BVwG W242 2235969-1

BVwGW242 2235969-113.7.2021

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W242.2235969.1.00

 

Spruch:

 

W242 2235971-1/15E

W242 2235974-1/15E

W242 2235973-1/13E

W242 2235969-1/11E

W242 2235975-1/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerden des 1.) XXXX , geb. XXXX , der 2.) XXXX , geb. XXXX , des 3.) XXXX , geb. XXXX , des 4.) XXXX , geb. XXXX und der XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Aserbaidschan, der minderjährige Drittbeschwerdeführer, der minderjährige Viertbeschwerdeführer und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin vertreten durch den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin, alle vertreten durch die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2020, 1.) Zl. XXXX , 2.) Zl. XXXX , 3.) Zl. XXXX , 4.) Zl. XXXX und 5.) Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.05.2021, zu Recht:

 

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), beide Staatsangehörige Aserbaidschans, sind verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3), des minderjährigen Viertbeschwerdeführers (im Folgenden: BF4) und der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF5).

 

Die Beschwerdeführer reisten im September 2019 von Aserbaidschan mit dem Flugzeug nach Ungarn und anschließend mit dem Bus weiter nach Deutschland, wo sie am 23.09.2019 ankamen. Anschließend begaben sich die Beschwerdeführer nach Österreich und stellten am XXXX 2019 Anträge auf internationalen Schutz.

 

Am selben Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für Türkisch die niederschriftliche Erstbefragung des BF1, der BF2 und des BF3 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

 

Dabei gab der BF1 zu seinen Fluchtgründen an, dass er sich in Aserbaidschan gegen das Regime gewandt und öffentlich demonstriert habe, weshalb er am XXXX 2017 festgenommen und drei Monate in Haft angehalten worden sei. Am XXXX 2018 sei er erneut für zwölf Tage verhaftet und zusammengeschlagen worden. Am XXXX 2019 sei ihm vom Gericht mitgeteilt worden, dass er sich für seine Tätigkeiten verantworten müsse. Er habe gewusst, dass er für lange Zeit verurteilt werden würde und womöglich im Gefängnis sterben werde, weshalb er mit seiner Familie geflüchtet sei.

 

Die BF2 wiederholte im Wesentlichen die vom BF1 angegebenen Fluchtgründe und ergänzte, dass die Polizei bei ihnen zu Hause gewesen und ihr gegenüber handgreiflich geworden sei. Außerdem sei es zu einem Vorfall in der Schule ihrer Kinder gekommen, bei dem diese von fremden Männern abgeholt werden sollten. Sie habe die Kinder daraufhin aus der Schule genommen und einige Zeit nicht mehr dorthin gehen lassen. Sie vermute, dass es sich bei den Männern um Leute der Regierung gehandelt habe, die ihnen hätten schaden wollen.

 

Der BF3 führte zu den Fluchtgründen aus, dass er die Gründe für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat nicht kenne. Der BF1 habe lediglich vor ein oder zwei Monaten gesagt, dass sie das Land verlassen müssten. Ob der BF1 im Gefängnis gewesen sei, wisse er nicht.

 

Eine im Zuge der Erstbefragung durchgeführte EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführer zuvor jeweils am XXXX 2018 und XXXX 2018 in Deutschland (EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie „1“) Anträge auf internationalen Schutz gestellt hatten.

 

Am XXXX 2020 wurde der BF1 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass seine Probleme mit den Demonstrationen am XXXX 2019 begonnen hätten. Er sei vom Bezirksgericht zu 15 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt und währenddessen geschlagen und mit Strom gefoltert worden, bis er ohnmächtig geworden sei und habe anschließend fünf Tage im Spital behandelt werden müssen. Als er sich an die Ombudsfrau gewandt und anschließend bei der Staatsanwaltschaft wegen der Folter ausgesagt habe, habe die Polizei von ihm verlangt, die Aussage zurückzuziehen und ihn mit dem Tod bedroht. Unbekannte hätten sich in der Schule seiner Kinder nach den Schulterminen erkundigt, sodass sie diese immer zur Schule begleitet hätten. Ein anderes Mal sei er mit zwei anderen Parteimitgliedern von der Polizei verhaftet und immer wieder geschlagen worden bis er ohnmächtig geworden sei und habe anschließend zwölf Tage im Spital und danach zu Hause behandelt werden müssen. Als er mit seinen Kindern in Moskau gewesen sei, seien vier Polizisten bei ihm eingebrochen, um nach ihm zu suchen und ihn festzunehmen. Sie hätten seine Frau vor den Augen seiner achtjährigen Tochter geschlagen, weshalb sie zwei Tage im Spital gewesen sei. Als er zurückgekommen sei, sei er am Flughafen verhaftet worden, habe einen Tag in Schubhaft und anschließend 20 Tage im Gefängnis verbracht. Die Freunde seines Bruders hätten 25 000 Dollar Lösegeld organisiert, um ihn frei zu bekommen. Der Staatsanwalt, der das Lösegeld übernommen habe, habe ihm empfohlen, das Land zu verlassen. Anschließend sei er untergetaucht um die Ausreise zu organisieren.

 

Am XXXX 2020 fand in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Aserbaidschanisch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Einvernahme der BF2 und des BF3 statt.

 

Die BF2 führte zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass ihr Ehemann in Aserbaidschan Probleme mit dem Staat und der Polizei habe, weil er die Wahrheit gesagt und bei Meetings teilgenommen habe. An einem Feiertag, der „res publica“ genannt werde, sei er geschlagen worden. Er sei zwölf Tage in Behandlung gewesen. Als sie mit ihrer Tochter alleine zu Hause gewesen sei, seien Beamte in der Wohnung gewesen und hätten auch sie geschlagen.

 

Der BF3 gab zu seinen Fluchtgründen an, dass es für sie und seinen Vater gefährlich geworden sei. Er selbst sei nicht bedroht worden, seine Mutter und sein Vater allerdings schon. Sein Vater sei von Polizeibeamten mit dem Tod bedroht worden und dreimal inhaftiert gewesen, er wisse allerdings nicht, was der Grund dafür gewesen sei. Seine Mutter habe überall auf den Händen und Knien Wunden und Prellungen von den Schlägen gehabt. In der Schule habe er keine Probleme gehabt, seine Lehrerin habe jedoch erzählt, dass einmal zwei Männer dort aufgetaucht seien und die Stundenpläne von ihm und seinem Bruder mitgenommen hätten.

 

Mit den angefochtenen Bescheiden vom XXXX 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Aserbaidschan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

 

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dem BF1 und der BF2 sei es nicht gelungen, ihre Fluchtgründe glaubhaft darzulegen. Für den BF3, den BF4 und die BF5 seien keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden. Die Beschwerdeführer hätten bis zu ihrer Ausreise durchgehend in ihrem Herkunftsstaat gelebt. Der BF1 habe zwei abgeschlossene Studien. Der BF1 und die BF2 seien gesund und arbeitsfähig und hätten in Aserbaidschan Berufserfahrung gesammelt. Zudem lebe der Bruder des BF1 in Aserbaidschan, auf dessen Unterstützung die Beschwerdeführer zurückgreifen könnten. Insgesamt sei dem BF1 und der BF2 daher zuzutrauen, dass sie im Falle der Rückkehr eine Existenzgrundlage für sich und ihre Kinder schaffen könnten und nicht der Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wären. Die Beschwerdeführer seien erst im September 2019 nach Österreich gereist und hätten ihren Aufenthalt lediglich mit der Stellung eines ungerechtfertigten Asylantrags begründet. Demgegenüber werde ein Eingriff in ihre privaten Interessen schon dadurch relativiert, dass sie ihr gesamtes bisheriges Leben in Aserbaidschan verbracht hätten, weshalb das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege und die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

 

Am XXXX 2020 übermittelte die BF2 ein Zeugnis über die bestandene Integrationsprüfung auf Sprachniveau A1.

 

Mit Schreiben vom XXXX 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern Gelegenheit, binnen zwei Wochen die Einvernahme von Zeugen unter Angabe einer ladungsfähigen Adresse und des genau bezeichneten Beweisthemas zu beantragen sowie die als Beweismittel beabsichtigten Urkunden und Dokumente im Original sowie in Kopie vorzulegen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass fremdsprachigen Dokumenten eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist.

 

Am XXXX 2021 übermittelte der BF1 ein Zeugnis über die bestandene ÖIF-Deutschprüfung auf Sprachniveau A1.

 

Mit Schriftsatz vom XXXX 2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am XXXX 2021, übermittelten die Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen, gaben ihren nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter bekannt, beantragten (näher bezeichnete) Ermittlungen im Herkunftsstaat zum Beweis dafür, dass sie in Aserbaidschan aufgrund oppositioneller Tätigkeit und Teilnahme an Demonstrationen für Menschenrechte willkürlich inhaftiert, gefoltert und verletzt worden seien sowie die Einvernahme zweier Ärzte aus Baku zum Beweis dafür, dass die in den von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen dokumentierten Verletzungen aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen und willkürlicher Staatsgewalt erfolgt seien und ergänzten ihre bisherigen Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen sowie dahingehend, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die angefochtenen Bescheide judikaturwidrig begründet habe.

 

Am 12.05.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Aserbaidschanisch sowie des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF1 und die BF2 ausführliche zu ihrer Identität und Herkunft sowie ihren persönlichen Lebensumständen in Aserbaidschan, ihren Fluchtgründen und ihrer Integration in Österreich befragt wurden. Nach Rücksprache mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter und Belehrung durch den erkennenden Richter verzichteten der BF1 und die BF2 ausdrücklich auf die Einvernahme der minderjährigen Beschwerdeführer.

 

Am XXXX 2021 beantragten die Beschwerdeführer die Übermittlung von Kopien der dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Original vorgelegten Unterlagen, die das Bundesverwaltungsgericht am XXXX 2021 übermittelte.

 

Mit Schriftsatz vom XXXX 2021 beantragten die Beschwerdeführer die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und in eventu die Neudurchführung der mündlichen Verhandlung und brachten dazu vor, dass der in der Verhandlung beigezogene Dolmetscher zugesagt habe, an einer für XXXX 2021 geplanten Besprechung mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter teilzunehmen und dazu an die bekanntgegebene E-Mail-Adresse eine Einladung zur Zoom-Konferenz erhalten habe. Die Einladung sei jedoch von der offiziellen E-Mail-Adresse der Botschaft der Republik Aserbaidschan angenommen worden. Da der Dolmetscher offensichtlich für jenen Staat arbeite, vor dem die Beschwerdeführer Schutz beantragt hätten und über detaillierte Informationen ihres Fluchtvorbringens verfüge, bestünden erhebliche Bedenken an der Unbefangenheit des vermeintlich unabhängigen Dolmetschers.

 

Am XXXX 2021 übermittelten die Beschwerdeführer Unterlagen zu den Beschäftigungs- und Vermögensverhältnissen des BF1 und der BF2 im Herkunftsstaat.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführer:

 

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten und sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan. Ihre Identität steht fest. Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Aserbaidschaner an. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Aserbaidschanisch. Der BF1 und die BF2 sind verheiratet. Der BF3, der BF4 und die BF5 sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder.

 

Der BF1 schloss in Aserbaidschan zwei Studien ab, war bis zumindest Juni 2019 durchgehend berufstätig. Die BF2 absolvierte eine Ausbildung zur Konditorin, arbeitete vor ihre Ehe drei Jahre bei einem Mineralölunternehmen und nahm anschließend gelegentlich private Backaufträge an. Die Beschwerdeführer lebten in Baku gemeinsam in einer 88 m2 großen Eigentumswohnung die nach wie vor im Eigentum des BF1 steht. Die BF2 ist zur Hälfte Eigentümerin eines Landhauses samt Grundstück im Ausmaß von insgesamt 1.200 m2, das vorher im Eigentum ihrer Eltern stand.

 

Der BF3, der BF4 und die BF5 sind in Aserbaidschan geboren und besuchten dort bis zu ihrer Ausreise die Schule.

 

Die Beschwerdeführer sind in Baku in einer Wohnung, die den Eltern des BF1 gehörte und die sich in der Nähe ihrer eigenen Wohnung befindet, behördlich gemeldet. Derzeit lebt der Bruder des BF1, zu dem die Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt haben, in der Wohnung. Darüber hinaus hat der BF1 mehrere Cousins und Cousinen in Aserbaidschan. Die BF2 hat regelmäßig Kontakt zu ihren Cousinen in Aserbaidschan.

 

Die Beschwerdeführer sind gesund.

 

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

 

Die Beschwerdeführer reisten im September 2019 mit einem von der ungarischen Botschaft in Baku ausgestellten Schengen-Visum („C-Visum“) über Ungarn und Deutschland nach Österreich und stellten am XXXX 2019 Anträge auf internationalen Schutz.

 

Die Beschwerdeführer leben gemeinsam in einer Unterkunft der Caritas und beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

 

Der BF1 und die BF2 sind in der Lage, eine kurze Unterhaltung auf Deutsch zu führen. Sie besuchten mehrere Deutschkurse, bestanden die ÖIF-Integrationsprüfung auf Sprachniveau A1 und verrichten gemeinnützige Tätigkeiten.

 

Der BF3, spricht sehr gut Deutsch, schloss am XXXX 2020 die ÖIF-Integrationsprüfung auf Sprachniveau A2 positiv ab, besuchte in den beiden vergangenen Schuljahren die Polytechnische Schule und wurde zuletzt in allen Fächern positiv beurteilt. Für das Schuljahr 2021/2022 hat er eine Zusage einer Handelsschule. Der BF4 besuchte im zweiten Semester des Schuljahres 2019/2020 die dritte Klasse sowie im vergangenen Schuljahr die vierte Klasse einer Mittelschule und nahm von XXXX 2020 bis XXXX 2020 an der Sommerschule teil. Die BF5 ging im Schuljahr 2019/2020 in die erste Klasse sowie im vergangenen Schuljahr in die zweite Klasse Volksschule und nahm von XXXX 2020 bis XXXX 2020 an der Sommerschule teil.

 

Die Beschwerdeführer haben regelmäßig Kontakt zu ihren Nachbarn. Sie haben in Österreich keine Familienangehörigen.

 

Der BF1, die BF2, der BF3 und der BF4 sind in Österreich unbescholten, die BF5 ist nicht strafmündig.

 

Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

 

Fest steht, dass die Beschwerdeführer keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt sind, aufgrund einer (unterstellten) politischen Gesinnung des BF1 in Aserbaidschan mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

 

Auch sonst sind die Beschwerdeführer keiner Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Aserbaidschan mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

 

Weiters steht fest, dass den Beschwerdeführern in Aserbaidschan weder die Todesstrafe noch die Androhung oder Anwendung von Folter droht und sie ihre grundlegenden Lebensbedürfnisse wie Nahrung Kleidung und Unterkunft befriedigen können, ohne in eine ausweglose oder existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Zur maßgeblichen Situation in Aserbaidschan:

 

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 10.12.2020, wiedergegeben:

 

1. Politische Lage

Aserbaidschan ist eine Präsidialrepublik. Staatspräsident Ilham Aliyev, der 2003 seinem Vater Heydar Aliyev nachgefolgt ist, dominiert das politische Leben. Die Nationalversammlung (Milli Mejlis) wirkt an der Gesetzgebung mit, spielt aber eine deutlich nachgeordnete Rolle (AA 17.11.2020). Die Verfassung räumt dem Präsidenten weitreichende Vollmachten ein. Er ernennt und entlässt mit Zustimmung der Nationalversammlung den Ministerpräsidenten; ohne Beteiligung der Nationalversammlung ernennt und entlässt er die Minister sowie die Gouverneure und Vize-Gouverneure der regionalen Verwaltungsbezirke (AA 17.11.2020). Das Parlament und die kommunalen Vertreter, obgleich vom Volk nominell gewählt, bleiben machtlose Teilnehmer im politischen Entscheidungsprozess. Dennoch schränken die Eigeninteressen der staatlichen Elite, der Oligarchen, der Regierungsminister und anderer hochrangiger Amtsträger die Entscheidungsfindung des Präsidenten bis zu einem gewissen Grad ein. Parlamentarier sind oft Schützlinge und Verwandte von Oligarchen (BTI 2020).

