VwGH 2012/05/0147

VwGH2012/05/014710.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des FB in M, vertreten durch Dr. Andreas Reischl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Dr. Franz-Rehrl-Platz 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Juni 2012, Zl. IKD(BauR)-013968/12-2012- Sg/Wm, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §28;
BauO OÖ 1994 §29;
BauO OÖ 1994 §32;
BauO OÖ 1994 §38 Abs1;
BauO OÖ 1994 §38 Abs2;
BauO OÖ 1994 §49 Abs1;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §5 Z1;
BauTG OÖ 1994 §6 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 1984 wurde den Rechtsvorgängern des Beschwerdeführers die Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses auf einem näher genannten Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde erteilt.

Mit am 4. Oktober 2000 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangtem Ansuchen beantragte der Beschwerdeführer die Baubewilligung für ein Zweifamilienhaus und eine Garage auf demselben Grundstück. In der daraufhin stattgefundenen Verhandlung am 13. November 2000 wurde festgehalten, dass der Bau des Wohngebäudes auf Grund der Bewilligung vom 16. November 1984 zwar begonnen, jedoch nicht fertiggestellt worden sei, sodass diese Baubewilligung abgelaufen sei. Es sei lediglich der Rohbau "soweit ersichtlich genehmigungsgemäß hergestellt" worden. Nunmehr solle für das im Rohbau hergestellte Wohngebäude eine neuerliche baubehördliche Bewilligung erteilt werden. Gegenüber dem ursprünglichen Projekt ergäben sich Änderungen betreffend ein Garagengebäude.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. November 2000 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Mai 2007 wurde die Ausführung des Bauvorhabens untersagt (Spruchpunkt I) und dem Beschwerdeführer aufgetragen, innerhalb einer Frist von 12 Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides eine baubehördliche Bewilligung für die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf der Frist zur Beantragung der Baubewilligung zu beseitigen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen (Spruchpunkt II). Als Rechtsgrundlage wurden §§ 49 iVm 38 Abs. 2 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (BO) genannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit der Realisierung des Bauvorhabens sei zur Zeit der Erteilung der Baubewilligung vom 13. November 2000 (rechtskräftig mit 30. November 2000) bereits begonnen gewesen. Die Baubewilligung sei daher fünf Jahre nach ihrer Erteilung am 30. November 2005 ex lege abgelaufen. Derzeit liege der baulichen Anlage keine Baubewilligung zugrunde.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2007 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Bauvorhaben nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Bauausführung fertiggestellt worden sei.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung als Vorstellungsbehörde vom 15. April 2008 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

