VwGH 2013/01/0151

VwGH2013/01/015118.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der R O, vertreten durch K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier, in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Juli 2013, Zl. IKD(Stb)-434754/7-20013-Ja, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §12 Z3 idF 2009/I/122;
StbG 1985 §4;
StbG 1985 §7;
VwRallg;
StbG 1985 §12 Z3 idF 2009/I/122;
StbG 1985 §4;
StbG 1985 §7;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 22. Juni 2012 gemäß "§§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. 311 i.d.F. BGBl. Nr. 37/2006 (StbG 1985)" ab.

Begründend führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin, eine thailändische Staatsangehörige, sei am 20. Mai 2012 in Österreich als Kind des österreichischen Staatsbürgers F.O. und der thailändischen Staatsangehörigen C.D.-N. geboren worden. Da die Eltern nicht verheiratet seien, sei die Beschwerdeführerin thailändische Staatsangehörige; die thailändische Botschaft in Wien habe für sie am 27. Juni 2012 einen Reisepass ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin verfüge unbestritten über keine Niederlassungsbewilligung in Österreich. Am 2. April 2013 sei für die Beschwerdeführerin ein Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" eingebracht worden, der jedoch am 3. Mai 2013 wieder zurückgezogen worden sei.

Im vorliegenden Fall könne nur eine Verleihung nach § 12 Z. 3 StbG in Betracht gezogen werden. Nach dieser Bestimmung sei die Staatsbürgerschaft unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 zu verleihen, wenn der Verleihungswerber die Staatsbürgerschaft nach § 17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben könne, weil der hiefür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger sei und die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. vorlägen. Vom Erfordernis der Niederlassung nach § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG sei abzusehen, wenn der maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) nachweislich den Mittelpunkt der Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens 12 Monaten im Ausland habe.

Der maßgebliche Elternteil im Sinne des § 12 Z. 3 StbG, der Vater der Beschwerdeführerin, sei seit seiner Geburt an einer näher genannten Adresse in Grieskirchen gemeldet und sei dem Anschein nach zeitweise in Thailand und in Österreich aufhältig. Ungeachtet des hiezu mit Schreiben vom 23. (richtig: 25.) Februar 2013 erteilten Vorhalts sei der belangten Behörde nicht nachgewiesen worden, dass er seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens 12 Monaten im Ausland (Thailand) habe.

Eine Einbürgerung der Beschwerdeführerin nach den genannten Gesetzesbestimmungen sei daher nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 2. Oktober 2013, B 1009/2013-4, ablehnte und sie gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof noch vor dem 31. Dezember 2013 dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG und des VwGG jeweils in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

2. Gemäß § 12 Z. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 idF. BGBl. I Nr. 122/2009 (StbG), ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn der Verleihungswerber die Staatsbürgerschaft nach § 17 leg. cit. durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hiefür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist und die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. vorliegen. Vom Erfordernis der Niederlassung nach § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. a. StbG (dh. der rechtmäßigen Niederlassung zum Zeitpunkt der Antragstellung) ist abzusehen, wenn der maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) nachweislich den Mittelpunkt der Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens 12 Monaten im Ausland hat.

3. Vorweg ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zunächst im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Frage, ob die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt durch Abstammung erlangt hat, nach den staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist, die zum betreffenden Zeitpunkt - das ist gegenständlich der 20. Mai 2012 - in Geltung standen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2014, Zlen. 2012/01/0164 und 2013/01/0026, mwN).

Gemäß § 7 Abs. 1 StbG erwarb ein eheliches Kind mit seiner Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn a) in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger war oder b) ein Elternteil, der vorher verstorben war, am Tag des Ablebens Staatsbürger war.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. erwarb ein uneheliches Kind mit seiner Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn seine Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürgerin war.

Die mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2011, G 66/12-7 ua. (mit Ablauf des 31. Dezember 2013) erfolgte Aufhebung des Wortes "Eheliche" in § 7 Abs. 1 sowie des § 7 Abs. 3 StbG bzw. die mit BGBl. I Nr. 136/2013 (am 1. August 2013 in Kraft getretene) Änderung des § 7 StbG sind im Beschwerdefall - entgegen dem diesbezüglichen, sowohl bereits im Verwaltungsverfahren als auch neuerlich in der Beschwerde erstatteten, Vorbringen - ohne Belang, weil es - wie erwähnt - auf die im Zeitpunkt der Geburt in Geltung gestandenen staatsbürgerrechtlichen Vorschriften ankommt.