Die Präsidentschaftswahlen am 11.04.2018 sowie die vorgezogenen Parlamentswahlen am 09.02.2020 entsprachen nach Ansicht der internationalen Wahlbeobachter der ODIHR-Mission und des Auswärtigen Amts nicht den international anerkannten Standards. Während die Regierung regelmäßig auf administrative Ressourcen und die überwiegend staatlich kontrollierten traditionellen und zunehmend auch elektronischen Medien zurückgreift, werden die Versuche der Opposition, sich öffentlich zu versammeln oder sonst öffentlich wahrnehmbar zu äußern, deutlich und systematisch erschwert. Die Verfassung enthält den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 7 Abs. 3), wonach die Nationalversammlung („Milli Mejlis“) die gesetzgebende, der Staatspräsident die vollziehende und die Gerichte die rechtsprechende Gewalt ausüben. Das Einkammerparlament besteht aus 125 nach absolutem Mehrheitswahlrecht gewählten Abgeordneten. Das legislative Vorschlagsrecht haben der Präsident, das Oberste Gericht, das Parlament der autonomen Republik Nachitschewan und der Generalstaatsanwalt. In der Praxis gehen die von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetze oft auf Initiativen des Präsidialamtes zurück. Parteien sind in Aserbaidschan nur rudimentär ausgeprägt. Die Rechtsprechung wird durch den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, Berufungsgerichte, erstinstanzliche Bezirksgerichte und Gerichte mit Sonderzuständigkeiten ausgeübt (AA 17.11.2020).

Bei der Parlamentswahl im Februar 2020 hat die bisherige Regierungspartei nach offiziellen Angaben die absolute Mehrheit geholt. Die Partei des seit 2003 mit harter Hand regierenden Präsidenten Ilham Alijew hat sich bei der vorgezogenen Wahl 65 der 125 Sitze im Parlament gesichert (DW 10.2.2020).

Internationale Wahlbeobachtungsmissionen stellten ernsthafte Unregelmäßigkeiten in allen Phasen des Wahlprozesses fest (vgl. DW 10.2.2020) und kritisierten den Mangel an echtem demokratischen Wettbewerb. Aserbaidschan ist Mitglied des Europarats und Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention. Jedoch unterliegen Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit erheblichen Einschränkungen. Die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen ist deutlich erschwert (AA 26.2.2020a).

[…]

2. Sicherheitslage

Die Kriminalitätsrate in Aserbaidschan ist niedrig. Der bewaffnete Konflikt um die Region Bergkarabach sowie die im Südwesten und Westen Aserbaidschans gelegenen, bisher von armenischen Streitkräften besetzten Bezirke Agdam, Füsuli, Dschabrayil, Sangilan, Kubadli, Ladschin und Kalbadschar ist durch den Waffenstillstand aufgrund der Dreiseitigen Erklärung zwischen Aserbaidschan, Armenien und Russland vom 9. November 2020 zunächst beendet. Es wird sich zeigen müssen, inwieweit sich das Abkommen auf die Sicherheitslage auswirkt (EDA 9.12.2020). Es besteht Minengefahr und teilweise auch Gefahr durch Blindgänger. Dies gilt in gleichem Maße für die aserbaidschanisch-armenische Landesgrenze, einschließlich der Grenze zwischen der aserbaidschanischen Autonomen Republik Nachitschewan und Armenien. Die Einreise in die nach wie vor von Aserbaidschan nicht kontrollierten Teile Berg-Karabachs (Gebiete nördlich und westlich von Schuscha, Latschin-Korridor) ohne eine entsprechende aserbaidschanische Erlaubnis stellte nach aserbaidschanischem Recht bisher einen Straftatbestand dar und führte zur Einreiseverweigerung für Aserbaidschan. Diese Gebiete werden derzeit von russischen Truppen kontrolliert. Die sieben Bezirke südlich und westlich von Bergkarabach stehen zwar wieder unter aserbaidschanischer Hoheit, sind aber aus Sicherheitsgründen nicht zu bereisen. Es gibt weder eine gesicherte Verwaltung noch Regelungen für das Betreten dieser Gebiete. Da weiterhin Kriegsrecht gilt, ist bei Zuwiderhandlungen wahrscheinlich mit Anwendung des Militärstrafrechts zu rechnen (AA 3.12.2020). Das Kriegsrecht berechtigt die Regierung im Prinzip, verschiedene Einschränkungen gegen Grundrechte wie Versammlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit zu verfügen. Im Übrigen ist das Land politisch stabil (EDA 9.12.2020).

[…]

3. Rechtsschutz / Justizwesen

In politisch relevanten Fällen wird der Grundsatz der Unschuldsvermutung, den die Verfassung in Art. 63 garantiert, regelmäßig nicht beachtet; Erklärungen der Staatsanwaltschaft und des Innenministeriums enthalten oft Vorverurteilungen. Ungeachtet zahlreicher Gesetze, die sich an westlichen Standards orientieren, bleibt die Rechtsanwendung hinter den Standards des Europarats zurück. Die Rechtsprechung ist zwar formell unabhängig, steht aber faktisch unter dem Einfluss der Regierungsgewalt. Insbesondere in den Verfahren, die von politischer Bedeutung sind (wie z.B. Strafverfahren gegen kritische Journalisten und oppositionelle Menschenrechtsaktivisten), scheinen die Urteile politischen Vorgaben zu folgen. Bei Urteilen zulasten der Regierung sind Umsetzung bzw. Vollstreckung problematisch. Die Medien, insbesondere staatlich kontrollierte Druckpresse und Fernsehen, werden gelegentlich für Hetzkampagnen gegen regierungskritische Organisationen oder Individuen missbraucht. Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe diskriminiert, lässt sich grundsätzlich nicht feststellen. Personen, die des Umsturzversuches oder des Terrorismus bezichtigt werden, müssen aber in besonderem Maße mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Auf Jugendliche über 16 Jahre wird Erwachsenenstrafrecht angewendet. Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren sind nur bei bestimmten Verbrechen, wie z.B. Mord, Vergewaltigung und schwerer Sachbeschädigung, strafmündig. Kinder unter 14 sind strafunmündig. Für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren bestehen im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe Erziehungsanstalten, in die sie eingewiesen werden können. Jeder Bürger des Landes, der sich durch einen Akt staatlicher Gewalt in diesen Grundrechten verletzt sieht, kann im Wege einer Individualbeschwerde den Rechtsweg zum Verfassungsgericht beschreiten (AA 17.11.2020).

Es gibt keine unabhängige Justiz. Die Gerichte sind korrupt und funktionieren als Strafmechanismus in den Händen der Exekutive. Die Situation hat sich durch eine Welle von Berufsverboten unabhängiger Verteidiger weiter verschlechtert. Die Regierung mischt sich massiv ein und hat das letzte Wort bei Gerichtsentscheidungen in politischen, wirtschaftlichen und anderen sensiblen Fällen. Verteidiger spielen in hohem Maße nur eine formale Rolle und haben nur geringen Einfluss auf Gerichtsentscheidungen. Die Anwaltskammer wird ebenfalls von der Exekutive kontrolliert und häufig als Instrument zur Bestrafung unabhängiger Verteidiger eingesetzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (ECHR) bleibt weitgehend die letzte vertrauenswürdige Chance für Rechtssuchende in Aserbaidschan. In den letzten Jahren hat die Regierung jedoch die Entscheidungen des ECHR verzögert (BTI 2020).

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, agieren die Richter nicht unabhängig von der Exekutive. Die Justiz bleibt weitgehend korrupt und ineffizient. Viele Urteile sind rechtlich nicht haltbar und stehen weitgehend in keinem Zusammenhang mit den während des Prozesses vorgelegten Beweisen. Die Ergebnisse erschieinen häufig vorgegeben. Die Gerichte verabsäumen es oft, Vorwürfe der Folter und der unmenschlichen Behandlung von Häftlingen in Polizeigewahrsam zu untersuchen. Das Justizministerium kontrolliert den Justizverwaltungsrat. Der Rat ernennt einen Auswahlausschuss (sechs Richter, einen Staatsanwalt, einen Rechtsanwalt, einen Ratsvertreter, einen Vertreter des Justizministeriums und einen Rechtswissenschaftler), der das gerichtliche Auswahlverfahren und die Prüfung administriert und die langfristige juristischen Ausbildung überwacht. Glaubwürdige Berichte zeigen, dass Richter und Staatsanwälte Anweisungen von der Präsidialverwaltung und dem Justizministerium erhalten, insbesondere in politisch sensiblen Fällen. Es gibt glaubwürdige Anschuldigungen, dass Richter routinemäßig Bestechungsgelder annahmen. Am 3.4.2019 unterzeichnete der Präsident ein Dekret über begrenzte Reformen im Justizsektor. Das Dekret forderte eine Erhöhung der Richtergehälter, eine Erhöhung der Zahl der Richterposten (von 600 auf 800), Tonaufnahmen aller Gerichtsverfahren und die Einrichtung spezialisierter Handelsgerichte für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Unternehmertum. Das Dekret ordnete auch eine Erhöhung der Mittel für die kostenlose Prozesskostenhilfe an.

Das Gesetz schreibt die Unschuldsvermutung in Strafsachen vor. Es schreibt auch das Recht der Angeklagten vor, unverzüglich über die Anklagepunkte informiert zu werden, ein faires, zeitgerechtes und öffentliches Verfahren zu erhalten, bei der Verhandlung anwesend zu sein, mit einem Anwalt ihrer Wahl zu kommunizieren (oder einen Anwalt auf öffentliche Kosten stellen zu lassen, wenn sie nicht in der Lage sind, die Kosten zu tragen), angemessene Zeit und Einrichtungen zur Vorbereitung der Verteidigung bereitzustellen, vom Zeitpunkt der Anklageerhebung an in allen Berufungsverfahren unentgeltlich Dolmetscher zu stellen, Zeugen bei der Verhandlung entgegenzutreten und Zeugenaussagen in der Verhandlung zu präsentieren und nicht gezwungen zu werden, auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. Sowohl Angeklagte als auch Staatsanwälte haben das Recht, Berufung einzulegen. Die Behörden haben diese Bestimmungen in vielen Fällen, die weithin als politisch motiviert galten, nicht eingehalten. Obwohl die Verfassung die Gleichberechtigung von Staatsanwälten und Verteidigern vorschreibt, bevorzugen die Richter bei der Beurteilung von Anträgen, mündlichen Erklärungen und Beweisen, die von Verteidigern vorgelegt werden, oft Staatsanwälte, ohne Rücksicht auf die Begründetheit ihrer jeweiligen Argumente. Die Verfassung verbietet die Verwendung von illegal erlangten Beweisen. Trotz der Behauptungen einiger Angeklagter, dass die Polizei und andere Behörden durch Folter oder Missbrauch eine Zeugenaussage erhielten, berichteten Menschenrechtsbeobachter, dass die Gerichte den Missbrauchsvorwürfen nicht nachgingen, und es gab keinen unabhängigen forensischen Ermittler, der die Behauptungen des Missbrauchs untermauern konnte. Es gab keine wörtlichen Abschriften von Gerichtsverfahren.

Das Gesetz sieht vor, dass Personen, die inhaftiert, verhaftet oder einer Straftat beschuldigt werden, ein ordnungsgemäßes Verfahren erhalten, einschließlich der sofortigen Unterrichtung über ihre Rechte und den Grund ihrer Verhaftung. In Fällen, die als politisch motiviert galten, wurde das ordentliche Verfahren nicht eingehalten, und die Angeklagten wurden unter einer Vielzahl von falschen Anklagen verurteilt. Dem Gesetz nach sind Häftlinge innerhalb von 48 Stunden nach der Verhaftung einem Richter vorzuführen. Der Richter kann dann entweder einen Haftbefehl erlassen, der den Häftling in Untersuchungshaft nimmt oder diesen unter Hausarrest stellt, oder die Freilassung des Häftlings anordnen. In der Praxis haben die Behörden jedoch manchmal Personen für länger als 48 Stunden festgehalten. Die anfängliche Haftzeit von 48 Stunden kann unter bestimmten Umständen auf 96 Stunden verlängert werden. Während der Untersuchungshaft oder des Hausarrests muss die Generalstaatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abschließen. Die Untersuchungshaft ist auf drei Monate begrenzt, kann aber von einem Richter auf bis zu 18 Monate verlängert werden, je nach mutmaßlicher Straftat und den Erfordernissen der Untersuchung. Es gab Berichte darüber, dass Häftlinge nicht umgehend über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen informiert wurden. Es gibt ein formales Kautionssystem, aber die Richter nützten es nicht. Das Gesetz sieht den Zugang zu einem Anwalt ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung vor, aber es gab Berichte, dass die Behörden den Zugang von Anwälten zu Mandanten sowohl in politisch motivierten als auch in Routinefällen häufig verweigerten. Aserbaidschan verfügt über ein Militärgerichtssystem mit zivilen Richtern. Das Militärgericht behält die ursprüngliche Zuständigkeit für alle Fälle im Zusammenhang mit Krieg oder Militärdienst (USDOS 11.3.2020).

Die Justiz ist korrupt und der Exekutive untergeordnet. Die Richter werden vom Parlament auf Vorschlag des Präsidenten ernannt. Die mangelnde politische Unabhängigkeit der Gerichte zeigt sich besonders deutlich in den vielen erfundenen oder anderweitig fehlerhaften Fällen, die gegen Oppositionelle, Aktivisten und kritische Journalisten vorgebracht werden. Die verfassungsmäßigen Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren werden nicht eingehalten. Willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen sind üblich und die Gefangenen werden oft lange Zeit vor dem Prozess festgehalten. Politische Gefangene haben über einen eingeschränkten Zugang zu Rechtsbeistand, das Fälschen und Vorenthalten von Beweisen und über körperliche Misshandlungen zur Erzwingung von Geständnissen berichtet. Obwohl nominell unabhängig, handelt die aserbaidschanische Anwaltskammer auf Anordnung des Justizministeriums und macht sich an der Schikane von Menschenrechtsanwälten mitschuldig. Die 2018 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen sahen vor, dass nur Mitglieder der Anwaltskammer Mandanten vor Gericht vertreten dürfen. Seither hat die Vereinigung die meisten der aktiven Menschenrechtsanwälte des Landes ausgeschlossen, suspendiert oder bedroht, weil sie vor den Medien über Verletzungen der Rechte ihrer Mandanten gesprochen haben. In fast allen Disziplinarfällen haben die Gerichte die Entscheidungen der Anwaltskammer ohne eine gründliche Bewertung oder öffentliche Rechtfertigung bestätigt. Die Strafverfolgungsbehörden überwachten private Telefon- und Online-Kommunikation, insbesondere von Aktivisten, politischen Persönlichkeiten und ausländischen Staatsangehörigen, ohne gerichtliche Aufsicht. Die Verfolgung von Kritikern und ihren Familien durch die Regierung hat die Privatsphäre der gewöhnlichen Einwohner untergraben, genauso wie die Offenheit privater Diskussionen. Sogar Staatsbeamte wurden für ihre Aktivitäten in den sozialen Medien und die ihrer Familienmitglieder bestraft und Aktivisten wurden, aufgrund von nicht damit zusammenhängenden fabrizierten Anklagen, für kritische Facebook-Posts inhaftiert (FH 4.3.2020).