Mit hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0127, wurde der Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. April 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, von einer Bauvollendung könne nicht erst dann gesprochen werden, wenn das Bauvorhaben schlüsselfertig hergestellt sei. Das Ergebnis, dass eine Baubewilligung auch dann erlöschen könnte, wenn im Zeitpunkt des Ablaufes der Frist nur noch geringfügige Restarbeiten nicht durchgeführt seien, wäre sinnwidrig. Es seien daher Feststellungen über die tatsächlich durchgeführten Baumaßnahmen, die am Vorhaben fünf Jahre nach Beginn seiner Ausführung getroffen worden seien, erforderlich. Dabei wäre auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass das Bauvorhaben bereits im Jahr 2003 vollendet gewesen sei, einzugehen gewesen.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. August 2009 wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2007 Folge gegeben, dieser Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Oktober 2010 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Mai 2007 neuerlich als unbegründet abgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt Ende November 2005 hätten jedenfalls der Innenverputz und der Estrich gefehlt, das Gebäude habe sich im Inneren vollständig im Rohzustand befunden. Es könne nicht davon gesprochen werden, dass nur noch geringfügige Restarbeiten durchzuführen gewesen seien. Das Gebäude sei daher nicht vollendet gewesen. Der Beschwerdeführer habe allerdings mit Ansuchen vom 6. Februar 2008 für das Projekt neuerlich um Erteilung einer Baubewilligung angesucht, und diese Bewilligung sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. März 2008 rechtskräftig erteilt worden. Der Baukörper sei entgegen der mit Bescheid vom 13. November 2000 erteilten Baubewilligung abweichend am Bauplatz situiert, sodass die gesetzlich normierten Nachbarabstände nicht mehr gegeben seien. Der bestehende Balkon weise zur Nachbargrundgrenze lediglich einen Abstand von 1,3 m auf, und auch das südöstliche Gebäudeeck liege innerhalb eines Abstandes von 3 m zur Nachbargrundgrenze. Die Baubehörde habe die abweichende Lage des Baukörpers durch den Ingenieurkonsulenten Dipl. Ing. F am 11. August 2006 befunden lassen. Der Balkon des mit Bescheid vom 3. März 2008 bewilligten Bauwerkes müsse gegenüber dem auf Grund der Baubewilligung vom 13. November 2000 ausgeführten Bestand zurückgebaut werden, um die gesetzlich normierten Abstände zur Nachbargrundgrenze von 2 m einhalten zu können. Überdies sei das südöstliche Gebäudeeck so zu kürzen, dass ein Abstand von 3 m zur Nachbargrundgrenze eingehalten werde. Das errichtete Gebäude decke sich hinsichtlich seiner Lage nicht mit der seinerzeit erteilten Baubewilligung. Dies habe zur Folge, dass überhaupt von einem konsenslosen Bau auszugehen sei. Daher sei ein baupolizeiliches Auftragsverfahren einzuleiten gewesen.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Jänner 2011 wurde der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Oktober 2010 auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, unbestritten sei das mit der Baubewilligung im Jahr 1984 bewilligte Bauvorhaben nicht innerhalb der Baubeginns- bzw. Bauvollendungsfrist umgesetzt worden, wodurch die Baubewilligung aus dem Jahr 1984 im Jahr 2000 erloschen gewesen sei. Die Baubewilligung aus dem Jahr 2008 habe bei der gegenständlichen Entscheidung im Hinblick auf die dafür maßgebliche Sachlage außer Betracht zu bleiben. Abgesehen davon sei mit der Baubewilligung vom 3. März 2008 offenbar nicht der in der Natur gegebene Bestand konsentiert worden, sondern wiederum nur ein im Bauplan dargestelltes Projekt mit den gesetzlich gebotenen Abständen zu den Nachbargrundstücken, die jedoch in der Natur tatsächlich offenbar nicht vorhanden seien. Es gebe daher Zweifel an der bewilligungsgemäßen Ausführung betreffend die Lage des Hauptgebäudes. Maßgeblich sei ausschließlich, ob die Baubewilligungen aus den Jahren 1984 und 2000 rechtzeitig projektgemäß konsumiert worden seien. Hinsichtlich der Einhaltung der Bauvollendungsfrist sei für die Baubehörden nichts gewonnen, wenn sie auf den Ende November 2005 noch fehlenden Innenverputz, Estrich und sonstige fehlende Innenausbau- und Außenverputzarbeiten verwiesen. Eine Bauausführung sei nämlich dann als vollendet anzusehen, wenn das Gebäude nach außen abgeschlossen sei und alle bauplanmäßigen konstruktiven Merkmale verwirklicht worden seien. Somit bleibe vor allem fraglich, ob das in der Natur vorhandene Bauwerk wesentlich von dem der Baubewilligung aus dem Jahr 2000 zugrunde liegenden Projekt abweiche und ein möglicherweise konsensloses aliud sei.