4. Die Beschwerdeführerin - als uneheliches Kind eines Vaters mit österreichischer Staatsbürgerschaft und einer Mutter, die eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt - erwarb die österreichische Staatsbürgerschaft daher nicht durch Abstammung, sondern hatte gemäß § 12 Z. 3 StbG iVm § 17 Abs. 1 Z. 3 StbG unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft mit Bescheid (vgl. das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2011, mit Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Bd. II (1990) 142 f; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zl. 94/01/0465).

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Feststellung der belangten Behörde, wonach sie über keine Niederlassungsbewilligung verfügt, nicht.

Die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 12 Z. 3 erster Satz StbG kam daher - mangels Vorliegens der Voraussetzung der rechtmäßigen Niederlassung zum Zeitpunkt der Antragstellung im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. -

nicht in Betracht.

Die belangte Behörde ging vielmehr (im Ergebnis) zutreffend davon aus, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 12 Z. 3 zweiter Satz StbG zu prüfen waren.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dass der nach dieser Bestimmung geforderte Nachweis über einen mindestens 12-monatigen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt des Vaters der Beschwerdeführerin im Ausland nicht erbracht worden sei und deshalb die Verleihungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien.

Dagegen bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde ihre Annahme, wonach der Vater der Beschwerdeführerin seinen Aufenthalt nicht seit mindestens 12 Monaten im Ausland (Thailand) habe, auf unzureichende Ermittlungen gestützt bzw. hiezu kein Parteiengehör eingeräumt habe.

Dem ist zu entgegnen, dass nach dem Wortlaut des § 12 Z. 3 zweiter Satz StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur in Betracht kommt, wenn der Behörde nachgewiesen wird (arg: "nachweislich"), dass der österreichische Vater des minderjährigen Verleihungswerbers seit mindestens zwölf Monaten (zurückgerechnet vom Entscheidungszeitpunkt) sowohl den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen als auch seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt im Ausland hat. Nach den Gesetzesmaterialien zur StbG-Novelle BGBl I Nr. 122/2009 (RV 330 BlgNR, 24. GP) soll durch das Nachweiserfordernis gewährleistet werden, "dass Fälle eines 'Schein-Auslandsösterreichers' nicht in diese Regelung fallen."

Diesen Nachweis hat der Verleihungswerber (vgl. auch dessen Mitwirkungspflicht gemäß § 4 StbG) bzw. sein Vater zu erbringen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. Februar 2013 über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass ihr keine Nachweise über einen rechtmäßigen und ständigen Auslandsaufenthalt ihres Vaters vorlägen. Von der explizit eingeräumten Stellungnahmemöglichkeit hat die Beschwerdeführerin nicht Gebrauch gemacht bzw. wurde der belangten Behörde ein Nachweis im obgenannten Sinn nicht vorgelegt. Auch die Beschwerde lässt konkrete, auf entsprechende Nachweise gestützte, Angaben zum Vorliegen eines mindestens 12- monatigen Mittelpunktes der Lebensinteressen sowie ständigen und rechtmäßigen Aufenthaltes des Vaters der Beschwerdeführerin, der den unbestritten gebliebenen Feststellungen zufolge seit seiner Geburt an einer näher genannten Adresse in Oberösterreich gemeldet ist, im Ausland (Thailand) vermissen.

Der belangten Behörde kann demnach nicht entgegen getreten werden, wenn sie mangels Erbringung des in § 12 Z. 3 letzter Satz StbG geforderten Nachweises die Verleihungsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung als nicht erfüllt erachtete.

5. Der in der Beschwerde weiters behauptete Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Z. 1 StbG besteht nicht, weil nach dieser Bestimmung einem Fremden die Staatsbürgerschaft zu verleihen ist, wenn er im Gebiet der Republik geboren und seit seiner Geburt staatenlos ist; die letztgenannte Voraussetzung liegt hinsichtlich der Beschwerdeführerin, die unstrittig thailändische Staatsangehörige ist, nicht vor.

6. Dass hinsichtlich der Beschwerdeführerin ein sonstiger gesetzlicher Verleihungstatbestand erfüllt wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet und ist nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

7. Die in der vorliegenden Beschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit ua. der §§ 12 Z. 3 und 16 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG vorgebrachten Bedenken hat der Beschwerdeführer bereits in seiner an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht angesichts des Umstandes, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt hat, keine Veranlassung, der Anregung des Beschwerdeführers auf Stellung eines diesbezüglichen Gesetzesprüfungsantrages zu entsprechen.

8. Insgesamt erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

9. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Juni 2014

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