Der Menschenrechtskommissar des Europarates stellte fest, dass Aserbaidschan unter einem erheblichen Mangel an Anwälten leidet. Laut dem Bericht der Europäischen Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) aus dem Jahr 2018 hatte Aserbaidschan zwischen 2010 und 2016 die geringste Anzahl von Anwälten pro 100.000 Einwohner im Gebiet des Europarates: Im Jahr 2016 kamen neun Anwälte auf 100.000 Einwohner, bei einem Durchschnitt von 162 Anwälten pro 100.000 Einwohner in den Mitgliedstaaten des Europarates. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Anwaltskammer und ihre Rolle bei der Vertretung und Verteidigung der Interessen ihrer Mitglieder zu stärken. Der Kommissar ist besorgt über die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen aus unzulässigen Gründen, wie z.B. wegen der Äußerung kritischer Standpunkte, sowie über das Fehlen klarer Kriterien für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen, insbesondere die Verhängung von Berufsverboten, und betont, dass Anwälte ethische Standards einhalten und in der Lage sein sollten, ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen beruflich tätig zu werden (CoE – CommDH 11.12.2019).

[…]

4. Sicherheitsbehörden

Die Polizei untersteht dem Innenministerium, der innenpolitische Staatliche Sicherheitsdienst dem Präsidenten (AA 17.11.2020).

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst sind für die Sicherheit im Land verantwortlich und unterstehen direkt dem Präsidenten. Das Innenministerium unterhält die lokalen Polizeikräfte und interne Zivilschutztruppen. Der Staatssicherheitsdienst ist für innere Angelegenheiten zuständig, und der Auslandsnachrichtendienst konzentriert sich auf Fragen des Auslandsnachrichtendienstes und der Spionageabwehr. NGOs berichten, dass beide Dienste Personen festgenommen haben, die ihr Recht auf Grundfreiheiten ausgeübt haben. Zivile Behörden üben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Die meisten Beamten, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, werden nicht strafrechtlich verfolgt oder bestraft. Straffreiheit bleibt ein Problem. Es gibt mehrere Berichte, dass die Regierung oder ihre Beamten willkürliche oder ungesetzliche Tötungen begingen. Es gibt keine Berichte über Verschwindenlassen durch oder im Namen von Regierungsbehörden (USDOS 11.3.2020).

[…]

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Behörden weisen in der Regel Beschwerden über Folter und andere Misshandlungen in der Haft ab und die Praxis wird ungestraft fortgesetzt (HRW 14.1.2020).

Die Anwendung von Folter ist verboten und steht unter Strafe; ein durch Folter erlangter Beweis darf vor Gericht nicht verwendet werden. Es gibt glaubwürdige Berichte über Misshandlung verhafteter Personen im Polizeigewahrsam. Die überwiegende Zahl der berichteten Vorfälle soll sich auf Polizeistationen bzw. in Untersuchungshaft ereignet haben. Es gibt Hinweise, dass religiös-politische Häftlinge in Gefängnissen einem höheren Risiko von Misshandlungen und Folter im Vergleich zu den „weltlichen“ politischen Gefangenen ausgesetzt sind. Beweise für extralegale Tötungen oder Fälle von „Verschwinden lassen“ liegen nicht vor. Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden nicht praktiziert (AA 17.11.2020).

Während die Verfassung und das Strafgesetzbuch solche Praktiken verbieten, und bei Verurteilung Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren vorsehen sind, gibt es glaubwürdige Vorwürfe wegen Folter und anderen Misshandlungen. Die meisten Misshandlungen finden in Polizeigewahrsam statt (USDOS 11.3.2020), wo die Behörden Berichten zufolge missbräuchliche Methoden zum Erwirken von Geständnissen einsetzen (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.3.2020). Die Gerichte untersuchen Vorwürfe der Folter und der unmenschlichen Behandlung von Häftlingen in Polizeigewahrsam oft nicht. Es gibt auch Berichte über Misshandlungen im Gefängnis (USDOS 11.3.2020).

[…]

6. Korruption

Laut Corruption Perceptions Index von Transparency International belegte Aserbaidschan 2019 den 126. Platz von 180 gelisteten Staaten (TI 1.2020).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht effektiv um und Beamte, die an korrupten Praktiken beteiligt waren, bleiben oft ungestraft. Während die Regierung bei der Bekämpfung der Korruption auf niedriger Ebene einige Fortschritte machte, gibt es weiterhin Berichte über die Korruption von Regierungsbeamten, einschließlich derjenigen auf höchster Ebene. Die Behörden bestrafen weiterhin Personen, die die Korruption der Regierung aufgedeckt hatten. Transparency International und andere Beobachter beschreiben Korruption als weit verbreitet. Es gibt Berichte über Korruption in den Bereichen Exekutive, Legislative und Judikative der Regierung (USDOS 11.3.2020).

Korruption und Bestechung sowie Monopolbildung sind nach wie vor die größten Probleme und betreffen jeden Aspekt des Lebens der aserbaidschanischen Bürger auf allen Ebenen. Auch bei der Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption vor den Gerichten wurden keine wesentlichen Verbesserungen erzielt. In den Urteilen der Zivil- und Strafsachen ist Korruption nach wie vor ein erheblicher Mangel, der die Entscheidungsfindung stark beeinträchtigt. In den letzten Jahren hat die Regierung jedoch einige Anstrengungen unternommen, um die Korruption auf der mittleren und unteren Ebene einzudämmen. Oligarchen auf hoher Ebene sind faktisch immun gegen gerichtliche Verfolgung. Die Staatliche Kommission zur Korruptionsbekämpfung und die Abteilung für Korruptionsbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft sind die wichtigsten Regierungsbehörden für die Korruptionsbekämpfung (BTI 2020).

Korruption ist allgegenwärtig. In Ermangelung einer freien Presse und einer unabhängigen Justiz werden Beamte nur dann für korruptes Verhalten zur Rechenschaft gezogen, wenn es den Bedürfnissen einer mächtigeren oder gut vernetzten Person entspricht (FH 4.3.2020)

Aserbaidschan weist das höchste Ausmaß an Korruption auf. Seine »Beamtenoligarchie« bildete bislang eine machtvolle Verbindung zwischen Staat und Wirtschaft. 2019 sagte Präsident Ilham Alijew Schattenwirtschaft und Korruption den Kampf an und ersetzte einige langjährige Regierungsmitglieder. Experten bezweifeln allerdings, dass damit ein politischer Systemwandel in die Wege geleitet wurde (SWP 5.2020).

[…]

7. Ombudsperson

Bürger können sich bei Verstößen, die vom Staat oder von Einzelpersonen begangen werden, an den Ombudsmann für Menschenrechte für Aserbaidschan oder den Ombudsmann für Menschenrechte der Autonomen Republik Nakhichevan wenden. Der Bürgerbeauftragte kann die Annahme von Missbrauchsfällen ablehnen, die älter als ein Jahr sind, anonym oder bereits von der Justiz bearbeitet werden. Menschenrechts-NGOs kritisierten das Büro des Ombudsmannes als mangelnd unabhängig und ineffektiv in Fällen, die als politisch motiviert gelten. Menschenrechtsbüros in der Nationalversammlung und im Justizministerium hören auch Beschwerden an, führen Untersuchungen durch und geben Empfehlungen an die zuständigen Regierungsbehörden, werden aber ebenfalls beschuldigt, Verletzungen in politisch sensiblen Fällen zu ignorieren. Während das Büro des Ombudsmannes berichtet, systematische Besuche von Gefängnissen und Untersuchungen von Beschwerden von Häftlingen durchzuführen, sagen Aktivisten, dass das Büro regelmäßig Beschwerden von Häftlingen in politisch heiklen Fällen abweist (USDOS 11.3.2020).

Strafgefangene haben die Möglichkeit, sich an die Ombudsfrau des Parlaments zu wenden (AA 17.11.2020).

[…]

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Nach Ansicht unabhängiger Beobachter und Menschenrechtsverteidiger hat sich die Menschenrechtslage speziell im Bereich der politischen Rechte (Meinungs- und Versammlungsfreiheit) nach deutlicher Verschlechterung 2013–2015 nicht wieder verbessert. In den Bereichen wie Frauenrechte und Inklusion von Menschen mit Behinderung zeigt Aserbaidschan allerdings Interesse (AA 17.11.2020).

Zu den Menschenrechtsproblemen gehören unrechtmäßige oder willkürliche Tötung; Folter; willkürliche Inhaftierung; harte und manchmal lebensbedrohliche Haftbedingungen; politische Gefangene; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; allgegenwärtige Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; starke Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Internetfreiheit, einschließlich Gewalt gegen Journalisten, Kriminalisierung von Verleumdung, Belästigung und Inhaftierung von Journalisten aufgrund fragwürdiger Anschuldigungen und Sperrung von Websites; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Zurückschicken von Flüchtlingen in ein Land, in dem sie einer Bedrohung für ihr Leben oder ihrer Freiheit ausgesetzt würden; strenge Einschränkungen der politischen Partizipation; systematische Korruption der Regierung; Festnahme und Folter von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen durch die Polizei; und die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, zu deren Beseitigung die Regierung nur minimale Anstrengungen unternahm. Die Regierung verfolgt oder bestraft die meisten Beamten, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, nicht (USDOS 11.3.2020).

Die aserbaidschanischen Behörden führen weiterhin rigide Kontrollen durch und schränken die Vereinigungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark ein. Die Regierung ließ 2019 über 50 Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Oppositionsaktivisten, religiöse Gläubige und andere vermeintliche Kritiker, die unter politisch motivierten Vorwürfen inhaftiert waren, frei. Mindestens 30 weitere blieben jedoch zu Unrecht inhaftiert, während die Behörden regelmäßig ihre Kritiker und andere abweichende Stimmen ins Visier nehmen. Andere Menschenrechtsprobleme blieben bestehen, darunter Folter und Misshandlung in der Haft, Verletzungen der Versammlungsfreiheit, unangemessene Einmischung in die Arbeit von Anwälten und Einschränkungen der Medienfreiheit. Die Behörden versuchen, Exil-Aktivisten zum Schweigen zu bringen, indem sie ihre Angehörigen in Aserbaidschan einschüchtern. Sicherheitsbeamte verhören wiederholt Angehörige von Aktivisten mit Sitz im Ausland, um sie unter Druck zu setzen, ihre Verwandten zu denunzieren, und drohen ihnen mit Gefängnis, wenn ihre Verwandten ihren Aktivismus fortsetzen (HRW 14.1.2020).

Das Wiedererwachen des zivilen Aktivismus, insbesondere bei der jüngeren Generation, inspiriert durch den arabischen Frühling und die Popularisierung der sozialen Netzwerke, hat in Aserbaidschan zu einer weiteren Unterdrückung der Bürgerrechte und Freiheiten geführt. Die Regierung hat ein umfassendes Vorgehen gegen politische Dissidenten, die Zivilgesellschaft, Menschenrechtsaktivisten, die Medien, internationale NGOs und Jugendorganisationen eingeleitet (BTI 2020).

In Aserbaidschan herrscht ein im regionalen Vergleich bemerkenswertes Maß an Religionsfreiheit und religiöser Toleranz. Aserbaidschan ist Mitglied des Europarats und Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention. Jedoch unterliegen Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit erheblichen Einschränkungen. Die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen ist deutlich erschwert (AA 26.2.2020a).

In der autoritären Regierung Aserbaidschans bleibt die Macht stark in den Händen von Ilham Aliyev konzentriert, der seit 2003 Präsident ist. Die Korruption ist weit verbreitet und nach Jahren der Verfolgung ist die formelle politische Opposition geschwächt. Die Behörden haben in den letzten Jahren die bürgerlichen Freiheiten umfassend unterdrückt, sodass nur wenig Raum für unabhängige Meinungsäußerung oder Aktivismus bleibt. Das autoritäre System in Aserbaidschan schließt die Öffentlichkeit von jeder echten und autonomen politischen Beteiligung aus. Das politische System erlaubt es Frauen oder Minderheitengruppen nicht, sich unabhängig zu organisieren oder für ihre jeweiligen Interessen einzutreten. Es gibt keine sinnvollen Mechanismen zur Förderung einer stärkeren Repräsentation von Frauen und ethnischen oder religiösen Minderheiten. Eine Reihe von Moscheen wurden in den letzten Jahren geschlossen, angeblich wegen Registrierungs- oder Sicherheitsverletzungen. Die Zeugen Jehovas sehen sich Schikanen sowie einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt, weil sie sich dem Militärdienst entzogen haben. Die Eigentumsrechte werden durch von der Regierung unterstützte Entwicklungsprojekte beeinträchtigt, die oft Zwangsräumungen, unrechtmäßige Enteignungen und Abrisse mit kurzzeitiger oder gar keiner Ankündigung nach sich ziehen (FH 4.3.2020).

Seit dem letzten Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Aserbaidschan im Februar 2019 hat sich die Menschenrechtssituation in Aserbaidschan insgesamt nicht verbessert. Ernste Besorgnis besteht nach wie vor über allgegenwärtige Verletzungen der grundlegenden Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, und die staatliche Verfolgung von Regierungskritikern und vermeintlichen Kritikern hält an. Auch das harte Vorgehen gegen die unabhängige Anwaltschaft geht weiter, und Menschenrechtsanwälte unterliegen Disziplinarmaßnahmen, einschließlich des Ausschlusses aus der Anwaltskammer, wenn sie sich in den Fällen ihrer Mandanten zu Verletzungen äußern. Sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei der Umsetzung bestehen nach wie vor Probleme, die Einhaltung nationaler und internationaler Menschenrechtsstandards und -verpflichtungen zu gewährleisten (IPHR 2.2020).

[…]

9. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

9.1. Versammlungsfreiheit

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit sind zahlreichen Beschränkungen unterworfen. Dies gilt besonders für die Versammlungsfreiheit, obwohl Art. 49 der Verfassung dieses Grundrecht garantiert und vorsieht, dass jeder sich nach rechtzeitiger Anmeldung friedlich und ohne Waffen versammeln kann. In der Praxis werden Versammlungen in der Innenstadt von Baku nicht gestattet. Sofern regierungskritische Kundgebungen unangemeldet oder trotz behördlichen Verbots durchgeführt werden, löst die Polizei Menschenansammlungen notfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwangs auf. Regelmäßig werden die Teilnehmer an solchen Aktionen festgenommen, aber meistens nach wenigen Stunden (oder zuweilen Tagen) wieder auf freien Fuß gesetzt. Es kann auch mit „vorbeugenden“ administrativen Arresten vor angekündigten Demonstrationen gerechnet werden. Für Versammlungen in geschlossenen/privaten Räumen sieht das Gesetz keine Beschränkungen vor. Die Anmietung von Konferenzräumen ist jedoch für kritische Zivilgesellschaftsvertreter oder Oppositionelle insbesondere in den Gebieten außerhalb der Hauptstadt so gut wie unmöglich (AA 17.11.2020).

