VwGH 2013/16/0045

VwGH2013/16/004520.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerden des R M und der M M, beide in Z, Polen, beide vertreten durch die Fux Neulinger Mitrofanova Rechtsanwälte OG in 1020 Wien, Taborstraße 11B, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates vom 11. Jänner 2013,

  1. 1. Zl. ZRV/0285-Z1W/11, (betreffend R M - hg. Zl. 2013/16/0045), und
  2. 2. Zl. ZRV/0286-Z1W/11, (betreffend M M - hg. Zl. 2013/16/0046), jeweils betreffend Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten (§ 10 ZustG), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs1;
BAO §92 Abs2;
BAO §94;
VwRallg;
ZustG §10;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2013160045.X00

 

Spruch:

Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG werden die angefochtenen Bescheide abgeändert:

Der Spruch des Bescheides Zl. ZRV/0285-Z1W/11 lautet:

"Die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom 4. April 2011, Zl. 100000/50197/2009-6, wird dahin abgeändert, dass die mit Schriftsatz vom 11. März 2011 eingebrachte Berufung des R M gegen eine Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellbevollmächtigten (§ 10 ZustG) zurückgewiesen wird."

Der Spruch des Bescheides Zl. ZRV/0286-Z1W/11 lautet:

"Die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom 6. April 2011, Zl. 100000/50197/2009-7, wird dahin abgeändert, dass die mit Schriftsatz vom 11. März 2011 eingebrachte Berufung der M M gegen eine Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellbevollmächtigten (§ 10 ZustG) zurückgewiesen wird."

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 1999 wurden die Beschwerdeführer, zwei polnische Staatsangehörige, beim (damaligen) Zollamt Kleinhaugsdorf bei der Einreise in einem Pkw betreten, in welchem sie rund 32.000 Stück Zigaretten mitführten, ohne diese Zigaretten gestellt zu haben.

Mit den Beschwerdeführern wurde eine sogenannte "Tatbeschreibung" aufgenommen, die folgendes Erscheinungsbild trägt:

"Tatbeschreibung

aufgenommen am 06.12.1999 um 02.10 Uhr im ZOLLAMT KLEINHAUGSDORF mit (Namen, Wohnanschrift, Beruf, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Familienstand usw. der Beschwerdeführer)

Beschlagnahmt zur Sicherung des Verfalls (Tatgegenstände, Umschließungen, Taschen, Koffer, Beförderungsmittel) und als Beweismittel:

3000 Stk. Zigaretten der Marke 'W l'

28960 Stk. Zigaretten der Marke 'W'

Ein Pkw der Marke A 80 1,8S Fahrgestellnummer .....

behördl. Kennzeichen .....

Ein Zulassungsschein Serien Nr.: ......

Ein Fahrzeugschlüssel inkl. Fernbedienung für Alarmanlage (Predator)

Abgabenberechnung

(Tarifmäßige Bezeichnung der Waren, Wert, Menge, Warennummer, Zoll, sonstige Angaben)

Laut beiliegendem Berechnungsblatt.

Die Voraussetzungen nach § 108 Zollrechts- Durchführungsgesetz

sind nicht gegeben.

Sachverhalt:

Am 05.12.99 um 22.30 Uhr stellten sich umseitig angeführte

Personen mit dem Pkw A 80 beh. Kennzeichen ....., zugelassen auf

K.H. wohnhaft in ....., beim Zollamt Kleinhaugsdorf zur

Eingangsabfertigung. Nach ordnungsgemäßer Befragung durch die

Grp.Insp. K. nach mitgebrachten Waren, insbesondere Zigaretten und

Alkohol, antwortete (Beschwerdeführer), dass er, sowie seine

Gattin keine Waren mitführe. Da bei der nachfolgenden Kontrolle

der Kofferraum nicht tief genug erschien, wurde durch ein bereits

vorhandenes Loch im Kofferraumboden nachgebohrt wobei Tabakspäne

zum Vorschein kamen. Bei der folgenden Intensivkontrolle,

durchgeführt von ..... konnten in zwei nachträglich eingebauten

Geheimverstecken, welche ....., .....Zigaretten vorgefunden

werden. .....

Die beiden Personen wurden um 23.15 Uhr gem. §85 FinStrG

festgenommen.

Die Zigaretten wurden mit Beschlagnahmequittung Nr. ..... Blatt 07

beschlagnahmt.

