhandlung geführt habe, es seien keinerlei Beweise aufgenommen und keine Beweisanträge gestellt worden.

In rechtlicher Hinsicht sei lediglich die Frage der ex nunc- oder ex tunc-Wirkung aufhebender Rechtsmittelentscheidungen erörtert worden, was ebenfalls nicht neu gewesen sei, weil es um diese Rechtsfrage schon im erstinstanzlichen Verfahren und auch im Berufungsschriftsatz gegangen sei. Das UVS-Mitglied habe in der Verhandlung daher mit dieser Rechtsfrage vertraut sein müssen; diese sei bereits geraume Zeit vorher in der VwGH-Beschwerde im Entziehungsverfahren mit entsprechenden Judikaturbelegen eingehend erörtert worden.

Da die gesetzlichen Gründe für eine Abstandnahme von der mündlichen Verkündung des Berufungserkenntnisses nicht vorlägen, sei der schriftlich erlassene Berufungsbescheid der belangten Behörde inhaltlich rechtswidrig.

§ 51h Abs. 4 VStG lautet:

"(4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. Im Verfahren vor einer Kammer zieht sich diese zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Bescheides und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden."

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG sind der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Die Verkündung des Bescheides ist von der Anwesenheit der Parteien unabhängig.

Die Verkündung entfällt gemäß § 67g Abs. 2 Z. 2 AVG, wenn der Bescheid nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung beschlossen werden kann und jedermann die Einsichtnahme in den Bescheid gewährleistet ist.

Die belangte Behörde ist den vorzitierten Ausführungen der Beschwerde in der Gegenschrift im Wesentlichen nicht entgegengetreten. Für den Verwaltungsgerichtshof ist auch anhand der vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu erkennen, dass im vorliegenden Beschwerdefall die Voraussetzungen für den Entfall einer Verkündung im Sinne des § 67g Abs. 2 Z. 2 AVG vorgelegen wären.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung belastet daher die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch die belangte Behörde ihren (bloß) schriftlich erlassenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2012, Zl. 2009/02/0205, m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid vom 15. März 2012 in der Fassung des Bescheides vom 5. April 2012 war daher im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Mai 2013

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