VwGH 2001/14/0229

VwGH2001/14/022928.1.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des HE in P, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 2. November 2001, RV 1515/1-10/2001, betreffend Aussetzung der Einhebung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13;
AVG §37;
BAO §115;
BAO §250 Abs1;
BAO §85;
VwRallg;
AVG §13;
AVG §37;
BAO §115;
BAO §250 Abs1;
BAO §85;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 23. März 2001 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1998 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er beantragte hinsichtlich der genannten Abgaben (Gesamtbetrag: 155.607 S) auch die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO.

Mit Bescheid vom 3. April 2001 bewilligte das Finanzamt die Aussetzung der Einhebung.

Der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide wurde mit Berufungsentscheidung vom 28. Juni 2001 teilweise Folge gegeben (Herabsetzung auf den Gesamtbetrag von 88.097 S).

Unter Hinweis auf die Berufungserledigung sprach das Finanzamt mit Bescheid vom 10. Juli 2001 aus, dass die Aussetzung der Einhebung ablaufe.

In der Eingabe vom 16. August 2001, beim Finanzamt eingereicht am 17. August 2001, führte der Beschwerdeführer aus:

"Betreff: Steuernummer ... (Bescheid, über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung von Einkommensteuer für die Jahre von 1993 bis 1998 über ÖS. 88.097 vom 10. 07. 2001)

Antrag auf Brufung gemäß § 254 !!

Betreff: Aussetzungsantrag, bezüglich Einhebung der Einkommensteuer von ÖS. 88097,- nachstehend wie folgt:

...

Begründung: 1.) Beim Landesgericht ... bzw.

Staatsanwaltschaft ... gibt es noch keine Anklageschrift, 'Bitte'

2.) Es wurde eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof

Wien, durch unseren Rechtsanwalt .... gemacht!!

Hohes AMT ersuche höflichst um Bewilligung meines -

'Aussetzungsantrag'

Hochachtungsvoll"

Mit Vorhalt vom 23. August 2001 betreffend "Berufung gegen Bescheid über den Ablauf der Aussetzung vom 10.7.2001" hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid über den Ablauf der Aussetzung am 10. Juli 2001 ergangen sei, sodass von einer Zustellung am 13. Juli 2001 auszugehen sei. Die am 17. August 2001 eingebrachte Berufung wäre daher als verspätet zurückzuweisen.

Mit Eingabe vom 8. September 2001 betreffend "Ersuchen um Ergänzung vom 28.8.2001 (Berufung gegen den Bescheid über den Ablauf der Aussetzung vom 10.7.2001)" brachte der Beschwerdeführer vor, der Bescheid sei erst am 17. August (gemeint wohl: Juli) 2001 zugestellt worden. "Daher war meine Berufung Termin mäßig mit Datum 17.8.2001 rechtzeitig eingebracht bei Ihrem Amte!!"

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Abgabenschulden dürften nur insoweit ausgesetzt werden, als sie tatsächlich berufungsverfangen seien. Die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO sei nur für die Dauer des ordentlichen abgabenrechtlichen Berufungsverfahrens zulässig. Trotz Anhängigkeit eines gerichtlichen Strafverfahrens und "behauptetermaßen" eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens habe das Finanzamt der Vorschrift des § 212a Abs 5 BAO entsprochen, indem es anlässlich des Ergehens der Berufungsentscheidung den Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt habe.

Die Eingabe vom 16. August 2001 wurde vom Finanzamt auch (zusätzlich) als neuerlicher Aussetzungsantrag nach § 212a BAO gewertet. Mit Bescheid vom 16. November 2001 wies es den Aussetzungsantrag mit der Begründung ab, dass die dem Antrag zugrunde liegende Berufung bereits erledigt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, seine Eingabe vom 16. August 2001 sei nicht als Berufung zu werten gewesen, sondern als Stundungsansuchen. Die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob die Eingabe im Sinne einer wörtlichen Interpretation als Aussetzungsantrag oder als Berufung gegen die bescheidmäßige Verfügung des Ablaufes der Aussetzung oder als Stundungsansuchen iSd § 212 BAO zu verstehen sei. Damit habe die belangte Behörde auch gegen die Manuduktionspflicht verstoßen. Die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer darauf hinweisen müssen, dass ein neuerlicher Aussetzungsantrag im Hinblick auf die Erledigung der zugrundeliegenden Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide nicht, ein Stundungsansuchen aber sehr wohl "möglich" gewesen wäre. Hätte die belangte Behörde die Eingabe aufgrund einer Rückfrage beim Beschwerdeführer als Stundungsansuchen gewertet, hätte sie die Stundung bewilligen müssen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Für die Beurteilung von Parteianträgen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Das Verfahrensrecht ist vom Grundsatz beherrscht, dass es in der Interpretation von Parteienerklärungen auf das Erklärte ankommt und nicht auf die der Erklärung zugrundeliegenden Motive. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl das hg Erkenntnis vom 5. Juli 1999, 99/16/0115). Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen (vgl das hg Erkenntnis vom 29. März 2001, 2000/14/0014). Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Allerdings kann auch bei rechtsschutzfreundlicher Interpretation von Parteienerklärungen nicht Befugnis oder Pflicht der Behörde abgeleitet werden, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nichterstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl das hg Erkenntnis vom 8. April 1992, 91/13/0123).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. In der Eingabe vom 16. August 2001 wird unter "Betreff" der Bescheid, mit dem das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung verfügt hat, genannt und sodann das Wort "Brufung" angeführt. Weiters wird die Bewilligung der Aussetzung begehrt. Solcherart konnte die belangte Behörde die Eingabe ihrem objektiven Erklärungswert entsprechend unbedenklich als Berufung beurteilen. Dementsprechend hat das Finanzamt hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit der von ihm als Berufung beurteilten Eingabe ein Vorhalteverfahren durchgeführt. In der Vorhaltsbeantwortung vom 8. September 2001 hat der Beschwerdeführer seine Eingabe vom 16. August 2001 ausdrücklich als Berufung gegen den Aussetzungsbescheid bezeichnet und darauf verwiesen, dass die Eingabe innerhalb der Berufungsfrist und somit rechtzeitig eingebracht worden sei.

Dem objektiven Erklärungsinhalt der Eingabe vom 16. August 2001 ist in keiner Weise zu entnehmen, dass mit dieser Eingabe ein Antrag auf Stundung iSd § 212 BAO gestellt werden sollte. Dem objektiven Erklärungsinhalt kann allenfalls - zusätzlich zur Berufung - ein neuerlicher Erstantrag auf Aussetzung der Einhebung entnommen werden, was - darauf sei ergänzend verwiesen - der Vorgangsweise des Finanzamtes entspricht, welches über diesen Aussetzungsantrag mit Bescheid vom 16. November 2001 entschieden hat.

Dem Beschwerdevorbringen betreffend die Verletzung der Manuduktionspflicht ist zu entgegnen, dass die Abgabenbehörden den Parteien die zur Vornahme der Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen gemäß § 113 BAO - der vom Beschwerdeführer zitierte § 13a AVG ist im Anwendungsbereich der BAO nicht einschlägig - nur auf Verlangen der jeweiligen Partei zu erteilen haben (vgl das hg Erkenntnis vom 26. November 1998, 96/16/0205). Zudem ist es der Abgabenbehörde auch im Rahmen solcher Anleitungen verwehrt, tatsächlich nicht erstattete Parteienerklärungen als erstattet zu fingieren.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 501/2001.

Wien, am 28. Jänner 2003

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