Die Regierung schränkt die Versammlungsfreiheit stark ein. Die Behörden reagierten manchmal auf friedliche Proteste und Versammlungen, indem sie Gewalt anwenden und Demonstranten festnehmen. Während die Verfassung vorsieht, dass sich Gruppen nach vorheriger Verständigung der zuständigen Regierungsstelle friedlich versammeln können, interpretiert die Regierung diese Bestimmung weiterhin als Voraussetzung für eine vorherige Genehmigung. Die lokalen Behörden verlangen, dass alle Kundgebungen vorab genehmigt und an den vorgesehenen Orten durchgeführt werden müssen. Die meisten politischen Parteien und NGOs kritisieren die Anforderungen als inakzeptabel und bezeichnen sie als verfassungswidrig (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz schränkt die Versammlungsfreiheit, die vom Schutz der "öffentlichen Ordnung und Moral" abhängig ist, stark ein. Aktivisten haben sich darüber beschwert, dass die Hindernisse für öffentliche Versammlungen in der Praxis zusätzliche, außergesetzliche Maßnahmen umfassen. Ungenehmigte Versammlungen können eine harte Reaktion der Polizei und Geldstrafen für die Teilnehmer nach sich ziehen. Die Regierung hat die Erteilung von Genehmigungen für Kundgebungen in Baku im Frühjahr 2019 weitgehend eingestellt. Selbst wenn die Genehmigungen erteilt werden, beschränkt die Regierung Demonstrationen in der Regel auf relativ isolierte Orte, wo sie die Teilnehmer mithilfe von Gesichtserkennungstechnologie und Handydaten verfolgen kann (FH 4.3.2020).

Aserbaidschan verhängt ein pauschales Verbot von Protesten in den zentralen Gebieten Bakus und bietet stattdessen den Demonstranten einen abgelegenen Ort am Stadtrand für Kundgebungen an. Im Jahr 2019 war die Zahl der Personen, die wegen angeblicher Verstöße gegen die restriktiven Vorschriften des Landes über öffentliche Versammlungen mit Bußgeldern oder kurzen Gefängnisstrafen belegt wurden, um ein Vielfaches höher als im gesamten Jahr 2018. Die Polizei machte auch Hausbesuche, um Menschen zu warnen, die in sozialen Medien angegeben hatten, dass sie an Kundgebungen teilnehmen würden. Tage vor einem der Proteste nahm die Polizei die meisten der Protestveranstalter fest (HRW 14.1.2020).

[…]

9.2. Opposition

Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition sind eingeschränkt. Mitglieder und Sympathisanten regierungskritischer Oppositionsparteien und -bewegungen (insbesondere Volksfront, „Musavat“, REAL, Jugendbewegung NIDA) können im Alltag Benachteiligungen ausgesetzt werden. Diese richten sich insbesondere gegen Funktionäre bzw. politisch aktive Parteimitglieder. Während die Regierung regelmäßig auf administrative Ressourcen und die überwiegend staatlich kontrollierten traditionellen und zunehmend auch elektronischen Medien zurückgreift, werden die Versuche der Opposition, sich öffentlich zu versammeln oder sonst öffentlich wahrnehmbar zu äußern, deutlich und systematisch erschwert. Oppositionelle Aktivisten setzen sich einem Risiko aus, aufgrund ihres politischen Engagements Nachteile einschließlich gewaltsamer Übergriffe, willkürlicher Verhaftungen und deutlicher Beeinträchtigungen ihrer wirtschaftlichen Existenz zu erleiden. Die Anmietung von Konferenzräumen ist für kritische Zivilgesellschaftsvertreter oder Oppositionelle insbesondere in den Gebieten außerhalb der Hauptstadt so gut wie unmöglich (AA 17.11.2020).

Während es viele politische Parteien gibt, dominierte die regierende Yeni Azerbaijan Party das politische System. Inländische Beobachter berichten, dass die Mitgliedschaft in der regierenden Partei Vorteile mit sich brächte, wie z.B. die Bevorzugung bei öffentlichen Ämtern. Seit 2010 gehören der Nationalversammlung keine Vertreter der wichtigsten Oppositionsparteien des Landes mehr an. Oppositionsmitglieder sind wahrscheinlicher als andere Bürger offiziellen Schikanen, willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen ausgesetzt. Mitglieder oppositioneller politischer Parteien werden weiterhin verhaftet und zu Verwaltungshaft verurteilt, nachdem sie in den sozialen Medien die Regierung kritisiert oder an friedlichen Kundgebungen teilgenommen haben. Die Oppositionsparteien haben nach wie vor Schwierigkeiten bei der Anmietung von Büroräumen, angeblich, weil Immobilienbesitzer offizielle Vergeltungsmaßnahmen befürchten. Regionale Mitglieder der Oppositionspartei müssen oft den Zweck ihrer Versammlungen verbergen und sie in Teehäusern und anderen abgelegenen Orten abhalten. Die Oppositionsparteien sehen sich auch mit Finanzierungshindernissen konfrontiert. So haben die Behörden beispielsweise ihre finanziellen Ressourcen weiter begrenzt, indem sie diejenigen bestrafen, die materielle Unterstützung leisten, die Entlassung von Oppositionsmitgliedern erwirken und wirtschaftlichen Druck auf ihre Familienmitglieder ausüben (USDOS 11.3.2020).

Es gibt zwei große registrierte Oppositionsparteien, nämlich Musavat und die Volksfront. Beide haben sich zu liberal-demokratischen Prinzipien bekannt, aber nie eine klar definierte systematische Förderung dieser Werte verfolgt. Ähnlich wie die herrschende Partei sind sie anfällig für personenbezogene Politik. Der Eintritt westlich gebildeter Jugendlicher in das öffentliche Leben in den letzten Jahren und das Aufkommen einer jungen gesellschaftlichen Mittelschicht und starker mittelständischer Berufstätiger, die am aktiven öffentlichen Leben interessiert sind, haben jedoch den Weg für die Entstehung neuer pro-westlicher politischer Gruppen wie der Republikanischen Alternative (REAL) und der Bürgerbewegung NIDA geebnet. Der Opposition wird der Zugang zu Fernseh- und Rundfunknetzen in Aserbaidschan verweigert. Die Regierung übt Druck auf Hotels und andere Veranstaltungsorte im Land aus, den Oppositionsparteien und unabhängigen NGOs keinen Raum für ihre Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen (BTI 2020).

Das politische Umfeld in Aserbaidschan ist weder pluralistisch noch wettbewerbsfähig. Die Fähigkeit der Oppositionsparteien zu operieren und mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten, ist durch die Dominanz der YAP-Partei begrenzt. Eine Reihe von Gesetzen schränken die Bemühungen der Kandidaten ein, Kundgebungen zu organisieren und durchzuführen. Die politische Opposition hat praktisch keinen Zugang zur Berichterstattung im Fernsehen, das nach wie vor die beliebteste Nachrichtenquelle ist. Eine repressive Medienpolitik und die politischen Rahmenbedingungen machen es den Oppositionsparteien praktisch unmöglich, durch Wahlen an die Macht zu kommen. Oppositionspolitiker und Parteifunktionäre sind willkürlichen Verhaftungen unter zweifelhaften Vorwürfen sowie physischer Gewalt und anderen Formen der Einschüchterung ausgesetzt (FH 4.3.2020).

[…]

10. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes werden durch Europarat und OSZE beobachtet. Die Bedingungen haben sich in zahlreichen Gefängnissen durch Renovierungen und Neubauten, wie etwa in Sheki, weiter verbessert. Es gibt jedoch beträchtliche Niveauunterschiede. Mindestens drei Haftanstalten sind EMRK-konform. Zurzeit werden weitere neue Haftanstalten gebaut, die ebenfalls EMRK-Standards erfüllen sollen. Tuberkulose ist ein Problem, weshalb Häftlinge zu Haftbeginn entsprechend untersucht werden, um eine Ausbreitung in der Anstalt zu unterbinden. Strafgefangene haben die Möglichkeit, sich an die Ombudsfrau des Parlaments zu wenden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Haftbedingungen für politische Straftäter härter sind als die für andere Straftäter. (AA 17.11.2020).

Nach Angaben einer angesehenen Gefängnisüberwachungsorganisation sind die Haftbedingungen mitunter hart und potenziell lebensbedrohlich aufgrund von Überbelegung, unzureichender Ernährung, mangelhafter Heizung, Belüftung und sanitärer Versorgung sowie schlechter medizinischer Versorgung. Weibliche Häftlinge leben in der Regel unter besseren Bedingungen als männliche Häftlinge, werden häufiger überwacht und haben besseren Zugang zu Ausbildung und anderen Aktivitäten, aber Frauengefängnisse leiden unter vielen gleichen Problemen wie Männergefängnisse. Verurteilte jugendliche Straftäter können in speziellen Hafteinrichtungen für Jugendliche bis zum Alter von 20 Jahren festgehalten werden. Während die Regierung weiterhin neue Anlagen baut, entsprechen einige der noch genutzten Anlagen aus der Sowjetzeit nicht den internationalen Standards. Menschenrechtsverteidiger berichten, dass Wachen manchmal Gefangene mit Schlägen oder durch Isolationshaft bestrafen. Ehemalige Häftlinge und Familienmitglieder von inhaftierten Aktivisten berichten, dass Häftlinge oft Bestechungsgelder zahlen müssen, um Familienmitglieder treffen zu können, fernzusehen, Toiletten oder Duschräume zu benutzen oder Lebensmittel von außerhalb der Haftanstalt zu erhalten. Während die meisten Häftlinge berichten, dass sie ohne Zensur Beschwerden an die Justizbehörden und das Büro der Ombudsperson richten können, lesen die Gefängnisbehörden regelmäßig die Korrespondenz der Häftlinge, überwachen die Treffen zwischen Anwälten und Mandanten und hindern einige Anwälte daran, Dokumente in und aus den Haftanstalten zu nehmen. Die Behörden schränken die Besuche von Anwälten und Familienangehörigen ein, insbesondere von Gefangenen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind. Es gibt auch Berichte über Misshandlungen im Gefängnis (USDOS 11.3.2020).

[…]

11. Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde mit Gesetz vom 28.10.1998 abgeschafft (AA 17.11.2020).

[…]

12. Relevante Bevölkerungsgruppen

12.1. Frauen

Artikel 25 Abs. 2 der Verfassung garantiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Im Großraum Baku entspricht dieser Grundsatz weitestgehend der Praxis, während auf dem Land traditionelle Vorstellungen der Geschlechterverhältnisse noch verbreitet sind. Insgesamt betrachtet nimmt die Repräsentanz von Frauen in Regierung und Parlament leicht zu (23 von 125 Parlamentariern sind weiblich); und sie sind im Bildungs- und Gesundheitssektor stark vertreten. Nach offiziellen Angaben machen Frauen 15% der Unternehmerschaft aus, Tendenz unter Nachwuchskräften steigend (AA 17.11.2020).

Vergewaltigung ist illegal und wird mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft (USDOS 11.3.2020). Eheliche Vergewaltigung ist ebenfalls illegal, aber Frauen können im Fall von Vergewaltigungen innerhalb der Ehe nicht darauf vertrauen, dass Sicherheitsorgane sie schützen und Ermittlungen aufnehmen (AA 17.11.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz schafft einen Rahmen für die Untersuchung von Beschwerden über häusliche Gewalt, definiert ein Verfahren zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen und fordert die Einrichtung eines Schutz- und Rehabilitationszentrums für Opfer. Aktivisten berichteten, dass die Polizei häusliche Gewalt weiterhin als familiäres Problem ansieht und nicht effektiv zum Schutz der Opfer eingreift. Der Staatliche Ausschuss für Familie, Frauen und Kinder (SCFWCA) setzt seine Aktivitäten gegen häusliche Gewalt fort, indem er Aufklärungskampagnen durchführt und sich für die Verbesserung der sozioökonomischen Situation von Opfern häuslicher Gewalt einsetzt. Die Regierung bietet Frauen, die Opfer von Körperverletzungen wurden, begrenzten Schutz. Die Regierung und eine unabhängige NGO betreiben jeweils eine Unterkunft, die Opfern von Menschenhandel und häuslicher Gewalt Hilfe und Beratung bietet. Die Regierung setzt das Verbot der sexuellen Belästigung nur selten durch oder setzt selten rechtliche Schritte gegen Personen, die dieser beschuldigt werden. Obwohl Frauen nominell dieselben gesetzlichen Rechte wie Männer genießen, stellt die gesellschaftliche und geschlechtsspezifische Diskriminierung ein Problem dar (USDOS 11.3.2020; vgl. BTI 2020). Aus kulturellen Gründen sind Frauen von Führungspositionen ausgeschlossen. Frauenberufe sind traditionell unterbezahlt, und geschlechtsspezifische Ausgrenzung ist offensichtlich (BTI 2020). Nach Angaben des Statistischen Staatsausschusses gibt es eine Diskriminierung von Frauen in der Beschäftigung, einschließlich großer Lohnunterschiede und höherer Arbeitslosenquoten. Das Gesetz schließt Frauen von bestimmten Berufen aus, wie z.B. der Arbeit unter Tage in Bergwerken. Frauen waren in hochrangigen Berufen, einschließlich Spitzenpositionen in Unternehmen, unterrepräsentiert. Traditionelle Praktiken schränkten den Zugang von Frauen zu wirtschaftlichen Möglichkeiten in ländlichen Gebieten ein (USDOS 11.3.2020).

Es gibt Hinweise auf geschlechtsspezifische Abtreibungen, besonders in ländlichen Regionen. Auf 100 neugeborene Mädchen kommen 114 neugeborene Buben (USDOS 11.3.2020).

Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen und Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess einschränken. Frauen in politischen Oppositionsparteien sehen sich oft zusätzlichem Druck und Schikanen ausgesetzt (USDOS 11.3.2020).

Frauen werden bei der Beschäftigung diskriminiert, was sowohl eine faktische Voreingenommenheit als auch den formellen Ausschluss von bestimmten Arten von Arbeit im Rahmen des Arbeitsgesetzes einschließt. Das Gesetz gewährt Frauen und Männern im Allgemeinen die gleichen Rechte in Fragen des persönlichen Status, wie z.B. bei Heirat, Scheidung und Sorgerecht für Kinder. Häusliche Gewalt ist ein bemerkenswertes Problem und der damit verbundene Rechtsschutz ist unzureichend. Konservative gesellschaftliche Normen tragen zu der weit verbreiteten Ansicht bei, dass häusliche Gewalt eine Privatangelegenheit ist. Seit 2011 ist der Hijab in aserbaidschanischen Schulen formell verboten und Frauen, die sich dafür entscheiden, ihn zu tragen, haben sich zunehmend über die Diskriminierung durch private und öffentliche Arbeitgeber beschwert (FH 4.3.2020).

Die Regierung von Aserbaidschan erfüllt die Mindeststandards für die Bekämpfung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Zu diesen Bemühungen gehören die Verurteilung von mehr Menschenhändlern und Richtlinien für Richter, um strengere Strafen für Menschenhändler zu verhängen.

Die Regierung richtete Zuschüsse für die Zivilgesellschaft ein, erhöhte die Gesamtfinanzierung für den Opferschutz beträchtlich und erkannte NGO-Führer für ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels an (USDOS 25.6.2020).

Die Gesetze Aserbaidschans enthalten diskriminierende Normen trotz des Grundsatzes der Beschäftigungsgleichheit unabhängig vom Geschlecht. Der Staat ist nach wie vor der Ansicht, dass Frauen nicht in "männlichen" Bereichen arbeiten können. Frauen arbeiten hauptsächlich in Niedriglohnsektoren. Es besteht auch ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle im Zusammenhang mit gering bezahlten Arbeitsplätzen und der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen (CESCR 8.2019).