Das Fahrzeug, die Fahrzeugschlüssel sowie die Zulassungspapiere

mit Block ... Blatt 08 beschlagnahmt.

Gründe für die Beschlagnahme

Die umseits angeführten Gegenstände sind gem. § 17 Abs. 2

lit. a, § FinStrG vom Verfall bedroht und ...

Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug

Die Beschlagnahme erfolgte ohne bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnung, weil zu besorgen war, dass ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte. Insbesondere liegen folgende Gründe vor:

Der Beschuldigte war nicht so vertrauenswürdig, als dass von einer sofortigen Beschlagnahme hätte abgesehen werden können.

Aufforderung gem. § 10 Zustellgesetz

Da sich die Partei nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält, wird ihr namens des Hauptzollamtes Wien in gem. § 10 Zustellgesetz aufgetragen, bis spätestens 20. Dezember 1999 für alle wegen der gegenständlichen Beanstandung bei diesem Hauptzollamt anhängig werdenden, sie betreffenden Verfahren in diesem Hauptzollamt einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben. Wird dieser Aufforderung nicht fristgerecht entsprochen, so wird die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei dem genannten Hauptzollamt vorgenommen. Auf diese Rechtsfolge wird die Partei besonders hingewiesen.

Zur Kenntnis genommen"

Auf der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Urschrift befindet sich darunter etwa in der Mitte ein Stempelabdruck

"E C

(Telefonnummer)

Übersetzungen aus den Sprachen:

Russisch, Weißrussisch, Ukrainisch, Polnisch, Slowakisch"

bei dem eine Paraphe angebracht ist. Unterhalb des vorgedruckten Textes "zur Kenntnis genommen" befinden sich zwei Unterschriften, die den Wortlaut des Familiennamens der Beschwerdeführer tragen.

Auf der folgenden Seite der "Tatbeschreibung" findet sich folgender Text:

"Aussage des (der) Verdächtigten - Beschuldigten:

Nachdem mir durch die Ausfolgung des Vordrucks 'Rechtsbelehrung für Verdächtigte und Beschuldigte eines Finanzstrafverfahrens' Rechtsbelehrung erteilt wurde, gebe ich folgende Angabe zur Niederschrift:

Keine Angaben da beide Beschuldigte der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

Ich ersuche, von der Beschlagnahme des (der) abzusehen ....."

Darunter links über dem Vermerk "Unterschrift des Leiters der Amtshandlung" eine Unterschrift, in der Mitte nochmals der erwähnte Stempelabdruck mit der gleichen Paraphe und rechts über dem Vermerk "Unterschrift des(der) Verdächtigen - Beschuldigten" zwei den Familiennamen der Beschwerdeführer tragende Unterschriften.

Die nächste Seite dieser "Tatbeschreibung" weist folgenden Text auf:

"Allfällige weitere Angaben des (der) Verdächtigen - Beschuldigten:

A. Mir wird namens des Hauptzollamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz bekannt gegeben, dass ich wegen der gegenständlichen Verfehlung eine Bestrafung wegen des Finanzvergehens de nach § FinStrG mittels Strafverfügung zu

erwarten habe. ......

B. Zur Deckung der allfällig über mich zu verhängenden Geld- und Wertersatzstrafen sowie der Kostenersätze erlege ich aus freien Stücken einen Bargeldbetrag in der Höhe von S (in Worten).

C. Ich bestätige, dass mir

  1. a) eine Ausfertigung dieser Niederschrift
  2. b) für die beschlagnahmten Gegenstände die Quittung FStr 37, Block Nr. Blatt-Nr.

    c) für den erlegten Bargeldbetrag/die erlegten Bargeldbeträge eine Zahlungsbestätigung Za 19, Block Nr. , Blatt-Nr.

    ausgefolgt wurde."

Links unter diesem Text finden sich Unterschrift, Stempelabdruck und Paraphe wie auf der vorhergehenden Seite sowie rechts der Vermerk "Ende Uhr".

Einer Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten kamen die Beschwerdeführer nicht nach.

Das (damalige) Hauptzollamt Wien verfasste in der Folge mit 27. Jänner 2000 datierte Erledigungen zur Mitteilung buchmäßig erfasster Beträge an Eingangsabgaben und zur Festsetzung von Abgabenerhöhungen in näher angeführter Höhe gegenüber den Beschwerdeführern. Diese Erledigungen tragen den Vermerk "Zustellen durch Hinterlegung" und wurden beim (damaligen) Hauptzollamt Wien ohne vorhergehenden Zustellversuch hinterlegt.

