VwGH 2010/08/0215

VwGH2010/08/021514.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A Z in S, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 27. Mai 2010, Zl. BMASK- 423932/0001-II/A/3/2010, betreffend Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84- 86), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2006 auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung unterlegen sei.

Er sei im genannten Zeitraum geschäftsführender Gesellschafter der I. GmbH gewesen, an der er zu 50 % beteiligt gewesen sei. Auf Grund dieser Tätigkeit sei er - was nicht bestritten werde - der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG unterlegen. Seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit hätten laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 insgesamt EUR 38.996,-- betragen; darin seien auch Patenteinkünfte in der Höhe von EUR 15.000,-- enthalten gewesen. Die diesen Einkünften zugrunde liegenden Patente gehörten dem Beschwerdeführer und würden der I. GmbH zur Verfügung gestellt, wofür im Jahr 2006 der Betrag von EUR 15.000,-- geleistet worden sei. Unstrittig sei auch, dass die Patenteinkünfte nicht "von der Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter und damit von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG erfasst" seien.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zunächst aus, dass die Versicherungspflicht der "neuen Selbständigen" gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für jedes Erwerbseinkommen bestehen solle, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen sei. Mit dem Begriff der "betrieblichen Tätigkeit" werde die betriebliche/berufliche Tätigkeit gegenüber privaten Tätigkeiten abgegrenzt. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG stelle einen Auffangtatbestand dar, unter den alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten subsumiert werden sollten, sofern nicht auf Grund der jeweiligen Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung bestehe. Der Gesetzgeber habe dabei auch das Ziel einer Harmonisierung mit dem Steuerrecht verfolgt und dazu ausdrücklich auf bestimmte Einkunftsarten nach dem EStG 1988 Bezug genommen, die eine selbständige, auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbstätigkeit voraussetzten, nämlich auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 2 iVm. § 22 EStG 1988 und auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 3 iVm. § 23 EStG 1988. Einkünfte, die steuerlich diesen Einkunftsarten zuzuordnen seien, könnten daher nicht als der Privatsphäre zugehörig angesehen werden. Dem Einwand des Beschwerdeführers, durch das Zurverfügungstellen der Patentrechte an eine einzige Kapitalgesellschaft, die in seinem fünfzigprozentigen Eigentum stehe, beteilige er sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, könne nicht gefolgt werden; der Beschwerdeführer biete einer Kapitalgesellschaft, die per se am wirtschaftlichen Verkehr teilnehme, sein Produkt an und erhalte dafür ein Entgelt; diese Tätigkeit betreibe er offensichtlich in der Absicht, wiederkehrende Einkünfte zu erzielen. Die Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr bedeute so viel wie Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben, die hier eindeutig vorliege. Auf die Zahl der Auftraggeber komme es dabei nicht an.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers lägen auch unter Berücksichtigung der Einkommensteuerrichtlinien keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 28 EStG 1988 vor; vielmehr handle es sich laut den Einkommensteuerrichtlinien bei Einkünften, die der Urheber bzw. Erfinder selbst durch einen zeitlichen Nutzungsvertrag oder durch eine vollständige Überlassung der Verwertungsrechte gegen ein einmaliges Entgelt erziele, regelmäßig um solche aus selbständiger Arbeit, sofern die Nutzung nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebes erfolge. Außerdem habe der Beschwerdeführer in seiner Steuererklärung für das Jahr 2006 die Einkünfte aus der Überlassung seiner Patentrechte selbst unter die Einkünfte aus selbständiger Arbeit subsumiert.

Mit der unmittelbaren Anknüpfung an die steuerrechtlichen Tatbestände lasse der Gesetzgeber zudem keinen Raum dafür, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit vorzunehmen und damit materiell die im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides von den Finanzbehörden im Hinblick auf die Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten entschiedene Rechtsfrage erneut zu prüfen. Im Beschwerdefall stehe auf Grund des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 fest, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer erzielten Einkünften nicht um solche aus der privaten Lebensführung handle. Es seien im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass auf Grund dieser Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung nach einer anderen Bestimmung des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten sei. Es sei daher für den gegenständlichen Zeitraum die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG festzustellen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichthof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 28. September 2010, B 967/10, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt beantragt in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde. Er wendet sich aber gegen ihre Beurteilung, dass er eine betriebliche Tätigkeit ausgeübt habe. Er sei nur gewillt, die Nutzungsrechte an seinen Patenten der I. GmbH zu überlassen, nicht aber anderen Personen oder Unternehmen. Er biete seine Leistung somit nicht im allgemeinen Wirtschaftsverkehr an, weil er sie nur dem in seinem teilweisen Eigentum stehenden Unternehmen überlasse.

Auch die einkommensteuerrechtliche Zuordnung der Einkünfte aus der Überlassung der Patentrechte zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit sei falsch. Die Patentrechte gehörten nicht zum Betriebs-, sondern zum Privatvermögen des Beschwerdeführers. Er habe die Nutzungsrechte der I. GmbH überlassen, aber im Zusammenhang mit diesen Nutzungsrechten keine weiteren Leistungen erbracht. Die daraus erzielten Einkünfte zählten zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 und nicht zu den Einkünften nach § 22 oder § 23 EStG 1988.

Dass die Sozialversicherungsbehörden an die Zuordnung zu den Einkunftsarten in einem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid gebunden seien, treffe entgegen der Annahme der belangten Behörde und der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu.

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde (und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist). Ob die von der zuständigen Abgabenbehörde getroffene einkommensteuerrechtliche Beurteilung zutreffend ist, ist im Verfahren betreffend die Versicherungspflicht nach dem GSVG nicht (mehr) zu prüfen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 25. Oktober 2006, Zl. 2004/08/0205, und vom 16. März 2011, Zl. 2007/08/0307, jeweils mwN).

Auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalles sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal der Beschwerdeführer selbst in seiner Einkommensteuererklärung (auch) die aus der Überlassung der Benützungsrechte erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit bezeichnet hat.

3. Die belangte Behörde hatte sich aber damit auseinanderzusetzen, ob der Beschwerdeführer die betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG im Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2006 noch ausgeübt hat.

Für die Annahme einer betrieblichen Tätigkeit hat es die belangte Behörde genügen lassen, dass der Beschwerdeführer der zu 50% in seinem Eigentum stehenden I. GmbH gegen Entgelt Patentrechte überlassen hat. Diese Überlassung allein ist aber keine betriebliche Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG; um die Pflichtversicherung nach diesem Tatbestand bejahen zu können, müsste im Beschwerdefall vielmehr die Tätigkeit, in deren Rahmen die patentierte Erfindung gemacht worden ist, weiter ausgeübt worden sein (vgl. hinsichtlich des - insoweit vergleichbaren - Bezugs von Tantiemen auf Grund schriftstellerischer oder künstlerischer Tätigkeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. März 2006, Zl. 2004/08/0094, VwSlg. 16.884 A, und vom 21. Jänner 2009, Zl. 2008/08/0269).

Zu dieser Frage hat die belangte Behörde aber in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen.

Ob die Einkünfte aus der Verwertung der Patente allenfalls bei Bildung der Beitragsgrundlage auf Grund der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG zu berücksichtigen sind, muss in diesem Verfahren nicht geklärt werden (vgl. dazu aber das Erkenntnis vom 25. Mai 2011, Zl. 2008/08/0103).

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 14. November 2012

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