[…]

12.2. Kinder

Es gibt keine Kenntnis über spezifische Menschenrechtsverletzungen an Kindern in Aserbaidschan. Hinweise auf systematisch begangenen Kinderhandel oder sexuelle Ausbeutung von Kindern bzw. Kinderarbeit liegen dem deutschen Auswärtigen Amt nicht vor. Es gibt keine Kindersoldaten. In ländlichen Gebieten können illegale Zwangsverheiratungen von jungen Mädchen (13–15 Jahre) nicht ausgeschlossen werden. Das Ehegesetz setzt das Mindestalter für Eheschließungen auf 18 Jahre fest, gestattet aber Ausnahmen für 17-Jährige mit Sondergenehmigung lokaler Behörden (USDOS 11.3.2020) und schreibt eine medizinische Voruntersuchung vor (AA 17.11.2020).

Kinder erhalten die Staatsbürgerschaft durch Geburt im Land oder von ihren Eltern. Die Registrierung der Geburt bei Geburten in Krankenhäusern oder Kliniken ist Routine. Einige zu Hause geborene Kinder werden nicht registriert. Während die Bildung bis zum Alter von 17 Jahren obligatorisch, kostenlos und universell ist, legen große Familien in verarmten ländlichen Gebieten manchmal eine höhere Priorität auf die Ausbildung von Jungen und lassen Mädchen zu Hause arbeiten. Es gibt Strafen für sexuelle Gewalt gegen Kinder und Kinderarbeit, und das Gesetz sieht Strafen für häusliche und andere Gewalt speziell gegen Kinder vor. Das Gesetz sieht vor, dass ein Mädchen im Alter von 17 oder 18 Jahren mit Erlaubnis der örtlichen Behörden heiraten darf. Das Gesetz besagt weiterhin, dass ein Junge im Alter von 18 Jahren heiraten darf (vgl. AA 17.11.2020). Die Zwangsheirat mit einem minderjährigen Kind ist ebenso strafbar wie die Rekrutierung von Minderjährigen für die Prostitution. Pornografie ist gesetzlich verboten. Das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr beträgt 16 Jahre. Staatliche Investitionen lindern weitgehend das Problem vieler intern vertriebener Kinder, die unter schlechten Bedingungen leben und keine Schule besuchen können. Die Strafverfolgungsbehörden verfolgen Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder (USDOS 11.3.2020).

In den meisten Fällen erlaubt das Gesetz Kindern ab 15 Jahren mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag zu arbeiten; Kinder ab 14 Jahren können in Familienbetrieben oder mit elterlicher Zustimmung in Tagesarbeitsplätzen nach der Schule arbeiten, die keine Gefahr für ihre Gesundheit darstellen. Kinder unter 16 Jahren dürfen nicht mehr als 24 Stunden pro Woche arbeiten; Kinder von 16 oder 17 Jahren dürfen nicht mehr als 36 Stunden pro Woche arbeiten. Das Gesetz verbietet die Beschäftigung von Kindern unter 18 Jahren unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen und benennt bestimmte Arbeiten und Branchen, in denen Kinderarbeit verboten ist, einschließlich der Arbeit mit giftigen Stoffen und unter Tage, in der Nacht, in Bergwerken und in Nachtclubs, Bars, Casinos oder anderen Unternehmen, die Alkohol verkaufen. Die Regierung setzt die Gesetze, die Kinderarbeit verbieten und ein Mindestalter für die Beschäftigung festlegen, nicht wirksam durch (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung setzt einige Schritte zur Bekämpfung von Zwangsarbeit und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, u.a. durch die Verfolgung von Menschenhändlern und die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Opfer, aber das Problem besteht weiterhin, insbesondere bei Roma-Kindern und ausländischen Hausangestellten (FH 4.3.2020).

Im Jahr 2019 machte Aserbaidschan nur minimale Fortschritte bei den Bemühungen um die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Die Regierung führte eine Reihe von Maßnahmen ein, um den Zugang behinderter Schüler zur Bildung zu verbessern, darunter die Modernisierung der Schulinfrastruktur, die Sensibilisierung der Eltern für integrative Dienstleistungen und die Schulung von Schulleitern und Lehrern in integrativen Methoden. Darüber hinaus führte die Regierung in drei Städten und fünf Distrikten Untersuchungen zur Kinderarbeit durch. Trotz neuer Initiativen zur Bekämpfung der Kinderarbeit erhält Aserbaidschan jedoch eine Einschätzung der minimalen Fortschritte, da es weiterhin einen Rückschritt in der Gesetzgebung vollzog, der die Fortschritte bei der Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit verzögerte. Im Jahr 2017 verlängerte die Regierung ein Moratorium für Arbeitsinspektionen, einschließlich Baustelleninspektionen, bis 2021. Zwar können die Inspektoren auf Beschwerden reagieren, doch kann das Fehlen proaktiver oder vor-Ort-Inspektionsmechanismen dazu führen, dass potenzielle Verstöße gegen Kinderarbeitsgesetze an den Arbeitsplätzen unentdeckt bleiben. Der Rechtsschutz gilt nur für Arbeitnehmer mit schriftlichen Arbeitsverträgen, so dass selbstständig erwerbstätige Kinder und Kinder, die außerhalb eines formellen Arbeitsverhältnisses arbeiten, anfällig für Ausbeutung sind. Darüber hinaus fehlt es den Koordinierungsstellen, einschließlich des Staatlichen Ausschusses für Familie, Frauen und Kinderangelegenheiten, an der Kapazität und klaren rechtlichen Befugnissen, um ihre Mandate wirksam auszuführen (USDOL 30.9.2020).

Es gibt kein Verbot der körperlichen Züchtigung in alternativen Betreuungseinrichtungen. Es gelten die Schutzbestimmungen des Gesetzes über die Rechte des Kindes von 1998, aber weder diese noch das Gesetz über sozialen Schutz von Kindern ohne Eltern 1999 verbieten ausdrücklich jede körperliche Bestrafung. Es gibt kein Verbot der körperlichen Züchtigung in frühkindlichen Betreuungseinrichtungen und in der Tagesbetreuung für ältere Kinder. Es gelten zwar die erwähnten Schutzbestimmungen des Gesetzes über die Rechte des Kindes von 1998 und Artikel 27 legt zusätzlich fest, dass "internen Vorschriften von Schulen, vorschulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen auf den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des gegenseitigen Respekts beruhen sollten", diese aber verbieten nicht ausdrücklich körperliche Züchtigung. Im Gesetz über die Rechte des Kindes von 1998 heißt es im Artikel 12 dass "die grausame Behandlung von Kindern durch Eltern und andere Personen, die Anwendung von geistiger oder körperlicher Misshandlung von Kindern und die Verletzung von Kinderrechten" eine Ursache für den Entzug der elterlichen Rechte ist, und dass die Verletzung der Rechte der Kinder auch das Versäumnis der Eltern einschließt den "Verpflichtungen zur Ausbildung und Erziehung des Kindes" nachzukommen. Keine dieser Bestimmungen wird jedoch interpretiert als Verbot jeglicher körperlicher Züchtigung bei der Kindererziehung. Bestimmungen gegen Gewalt und Missbrauch im Strafgesetzbuch 1999, im Gesetz zur Verhütung häuslicher Gewalt 2010 und in der Verfassung 2002 werden nicht dahingehend interpretiert, dass jede körperliche Bestrafung verboten ist (GIEACPC 7.2020).

[…]

13. Bewegungsfreiheit

Aserbaidschanische Staatsangehörige sind bei der Ausreise strengen Kontrollen unterworfen. Wenn sie nach Ansicht der Grenzpolizei nicht über das erforderliche Visum zur Einreise in den Zielstaat verfügen, wird die Ausreise verweigert. Eine Ausreisesperre wird häufig in Untersuchungsverfahren verhängt, insbesondere bei Steuervergehen (AA 17.11.2020).

Das Gesetz sieht Inlandsreisen, Auslandsreisen, Auswanderung und die Rückkehr vor. Die Regierung respektiert im Allgemeinen viele dieser Rechte (USDOS 11.3.2020) Sie setzt aber ihre Praxis fort, die Freizügigkeit insbesondere bei Auslandsreisen für Oppositionelle, Aktivisten und Journalisten zu beschränken (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Regierung arbeitet mit dem Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Unterstützung zu gewähren. Das Gesetz verpflichtet Männer im wehrdienstfähigen Alter, sich vor einer Auslandsreise bei den Militärbehörden zu registrieren. Die Behörden legen für Militärpersonal mit Zugang zu nationalen Sicherheitsinformationen einige Reisebeschränkungen auf. Bürger, die wegen Straftaten angeklagt oder verurteilt wurden, aber Bewährungsstrafen erhielten, dürfen nicht ins Ausland reisen, bis die Bedingungen ihrer Bewährungsstrafen erfüllt sind. Personen mit armenisch klingenden Namen werden an den Grenzübergängen oft zusätzlichen Kontrollen unterzogen und gelegentlich wird ihnen die Einreise ins Land verweigert (USDOS 11.3.2020).

[…]

14. Grundversorgung

Die Armut ist in den letzten Jahren durch die stark angestiegenen Einkommen der Bevölkerung erheblich zurückgegangen. Nach Angaben der Weltbank lebten 2016 5,6% der Bevölkerung unter dem Existenzminimum, 2003 waren es noch 44,7%. Die langfristigen ökonomischen Folgen der Covid-19-Pandemie sind noch nicht absehbar. Das offizielle Existenzminimum liegt nach offiziellen Berechnungen derzeit bei 238 AZN (ca. 120 EUR) pro Kopf und Monat. Für Angestellte betrug das monatliche Durchschnittseinkommen 2019 724 AZN (ca. 360 EUR). Die Durchschnittsrente liegt 2020 nach offiziellen Angaben nach einer 2019 erfolgten Erhöhung der Mindestrente bei 290 AZN (ca. 145 EUR). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Einkommensschwache Familien erhalten Sozialleistungen (AA 17.11.2020).

Die Inflation für 2019 wird mit 2,61% beziffert. Die Arbeitslosenquote beträgt 5,5% (länderdaten.info o.D.).

Offizielle Statistiken für 2017 und 2018 weisen eine Arbeitslosenquote von rund 5 % aus. Unabhängige Quellen schätzen jedoch, dass etwa 25 % der Bevölkerung arbeitslos sind. Dem Staat mangelt es an einer aktiven Beschäftigungspolitik und einem funktionierenden System von Arbeitsämtern. Es gibt auch keine staatliche Unterstützung für die große Mehrheit der Arbeitslosen. Im Juni 2017 unterzeichnete Präsident Alijew das Gesetz über die Arbeitslosenversicherung, das am 1. Januar 2018 in Kraft trat. Demnach wird Arbeitnehmern Arbeitslosengeld angeboten, wenn sie ihren Arbeitsplatz aufgrund von Personalabbau oder der Auflösung ihres Arbeitsplatzes verlieren. Außerdem werden 0,5% des Monatslohns eines Arbeitnehmers als Versicherungsprämie an eine Arbeitslosenversicherungskasse überwiesen. Es gibt einen Unterschied in der Erwerbsquote zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Im Allgemeinen ist die Arbeitslosigkeit in den Städten höher. Darüber hinaus gibt es ein Lohngefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten (BTI 2020).

[…]

 

14.1. Sozialbeihilfen

Einkommensschwache Familien erhalten Sozialleistungen. Staatliche Unterstützungsleistungen erhalten zudem die über 600.000 (Binnen-)Vertriebenen, die im Zuge des Bergkarabach-Konflikts aus ihren bisherigen Wohnorten in den besetzten Gebieten vertrieben wurden oder geflohen sind (AA 17.11.2020).

In der nationalen Gesetzgebung gibt es Bestimmungen für Pensionen, Krankengeld, Invalidität, Arbeitslosigkeit und Mutterschaftsurlaub; das Wohlfahrtssystem in Aserbaidschan leidet jedoch an einer erheblichen Unterfinanzierung. Löhne, Renten und Krankengeld sind niedrig und decken die Lebenshaltungskosten nicht ab. Die Gesundheitsversorgung ist vor allem für die ärmeren Bevölkerungsschichten unzureichend. Der Mindestlohn ist in den letzten Jahren gestiegen (BTI 2020).

In folgenden Bereichen können unter anderem Sozialhilfen bzw. Renten gewährt werden: Alters- und Arbeitsunfähigkeit, Hinterbliebenenrenten, Krankheit und Mutterschaft; weiters Zuschüsse für Arbeiter für medizinische Leistungen, bei Verletzungen während der Arbeit und zeitlich begrenzte oder dauerhafte Invaliditätsleistungen, Arbeitslosigkeits- und Familienzuschüsse (SSA 3.2019).

Die Höhe der Sozialleistungen wird, in Abhängigkeit vom Status und der Situation der AntragsstellerIn, von der zuständigen staatlichen Behörde bestimmt, und unterliegt mindestens einmal pro Jahr einer Indexierung. Leistungen werden, je nach Situation, monatlich oder einmalig gezahlt. Der/Die Rückkehrende muss sich an den staatlichen Sozialhilfefond der Republik Aserbaidschan (http://sosial.gov.az/ ) wenden (IOM 2019).

[…]

15. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in Aserbaidschan ist prekär und insbesondere außerhalb der Hauptstadt nicht gewährleistet (EDA 10.11.2020) bzw. unzureichend (AA 3.12.2020b). Private Krankenhäuser sind in der Regel besser ausgerüstet als die staatlichen. Sie verlangen jedoch einen Kostenvorschuss oder eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (EDA 10.11.2020).

Die medizinische Versorgung entspricht nicht überall westeuropäischem Standard. Die rasche und zuverlässige Versorgung von Verletzten oder schwer Erkrankten (Transport, Erste-Hilfe) ist nicht immer garantiert (AA 3.12.2020b).

Laut offiziellen Angaben beträgt die Zahl der neu errichteten und renovierten medizinischen Einrichtungen Ende 2016 etwa 500. Nach wie vor befinden sich aber die größten staatlichen Krankenhäuser und Spezialkliniken wie Kinderkrankenhäuser, Herzkliniken und psychiatrische Einrichtungen in Baku. Problematisch ist nach wie vor der relativ geringe Ausbildungsstand der lokalen Ärzte. Anfang 2020 wurde eine allgemeine Krankenversicherung eingeführt, die auf eine Verbesserung der medizinischen Versorgung insgesamt abzielt. Ihre (schrittweise) verbindliche Einführung wurde wegen der Covid-19-Pandemie auf 2021 verschoben.

Theoretisch gibt es eine alle notwendigen Behandlungen umfassende kostenlose medizinische Versorgung. Dringende medizinische Hilfe wird in Notfällen gewährt (was den Krankentransport und die Aufnahme in ein staatliches Krankenhaus einschließt); mittellose Patienten werden minimal versorgt, dann aber nach einigen Tagen „auf eigenen Wunsch“ entlassen, wenn sie die Behandlungskosten und „Zuzahlungen“ an die Ärzte und das Pflegepersonal nicht aufbringen können. In diesem Fall erfolgt dann die weitere Behandlung ambulant oder nach Kostenübernahme durch Dritte. Neben der staatlichen Gesundheitsversorgung bildete sich in den vergangenen Jahren ein florierender privater medizinischer Sektor heraus, der gegen Barzahlung medizinische Leistungen auf annähernd europäischem Standard bietet und mit privaten Krankenversicherungen kooperiert. Die einschlägigen auf dem europäischen Markt registrierten Medikamente sind i.d.R. erhältlich. Seit der Einführung der administrativen Preisobergrenzen wird regelmäßig von Engpässen bei einigen Medikamenten berichtet. Kostengünstigere Ersatzmedikation wird aus Russland, der Türkei oder Pakistan eingeführt, soll aber teilweise von minderwertiger Qualität sein (AA 17.11.2020).

