VwGH 2012/07/0107

VwGH2012/07/010726.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, in der Beschwerdesache des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007, Zl. FA13A-32.00 M 27-07/88, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art131 Abs1 Z2;
B-VG Art131 Abs2;
NatSchG Krnt 2002 §54 Abs2;
NatSchG Krnt 2002 §61 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §116 idF 1999/I/155;
B-VG Art131 Abs1 Z2;
B-VG Art131 Abs2;
NatSchG Krnt 2002 §54 Abs2;
NatSchG Krnt 2002 §61 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §116 idF 1999/I/155;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007 wurde Ing. PM. und DI AL. die wasserrechtliche Bewilligung für das Projekt "Kraftwerk S, Ausbaustufe Teil A" befristet bis zum 31. Dezember 2066 erteilt.

Auf Grund einer Berufung des Landeshauptmannes von Steiermark als wasserwirtschaftliches Planungsorgan wurde mit Spruchpunkt I. des Bescheides des Beschwerdeführers vom 30. November 2009 der Antrag von Ing. PM. und DI AL. auf wasserrechtliche Bewilligung für das Projekt "Kraftwerk S, Ausbaustufe Teil A" abgewiesen.

Begründend führte der Beschwerdeführer in diesem Bescheid im Wesentlichen aus, dass die Prüfung der Voraussetzungen, auf Grund derer ein Durchbrechen des Verschlechterungsverbots gemäß § 104a Abs. 2 Z. 1 bis Z. 3 WRG 1959 zulässig sei, ergeben habe, dass im Hinblick auf das vorliegende Projekt weder im Sinne der Z. 1 ein übergeordnetes öffentliches Interesse und ein Nutzen für die nachhaltige Entwicklung, welcher den Nutzen der Zielverwirklichung der §§ 30a, c und d übersteige, vorliegen würde, noch gemäß Z. 2 dieser Bestimmung alle praktikablen Vorkehrungen getroffen worden wären, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu mindern. Das Vorliegen dieser Elemente sei die Voraussetzung für die wasserrechtliche Genehmigung von Vorhaben mit Auswirkungen auf den Gewässerzustand (§ 104a WRG 1959).

Dagegen erhoben Ing. PM. und DI AL. als Konsenswerber Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 55 Abs. 1 lit. g und der Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§ 102 Abs. 1 lit. h) beizuziehen" sowie "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in § 55 Abs. 4 sowie des § 102 Abs. 1 lit. h WRG 1959, BGBl. Nr. 215 idF BGBl. I Nr. 87/2005 ein.

Mit Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. G 126/11, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die genannten Bestimmungen verfassungswidrig waren.

Mit Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. B 51/10-13, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass Ing. PM. und DI AL. durch Spruchpunkt I. des Bescheides der Beschwerdeführerin vom 30. November 2009 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden seien. Unter einem wurde dieser Bescheid aufgehoben.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Bescheid vom 30. November 2009 verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet habe, auf Grund derer dem Landeshauptmann als wasserwirtschaftliches Planungsorgan Parteistellung und damit auch ein Berufungsrecht im Verfahren erster Instanz zugekommen sei. Es sei nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung dieser Bestimmungen für die Rechtsstellung von Ing. PM. und DI AL. als Konsenswerber nachteilig gewesen sei. Diese seien also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden. Der Bescheid des Beschwerdeführers vom 30. November 2009 sei daher im Hinblick auf den - ausschließlich angefochtenen - Spruchpunkt I. aufzuheben gewesen, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen sei.

Mit Bescheid des Beschwerdeführers vom 24. April 2012 wurde im fortgesetzten Verfahren die Berufung des Landeshauptmannes von Steiermark als wasserwirtschaftliches Planungsorgan mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007 richtet sich nunmehr die vorliegende auf § 116 WRG 1959 i.V.m. Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützte Beschwerde.

Zur Zulässigkeit führt der Beschwerdeführer aus, dass nach diesen Vorschriften dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Möglichkeit eingeräumt sei, gegen Bescheide, die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften widersprächen, eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerdefrist beginne mit dem Einlangen des Bescheides und der Unterlagen beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Der beschwerdegegenständliche Bescheid samt Verwaltungsakt sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Juni 2007, eingelangt am 26. Juni 2007, im Zuge des Berufungsverfahrens vorgelegt worden.

