VwGH 2011/13/0082

VwGH2011/13/008224.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der S AG in W, vertreten durch die CWS Causa Steuerberatungs GmbH in 1090 Wien, Türkenstraße 25/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 25. Mai 2011, Zl. RV/3860-W/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Festsetzung von Forschungsprämien gemäß § 108c EStG 1988), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §114;
BAO §85;
VwRallg;
BAO §114;
BAO §85;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft fand eine abgabenrechtliche Prüfung statt, als deren Folge einerseits mit Wiederaufnahmen verbundene Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2007 und andererseits Bescheide über die Festsetzung der Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 ergingen. Die Körperschaftsteuerbescheide trugen das Datum 1. Juli 2010, die Bescheide über die Festsetzung der Forschungsprämie waren mit 7. Juli 2010 datiert.

Mit Schriftsatz der nunmehrigen Beschwerdevertreter vom 5. August 2010, der mit "Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007, Rechtsmittelfristverlängerung" überschrieben war, teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, sie habe am 7. Juli 2010 die "Körperschaftsteuerbescheide" 2006 und 2007 und am 8. Juli 2010 den "Körperschaftsteuerbescheid" 2005 erhalten. Innerhalb offener Frist beantrage sie, "die Frist zur Einbringung des ordentlichen Rechtsmittels der Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 (datiert mit 1. Juli 2010) um zwei Monate bis zum 5. Oktober 2010 zu verlängern". Begründend wurde dargelegt, die "oben genannten Bescheide" seien im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens nach Abschluss einer Außenprüfung erlassen worden und es würde "gegen mehrere der getroffenen Prüfungsfeststellungen das ordentliche Rechtsmittel der Berufung" erhoben werden. Die hohe Komplexität der Sachverhalte, das weitere Beschaffen der nötigen Unterlagen sowie die Verarbeitung dieser Informationen begründeten den Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist.

"Weiters", so der letzte Abschnitt dieses Schreibens, beantrage die Beschwerdeführerin "die Aussetzung der Einhebung der folgenden Abgabennachforderungen bis zur Erledigung unseres Ansuchens:" Es folgte eine Liste von insgesamt sieben Beträgen, nämlich Körperschaftsteuer 2005, diesbezügliche Anspruchszinsen, Körperschaftsteuer 2006, diesbezügliche Anspruchszinsen sowie (Forderungen infolge niedriger festgesetzter) Forschungsprämie 2005, 2006 und 2007.

Mit Bescheid vom 24. September 2010 führte das Finanzamt (nur) den Aussetzungsantrag einer förmlichen Erledigung zu. Es wies den Antrag ab, weil (noch) keine Berufung eingebracht worden sei.

Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2010 erhob die Beschwerdeführerin die so überschriebene "Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005-2007", dem einleitenden Text nach gegen "die Körperschaftsteuerbescheide 2005-2007 vom 1. Juli 2010, eingelangt am 7. Juli 2010". Dem Hinweis, die Berufungsfrist sei "durch unsere Fristverlängerung vom 5. August 2010 bis zum 5. Oktober 2010 verlängert" worden, folgte eine nach Teilziffern des Prüfungsberichtes gegliederte Berufungsbegründung, deren einzelne Abschnitte auch die zu den einzelnen Themen jeweils gestellten Berufungsanträge enthielten. Nach vier jeweils nur die Körperschaftsteuerbescheide betreffenden Abschnitten wandten sich diese Ausführungen in einem fünften Abschnitt den geltend gemachten Forschungsfreibeträgen und in diesem Zusammenhang auch den beanspruchten Forschungsprämien zu. Dieser letzte Abschnitt des Schriftsatzes endete mit einem auf die Berechnung des "Forschungsbeitrages" (gemeint: Forschungsfreibetrages) für das Jahr 2005 bezogenen Antrag und den Anträgen, auch in die Bemessungsgrundlagen zur Berechnung der Forschungsprämie für das Jahr 2005 sowie für die Jahre 2006 und 2007 bislang nicht anerkannte Aufwendungen einzubeziehen.

