Normen
ABGB §531;
BAO §198;
BAO §200 Abs1;
BAO §209 Abs1;
ErbStG §1 Abs1 Z1;
ErbStG §2 Abs1 Z1;
ErbStG §2 Abs1 Z2;
ErbStG §2 Abs1 Z3;
ErbStG §27;
ABGB §531;
BAO §198;
BAO §200 Abs1;
BAO §209 Abs1;
ErbStG §1 Abs1 Z1;
ErbStG §2 Abs1 Z1;
ErbStG §2 Abs1 Z2;
ErbStG §2 Abs1 Z3;
ErbStG §27;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 24. Februar und 14. Mai 1992 langten beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck (im folgenden kurz: Finanzamt) Mitteilungen der Austria Collegialität Österreichische VersicherungsAG (vom 20. Februar 1992) und der Donau Allgemeine VersicherungsAG (vom 12. Mai 1992) ein, wonach auf Grund zweier Lebensversicherungsverträge auf Ableben zufolge des Todes des Versicherungsnehmers N (am 9. Jänner 1992) Versicherungsleistungen von S 199.086,-- bzw. S 258.858,-- an die Beschwerdeführerin als begünstigte Person auszuzahlen seien.
Das Finanzamt forderte erstmals am 19. Jänner 1993 vom BG Kufstein die Übersendung des Abhandlungsaktes "zu erbschaftssteuerlichen Zwecken" an, worauf es am 3. Februar 1993 die Mitteilung erhielt, dass der Akt "nach wie vor noch nicht abgeschlossen" sei.
Weitere Aktenanforderungen (jeweils wieder "zu erbschaftssteuerlichen Zwecken") erfolgten am 1. April 1994 und am 19. Oktober 1995, worauf das BG Kufstein mit Note vom 23. Oktober 1995 den Verlassenschaftsakt an das Finanzamt zur Einsichtnahme mit dem Ersuchen um baldige Rücksendung übermittelte, weil der Akt "wegen noch nicht erfolgter Konkursbeendigung" noch nicht erledigt sei.
Laut einem Aktenvermerk des Finanzamtes vom 20. November 1997 erfolgte eine telefonische Mitteilung des BG Kufstein, dass die Verlassenschaft "noch immer nicht fertigt abgehandelt ist (Konkurs?)"
Am 12. November 1998 richtete das Finanzamt (wieder "zu erbschaftssteuerlichen Zwecken") neuerlich ein Ersuchen um Aktenübersendung an das Abhandlungsgericht.
Aus einem Aktenvermerk des Finanzamtes vom 20. Mai 1999 ergibt sich die Mitteilung des Abhandlungsgerichtes, dass im Jahr 1992 eine bedingte Erbserklärung abgegeben wurde, "danach Konkurs, keine Adresse bekannt".
Am 29. Jänner 1999 und 17. Februar 1999 richtete das Finanzamt betreffend die Beschwerdeführerin Anfragen an Meldebehörden (nämlich das Einwohnermeldeamt Neustift und das Einwohnermeldeamt Kufstein), jeweils mit dem Beisatz "im Abgabenverfahren/Finanzstrafverfahren zur StNr. 305362/92".
Am 8. März 1999 richtete das Finanzamt gegen die Beschwerdeführerin zur StNr. 356/4802 einen Erbschaftssteuerbescheid, mit dem die Versicherungserlöse gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG besteuert wurden. Dieser Bescheid wurde nach einem Zustellanstand und weiteren Meldeerhebungen neu datiert mit 2. Juni 1999 und der Beschwerdeführerin am 3. Juni 1999 zugestellt.
Die Beschwerdeführerin berief dagegen im wesentlichen mit dem Argument der Verjährung.
Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie an ihrem Standpunkt, es sei Verjährung eingetreten, festhielt.
Die belangte Behörde gab der Berufung der Höhe nach teilweise statt und vertrat in der Hauptsache die Auffassung, die jeweils an das Abhandlungsgericht bzw. an die Meldebehörden gerichteten Ersuchen hätten die Verjährung unterbrochen. Frühestmöglich habe die Verjährung auf Grund der Mitteilung des BG Kufstein vom 23. Oktober 1995 (betreffend das Konkursverfahren) mit 1. Jänner 1996 wieder zu laufen begonnen, sodass der erstinstanzliche Bescheid rechtzeitig erlassen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich primär in ihrem Recht darauf verletzt, dass wegen eingetretener Verjährung keine Erbschaftssteuer festzusetzen ist.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 ErbStG lautet auszugsweise:
"(1) Als Erwerb von Todes wegen gilt
1. der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches;
- 2. ...
- 3. der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar gemacht wird.
(2) ..."