Die staatliche Pflicht-Krankenversicherung (MHI) wurde als Pilotprojekt in Mingachevir, Yevlakh und Aghash eingeführt und bietet 1829 medizinische Dienstleistungen im Rahmen des vorhandenen Leistungspakets an. Gemäß Gesetz sind medizinischen Dienstleistungen in staatlichen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kostenfrei. Die meisten medizinischen Einrichtungen, zu denen öffentliche Krankenhäuser sowie Polikliniken gehören, werden staatlich geführt. Die Polikliniken bieten ausschließlich ambulante Behandlungen an, während Krankenhäuser und Fachkliniken sowohl ambulante als auch stationäre Dienste anbieten. Private medizinische Einrichtungen werden vom Gesundheitsministerium zugelassen, sind ansonsten aber unabhängig. Medikamente für die stationäre Behandlung ist kostenfrei, Patienten/-innen, die ambulant behandelt werden, müssen die Medikamente selbst bezahlen. Dies gilt nicht für Personen mit mit Krebserkrankungen, sowie psychischen Erkrankungen. Medikamente sind in Aserbaidschan verhältnismäßig teuer, da Apotheken generell unter privater Leitung stehen. Die Erhältlichkeit von Medikamenten ist jedoch meist gewährleistet (IOM 2019).

[…]

16. Rückkehr

Es gibt keine staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer. Nach Kenntnis des deutschen Auswärtigen Amts müssen rückgeführte und freiwillig zurückreisende aserbaidschanische Staatsangehörige wegen ihrer Asylanträge im Ausland bei ihrer Rückkehr nicht mit staatlichen Zwangsmaßnahmen rechnen (AA 17.11.2020).

Auf der nationalen Ebene gibt es keine Unterstützung bei der Wohnungssuche für Rückkehrende. Dienstleister sind bei der Wohnungssuche und der Suche nach einem Job behilflich. Für Leistungen aus dem Sozialwesen müssen Rückkehrende sich an den staatlichen Sozialhilfefond der Republik Aserbaidschan wenden: http://sosial.gov.az/. Weitere Informationen zur konkreten Unterst ützung für Rückkehrende und Binnenvertriebene sind auf folgender Webseite verfügbar: http://idp.gov.az/en/content/7/parent/21 (IOM 2019).

[…]

17. Dokumente

Das Urkundenwesen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Die Ausstellung von unechten Pässen, Personalausweisen oder Personenstandsurkunden kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, ist jedoch durch die zentrale Registrierung der Daten über die ASAN-Bürgerzentren deutlich erschwert. Auch falsche Parteiausweise sind im Umlauf. Funktionäre der Oppositionsparteien sollen in Einzelfällen gegen Entgelt bereit sein, über das politische Engagement von Personen Gefälligkeitsbescheinigungen auszustellen (AA 17.11.2020).

[…]

2. Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch:

- Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragungen des BF1, der BF2 und des BF3 vom XXXX 2019, der niederschriftlichen Einvernahmen des BF1, der BF2 und des BF3 am XXXX 2020 und XXXX 2020, in die Beschwerden vom 06.10.2020, sowie die Urkundenvorlagen vom XXXX 2020, XXXX 2021 und XXXX 2021 und Stellungnahmen vom XXXX 2021 und XXXX 2021;

- Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zu Aserbaidschan;

- Einsichtnahme in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Partei Musavat vom 26.03.2018;

- Einsichtnahme in die von den Beschwerdeführern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Beweismittel und Integrationsunterlagen;

- Einvernahme des BF1 und der BF2 am 12.05.2021;- Einsicht in das Grundversorgungsinformationssystem;

- Einsicht in das Strafregister.

 

Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

 

Die personenbezogenen Daten der Beschwerdeführer, die in ihren im Original in den Verwaltungsakten erliegenden Personalausweisen enthalten sind, stimmen mit ihren in Kopie in den Verwaltungsakten befindlichen Reisepässen überein. Zudem erwiesen sich ihre Personalausweise im Rahmen der amtswegig eingeleiteten Untersuchungen auf Total- bzw. Verfälschungsmerkmale als authentisch und ergaben sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Verfälschungen. Es bestehen daher keine Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer.

 

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrer Muttersprache, zur Ausbildung und Arbeitserfahrung des BF1 und der BF2 in Aserbaidschan, zum Schulbesuch der minderjährigen Beschwerdeführer und zum Aufenthalt ihrer Angehörigen im Herkunftsstaat gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2021. Die Feststellungen zur Eigentumswohnung und dem Landhaus der BF2 beruhen zudem auf den vorgelegten Grundbuchauszügen.

 

Der BF1 gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2020 an, dass er gesund und weder in ärztlicher Behandlung sei, noch Medikamente einnehme. Erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er demgegenüber, dass er an chronischer Hepatitis B leide. Die Medikamente, die er einnehme, seien nicht zur Behandlung der Hepatitis, sondern gegen Magen-/Darmbeschwerden. Da der BF1 weder medizinische Unterlagen zur Diagnose der Hepatitis B noch solche zu einer allenfalls begonnenen oder andauernden Behandlung übermittelte, seinen Angaben zufolge auch nicht auf die regelmäßige Einnahme von Medikamenten angewiesen ist und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch ausführte, dass er vollkommen gesund sei, ist die Behauptung, dass er nunmehr an einer chronischen Hepatitis B leide, ohne dies mit geeigneten medizinischen Befunden nachzuweisen, nicht glaubhaft und die Feststellung zu treffen, dass der BF1 gesund ist. Die BF2 gab in der mündlichen Verhandlung am 12.05.2021 ebenso wie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2020 an, gesund zu sein und legten die Beschwerdeführer weder für sie noch für die minderjährigen Beschwerdeführer medizinische Unterlagen vor, denen Gegenteiliges zu entnehmen wäre, sodass auch bei ihnen davon auszugehen ist, dass sie gesund sind.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

 

Die Feststellungen zur Einreise der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des BF1, der BF2 und des BF3 in der Erstbefragung am XXXX 2019.

 

Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen der Beschwerdeführer und dem Bezug von Grundversorgungsleistungen beruhen auf den glaubhaften und übereinstimmenden Ausführungen des BF1 und der BF2 sowie amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungsinformationssystem.

 

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des BF1 und der BF2 konnten aufgrund einer in der mündlichen Verhandlung am 12.05.2021 durchgeführten kurzen Befragung in deutscher Sprache getroffen werden. Die Feststellungen zur Teilnahme des BF1 und der BF2 an Deutschkursen, ihre bestandenen A1-Deutschprüfungen, die Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeiten, die Teilnahme des BF3 an Deutschkursen sowie die bestandene A2-Deutschprüfung und der Schulbesuch der minderjährigen Beschwerdeführer sind den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen zu entnehmen und ergeben sich zudem aus ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Die dem BF3 erteilte Zusage für die Handelsschule geht aus dem Empfehlungsschreiben seiner Lehrerin hervor.

 

Die Feststellungen zu den familiären und sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich beruhen auf den übereinstimmenden Angaben des BF1 und der BF2 in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Unbescholtenheit des BF1, der BF2, des BF3 und de sBF4 ist aus den amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen ersichtlich. Die Strafunmündigkeit der BF5 beruht auf dem Umstand, dass sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

 

Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

 

Soweit der BF1 und die BF2 vorbrachten, sie würden wegen der Teilnahme des BF1 an Demonstrationen in Aserbaidschan sowie seiner Mitgliedschaft in einer oppositionellen Partei verfolgt, kommt ihrem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Zum Zweck der Glaubhaftmachung ist der Beschwerdeführer verpflichtet, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und hat er diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf seine Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen. Im Zuge dieser Überprüfung ist auch auf das Kriterium der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abzustellen. Diese persönliche Glaubwürdigkeit kann dadurch eingeschränkt werden, wenn der Beschwerdeführer sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel stützt, wichtige Tatsachen verheimlicht bzw. diese bewusst falsch darstellt, sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet, keine Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Hinzu kommt, dass das Vorbringen genügend substantiiert sein muss. Ungenügende Substantiierung ist dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer den Sachverhalt sehr vage schildert, seine Angaben auf Gemeinplätze beschränkt, nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine behaupteten Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein. D.h. es muss mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Schließlich muss ein Vorbringen auch in sich schlüssig sein, was nicht gegeben ist, wenn sich der Beschwerdeführer in wesentlichen Aussagen widerspricht.

 

Der BF1 führte vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2020 sowie in der mündlichen Verhandlung am 12.05.2021 zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, er werde aus politischen Gründen verfolgt, weil er Mitglied einer oppositionellen Partei und im Zuge dessen politisch tätig gewesen und am XXXX 2019 an einer Demonstration dieser Partei teilgenommen habe. Allerdings blieben sowohl seine Ausführungen zur Partei als auch jene zu seinen konkreten Tätigkeiten äußerst vage und detailarm. So führte er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass er innerhalb der Partei sehr aktiv gewesen sei, konnte jedoch – abgesehen von der Teilnahme an Kundgebungen – keine konkreten Aufgaben benennen, die in seine Zuständigkeit gefallen wären. Vielmehr führte der BF1 im Verlauf der weiteren Befragung in Widerspruch dazu aus, dass er lediglich ein einfaches Parteimitglied gewesen sei und in erster Linie seiner Arbeit nachgegangen sei. Ebenso wenig war der BF1 in der Lage, darzulegen, welchen Inhalt die Parteiversammlungen, an denen er teilgenommen haben soll, behandelten, sondern verwies oberflächlich darauf, dass über „die Pläne“ und darüber, „was wann stattfindet“ gesprochen worden sei, ohne diese „Pläne“ näher zu konkretisieren. Auch in der mündlichen Verhandlung am 12.05.2021 beschränkte sich der BF1 auf die Behauptung, er sei politisch tätig gewesen und habe an Kundgebungen teilgenommen, nannte aber – abgesehen von der Demonstration am XXXX 2019 – keine weiteren konkreten Termine für Kundgebungen oder Parteitreffen.

 

Zur Motivation für die Demonstration verwies der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl pauschal auf die Freilassung politischer Gefangener, Menschenrechte und Presse, ließ jedoch offen, auf welche tatsächlichen Probleme in diesem Zusammenhang aufmerksam gemacht werden sollte. In der mündlichen Verhandlung beantwortete der BF1 die Frage nach seinen politischen Tätigkeiten mit denselben Begriffen und umschrieb auch das Parteiprogramm mit ähnlichen Begriffen und ergänzte, dass es insbesondere darum gehe, dass die Diktatur beendet werde, die Menschen in einem freien Land leben könnten, die Beamten nichts mehr aus dem Staatsbudget stehlen würden und Frieden und Wohlstand im Land herrschen solle. Nähere Ausführungen beispielsweise dazu, welche Umsetzung dieser Ziele das Parteiprogramm vorsieht, ließ er gänzlich vermissen. Die Organisation der Partei konnte der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht einmal ansatzweise beschreiben, sondern gab dazu lediglich an, dass sie einen Chef habe.

 

Schließlich weichen die Angaben des BF1 zur Partei teilweise von den in der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.03.2018 zur Partei Musavat enthaltenen Informationen ab. Der BF1 führte nämlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, der Parteichef heiße XXXX , während in der Anfragebeantwortung XXXX als Parteivorsitzender genannt wird. Weiters geht aus der Anfragebeantwortung hervor, dass in der Satzung Mitgliedsbeiträge festgelegt sind, diese von Mitgliedern, die aufgrund schwieriger sozialer Lage nicht zahlungsfähig seien, aber nicht eingehoben würden. In Widerspruch dazu führte der BF1 aus, es gebe überhaupt keine Mitgliedsbeiträge und korrigierte dies auf Vorhalt der in der Anfragebeantwortung enthaltenen Informationen dahingehend, dass diese aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage der Mitglieder generell nicht eingehoben würden. Ausgehend davon, dass die Befreiung der Mitgliedsbeiträge laut Anfragebeantwortung nur sozial schwache Mitglieder betrifft, der BF1 jedoch durchwegs angab, dass seine wirtschaftliche Lage im Herkunftsstaat sehr gut gewesen sei, ist eine dem BF1 gewährte Befreiung vom Mitgliedsbeitrag nicht nachvollziehbar.

 

Wenngleich aus den Länderfeststellungen hervorgeht, dass Sympathisanten oppositioneller Parteien, insbesondere auch solche der vom BF1 genannten Partei sowie Teilnehmer friedlicher Demonstrationen willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt sein können, ist im Hinblick darauf, dass der BF1 – wie soeben dargelegt – kaum Kenntnisse zur Partei, für die er politisch tätig gewesen sein soll, hatte, obwohl er behauptete, nicht bloß Sympathisant, sondern deren Mitglied zu sein, keine konkreten Aufgaben benennen konnte, die ihm innerhalb der Partei zugekommen wären, sich seine Beteiligung auch sonst im Wesentlichen auf eine Demonstration im Jänner 2019 beschränkte und seine Schilderungen teilweise nicht mit den Informationen aus der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Anfragebeantwortung übereinstimmen, ist nicht glaubhaft, dass der BF1 wegen politischer Aktivitäten und Mitgliedschaft in einer oppositionellen Partei in seinem Herkunftsstaat einer Verfolgung ausgesetzt ist. Daran vermag der vom BF1 vorgelegte Mitgliedsausweis nichts zu ändern, zumal dieser knapp zehn Jahre vor den vom BF1 behaupteten Ereignissen ausgestellt wurde und keinerlei Informationen zur Stellung des BF1 innerhalb der Partei oder seinen Aktivitäten enthält.

 

Weiters führte der BF1 während seiner freien Erzählung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen aus, seine Probleme mit den aserbaidschanischen Behörden hätten erst aufgrund der Demonstration am XXXX 2019 begonnen, was in Hinblick darauf, dass er sowohl in seiner Erstbefragung als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführte, er sei aufgrund seiner politischen Tätigkeit schon einmal am XXXX 2017 festgenommen und für drei Monate inhaftiert worden, nicht nachvollziehbar ist. Widersprüchliche Angaben machte der BF1 auch zur Anzahl der Personen, die an der Demonstration am XXXX 2019 teilgenommen haben sollen. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl behauptete er nämlich, daran hätten 10.000 Personen teilgenommen, während er die Teilnehmerzahl in der mündlichen Verhandlung auf 5.000 halbierte. Im Hinblick auf die daraus jedenfalls abzuleitende äußerst hohe Teilnehmeranzahl ist für das Gericht aber nicht plausibel, wie der BF1 überhaupt in das Blickfeld der Polizei geraten konnte. Der BF1 gab nämlich im Zuge seiner freien Erzählung nicht an, dass die Polizei bereits bei der Demonstration auf ihn aufmerksam geworden wäre, sondern sei er laut seinen diesbezüglich übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht erst zwei Tage später aufgefordert worden, bei der Polizei zu erscheinen. Im weiteren Verlauf der Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF1 abweichend davon zur Frage, wann er das zweite Mal verhaftet worden sei, an unmittelbar im Anschluss an die Kundgebung am XXXX 2019 sei nicht nur er, sondern mehrere Personen festgenommen worden, während er diese Personen weder vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch in der vorangegangen freien Erzählung vor dem Bundesverwaltungsgericht erwähnte. Außerdem decken sich die Angaben des BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach die Kundgebung von den Behörden erlaubt und er dennoch vorgeladen bzw. festgenommen worden sei, nicht mit den Länderfeststellungen. Daraus geht nämlich hervor, dass die Polizei unangemeldete bzw. nicht genehmigte Versammlungen zwangsweise auflöst, Teilnehmer festnimmt oder gegen diese Geldstrafen verhängt und auch vorbeugende Arreste vor einer angekündigten Demonstration möglich sind. Genehmigte Demonstrationen werden demgegenüber zwar auf isolierte Orte begrenzt, dass Teilnehmer daran dieselben Sanktionen erwarten würden, wie jene, nicht genehmigter Demonstrationen, lässt sich aus den Länderberichten nicht ableiten. Diese Unstimmigkeiten in Bezug auf die vom BF1 als Auslöser für die Verfolgung ins Treffen geführte Teilnahme an einer Demonstration lassen den Rückschluss zu, dass es sich um ein konstruiertes Fluchtvorbringen handelt.

