Normen
AVG §38;
AVG §38a;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs1 idF 2002/I/065;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131;
B-VG Art144 Abs1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs3;
GdO OÖ 1948 §102 Abs5;
GdO OÖ 1990 §102 Abs5;
GdO Stmk 1967 §94a;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs3 impl;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §38a;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs1 idF 2002/I/065;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131;
B-VG Art144 Abs1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs3;
GdO OÖ 1948 §102 Abs5;
GdO OÖ 1990 §102 Abs5;
GdO Stmk 1967 §94a;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs3 impl;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 11. November 2004 wurden die Baubewilligungsansuchen der mitbeteiligten Parteien vom 18. Mai 2004 und 31. Juli 2002 abgewiesen, da das eingereichte Bauvorhaben zwingenden Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes der beschwerdeführenden Gemeinde widerspreche.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 25. Mai 2005 wurde die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Parteien vom 24. November 2004 als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. November 2005 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der mitbeteiligten Parteien "mit der Feststellung Folge gegeben, dass die Vorstellungswerber durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt werden".
Im zweiten Rechtsgang wurde mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 17. Mai 2006 der Berufung der mitbeteiligten Parteien teilweise Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 11. November 2004 dahingehend abgeändert, dass das Bauansuchen vom 29. Juli 2002 abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.); die Berufung der mitbeteiligten Parteien betreffend die Abweisung ihres Bauansuchens vom 24. April 2004 (Errichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 84/1, EZ 459, KG Neukirchen bei Lambach) wurde abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2006 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der mitbeteiligten Parteien hinsichtlich Spruchpunkt I. keine Folge gegeben (Spruchpunkt A), der Vorstellung hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde hingegen Folge gegeben und ausgesprochen, dass insoweit der Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 17. Mai 2006 die mitbeteiligten Parteien in ihren Rechten verletzt, da der Gemeinderat nicht den gesamten relevanten Sachverhalt ermittelt habe. Insoweit wurde der Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde zurückverwiesen (Spruchpunkt B).
Der gegen Spruchpunkt B des Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2006 erhobenen Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Gemeinde wurde mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/05/0297, keine Folge gegeben.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 18. Mai 2007 wurde das Berufungsverfahren über die Berufung der mitbeteiligten Parteien vom 24. November 2004 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Beschwerdeverfahrens zur hg. Zl. 2006/05/0297 gemäß § 38 AVG ausgesetzt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben, der Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 18. Mai 2007 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde zurückverwiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen sei, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden sei. Die Beantwortung der Vorfrage liefere ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die Entscheidung in der Hauptsache. Der Verwaltungsgerichtshof stehe zur Verwaltungsbehörde nicht in einem solchen Verhältnis wie es der Gegenüberstellung von Verwaltungsbehörde und Gericht im § 38 AVG zu Grunde liege. Der Verwaltungsgerichtshof habe nämlich vom Fall der Säumnisbeschwerde abgesehen keine Sachentscheidung zu fällen. Da das anhängige Bescheidprüfungsverfahren kein Verfahren bei der zuständigen Behörde im Sinne des § 38 AVG sei, mangle es an dieser Voraussetzung für eine bescheidmäßige Aussetzung des Verfahrens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt. Begründend führt sie hiezu aus, im Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 16. November 2006 seien eine Fülle von Rechtsfragen aufgeworfen worden, die im Bescheidbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (hg. Zl. 2006/05/0297) einer Lösung zugeführt werden sollen. Da einer Bescheidbeschwerde jedoch keine aufschiebende Wirkung zukomme, bleibe der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde gemäß § 102 Abs. 5 letzter Satz Oberösterreichische Gemeindeordnung an die ihrer Ansicht nach unzutreffende Rechtsansicht der belangten Behörde gebunden. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sei es daher empfehlenswert gewesen, insbesondere um einen irreversiblen, jedoch unrechtmäßigen Zustand zu vermeiden, das höchstgerichtliche Bescheidbeschwerdeverfahren abzuwarten. Vorfrage für das Berufungsverfahren sei die Rechtmäßigkeit der gemäß § 102 Abs. 5 Oberösterreichische Gemeindeordnung dem Gemeinderat überbundenen Rechtsansicht, welche nunmehr der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen habe. Würde man der beschwerdeführenden Gemeinde die Möglichkeit verwehren, das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zum Ausgang des höchstgerichtlichen Beschwerdeverfahrens auszusetzen, so würde man ihr einen effektiven Rechtsschutz, den Art. 119a Abs. 9 B-VG garantiere, verwehren. § 38 AVG sei daher vor dem Hintergrund des Art. 119a B-VG derart verfassungskonform zu interpretieren, dass ein Verfahren vor den Gemeindebehörden auch im Falle eines anhängigen höchstgerichtlichen Bescheidbeschwerdeverfahrens infolge eines aufhebenden Vorstellungsbescheides ausgesetzt werden könne. Eine meritorische Entscheidung des Gemeinderates sei faktisch nicht möglich, weil der Verwaltungsakt dem Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 2006/05/0297 vorgelegt worden sei. Unabhängig davon empfehle sich eine Aussetzung des Verfahrens auch aus ökonomischen Gründen, da die Gemeindebehörde ansonst zu durchaus sehr kostenintensiven Ermittlungsschritten gezwungen wäre, die sich bei einem Erfolg der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde als vermeidbar und unnötig herausstellen würden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 17. Mai 2006 durch die Vorstellungsbehörde mit ihrem Bescheid vom 16. November 2006 und der Zurückverweisung der Rechtssache an die Gemeinde ist der genannte letztinstanzliche Bescheid der Gemeindebehörde ex tunc außer Kraft getreten; das ehemals vor der Gemeinde anhängige Verfahren ist in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Im Beschwerdefall bedeutet dies, dass der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde als Berufungsbehörde über die nunmehr wieder offene Berufung der mitbeteiligten Bauwerber gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde betreffend das Bauansuchen der mitbeteiligten Parteien vom 24. April 2004 (neuerlich) zu entscheiden hat (vgl. hiezu A. Hauer in Klug/Oberndorfer/Wolny, Das österreichische Gemeinderecht,
17. Teil Gemeindeaufsicht, Rz 147, S. 38).
Bezüglich der Wirkungen der Vorstellungsentscheidung bestimmt § 102 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990:
"(5) Die Aufsichtsbehörde hat, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden."