Das Finanzamt wertete den Schriftsatz als Berufung auch gegen die Bescheide vom 7. Juli 2010 über die Festsetzung der Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 und wies die Berufung insoweit mit Bescheid vom 11. Oktober 2010 als verspätet zurück. In der Begründung wurde das vom Finanzamt angenommene Datum der Zustellung dieser Bescheide (14. Juli 2010) fälschlich als Tag des Ablaufs der Berufungsfrist angegeben.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2010 Berufung, worin sie geltend machte, das Fristverlängerungsansuchen vom 5. August 2010 habe sich auch auf die Bescheide vom 7. Juli 2010 bezogen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 21. Oktober 2010 erhob die Beschwerdeführerin auch Berufung gegen die Abweisung des Aussetzungsantrages. Dieser Berufung gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 29. Oktober 2010 statt, soweit die im Aussetzungsantrag angeführten Beträge als Rückstand ausgewiesen waren, was nur auf die (Forderungen betreffend) Forschungsprämien zum Großteil zutraf.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. November 2010 wies das Finanzamt die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 11. Oktober 2010 als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, der Fristverlängerungsantrag habe sich nur auf die Körperschaftsteuerbescheide bezogen, und stellte richtig, dass der 14. Juli 2010 der - unter Berücksichtigung eines fünftägigen Postlaufes - angenommene Tag der Zustellung der Bescheide vom 7. Juli 2010 gewesen sei. Die Berufungsfrist sei daher am 16. August 2010 (Montag) abgelaufen.

Mit Bescheid vom 9. November 2010 sprach das Finanzamt "infolge Berufungserledigung" den Ablauf der zuletzt bewilligten Aussetzung der Einhebung aus.

Die Beschwerdeführerin bekämpfte diesen Bescheid mit Berufung vom 26. November 2010 und beantragte mit zwei weiteren Schriftsätzen vom selben Tag die Vorlage der Berufungen vom 21. Oktober 2010 gegen den Zurückweisungsbescheid vom 11. Oktober 2010 und gegen die ursprüngliche Abweisung des Aussetzungsantrages, wozu sie gegenüber der Berufungsvorentscheidung vom 29. Oktober 2010 geltend machte, die Aussetzung sei nicht nur hinsichtlich der am Abgabenkonto offenen Beträge zu bewilligen. Ein Vorbringen darüber, wann ihr die Bescheide vom 7. Juli 2010 zugegangen seien, erstattete die Beschwerdeführerin weder in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid noch im Antrag auf Vorlage dieser Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen die teilweise Zurückweisung der Berufung vom 5. Oktober 2010 als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde ist in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass sich der Fristverlängerungsantrag vom 5. August 2010 "isoliert betrachtet" in eindeutiger und keiner weiteren Auslegung zugänglicher Weise nur auf die Körperschaftsteuerbescheide vom 1. Juli 2010 bezogen habe und der Zusammenhang mit dem im selben Schriftsatz enthaltenen Aussetzungsantrag nicht genüge, um dem Fristverlängerungsantrag einen in dieser Hinsicht unklaren Inhalt zu unterstellen. Der von der Beschwerdeführerin dagegen ins Treffen geführte Grundsatz von Treu und Glauben, die Möglichkeit, Forschungsprämien bis zur Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides geltend zu machen, und die zum Aussetzungsantrag ergangenen Erledigungen des Finanzamtes seien nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen.

Parteierklärungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerde Bezug genommen wird, nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. zuletzt etwa das einen Zurückweisungsbescheid aufhebende Erkenntnis vom 29. Juli 2014, 2011/13/0053). Es besteht aber keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl. insoweit das im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, 2001/14/0229, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 8. April 1992, 91/13/0123).

Die Verfahrenssituation, vor deren Hintergrund der Schriftsatz vom 5. August 2010 auszulegen war, unterschied sich von der im Fall des hg. Erkenntnisses vom 29. Juli 2014, 2011/13/0053, zu beurteilenden. Der fachkundig vertretenen Beschwerdeführerin waren am 7. und (nach dem Vorbringen im Fristverlängerungsantrag) 8. Juli 2010 drei mit 1. Juli 2010 datierte Körperschaftsteuerbescheide und zu einem späteren Zeitpunkt (vom Finanzamt mit 14. Juli 2010 angenommen, in der Beschwerde erstmals mit 9. Juli 2010 angegeben) drei mit 7. Juli 2010 datierte Bescheide über die Festsetzung von Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 zugestellt worden. Der von ihren Vertretern eingebrachte Schriftsatz bezog sich, soweit es darin um die Fristverlängerung ging, eindeutig und ausschließlich auf Bescheide, die in dreifacher Weise - mit Bescheiddatum, Zustelldatum und wiederholt angeführtem Betreff - so bezeichnet waren, dass damit nur die Körperschaftsteuerbescheide und nicht auch die Bescheide vom 7. Juli 2010 über die Festsetzung der Prämie gemeint sein konnten.

