VwGH 2008/03/0056

VwGH2008/03/005627.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A G in G, Deutschland, vertreten durch Föger & Pall, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacherstraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom 20. Februar 2008, Zl uvs-2007/21/0353-3, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z2;
GütbefG 1995 §7 Abs1 Z1;
GütbefG 1995 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z2;
GütbefG 1995 §7 Abs1 Z1;
GütbefG 1995 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe als Unternehmer eine näher bestimmte gewerbsmäßige Güterbeförderung durch Österreich durchgeführt, ohne dafür gesorgt zu haben, dass der Lenker eine Gemeinschaftslizenz mitführe.

Dadurch habe er § 23 Abs 1 Z 8 des Güterbeförderungsgesetzes (GütbefG) in Verbindung mit § 9 Abs 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1 Z 1 GütbefG verletzt. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und dann den Inhalt der dagegen erhobenen Berufung wieder.

Demnach habe der Beschwerdeführer vorgebracht, entgegen den Annahmen der erstinstanzlichen Behörde habe sich zum vermeintlichen Tatzeitpunkt (bei der Kontrolle) die notwendige Gemeinschaftslizenz doch im Fahrzeug befunden. Dem Beschwerdeführer sei von seinem Fahrer dargelegt worden, er habe die Gemeinschaftslizenz im Zuge der Amtshandlung vorerst nicht gefunden, sie später aber doch im Fahrzeug entdeckt. Diesbezüglich habe die erstinstanzliche Behörde nicht einmal beim Fahrer nachgefragt, ob diese Verantwortung des Beschwerdeführers stimmen könne.

In der Folge legte die belangte Behörde dar, sie habe eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, zu der der Beschwerdeführer trotz ausgewiesener Ladung - er sei von seinem Rechtsvertreter mit beruflicher Unabkömmlichkeit entschuldigt worden - nicht gekommen sei.

Danach führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfene Verwaltungsübertretung wurde anlässlich eine Routinekontrolle durch Polizeibeamte bei der Autobahnkontrollstelle Kundl festgestellt. Festzustellen ist, dass die Gemeinschaftslizenz nicht mitgeführt worden ist. Es kann nicht festgestellt werden, ob eine solche Gemeinschaftslizenz zwar mitgeführt, aber nicht vorgezeigt worden ist, was für den gegenständlichen Fall aber vollkommen belanglos ist. Fest steht, dass die Gemeinschaftslizenz auf Verlangen der Polizei nicht vorgezeigt werden konnte.

...

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Akteninhalt. Für die erkennende Behörde besteht überhaupt kein Zweifel, an der Richtigkeit der Angaben in der Anzeige zu zweifeln. Dies umsoweniger, als in der Berufung selbst die Tatsache der Nichtvorlage der Gemeinschaftslizenz nicht bestritten wird. Somit reduziert sich die Klärung der gegenständlichen Angelegenheit auf die Lösung der dahinter stehenden Rechtsfrage, ob dem Berufungswerber als Unternehmer und Zulassungsbesitzer das Verhalten seines Fahrers im Sinne eines Verschuldens zurechenbar ist oder nicht. Hiezu bedurfte es nicht der Aufnahme weiterer Beweismittel."

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, es stehe außer Zweifel, dass der vom Beschwerdeführer eingesetzte Fahrer auf Verlangen der Polizeibeamten die Gemeinschaftslizenz nicht vorgezeigt habe. Ob die Gemeinschaftslizenz im LKW zwar mitgeführt, aber nicht vorgezeigt worden sei, spiele "für das Verfahren überhaupt keine Rolle".

Daran schließen sich Ausführungen zur Notwendigkeit eines Kontrollsystems und zur Strafbemessung.

"Abschließend", so die belangte Behörde weiter, werde "noch einmal bemerkt, dass die zeugenschaftliche Einvernahme des Lenkers

... entbehrlich war, da in der Berufung selbst die Nichtvorlage

der Gemeinschaftslizenz außer Streit gestellt worden ist."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand - erwogen:

1. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl Nr 593/1995 idF BGBl I Nr 153/2006 (GütbefG), von Bedeutung:

"Verkehr über die Grenze

§ 7. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

  1. 1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 ,
  2. 2. Genehmigung auf Grund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14. Juni 1973,

    3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

    4. auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

    Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 4 ergangen ist.

    ...

§ 9. (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.

(2) Der Lenker hat die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet im Kraftfahrzeug mitzuführen und den Aufsichtsorganen (§ 21) auf Verlangen auszuhändigen.

...

Strafbestimmungen

§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

...

8. nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden;

...

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht, die mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu ahnden ist, wer als Lenker

...

  1. 2. § 9 Abs. 2 zuwiderhandelt;"
  2. 2. Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, dass auf Basis der - zudem grob widersprüchlichen - Feststellungen der belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung, der Beschwerdeführer habe § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG übertreten, unzutreffend sei.

    3. Sie ist damit im Recht.

    Das durch § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG pönalisierte Verhalten des Unternehmers, der eine Güterbeförderung durch Österreich veranlasst, besteht darin, nicht dafür zu sorgen, dass (ua) die erforderlichen Gemeinschaftslizenzen mitgeführt werden.

    Dem gegenüber richtet sich die Strafbestimmung des § 23 Abs 2 Z 2 GütbefG an den Lenker, der "§ 9 Abs 2 zuwider handelt".

    § 9 Abs 2 GütbefG verpflichtet den Lenker einerseits, die Nachweise über die in § 7 Abs 1 GütbefG angeführten Berechtigungen (im Beschwerdefall also die Gemeinschaftslizenz) bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und entwertet im Kraftfahrzeug mitzuführen, andererseits, sie den Aufsichtsorganen auf Verlangen auszuhändigen.

    Wird eine Gemeinschaftslizenz (vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet) im Kraftfahrzeug mitgeführt, den Aufsichtsorganen auf Verlangen aber nicht ausgehändigt, verantwortet zwar der Lenker einen Verstoß gegen § 23 Abs 2 Z 2 in Verbindung mit § 9 Abs 2 zweiter Fall GütbefG, nicht aber der Unternehmer einen Verstoß gegen § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG.

    Die Rechtsansicht der belangten Behörde, schon die Nichtvorlage der Gemeinschaftslizenz durch den Lenker begründe den Straftatbestand nach § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Gemeinschaftslizenz zwar mitgeführt, aber nicht vorgezeigt wurde, ist daher verfehlt.

    Da die belangte Behörde vor dem Hintergrund dieser unrichtigen Rechtsansicht keine klaren Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug mitgeführt wurde oder nicht, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

    4. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

    Wien, am 27. Mai 2010

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