Die aufsichtsbehördliche Kontrolle ist gemäß § 102 Abs. 5 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 also eine bloß nachprüfende Rechtmäßigkeitskontrolle. Die Aufsichtsbehörde prüft, ob der bekämpfte Gemeindebescheid im Zeitpunkt seines Zustandekommens zur damals maßgeblichen Sach- und Rechtslage rechtmäßig war. Die Aufsichtsbehörde hat sohin nicht in der Sache selbst - reformatorisch - zu entscheiden, sondern ist nur befugt, den angefochtenen Bescheid gegebenenfalls aufzuheben, also eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Die Entscheidungsbefugnis der Aufsichtsbehörde ist somit der dem Verwaltungsgerichtshof im Bescheidbeschwerdeverfahren vergleichbar (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2006, Zl. 2005/17/0165).
Der aufhebende gemeindeaufsichtsbehördliche Bescheid der belangten Behörde vom 16. November 2006 entfaltet Bindungswirkung, wie dies im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/05/0297, näher begründet dargelegt wurde. Auf die rechtlichen Erwägungen dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Mit der Zustellung der aufhebenden Entscheidung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2006 an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde hat über die nunmehr offene Berufung der mitbeteiligten Parteien die Frist zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 1 AVG neu zu laufen begonnen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/05/0196, und vom 22. Februar 2005, Zl. 2003/06/0018).
Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde hat nun aus verfahrensökonomischen Erwägungen mit Bescheid vom 18. Mai 2007 das Baubewilligungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Gemeinde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2006 ausgesetzt.
§ 38 AVG berechtigt die Behörde, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Eine anhängige Beschwerde bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts begründet für die Behörde grundsätzlich keine Vorfragenproblematik (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0094, vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0181, vom 22. September 1998, Zl. 98/05/0169, und vom 29. Oktober 1998, Zl. 96/07/0112). Die Wirkungen eines Vorstellungsbescheides treten mit seiner Erlassung ein. Die Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof berührt den angefochtenen Verwaltungsakt weder in seiner Geltung noch in seiner Vollziehbarkeit. Die Beschwerde äußert ausschließlich prozessuale Wirksamkeit: Das Verhalten der Verwaltungsbehörde mit dem Verwaltungsakt als Endpunkt wird zum Gegenstand eines neuen, verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Dieses verwaltungsgerichtliche Verfahren steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren. Der Beschwerdeführer steht in einem Prozessverhältnis eigener Art zum Verwaltungsgerichtshof, das durch die Einbringung der Beschwerde begründet wird (siehe Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 118, sowie das hg. Erkenntnis vom 6. September 1995, Zl. 95/12/0217). Die möglichen Auswirkungen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine bei ihm anhängige Bescheidbeschwerde, in der die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu prüfen ist, auf den Ausgang eines anhängigen Verwaltungsverfahrens berechtigt die Verwaltungsbehörde daher nicht, in diesem Verfahren § 38 AVG anzuwenden.
Die belangte Behörde hat sohin zutreffend erkannt, dass durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren Zl. 2006/05/0297 keine für das gegenständliche Baubewilligungsverfahren für den Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde als Berufungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu lösen ist (zum Wesen der Vorfrage vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1993, Zl. 93/10/0063).
Der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Vorstellungsbescheid ist - trotz seines kassatorischen Charakters -
zufolge der durch die eingetretene Rechtskraft verursachten Bindung an die tragenden Aufhebungsgründe einer Umsetzung in die Wirklichkeit insofern zugänglich, als der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde - gleichbleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt - von Gesetzes wegen dazu verpflichtet ist, unter Berücksichtigung der bindenden Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde ohne unnötigen Aufschub (siehe § 73 Abs. 1 AVG) zu entscheiden (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 23. Februar 1995, Zl. 95/06/0026).
Die von der beschwerdeführenden Gemeinde für ihren Rechtsstandpunkt vorgetragenen Argumente für die Aussetzung des Berufungsverfahrens sind schon deshalb nicht stichhältig, weil im Beschwerdefall eine Aussetzung nur im Rahmen des § 38 AVG möglich wäre (die Anwendung des § 38a AVG kommt im Beschwerdefall nicht in Betracht). Weitergehende Möglichkeiten für die Aussetzung des Verfahrens sind im Rahmen der hier anzuwendenden Rechtslage nicht vorgesehen (vgl. hiezu beispielsweise die Anordnung im § 61 Abs. 3 Niederösterreichische Gemeindeordnung 1973 sowie § 94a Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 betreffend die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens für die Aufsichtsbehörde). Zur Vermeidung der von der beschwerdeführenden Gemeinde befürchteten Wirkungen eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG unter den dort näher normierten Voraussetzungen zu verweisen (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 3. Mai 2006, Zl. AW 2006/05/0026, mwN.).
Da somit der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 29. Jänner 2008
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)