Bei Herstellung eines aliuds wäre nicht mit der Verwirklichung des bewilligten Vorhabens begonnen und folglich die Baubeginnsfrist nicht eingehalten worden. Dies wiederum würde den Lauf der fünfjährigen Bauvollendungsfrist bzw. die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 BO überhaupt hindern. Für jedes Verrücken des Vorhabens müsse eine neuerliche Bewilligung erwirkt werden. Zwar seien nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Einzelfälle denkbar, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines aliuds auszugehen sei. Dies könne jedoch bei einer Verringerung des Bauwichs von 3 m um 18 cm nicht mehr gesagt werden. Wiese allerdings das Hauptgebäude mit seinen Außenmauern eine bewilligungskonforme Lage auf und wäre bloß der Balkon breiter ausgeführt und näher an die Grundgrenze herangeführt worden, so würde es sich dabei nicht um ein konsensloses aliud des Gesamtbauwerkes, sondern, wenn überhaupt, um eine konsenslose anzeigepflichtige Planabweichung handeln. In dem der Baubewilligung vom 13. November 2000 zugrunde liegenden Bauplan seien bei den ausschließlich rechtwinkelig gestalteten Gebäudeecken durchwegs die gesetzlich gebotenen Mindestabstände zu den Grundgrenzen im Lageplan vorgesehen. Insbesondere seien das östliche (nicht abgeschrägte, sondern rechtwinkelige) Eck 3 m von der östlichen Grundgrenze und der südwestliche Balkon 2 m von der südlichen bzw. westlichen Grundgrenze entfernt dargestellt. Laut Vermessungsplan aus dem Jahr 2006 sei jedoch der Balkon messtechnisch deutlich weniger als 2 m von der südlichen Grundgrenze und das Hauptgebäude im Bereich des östlichen Eckes messtechnisch im Grenzbereich des Bauwichs und demnach nur ungefähr 3 m von der östlichen Grundgrenze entfernt positioniert. Bemaßungen dieser Abstände und konkrete Messergebnisse lägen nicht vor. Damit könnten auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht alle rechtlich maßgeblichen Tatsachen hinreichend festgestellt werden, um beurteilen zu können, ob lagebedingt überhaupt innerhalb der dreijährigen Frist mit der Bauausführung des (hier maßgeblichen) im Jahr 2000 bewilligten Vorhabens begonnen worden sei.