Wenn im zweiten Teil der Eingabe unter den Beträgen, deren Einhebung ausgesetzt werden sollte, auch die (Forderungen betreffend) Prämien aufschienen, so mag dies darauf hingedeutet haben, dass die Einbringung eines Verlängerungsantrages in Bezug auf die Bescheide vom 7. Juli 2010 nur aus Versehen unterblieben war. Zu Zweifeln am Inhalt des tatsächlich eingebrachten Antrages gab dies aber nicht Anlass. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn dem Finanzamt, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, bekannt gewesen wäre, dass ihre Vertreter im Zuge der Außenprüfung eine Bekämpfung der die Prämien betreffenden Feststellungen angekündigt hatten.

Dagegen lässt sich - entgegen dem in der Beschwerde vertretenen Standpunkt - nicht ins Treffen führen, dass das Finanzamt die spätere Berufung auch auf die Bescheide vom 7. Juli 2010 bezog. Die Beschwerde sieht darin und in der gegenteiligen Auslegung des Verlängerungsantrages "vollkommen widersprüchliche Erledigungen" des Finanzamtes, deren Hintergründe "allenfalls in einem sich an diese Beschwerde anschließenden Amtshaftungsverfahren zu klären" sein würden, und stützt sich dabei auf den Umstand, dass auch die Berufung vom 5. Oktober 2010 dem Betreff und den einleitenden Formulierungen nach nur gegen die "Körperschaftsteuerbescheide" vom "1. Juli 2010" gerichtet war. Verkannt wird dabei, dass der so eingeleitete Schriftsatz auf dem Weg über den Forschungsfreibetrag schließlich in Anträge mündete, mit denen der Sache nach eine Änderung der Bescheide vom 7. Juli 2010 begehrt wurde. Damit lag trotz der abermals fehlenden Bezugnahme auf die Bescheide vom 7. Juli 2010 in der Einleitung des Schriftsatzes und in seinem Betreff ein Kernelement einer Berufung gegen diese Bescheide vor, worauf das Finanzamt zutreffend Bedacht nahm. Mit dem rechtlich unschlüssigen Aussetzungsantrag vom 5. August 2010, der in Wahrheit nicht vorliegende Berufungen vorausgesetzt hätte und zu dem es in Bezug auf die Prämien auch an einem Verlängerungsantrag fehlte, ist das nicht vergleichbar.

Die Beschwerdeführerin macht auch geltend, der in § 85 Abs. 2 BAO normierte Rechtsbegriff "Mängel von Eingaben" sei unbestimmt, weshalb der Grundsatz von Treu und Glauben zur Anwendung komme. Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben versteht man, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2012, 2008/15/0265, m.w.N.). Auch die Beschwerde definiert den Grundsatz so, führt daran anschließend aber fallbezogen aus, das Finanzamt habe aus den vorangegangenen Besprechungen wissen und auch am Aussetzungsantrag erkennen müssen, dass die Beschwerdeführerin eine auf die Prämien bezogene Berufung "beabsichtigte" und "der Wille zur Einbringung" einer solchen Berufung "vorhanden" gewesen sei. Dieses Argument steht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in der zuvor erläuterten Bedeutung in keinem Zusammenhang. Es zielt auf ein Verständnis in dem bei Stoll, BAO-Kommentar, 851, dargelegten Sinn, wonach es nicht zulässig sei, missverständlich formulierte Anbringen in einer der erklärten Absicht widrigen Weise auszulegen, und ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Für das Finanzamt erkennbar gewesen wäre im vorliegenden Fall nur die - eindeutige - Unterlassung einer nach den Plänen der Partei erforderlichen fristwahrenden Handlung, nämlich eines auf die Bescheide vom 7. Juli 2010 bezogenen Verlängerungsantrages. Angesichts der hier fehlenden Möglichkeit, einer zunächst unklaren oder missverständlichen Erklärung im Nachhinein die fristwahrende Bedeutung beizumessen, hätten weitere Schritte zur Erforschung des Parteiwillens daher zu keinem anderen Ergebnis führen können (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2012, 2012/15/0071).

Die weiteren Entscheidungen des Finanzamtes im Verfahren über den Aussetzungsantrag und das Argument, Forschungsprämien könnten bis zum Eintritt der Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides geltend gemacht werden, was weit zu interpretieren sei, sind für die richtige Auslegung des Antrages auf Fristverlängerung und für die davon abhängige Prüfung der teilweisen Zurückweisung der Berufung, wie schon im angefochtenen Bescheid dargelegt, nicht von Bedeutung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 24. September 2014

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