 

Der BF1 versuchte die Teilnahme an der Demonstration vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch die Vorlage von Fotos zu untermauern, wobei das Gericht nicht verkennt, dass darauf zweifelsfrei eine Versammlung zu sehen ist, an der offenbar auch der BF1 selbst teilgenommen hat. Allerdings enthalten diese keinen Hinweis darauf, wann die darauf abgebildete Versammlung stattfand und sind darauf, auch keine regierungskritischen Plakate oder sonstige oppositionelle Symbole, wie beispielsweise das Parteilogo, zu sehen. Auch der BF1 selbst hält kein Plakat in der Hand und trägt auch keine Merkmale am Körper, die auf eine Mitgliedschaft in einer oppositionellen Partei hindeuten. Vielmehr hält ein beträchtlicher Teil der abgebildeten Personen die Flagge Aserbaidschans in ihren Händen. Zudem sind auf den Lichtbildern keine Polizisten zu erkennen, was wiederum nicht mit den Angaben des BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmt, wonach bei der Demonstration viele Polizisten anwesend gewesen seien. Ebenso wenig sind auf den Fotos gewalttätige Übergriffe der Polizei oder anderer Personen abgebildet. Die Fotos deuten daher nicht auf eine dem BF1 drohende Gefahr hin.

 

Zur für XXXX 2019 erfolgten Ladung durch die Polizei behauptete der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Polizeichef habe ihn ausgeschimpft und ihm gesagt, dass er nichts erreichen werde und sie ihn verhaften würden. Daraufhin sei er von zwei Polizisten in Handschellen zum Bezirksgericht gebracht worden. Im Gegensatz dazu behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht, ein Staatsanwalt namens XXXX habe ihn beleidigt und mit zwei Polizisten zum Bezirksgericht geschickt, während er diesen Namen zuvor nicht erwähnte und ist dieser Name auch in keiner der als Beweismittel vorgelegten Urkunden, insbesondere nicht in dem Gerichtsbeschluss vom XXXX 2019, angeführt. Vor diesem Hintergrund ist es dem BF1 nicht gelungen, die Ladung zur Polizei, die Festnahme und die Verurteilung am XXXX 2019 glaubhaft zu machen.

 

Der BF1 behauptete vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum vorgelegten Schreiben der Staatsanwaltschaft Baku vom XXXX 2019, er habe im Februar 2019 wegen seiner vorangegangenen Verhaftung eine Beschwerde an den Ombudsmann gerichtet während er im Zuge der freien Erzählung ausführte, dass er den Brief an die Ombudsfrau gerichtet habe. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er wiederum zu Protokoll, er habe die Beschwerde beim Ombudsmann der Republik Aserbaidschan eingebracht. Aus den Länderberichten geht hervor, dass Bürger in Aserbaidschan einerseits die Möglichkeit haben, sich bei Verstößen, die der Staat gegenüber Einzelpersonen begeht, an den Ombudsmann für Menschenrechte zu wenden und andererseits Strafgefangene berechtigt sind, Kontakt mit der Ombudsfrau des Parlaments aufzunehmen. Da der BF1 während des Verfahrens sowohl den Ombudsmann wie auch die Ombudsfrau erwähnte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, an wen die Beschwerde tatsächlich gerichtet wurde.

 

In der mündlichen Verhandlung schilderte der BF1, er habe die Beschwerde am XXXX 2019 geschrieben. Laut Bestätigung über die vom BF1 behauptete fünftätige Krankenbehandlung deckt sich dies mit dem Tag, an dem er nach Verbüßung der fünfzehntätigen Haftstrafe in das Krankenhaus überstellt worden sein soll. Zwar führte der BF1 nicht ausdrücklich aus, dass er die Beschwerde erst nach Entlassung aus dem Krankenaus erhob. Seinem Vorbringen ist aber auch nicht zu entnehmen, dass er die Beschwerde noch am Tag der stationären Aufnahme eingebracht hätte und erwähnte er die Einbringung der Beschwerde sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht jeweils erst unmittelbar im Anschluss an die Entlassung in häusliche Behandlung, was im Hinblick darauf, dass der BF1 den gesamten Ablauf der Ereignisse strikt chronologisch beschrieb und sämtliche Daten anführte, nicht mit der Einbringung der Beschwerde am Tag der Überstellung ins Krankenhaus in Einklang steht.

 

Weiters gab der BF1 zu den Ereignissen in Zusammenhang mit der behaupteten Beschwerde vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, er habe am XXXX 2019 von der Ombudsfrau die Antwort erhalten, dass die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden sei und sei am XXXX 2019 für XXXX 2019 von der Staatsanwaltschaft zu einem Termin geladen worden, wo er ausgesagt habe. Am XXXX 2019 habe ihn die Polizei telefonisch geladen und ihm der Polizeichef namens XXXX damit gedroht, dass er getötet werde und auch seine Familie vernichtet werde, wenn er seine Aussage nicht zurückziehe. In Widerspruch dazu führte der BF1 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, die erste Antwort auf seine Beschwerde am XXXX 2019 sei von der Hauptstaatsanwaltschaft gewesen und es sei ihm am XXXX 2019 eine schriftliche Erklärung vorgelegt worden, wodurch der Eindruck entstand, der BF1 hätte die Stellungnahme nicht freiwillig abgegeben. Ausführlich dazu befragt, gab er im Gegensatz dazu an, er habe die Stellungnahme bei der Hauptstaatsanwaltschaft selbst geschrieben. Außerdem führte der BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Widerspruch zu seinen früheren Angaben aus, die Polizei habe ihm am XXXX 2019 nahegelegt, die Stellungnahme zurückzuziehen, weil die Staatsanwaltschaft Druck ausgeübt habe, erwähnte jedoch weder den Polizeichef noch dessen Namen. Auch ist nicht plausibel, dass die Staatsanwaltschaft die Stellungnahme des BF1 zunächst bedenkenlos akzeptiert und erst einige Wochen später ein Interesse an deren Zurückziehung gehabt haben soll, hätte sie doch bereits am XXXX 2019 selbst die Gelegenheit gehabt, den BF1 von der Abgabe einer Stellungnahme abzubringen. Die Schilderungen des BF1, wonach er mit Schreiben vom XXXX 2019 aus Anlass seiner Beschwerde für XXXX 2019 von der Staatsanwaltschaft geladen worden sei, stehen nicht in Einklang mit dem dazu vorgelegten Schreiben. Darin wird nämlich weder auf die vom BF1 behauptete Beschwerde beim Ombudsmann, noch auf sein konkretes Anliegen Bezug genommen und der BF1 selbst als beschuldigte Person angeführt. Die BF2 führte in der Beschwerdeverhandlung aus, der BF1 habe (neben der Beschwerde aus Anlass der Verhaftung im Jänner) auch im Mai eine Beschwerde eingebracht und sei deswegen verprügelt worden. Dies steht ebenfalls in Widerspruch zu den Angaben des BF1, der angab, er habe aufgrund der im Februar eingebrachten Beschwerde im Mai eine Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft abgegeben, weshalb ihm gedroht worden sei. Eine konkrete Gewaltanwendung schilderte der BF1 in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Diese Widersprüche und Ungereimtheiten führen abermals zur Annahme, dass es sich bei den vom BF1 geschilderten Ereignissen nicht um ein tatsächliches Geschehen handelt.

 

Zur Festnahme am XXXX 2019 gab der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu Protokoll, er sei mit zwei anderen Parteimitglieder aus Anlass einer Gedenkfeier für ihren Parteigründer im Auto unterwegs in dessen Heimatdorf gewesen, als sie angehalten und kontrolliert worden seien. Im Zuge der Kontrolle seien weitere Beamte hinzugerufen worden und sie seien verhaftet und zur Kriminalpolizeistation gebracht worden, wo man ihn geschlagen habe, bis er ohnmächtig geworden sei. Im Gegensatz dazu gab die BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, der BF1 sei direkt auf der Straße geschlagen worden. Ebenso wenig stimmen die Angaben der BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht, mit jenen des BF1 überein. Dort führte sie nämlich aus, der BF1 sei verprügelt worden, als er an der Gedenkfeier teilgenommen habe, während aus dem Vorbringen des BF1 abzuleiten ist, dass er gar nicht bei der Veranstaltung ankam. Das Gericht verkennt nicht, dass die BF2 bei den geschilderten Ereignissen nicht dabei war und daher keinerlei unmittelbare Wahrnehmungen dazu hat. Da allerdings davon auszugehen ist, dass sie die Ereignisse aus Erzählungen des BF1 kennt und sich dennoch wesentliche Widersprüche ergaben, sind auch diese Ausführungen des BF1 und der BF2 nicht glaubhaft.

 

Weiters gaben der BF1 und die BF2 sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der Beschwerdeverhandlung an, der BF2 sei mit den beiden Söhnen (BF3 und BF4) am XXXX 2019 nach Moskau gereist, um Urlaub zu machen und am XXXX 2019 zurückgekehrt und unmittelbar nach seiner Ankunft verhaftet und erneut einen Monat inhaftiert worden. Dazu befragt, weshalb die BF2 und die BF5 nicht an der Reise teilgenommen hätten, gab die BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass sie und die BF5 Flugangst hätten und der BF5 häufig schlecht werde. Demgegenüber führte der BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, sie hätten vereinbart, dass er mit den beiden Söhnen alleine reise, weil die Reise günstiger gewesen sei als für die gesamte Familie. Dies steht wiederum nicht in Einklang mit den Ausführungen des BF1 und der BF2, wonach ihre wirtschaftliche Lage sehr gut gewesen sei. Außerdem geht aus einer im Verwaltungsakt des BF1 erliegenden VISA-Abfrage hervor, dass ihm für den Zeitraum XXXX 2019 bis XXXX 2019 von der ungarischen Botschaft in Baku ein Schengen-Visum ausgestellt wurde, sodass nicht nachvollziehbar ist, dass sich der BF1 innerhalb desselben Zeitraumes in Moskau aufgehalten haben soll. Vor diesem Hintergrund ist es dem BF1 und der BF2 nicht gelungen, den Urlaub in Moskau glaubhaft zu machen und kann ausgehend davon auch das Vorbringen hinsichtlich der Festnahme im Zuge der Rückkehr nicht als glaubwürdig qualifiziert werden. Daran vermag der Umstand, dass der minderjährige BF3 die Reise bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestätigte, nichts zu ändern, zumal ihm die BF2 die Antwort auf die Frage, wo er im Sommer 2019 auf Urlaub gewesen sei, vorwegnahm und der BF3 abweichend von der BF2, wonach die BF5 Flugangst habe und ihr auf Reisen immer schlecht werde, zu Protokoll gab, alle Kinder seien sehr gern gereist, die BF5 habe das Fliegen jedoch nicht besonders gemocht, weil sie davon Ohrenschmerzen bekommen habe.

 

Der BF1 gab zu seiner Enthaftung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum einen an, die Kaution dafür sei über Freunde seines Bruders organisiert worden, zum anderen führte er – ebenso wie die BF2 – aus, sein Bruder habe sein Auto verkauft, um die Kaution zu beschaffen. Weiters gab der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, der Mann der Staatsanwaltschaft, der die Kaution erhalten habe, habe dazu geraten, das Land zu verlassen, weil er sonst nicht in Ruhe gelassen würde, während die BF2 ausführte, der Bruder des BF1 habe einen Polizisten gefunden, der den BF1 nur unter der Bedingung, dass er das Land verlasse, gegen Bezahlung einer Kaution freilasse. Laut Angaben des BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei er bis zum Verlassen des Herkunftsstaates bei seinem Cousin untergetaucht, während die BF2 angab, der BF1 habe sich bis zur Ausreise in der Wohnung eines Bekannten aufgehalten. Schließlich führte die BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, sie habe den BF1 nach der Verhaftung am XXXX 2019 erst in Ungarn im Flugzeug wiedergesehen und präzisierte dies im weiteren Verlauf der Einvernahme dahingehend, dass sie ihn im Flugzeug bloß gesehen und erst am Flughafen in Ungarn tatsächlich wieder getroffen habe. Abweichend davon führte sie vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, sie hätten sich am Flughafen wiedergetroffen und anschließend gemeinsam das Land verlassen. Der BF1 gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, sie hätten sich im Flugzeug wiedergesehen, ließ jedoch offen, ob dies noch in Aserbaidschan oder bereits in Ungarn war und gab vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er habe seinen Herkunftsstaat gemeinsam mit seiner Familie verlassen. Diese vollkommen widersprüchlichen Angaben zu den Geschehnissen im Anschluss an die behauptete Rückkehr aus Moskau sind ein weiterer Beleg für die Unglaubwürdigkeit des BF1 und der BF2.

 

Zu ihrem Ausreisezeitpunkt, gaben der BF1 und die BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch übereinstimmend an, dies sei am XXXX 2019 gewesen. Abweichend davon gab die BF2 den Ausreisezeitpunkt vor dem Bundesverwaltungsgericht mit XXXX oder XXXX an und ergänzte, dass sie sich so genau nicht mehr daran erinnere. Der BF1 schilderte in der Beschwerdeverhandlung wiederum, er sei mit seiner Familie in der Nacht vom XXXX auf XXXX ausgereist, was in Widerspruch zu seinen Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl steht, wonach er am XXXX 2019 noch einen Brief vom Bezirksgericht erhalten habe. Damit sind weder die eigenen Angaben des BF1 und der BF2 zu ihrem tatsächlichen Ausreisezeitpunkt noch die Angaben des BF1 mit jenen der BF2 in Deckung zu bringen. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, dass die BF2 mit den minderjährigen Beschwerdeführern von der zuletzt behaupteten Enthaftung des BF1 und bis zur tatsächlichen Ausreise unbehelligt in ihrer Wohnung leben konnte, obwohl sie und der BF1 versuchten, durch Urkunden darzulegen, dass gegen den BF1 Strafverfahren eingeleitet worden seien und gegen ihn eine Fahndung laufe. Weitere Unstimmigkeiten ergeben sich daraus, dass der BF1 und die BF2 schilderten, die Polizei habe mehrmals nach dem BF1 gesucht, als die BF2 mit den minderjährigen Beschwerdeführern im Oktober 2018 alleine nach Aserbaidschan zurückgekehrt und der BF1 zunächst in Moskau verblieben sei, obwohl zum damaligen Zeitpunkt – wie sich ebenfalls aus ihren Angaben ableiten lässt – lediglich ein Gerichtsurteil über eine schon verbüßte Haft vorlag und darüber hinaus weder die Einleitung von Strafverfahren noch die Ausstellung eines Haftbefehls behauptet wurde oder diesbezüglich Beweismittel vorgelegt wurden. Ebenso wenig ist für das Gericht plausibel, dass die Beschwerdeführer mit gültigen Visa vom Flughafen in Aserbaidschan aus das Land verlassen konnten, obwohl aus der vorgelegten Bestätigung über die Ausschreibung des BF1 zur Fahndung vom XXXX 2019 hervorgeht, dass seine Reisefreiheit eingeschränkt wurde und den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass aserbaidschanische Staatsangehörige bei der Ausreise strengen Kontrollen unterworfen sind. Auch diese Gegenüberstellung der in Zusammenhang mit der Ausreise aufgetretenen Ungereimtheiten lässt den Rückschluss zu, dass die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt sind, aus politischen Gründen verfolgt zu werden.