Mit Schriftsatz vom 11. März 2011 erhoben die Beschwerdeführer durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter Berufung an das Zollamt Wien. Am Deckblatt des Schriftsatzes ist angeführt

"angefochtener Verwaltungsakt: im Namen des Hauptzollamtes Wien vom 6.12.1999 erlassener Bescheid, mit welchem eine Aufforderung gemäß § 10 ZuStG erging".

Im Schriftsatz wird ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten dem Auftrag, den inländischen Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben, nie Folge geleistet. Eine Rechtsmittelbelehrung finde sich in der Tatbeschreibung nicht. Eine Kopie der Tatbeschreibung sei ihnen nicht mitgegeben worden. Wäre den Beschwerdeführern eine Kopie der Tatbeschreibung in polnischer Sprache mit dem Auftrag nach § 10 ZustG mitgegeben worden, hätten sie einen in Österreich ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und die Zustellfiktion des § 10 ZustG wäre hinsichtlich der nachfolgenden Bescheide nicht eingetreten. Die angefochtenen Bescheide seien, so sie überhaupt jemals in Rechtsbestand gewesen seien, ersatzlos zu beheben. Sei der Bescheid niemals im Rechtsbestand gewesen, sei festzustellen, dass niemals die Rechtswirkungen des § 10 ZustG, insbesondere also die Zustellfiktion, eingetreten sei.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom 4. April 2011, Zl. 100000/50197/2009-6, an den Beschwerdeführer und vom 6. April 2011, Zl. 100000/50197/2009-7, an die Beschwerdeführerin wurde jeweils die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2011 erhoben die Beschwerdeführer eine (Administrativ‑)Beschwerde gegen diese Berufungsvorentscheidungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid Zl. ZRV/0285-Z1W/11 wies die belangte Behörde die Beschwerde hinsichtlich der an den Beschwerdeführer ergangenen Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, mit dem angefochtenen Bescheid Zl. ZRV/0286-Z1W/11 wies die belangte Behörde die Beschwerde hinsichtlich der an die Beschwerdeführerin ergangenen Berufungsvorentscheidung ab.

Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 1999 seien die Beschwerdeführer beim Zollamt Kleinhaugsdorf beim vorschriftswidrigen Verbringen von Zigaretten betreten worden. In der vom Zollamt aufgenommenen Niederschrift (Tatbeschreibung) sei ihnen aufgetragen worden, bis spätestens 20. Dezember 1999 einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Gleichzeitig seien sie darauf hingewiesen worden, dass bei nicht fristgerechter Bekanntgabe die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung beim Hauptzollamt vorgenommen werde. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalte der Auftrag nicht. Die Niederschrift sei von der anwesenden Dolmetscherin übersetzt und von den Beschwerdeführern unterhalb des Auftrages nach § 10 ZustG unterfertigt worden. Eine Durchschrift der Niederschrift sei ihnen ausgefolgt worden. Die Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten sei unterblieben, weshalb das (damalige) Hauptzollamt Wien die Abgabenbescheide vom 27. Jänner 2000 gemäß § 23 ZustG durch Hinterlegung zugestellt habe.

Rechtlich hielt die belangte Behörde jeweils fest, sie gehe übereinstimmend mit den Beschwerdeführern davon aus, dass es sich beim bekämpften Auftrag nach § 10 ZustG um einen verfahrensrechtlichen Bescheid handle und die dagegen erhobene Berufung mangels einer Rechtsbehelfsbelehrung als rechtzeitig eingebracht zu betrachten sei. Den Beschwerdeführern könne aber nicht gefolgt werden, wenn sie vermeinten, dass der Auftrag in rechtswidriger Weise nur mündlich ergangen wäre. Der Auftrag zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten sei durch die Aufnahme in die Tatbeschreibung und unter Übergabe einer Ausfertigung der Niederschrift zweifellos schriftlich erfolgt und auch zugestellt worden. Von einem mündlichen Bescheid könne keine Rede sein.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welchen sich die Beschwerdeführer u.a. im Recht auf "Nichterlassung eines Auftrages nach § 10 ZustG", auf "Zustellung eines in Form eines schriftlichen Bescheides erlassenen Auftrages nach § 10 ZustG", auf "Aufhebung des nach § 10 ZustG erlassenen Auftrages" und "Feststellung, dass am 6.12.1999 kein rechtswirksamer Auftrag nach § 10 ZustG erlassen worden ist" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte zwei Gegenschriften ein, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges die Verbindung der beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und darüber erwogen:

In den Beschwerdefällen sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 10 des Zustellgesetzes (ZustG) in der in den Beschwerdefällen noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"§ 10. Einer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhaltenden Partei oder einem solchen Beteiligten kann von der Behörde aufgetragen werden, innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden, mindestens zweiwöchigen Frist für ein bestimmtes oder für alle bei dieser Behörde anhängig werdenden, sie betreffenden Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wird diesem Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen, so wird die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen. Der Auftrag, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, muss einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten."

Nach übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre stellt die Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten nach § 10 ZustG einen verfahrensrechtlichen Bescheid dar, welcher tatsächlich bekämpft werden muss, wenn die zwingende Rechtsfolge des zweiten Satzes dieser Bestimmung nicht eintreten soll (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, 2006/15/0207, mwN).

Gemäß § 92 Abs. 1 lit. a BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben.

§ 92 Abs. 2 BAO lautet:

"(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten."

Eine mündliche Form der Aufforderung nach § 10 ZustG ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgeschrieben oder gestattet.

§ 94 BAO lautet:

"§ 94. Verfügungen, die nur das Verfahren betreffen, können schriftlich oder mündlich erlassen werden."

Von den verfahrensleitenden Verfügungen sind jene verfahrensrechtlichen Bescheide zu unterscheiden, die eine Verwaltungsangelegenheit endgültig abschließen und für welche die Möglichkeit der mündlichen Erlassung (§ 94 BAO) nicht gilt (vgl. etwa Ritz, BAO5, § 94 Tz 8). Dazu zählen etwa die im Anwendungsbereich der BAO erlassenen Aufträge zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten nach § 10 ZustG (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 22. April 2009 und Ritz, aaO).

Ist die schriftliche Form eines Bescheides vorgeschrieben, dann hat eine "Bescheiderlassung" in anderer, etwa mündlicher Form, keine Rechtswirkungen (vgl. etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10(2014), Rz 429).

In den Beschwerdefällen hätte die in Rede stehende, ihrem Wortlaut nach "namens des Hauptzollamtes" ergangene Aufforderung auch die Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten für das Hauptzollamt als Finanzstrafbehörde enthalten, welche bei Eintreten der Rechtsfolgen des § 10 ZustG Zustellungen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren umfasst hätte.

Gemäß § 56 Abs. 2 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des Zustellrechtsanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 201/1982, gelten für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen, soweit das FinStrG selbst nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung sinngemäß.

In den Beschwerdefällen ist daher zu prüfen, ob die Aufforderung an die Beschwerdeführer am 6. Dezember 1999 in Form eines schriftlichen Bescheides ergangen und dementsprechend wirksam geworden ist oder nicht.

Das Erfordernis eines schriftlichen Bescheides wird nicht dadurch erfüllt, dass eine Niederschrift über einen verkündeten mündlichen Bescheid verfasst wird, wobei in den Beschwerdefällen dahingestellt bleiben kann, ob ein mündlicher Bescheid vorliegt.

Daraus ergibt sich, dass ein schriftlicher verfahrensrechtlicher Bescheid über die Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten nach § 10 ZustG nicht wirksam ergangen ist.

Die gegen eine solche nicht wirksame Aufforderung erhobene Berufung, welche für den Bereich des Finanzstrafverfahrens als (Administrativ‑)Beschwerde zu sehen wäre, war daher unzulässig.

Da die angefochtenen Bescheide somit zu Unrecht von einer wirksamen Aufforderung iSd § 10 ZustG ausgingen, erweisen sie sich als inhaltlich rechtswidrig und wären daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. In den fortzusetzenden Verfahren hätte gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 letzter Satz B-VG das Bundesfinanzgericht sodann die Berufungsvorentscheidungen des Zollamtes Wien dergestalt zu ändern, dass die Berufung zurückgewiesen wird.

Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist in den vorliegenden Beschwerdefällen gegeben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. November 2014

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