Die zitierte Gesetzesstelle umschreibt den Begriff "Erwerb von Todes wegen" (des § 1 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) und nimmt über die in § 2 Abs. 1 Z. 1 genannten bürgerlich-rechtlichen Fälle eines Erwerbes von Todes wegen hinaus wesentliche Erweiterungen vor, so insbesondere durch die Einbeziehung des Erwerbes von Vermögensvorteilen auf Grund von Verträgen zugunsten Dritter, die der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten geschlossen hat (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 1 und 49 zu § 2 ErbStG; Dorazil/Taucher, ErbStG, Anm. 1.4. zu § 2 ErbStG). Insbesondere Lebensversicherungsverträge zugunsten eines Dritten begründen diesen Steuertatbestand (Fellner, a.a.O. Rz 49 und 55a zu § 2 ErbStG; Dorazil/Taucher a.a.O. Anm. 6.24ff zu § 2 ErbStG). Der Tatbestand nach § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG ist (ebenso wie der nach Z. 2 der zitierten Gesetzesstelle) ein Ersatztatbestand, der wesensgleich den echten Zuwendungen von Todes wegen Vermögensübertragungen erfasst, die keine echten Zuwendungen von Todes wegen sind (Dorazil/Taucher a.a.O. Anm. 6.1.1 zu § 2 ErbStG). Die Versicherungssumme einer Lebensversicherung zugunsten eines im Versicherungsvertrag benannten Bezugsberechtigten gewährt der berechtigten Person einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer und fällt nicht in den Nachlass (Kapp/Ebeling, ErbStG-Kommentar Rz 265 zu
§ 3d ErbStG; Welser in Rummel, ABGB I3 Rz 10 zu § 531 ABGB mwN).
§ 27 ErbStG bestimmt:
"Auf Grund der Steuererklärung ist der ihr entsprechende Betrag der Steuer vom Finanzamt vorläufig festzusetzen. Der festgesetzte Betrag wird binnen einem Monat nach der Zustellung des Steuerbescheides fällig."
Diese Bestimmung ist geltendes und anwendbares Recht (Stoll, BAO-Kommentar II, 2106 Abs. 2). Die vorläufige Abgabenfestsetzung nach dieser Gesetzesstelle dient dazu, die Abgabe möglichst rasch und vor der genauen Ermittlung des Sachverhaltes festsetzen zu können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 91/16/0137 mwN). Daneben kann eine vorläufige Festsetzung auch auf Grund des § 200 Abs. 1 BAO erfolgen (Stoll a.a.O.), welche Bestimmung lautet wie folgt:
"(1) Die Abgabenbehörde kann die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Ersetzung des vorläufigen durch einen anderen vorläufigen Bescheid ist im Fall der teilweisen Beseitigung der Ungewissheit zulässig."
§ 207 Abs. 2 BAO bestimmt:
"(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Bei hinterzogenen Abgaben beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen oder Abgabenerhöhungen festzusetzen verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe."
Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a) BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.
Gemäß § 208 Abs. 2 leg. cit. beginnt u.a. im Fall der Erbschaftssteuer, wenn eine ordnungsgemäße Anzeige des Erwerbsvorganges unterlassen wurde, die Verjährung des Rechtes zur Festsetzung, mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von dem Erwerbsvorgang Kenntnis erlangt. Das war vorliegendenfalls der Ablauf des Jahres 1992.
Gemäß § 209 Abs. 1 leg. cit. wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Am deutlichsten unterbricht die Erlassung von Abgabenbescheiden die Verjährung, wozu auch vorläufige Bescheide gehören (Stoll a.a.O. 2187 Abs. 2).
Die Unterbrechungswirkung setzt allerdings die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches voraus (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 2000, Zl. 99/16/0379; 23. Mai 1991, Zl. 89/17/0183; 27. April 1987, Zl. 85/15/0323 Slg. N.F. 6211/F u.a.; ebenso Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 3 zu § 209 BAO und Stoll a.a.O. 2196 Abs. 2).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall der Abgabenbehörde erster Instanz bereits am 24. Februar bzw. 14. Mai 1992 die Erfüllung des bestimmten Abgabentatbestandes gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG und die Beschwerdeführerin als Abgabenschuldnerin bekannt waren. Nichts hat die Abgabenbehörde daran gehindert, jedenfalls die beiden Lebensversicherungssummen im Wege eines vorläufigen Bescheides - sei es gemäß § 27 ErbStG, sei es gemäß § 200 Abs. 1 BAO - zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung der Besteuerung zu unterwerfen. Die Abgabenbehörde ist hier einem jener Gläubiger vergleichbar, denen Säumigkeit mit der Rechnungslegung zur Last fällt (vgl. dazu die von Schubert in Rummel, ABGB II2 1218 unter Rz 3 zu § 1478 ABGB referierte Rechtsprechung des OGH: SZ 38/44, SZ 43/112 und HS 13304).
Die Verjährung der Besteuerung der in Rede stehenden Lebensversicherungssummen hat demnach mit Ablauf des Jahres 1992 zu laufen begonnen. Da die eingangs wiedergegebenen Anfragen der Abgabenbehörde erster Instanz an das Abhandlungsgericht bzw. die Meldebehörden nicht den auf § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG gestützten Abgabentatbestand betrafen, sondern ohne weitere Konkretisierung ganz allgemein "erbschaftssteuerlichen Zwecken" dienten, kann ihnen in Bezug auf die der Abgabenbehörde bereits 1992 vollständig bekannte Verwirklichung des Abgabentatbestandes gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG die Unterbrechungswirkung des § 209 Abs. 1 BAO nicht zukommen (vgl. dazu z.B. den Fall des hg. Erkenntnisses vom 12. Dezember 1960, Zl. 840/56, Slg. N.F. 2342/F, in dem ausgesprochen wurde, dass allgemeine Aufforderungen zur Bekanntgabe von Umsätzen an eine Gemeinde, die mehrere Betriebe gewerblicher Art betrieb, die Verjährung des Rechtes zur Bemessung der Umsatzsteuer für einen konkreten dieser Betriebe nicht unterbrochen hat).
Aus diesem Grund haftet dem angefochtenen Bescheid die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes an, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
Wien, am 17. Mai 2001
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