Auf Grund der zulässigen Berufung des Landeshauptmannes von Steiermark als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan sei der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007 nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer habe im Zuge des anhängigen Berufungsverfahrens selbst die Möglichkeit zur Korrektur und Herstellung eines "gemeinschaftsrechtlich konformen Zustandes in Bezug auf den nun beschwerten Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark" gehabt.

Im Hinblick auf das beim Beschwerdeführer anhängige Berufungsverfahren gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007 wäre die Erhebung einer Amtsbeschwerde zum damaligen Zeitpunkt (2007) mangels Rechtskraft des Bescheides erster Instanz unzulässig gewesen.

Der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007 sei erst auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2012, Zl. B 51/10-13, dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt am 10. April 2012, in Rechtskraft erwachsen. Erst ab diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen zur Erhebung einer Amtsbeschwerde gemäß § 116 WRG 1959 verwirklicht gewesen.

Erst durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2012, Zl. B 51/10-13, sei eine rechtliche Situation geschaffen worden, die die Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit des das Verfahren abschließenden Bescheides bzw. die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen durch die Erhebung einer Amtsbeschwerde notwendig gemacht habe.

Die Beschwerde ist unzulässig.

§ 116 Abs. 1 und 2 WRG 1959, BGBl. I Nr. 155/1999 idF BGBl. I

Nr. 82/2003, lauten:

"(1) Unbeschadet des § 33b Abs. 10 und des § 54 Abs. 3 kann

der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und

Wasserwirtschaft Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben

gegen

a) Bescheide, die gemeinschaftsrechtlichen

Vorschriften widersprechen,

b) Bescheide, die zwischenstaatlichen Vereinbarungen

widersprechen.

(2) Bescheide sind dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Prüfung im Sinne des Abs. 1 über Verlangen ungesäumt unter Anschluß der Entscheidungsgrundlagen vorzulegen. Die Beschwerdefrist beginnt mit dem Einlangen des Bescheides und der Unterlagen beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft."

Der Beschwerdeführer vertritt die Rechtsansicht, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde nach § 116 WRG 1959 die Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Mai 2007 sei. Im Hinblick auf das anhängige Berufungsverfahren wäre die Beschwerde "zum damaligen Zeitpunkt (2007)" mangels Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark unzulässig gewesen. Der Beschwerdeführer verweist dabei auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 2010, Zl. 2009/10/0091.

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Er übersieht dabei, dass sich das dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 2010 zu Grunde liegende Beschwerderecht des Naturschutzbeirates nach dem Kärntner Naturschutzrecht 2002 (K-NSG) in seinem Wortlaut entscheidungswesentlich vom vorliegenden Beschwerderecht nach § 116 WRG 1959 unterscheidet.

Gemäß § 61 Abs. 3 K-NSG darf der Naturschutzbeirat gegen Bescheide, vor deren Erlassung seine Mitglieder nach § 54 Abs. 1 zu hören sind, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG erheben, insoweit die Mitglieder des Naturschutzbeirates im Rahmen der Anhörung Einwendungen vorgebracht haben, denen im Bescheid nicht Rechnung getragen wurde.

Für die dem hg. Beschluss vom 28. Juni 2010, Zl. 2009/10/0091, zu Grunde liegende Fallkonstellation, dass ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft gleichzeitig vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat von einer Partei und vor dem Verwaltungsgerichtshof vom Naturschutzbeirat angefochten wird, treffe nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes § 54 Abs. 2 zweiter Halbsatz K-NSG mit der Regelung Vorkehrung, wonach Bescheide, die potenziell (im Hinblick auf die Erhebung von Einwendungen) einer Beschwerde durch den Naturschutzbeirat zugänglich seien, (erst) nach Eintritt der Rechtskraft den

Mitgliedern des Naturschutzbeirates ... vorzulegen seien. Darin

sei unter Bedachtnahme auf den Zweck der Anordnung und den systematischen Zusammenhang eine der Vorschrift des Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG nachgestaltete Regelung zu sehen, wonach der Naturschutzbeirat Beschwerde erheben könne, soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten könnten. Daraus folge für den vorliegenden Fall nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - im Hinblick auf die unerledigte, beim Unabhängigen Verwaltungssenat anhängige Berufung gegen den angefochtenen Bescheid - die Unzulässigkeit der vorliegenden Beschwerde.