In der Folge erging der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Dezember 2011, mit dem die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Mai 2007 neuerlich als unbegründet abgewiesen wurde.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, ein im Auftrag der mitbeteiligten Gemeinde von Dipl. Ing. B am 3. November 2011 erstelltes Gutachten habe im Wesentlichen ergeben, dass das östliche Gebäudeeck zur östlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2,89 m einhalte. Auf Grund dieses Gutachtens sei der Bescheid des Gemeindesrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Dezember 2011 ergangen. Bei der Unterschreitung des Mindestabstandes zur Grundgrenze im Bereich des östlichen Hauseckes, auch wenn diese nur 11 cm betrage, handle es sich um eine wesentliche Änderung, die nicht mehr als Planabweichung, sondern als Herstellung eines aliuds bezeichnet werden müsse und somit die Konsenslosigkeit des derart errichteten Gebäudes nach sich ziehe, die nur durch eine neue, den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Baubewilligung behoben werden könnte. Aus welchen Gründen es zu einer Unterschreitung des Mindestabstandes gekommen sei, sei nicht von Relevanz. Das Baubewilligungsverfahren sei ein Projektbewilligungsverfahren. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass der Rohbau in der bestehenden Art bereits bei der Bauverhandlung vom 13. November 2000 vorhanden gewesen und somit mitbewilligt worden sei, gehe daher ins Leere. Abgesehen davon seien die gegebenen Abweichungen für den Sachverständigen bei der Verhandlung am 13. November 2000 nicht ohne vermessungstechnisches Gutachten zu erkennen gewesen. Der Verweis des Beschwerdeführers auf § 6 Abs. 2 Z. 1 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes (BauTG) sei nicht zielführend, da sich diese Bestimmung ausdrücklich nur auf bestehende Anlagen beziehe, bei denen eine nachträgliche Wärme- oder Schalldämmung vorgenommen werden könne, auch wenn dabei die in § 5 BauTG vorgesehenen Mindestabstände unterschritten werden sollten. Da das gegenständliche Gebäude bereits im Zeitpunkt seiner Errichtung den gesetzlichen Mindestabstand unterschritten habe, könne § 6 Abs. 2 BauTG nicht herangezogen werden. Zur geltend gemachten Verpflichtung der Gemeinde, auf die nicht bewilligungsgemäße Lage hinzuweisen und die Baubewilligung zu versagen, sei zu bemerken, dass diese Frage nicht Thema des Vorstellungsverfahrens sei, da hier nur zu prüfen sei, ob das Gebäude der am 13. November 2000 erteilten rechtskräftigen Baubewilligung entspreche. Da bereits die Unterschreitung des Mindestabstandes zur östlichen Grundgrenze eine wesentliche, ein aliud begründende Abweichung darstelle, könne auf eine Beurteilung anderer Abweichungen verzichtet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird auf die Verhandlungsschrift vom 13. November 2000 hingewiesen, wo im Befund ausgeführt worden sei, es sei lediglich der "Rohbau soweit ersichtlich genehmigungsgemäß hergestellt" worden. Im Jahr 1984 sei für das Bauvorhaben die Verwendung von Ziegeln mit einer Stärke von 38 cm vorgesehen worden. Tatsächlich seien in weiterer Folge Ziegel von 45 cm verwendet worden. Die beauftragte Baufirma habe im Zuge der Bauausführung die Ziegel offenbar nicht um die Differenz zwischen diesen beiden Stärken weiter nach innen versetzt. Im Rahmen der Erteilung der Baubewilligung im Jahr 2000 habe der Beschwerdeführer auch einen Energieausweis vorlegen müssen. Wären bei der Errichtung des Wohngebäudes (1984 bis 1987) Ziegel mit einer Stärke von 38 cm verwendet worden, wären die energietechnischen Vorgaben nicht erfüllt worden. Das Gebäude sei, ungeachtet der Differenzen, wie das im Ermittlungsverfahren nunmehr eingeholte vermessungstechnische Sachverständigengutachten ergeben habe, nicht verrückt worden. Der mit Bescheid vom 13. November 2000 erteilten rechtskräftigen Baubewilligung sei die Bauverhandlung vom selben Tage zugrunde gelegen. Bei der Bauverhandlung sei das Gebäude bereits als Rohbau vorhanden gewesen. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens klar zum Ausdruck gebracht, dass er das bestehende Gebäude fertigstellen wolle. Im Jahr 2000 seien vom Planverfasser auch einfach die der Baubewilligung aus 1984 zugrunde liegenden Pläne übernommen worden. Dies sei der mitbeteiligten Gemeinde auch vollkommen klar gewesen, dies zeige auch der Befund der Verhandlungsschrift vom 13. November 2000. Aber auch wenn man davon ausgehe, dass das Bauwerk im Vergleich zur Baubewilligung verschoben worden sei, so sei diese Verschiebung geringfügig. Bei einer geringfügigen Verschiebung sei nicht vom Vorliegen eines rechtlichen aliuds auszugehen. Es liege im gegenständlichen Maßpunkt lediglich eine Verringerung des Bauwichs von 3 m um 11 cm vor, somit deutlich weniger als 18 cm nach dem hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0743. Gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 BauTG könnten die Mindestabstände zu den seitlichen und zu den inneren (hinteren) Nachbargrundgrenzen mit Außenwandverputz, Außenwandverkleidungen sowie Wärme- und Schalldämmung nach technischer Notwendigkeit zur Sanierung der Außenwände bei bestehenden baulichen Anlagen unterschritten werden, dies trotz subjektiv-öffentlicher Rechte der Nachbarn. Im gegenständlichen Fall sei die Verringerung des Nachbarabstandes auf die Verwendung stärkerer Ziegel zurückzuführen. Wären bei der Errichtung des Hauses Ziegel mit einer Stärke von 38 cm verwendet worden, hätte der Beschwerdeführer zur Erfüllung der wärmetechnischen Vorgaben eine Wärmedämmung an der Außenmauer anbringen müssen und gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 BauTG auch dürfen. Dadurch wäre der Nachbarabstand ebenfalls unterschritten worden, zumal Dämmstärken von bis zu 20 cm nach Fachmeinung für einen ökologischen sinnvollen und wirtschaftlich vertretbaren Wärmeschutz Stand der Technik seien. Denke man die Ansicht der belangten Behörde weiter, müsste das östliche Gebäudeeck abgeschrägt werden und in weiterer Folge, um die energietechnischen Vorgaben der Baubewilligung aus dem Jahr 2000 einhalten zu können, ein Wärmeschutz angebracht werden, mit dem dann der Grenzabstand neuerlich unterschritten würde. Dies könne nicht das Auslegungsergebnis sein. Schließlich sei es auf das Verhalten der belangten Behörde zurückzuführen, dass das gegenständliche Gebäude so ausgeführt worden sei, wie es nunmehr stehe. Der Bausachverständige Ing. A habe in seinem Befund am 13. November 2000 ausgeführt, dass lediglich der Rohbau, soweit ersichtlich, genehmigungsgemäß hergestellt sei. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Baubewilligung vom 4. Oktober 2000 habe somit auch den bestehenden Rohbau umfasst, und die Behörde wäre verpflichtet gewesen, diesen auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, somit auch auf die Nachbarabstände, zu überprüfen. Gehe man davon aus, dass tatsächlich ein aliud vorliege, hätte die Baubehörde die mit Bescheid vom 13. November 2000 rechtskräftig gewordene Baubewilligung nicht erteilen dürfen. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer im Zuge der eingehenden Erörterung und Überprüfung darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass die Nachbarabstände nicht eingehalten seien. Die Baubehörde habe auch den in Natur bereits vorhandenen und nach dem Plan so eingezeichneten Balkon rechtskräftig bewilligt (wird näher ausgeführt). Es gehe auch die Ansicht der belangten Behörde, dass die Abweichungen für den Sachverständigen nicht ohne vermessungstechnisches Gutachten zu erkennen gewesen seien, ins Leere. Hätte die Baubehörde entsprechend ihren Verpflichtungen das Bauvorhaben überprüft und den Beschwerdeführer informiert und zur Verbesserung angeleitet, hätte dieser schon damals den Balkon sowie das östliche Gebäudeeck zurückbauen können, und zwar noch vor Auftragung des Außenputzes im Jahr 2003 und Fertigstellung der Balkonbodenplatte. Der Beschwerdeführer habe diese Arbeiten im Vertrauen auf die Richtigkeit der rechtskräftigen Baubewilligung in Auftrag gegeben, er habe erstmals mit Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. November 2006 Kenntnis von einer Unterschreitung der vorgegebenen Abstandsbestimmungen erhalten. Sollte der Beschwerdeführer den Bestand nunmehr tatsächlich zurückbauen müssen, wären die Kosten dazu auf Grund der zwischenzeitig (zwischen 2000 und 2003) durchgeführten Arbeiten naturgemäß vergleichsweise teuer. Diesen Schaden hätte die mitbeteiligte Gemeinde zu verantworten.

Die Baubewilligung erlischt gemäß § 38 Abs. 1 BO mit Ablauf von drei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides, wenn nicht innerhalb dieser dreijährigen Frist mit der Bauausführung begonnen wurde.

Wird mit der Bauausführung innerhalb der dreijährigen Frist begonnen, erlischt die Baubewilligung gemäß § 38 Abs. 2 BO, wenn das Bauvorhaben nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Bauausführung fertiggestellt wurde.

Stellt die Baubehörde fest, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie gemäß § 49 Abs. 1 BO dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen.

Gemäß § 5 Z. 1 BauTG ist bei Neu- und Zubauten zu den seitlichen und inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 BauTG können die Mindestabstände zu den seitlichen und inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen unterschritten werden mit Außenwandverputz, Außenwandverkleidungen sowie Wärme- und Schalldämmungen nach technischer Notwendigkeit zur Sanierung der Außenwände bei bestehenden baulichen Anlagen.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung ausschließlich damit begründet, dass das östliche Gebäudeeck um 11 cm in den Nachbarabstand rage. Es erübrigt sich daher, auf andere Aspekte, wie insbesondere jene, die den Balkon betreffen, näher einzugehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0072, zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 ausgeführt hat, sind zwar Einzelfälle denkbar, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines aliuds auszugehen sei. Es sei aber im Beschwerdefall zu beachten, dass es nicht allein auf eine Verschiebung der Lage des Gebäudes um einige Zentimeter ankomme, sondern dass gerade durch diese Abweichung vom genehmigten Plan eine Unterschreitung der Mindestabstände eingetreten sei. Die Nichteinhaltung der Abstandsvorschriften sei jedenfalls als wesentliche Änderung anzusehen (im konkreten Fall ging es um eine Unterschreitung um 8 cm bzw. 13 cm).