Entscheidend für die vom Verwaltungsgerichtshof eingenommene Rechtsansicht ist demnach, dass die Bescheide erst nach Eintritt der Rechtskraft den Mitgliedern des Naturschutzbeirates vorzulegen sind und daher eine Beschwerde des Naturschutzbeirates erst nach Rechtskraft des Bescheides zulässig ist. § 116 WRG 1959 hingegen sieht nicht vor, dass die Beschwerde des Bundesministers erst nach Rechtskraft des Bescheides zulässig ist. Aus dem Beschluss vom 28. Juni 2010, Zl. 2009/10/0091, ist daher für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Wie sich aus der Regierungsvorlage zur WRG-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 155 (1199 der Beilagen XX. GP, 31) ergibt, orientierte sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 116 WRG 1959 an den §§ 33b Abs. 10 und 54 Abs. 3 WRG 1959:

"Zur Sicherung völkerrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen Österreichs und als Ausgleich für die im Zuge der Deregulierung vorgenommene weitgehende Kompetenzverlagerung zu den Landesbehörden ist die Einführung einer Amtsbeschwerde im - ohnehin sehr beschränkten Rahmen des § 116 - erforderlich. Die Erfahrungen mit der im Jahre 1990 eingeführten Amtsbeschwerde nach §§ 33b Abs. 10 und 54 Abs. 3 zeigt die Sinnhaftigkeit einer derartigen Differenzierungen ermöglichenden Regelung: nur in wenigen Fällen stellt sich die Frage der Erhebung einer solchen Beschwerde, sie gestattet aber in schwerwiegenden Fällen doch eine Korrektur von Fehlentscheidungen, ohne die Befugnisse und die Verantwortung der Unterbehörden in irgendeiner Weise zu beschränken."

Sowohl § 33b Abs. 10 als auch § 54 Abs. 3 WRG 1959 ordnen an, dass die Bescheide binnen zwei Wochen nach deren Rechtskraft dem Bundesminister vorzulegen sind und dass die Beschwerdefrist für diesen mit dem Einlangen der Bescheide bei ihm beginnt. Damit ist nach beiden Bestimmungen die Rechtskraft des Bescheides ausdrücklich Voraussetzung für die Anfechtung durch den Bundesminister. Gerade diese Anordnung fehlt aber im § 116 WRG 1959. Wenn nun der Gesetzgeber bei der Einführung des Beschwerderechts nach § 116 WRG 1959 ausdrücklich das Vorbild der §§ 33b Abs. 10 und 54 Abs. 3 vor Augen hatte, aber abweichend von diesen Bestimmungen keine Anordnung des Inhalts in den § 116 WRG 1959 aufnahm, dass die Rechtskraft des Bescheides Voraussetzung für die Beschwerdebefugnis des Bundesministers ist, dann muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber in diesem Punkt vom Vorbild abweichen wollte. Die Rechtskraft des Bescheides ist demnach keine Voraussetzung für die Beschwerde nach § 116 WRG 1959.

Die Beschwerdefrist für den Bundesminister begann daher nicht erst mit der Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2012, Zl. B 51/10-13, sondern mit der Vorlage des Bescheides im Jahr 2007. Die Beschwerde ist daher verspätet.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Vorlage des Bescheides des Landeshauptmannes an den Beschwerdeführer nicht auf Grund eines "Verlangens" des Bundesministers iSd § 116 WRG 1959 erfolgte, sondern auf Grund der Berufung des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes und anderer Personen. Entscheidend ist, dass der Bundesminister vom Bescheid Kenntnis erlangte.

Die Beschwerde erweist sich daher als verspätet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG - in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen war.

Wien, am 26. Juni 2012

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