Im hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0743, ebenfalls ergangen zur hier vergleichbaren Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, hat der Verwaltungsgerichtshof erneut darauf hingewiesen, dass zwar Einzelfälle denkbar sind, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines aliuds auszugehen sei. Dies könne jedoch bei einer Verringerung des Bauwichs von 3 m um 18 cm nicht mehr gesagt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters darauf hingewiesen, dass die Regelung, wonach unabhängig von den Bestimmungen über den Bauwich Wärmeschutzverkleidungen bis 10 cm an vor dem 1. Jänner 1997 baubehördlich bewilligten Gebäuden angebracht werden dürften, nicht zur Anwendung komme, weil auf Grund der bestehenden Lageveränderung des Gebäudes eine neue Baubewilligung erforderlich gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer stellt das Gutachten des vermessungstechnischen Sachverständigen, wonach eine Unterschreitung des Mindestabstandes zur Nachbargrundgrenze um 11 cm vorliege, nicht in Frage. Somit kann aber der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass diese Verschiebung jedenfalls zur Folge hat, dass ein anderes als das bewilligte Gebäude hergestellt wurde, wobei es angesichts der Unterschreitung eines Nachbarabstandes auch nicht auf das konkrete Ausmaß ankommt (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001).

Soweit der Beschwerdeführer auf die Verhandlung vom 13. November 2000 verweist, hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren und Gegenstand dieses Verfahrens somit lediglich die Beurteilung des in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellten Projektes ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/05/0030, mwN), weshalb es weder darauf ankommt, wie das Gebäude zum Zeitpunkt der Bauverhandlung tatsächlich errichtet war, noch darauf, wie der tatsächlich vorhandene Bestand durch einen Sachverständigen bei dieser Verhandlung beurteilt worden ist.

Wie sich im Übrigen aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Z. 1 BauTG ergibt, setzt die Anwendung dieser Bestimmung ein bestehendes Gebäude voraus. Als bestehendes Gebäude im Sinne dieser Bestimmung kann aber nur ein rechtmäßig bestehendes Gebäude angesehen werden. Der Beschwerdeführer kann die genannte Bestimmung daher nicht für sich ins Treffen führen (vgl. dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003).

Die Ursache für die erfolgte Überschreitung ist irrelevant. Die Begründung dafür in der Beschwerde unter Verweis auf die Verwendung anderer Ziegel vermag der Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Am Ergebnis des gegenständlichen Verfahrens vermag es auch nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer bei rechtzeitigem Hinweis auf die Abweichungen den rechtmäßigen Zustand bereits früher hergestellt bzw. Baufertigstellungsmaßnahmen unterlassen hätte. Die Relevanz der diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmängel für das gegenständliche Verfahren ist somit nicht gegeben.

Bemerkt wird, dass der Beschwerdeführer den Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der Baubewilligung aus dem Jahr 2008 nicht entgegentritt und dass sich die Beschwerde inhaltlich auch nicht weitergehend gegen die mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Juli 2007 erfolgte Baueinstellung richtet.

Zu bemerken ist ferner, dass die Rechtsauffassung der belangten Behörde zutrifft, dass dann, wenn ein aliud errichtet wird, die Maßnahmen zu dessen Errichtung die Baubeginnsfrist und somit auch die Bauvollendungsfrist nicht wahren können (vgl. das zur vergleichbaren Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2012, Zl. 2011/05/0073). Es ist daher auch nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass für das gesamte Gebäude die erforderliche Baubewilligung fehlt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. Dezember 2013

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