 

Weiters legte der BF1 zur Bekräftigung seines Fluchtvorbringens verschiedene Urkunden vor. Bei den mit XXXX 2019, XXXX 2019 und XXXX 2019 datierten Beschlüssen eines Bezirksgerichts fällt auf, dass in sämtlichen Verfahren die gleiche Richterin in Anwesenheit desselben Schriftführers und desselben Staatsanwaltes entschieden haben soll, obwohl es sich laut Geschäftszahlen um jeweils unterschiedliche Verfahren handelt und der Beschluss vom XXXX 2019 eine Ausschreibung zur Fahndung betrifft während den beiden anderen Beschlüssen ein Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegt. Weiters ergab ein amtswegig durchgeführte Vergleich des Briefkopfes des in den Beschlüssen angeführten Bezirksgerichts mit den entsprechenden Daten auf der Website des Gerichts (vgl. XXXX , abgerufen am 09.07.2021), dass die Website eine andere Postleitzahl enthält, als die im Original vorgelegten Beschlüsse, obwohl die jeweils angeführte Straße samt Hausnummer ident ist. Zudem enthalten die im Original vorgelegten Beschlüsse die E-Mail-Adresse XXXX , während das in der E-Mail-Adresse auf der Website enthaltene Wort „ XXXX “ mit a – nicht wie in den Beschlüssen mit e – geschrieben wird. Aufgrund dieser Diskrepanzen geht das Gericht nicht davon aus, dass es sich bei den im Original vorgelegten und als Beschlüsse bezeichneten Schriftstücken um echte Urkunden handelt, die das Fluchtvorbringen des BF1 belegen.

 

Ein Vergleich des mit XXXX 2019 datierten und laut deutscher Übersetzung als „spezielle Mahnschrift“ betitelten Schreibens mit dem mit XXXX 2019 datierten und laut Übersetzung als „Ladung“ bezeichneten Schreibens zeigt, dass diese jeweils von derselben Person unterzeichnet wurden. Jedoch enthalten beide Schreiben unterschiedliche Briefköpfe mit unterschiedlichen Adressen. So ist im Schreiben vom XXXX 2019 als agierende Behörde die Generalstaatsanwaltschaft, der Republik Aserbaidschan, Untersuchungsdirektion für schwerwiegende Strafsachen, angeführt, während im Schreiben vom XXXX 2019 von der Staatsanwaltschaft der Republik Aserbaidschan, Staatsanwaltschaft der Stadt Baku, die Rede ist. Im Schreiben vom XXXX 2019 ist – anders als in jenem vom XXXX 2019 – weder eine Postleitzahl, noch eine Telefon- bzw. Faxnummer oder E-Mail-Adresse enthalten. Demgegenüber stammt die auf dem Schreiben vom XXXX 2019 abgebildete Stampiglie von der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Aserbaidschan und nicht, wie im Briefkopf angeführt, von der Staatsanwaltschaft der Stadt Baku. Das Gericht hat daher auch erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Schreiben und sind diese sohin nicht geeignet, das Fluchtvorbringen des BF1 glaubhaft zu machen.

 

Das mit XXXX 2019 datierte Schreiben enthält weder eine förmliche Bezeichnung der Behörde, noch eine Adresse oder Telefonnummer. Da somit nicht einmal der Ursprung des Schreibens verifiziert werden kann, erweckt auch dieses im Original vorgelegt Schriftstück den Eindruck, dass es sich dabei nicht um eine echte Urkunde handelt.

 

Ebenso wenig lässt sich das Fluchtvorbringen des BF1 mit den vorgelegten Bestätigungen über die Krankenhausaufenthalte belegen. Zwar wird darin auf Schlagspuren verwiesen, jedoch lässt sich nicht nachprüfen, im Zuge welcher Ereignisse diese entstanden sein können. Darüber hinaus gehen aus den Bestätigungen lediglich die Dauer des Aufenthaltes sowie die Verletzungen, die behandelt wurden, hervor und können daher auch andere als die vom BF1 geschilderten Ereignisse Ursache für die Behandlung gewesen sein.

 

Das in der mündlichen Verhandlung zusätzlich vorgelegte und ebenfalls mit dem Briefkopf der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Aserbaidschan versehene Schreiben vom XXXX 2020 allein vermag den gewonnenen Eindruck eines unglaubwürdigen Fluchtvorbringens nicht zu beseitigen. Zum einen wurde dazu nämlich keine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt, obwohl die Beschwerdeführer schon mit Schreiben vom XXXX 2021 ausdrücklich darüber belehrt wurden und sind sie damit ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Zum anderen gab der BF1 in der Beschwerdeverhandlung an, das Schreiben stamme aus Oktober 2020, während das Schriftstück mit XXXX 2020, womit er den Eindruck vermittelte, dass er den Inhalt des Schriftstückes selbst nicht genau kennt.

 

Die BF2 führte zu ihren Fluchtgründen sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der Beschwerdeverhandlung aus, dass vier Polizisten am XXXX 2019 in ihre Wohnung eingedrungen seien, um den BF1 zu suchen und hätten ihr gegenüber Gewalt angewendet. Während sie allerdings vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch angab, ihre Tochter habe alles beobachten können, schilderte sie in der Beschwerdeverhandlung, die Polizisten hätten die BF5 in ein anderes Zimmer gestoßen und die Tür geschlossen. Dies deckt sich nicht mit ihren weiteren Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach sie selbst an den Haaren in ein anderes Zimmer gezerrt worden sei. Zusätzlich führte sie im verwaltungsbehördlichen Verfahren ausdrücklich aus, sie sei geschlagen worden, während sie auf die konkrete Frage des Bundesverwaltungsgerichts, ob sie geschlagen worden sei, antwortete, dass sie ihre Arme festgedrückt und sie auf dem Boden durch die Wohnung geschleift hätten. Konkrete Schläge erwähnte die BF2 hingegen nicht. Neben den Verletzungen an den Armen und den Knien, erwähnte die BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht zusätzlich kahle Stellen auf ihrem Kopf, die durch das Zerren an ihren Haaren entstanden sein sollen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht beschränkte sich die BF2 demgegenüber auf die Verletzungen an den Armen und Knien. Der BF3 gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, die BF2 habe Wunden und Prellungen an den Händen und Knien gehabt, schilderte jedoch – ebenso wie der der BF1 – keine Wahrnehmungen zu kahlen Stellen am Kopf. Damit weichen die Schilderungen der BF2 zur Misshandlung durch die Polizei in wesentlichen Punkten voneinander ab und sind nicht geeignet, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

Zu den von der BF2 vorgelegten Fotos, auf denen Blutergüsse an ihrem rechten Arm abgebildet sind, ist festzuhalten, dass daraus weder hervorgeht, wann die Fotos entstanden sind, noch abgeleitet werden kann, wie die Verletzungen entstanden sind. Auch die von der BF2 behaupteten Verletzungen an ihren Knien sowie die kahlen Stellen auf ihrem Kopf sind nicht ersichtlich. Die Fotos lassen somit nicht den Rückschluss zu, dass die BF2 von der Polizei misshandelt wurde. Dasselbe gilt für die von der BF2 vorgelegte Bestätigung über einen Krankenhausaufenthalt zwischen XXXX und XXXX 2019, zumal der Bestätigung nicht zu entnehmen ist, durch welche Handlungen oder Gegenstände die Verletzungen verursacht wurden. Zudem ist festzuhalten, dass der rechtsfreundliche Vertreter in der Beschwerdeverhandlung die Website XXXX aufrief, der BF2 ein Bild auf der Homepage vorhielt und die BF2 bestätigte, dass es sich dabei um das Krankenhaus handle, in dem sie behandelt worden sei. Das auf dieser Website abgebildete Logo des Krankenhauses ist jedoch nicht mit dem auf der vorgelegten Krankenbestätigung enthaltenen Logo ident und findet sich dieses auch sonst nirgends auf der abgerufenen Website (vgl. XXXX , abgerufen am 09.07.2021), sodass zusätzlich Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Bestätigung bestehen.

 

Auch die Angaben des BF1 und des BF2, wonach sich jemand in der Schule nach ihren Kindern erkundigt hätte, sind für das Gericht nicht glaubhaft. Die BF1 gab dazu nämlich in ihrer Erstbefragung am XXXX 2019 an, ihre Kinder hätten von irgendwelchen Fremden Männern abgeholt werden sollen. Sie habe darauf reagiert, indem sie die Kinder einige Zeit aus der Schule genommen habe. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schilderte die BF2, Beamte seien bei ihren Kindern in der Schule gewesen. In der Beschwerdeverhandlung sprach die BF2 dann nicht mehr von mehreren Personen, sondern schilderte, die Lehrerin habe ihr erzählt, der Onkel der Kinder habe nach ihren Schulzeugnissen gefragt und ergänzte auf Nachfrage ihres rechtsfreundlichen Vertreters, dass es sich um die Lehrerin ihrer Tochter gehandelt habe. Im Gegensatz dazu führte der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, der Klassenvorstand ihrer Söhne habe davor gewarnt, dass Unbekannte sich nach den Schulterminen der Kinder erkundigt hätten, weshalb sie die Kinder in weiterer Folge stets zur Schule begleitet hätten. In der Beschwerdeverhandlung sprach auch der BF1 nur noch von einer unbekannten Person, die sich als Onkel ausgegeben und nach den Stundenplänen erkundigt habe. Auch hier ergaben sich hinsichtlich der Anzahl der Personen, die sich erkundigt haben sollen und hinsichtlich der Informationen, nach denen gefragt worden sein soll, Divergenzen sowohl bezüglich der Angaben des BF1 und der BF2 im Verhältnis zu ihren eigenen Angaben als auch bezüglich der Ausführungen des BF1 im Vergleich zu jenen der BF2. Dem BF1 und der BF2 ist auch aus diesem Grund ihre Glaubwürdigkeit zu den Fluchtgründen abzusprechen.

 

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Erstbefragung in erster Linie der Ermittlung der Identität und der Fluchtroute dient und die Erstbefragung der BF2 auf Türkisch und nicht in ihrer Muttersprache Aserbaidschanisch stattfand. Dies hindert das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht, die in der Erstbefragung tatsächlich gemachten Angaben in seine Beurteilung einfließen zu lassen. Außerdem wurde der BF2 sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wie auch in der Beschwerdeverhandlung die Gelegenheit gegeben, ihre bisherigen Ausführungen, sohin auch jene in der Erstbefragung, zu korrigieren und führte die BF2 aus, dass sie die Wahrheit gesagt habe. Die oben geschilderten Angaben der BF2 in ihrer Erstbefragung können daher den beweiswürdigenden Erwägungen zugrunde gelegt werden.

 

Zur allgemeinen Situation von Kindern in Aserbaidschan ist auszuführen, dass aus den Länderfeststellungen hervorgeht, dass keine systematischen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Kindern gesetzt werden und in Aserbaidschan Gesetze zum Schutz vor Kinderarbeit und Ausbeutung sowie zum Schutz vor Zwangsverheiratung existieren. Zwar wird nicht von einem generellen Verbot der körperlichen Züchtigung bei der Erziehung ausgegangen, jedoch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die minderjährigen Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan der Gefahr der körperlichen Züchtigung durch ihre Eltern oder in der Schule ausgesetzt wären. Überdies besuchten die minderjährigen Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise alle die Schule und ist davon auszugehen, dass sie auch im Falle der Rückkehr Zugang zu Schulbildung haben werden.

 

Insgesamt ist aufgrund der zahlreichen Widersprüche innerhalb der Angaben des BF1 und der BF2 und der Diskrepanzen in den als Beweismittel vorgelegten Unterlagen nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat aus politischen Gründen einer konkreten und individuellen Gefahr vor Verfolgung von erheblicher Intensität ausgesetzt wären und ergibt lässt sich aus den Länderfeststellung auch keine kinderspezifische Form der Verfolgung ableiten.

 

Der BF1 verfügt über zwei abgeschlossene Studien und mehrjährige Berufserfahrung. Die BF2 hat ebenfalls eine abgeschlossene Ausbildung und sammelte zumindest vor ihrer Heirat drei Jahre Berufserfahrung. Der BF1 und die BF2 verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat und sind daher mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut. Sie kümmern sich gemeinsam um die minderjährigen Beschwerdeführer, die alle in Aserbaidschan geboren wurden und bis zu ihrer Ausreise die Schule besuchten. Der BF1 war in Aserbaidschan in der Lage, den Lebensunterhalt für sich, die BF2 und die minderjährigen BF3, BF4 und BF5 zu bestreiten. Der BF1 hat in Baku, Aserbaidschan, nach wie vor eine Eigentumswohnung, in der die Beschwerdeführer bis zu ihrer Ausreise lebten, die BF2 ist Eigentümerin eines Landhauses. Zudem haben die Beschwerdeführer Kontakt zum Bruder des BF1, der in der Wohnung ihrer Eltern lebt, in der auch die Beschwerdeführer weiterhin gemeldet sind. Daraus ist abzuleiten, dass sie im Falle der Rückkehr jedenfalls über eine Unterkunft verfügen. Außerdem sind die Beschwerdeführer gesund und im erwerbsfähigen Alter und fallen nicht unter jene Personengruppe, bei der im Falle einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes üblicherweise erhöht ist. Es sind daher keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine ausweglose oder existenzgefährdende Notlage geraten würden. Wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht, wurde die Todesstrafe in Aserbaidschan abgeschafft und sind – insbesondere vor dem Hintergrund – dass sich das Vorbringen des BF1 und der BF2 zu ihren Fluchtgründen als unglaubwürdig erwies, keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihnen im Falle der Rückkehr Folter drohen würde.

 

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden den Beschwerdeführern mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Den Beschwerdeführern wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und allenfalls spätestens in der mündlichen Verhandlung dazu Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführer sind den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Verfahrensvorschriften und anzuwendendes Recht:

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

 

Zur Einwendung der Befangenheit des in der mündlichen Verhandlung beigezogenen Dolmetschers:

 

Gemäß der - nach § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 39a Abs. 1 letzter Satz AVG, sind die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 AVG (Sachverständige) auch auf Dolmetscher und Übersetzer anzuwenden. Insoweit kann die zu Sachverständigen ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß auch auf Dolmetscher übertragen werden (vgl. VwGH 04.02.2020, Ra 2020/14/0002, Rn. 11).

 

Nach § 53 Abs. 1 zweiter Satz AVG kann ein (nichtamtlicher) Sachverständiger von einer Partei auch dann abgelehnt werden, wenn diese Umstände glaubhaft macht, welche die Unbefangenheit oder Fachkunde des Sachverständigen in Zweifel ziehen. Der Vorwurf der Befangenheit muss allerdings konkrete Umstände aufzeigen, welche die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist (vgl. etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0116, Rn. 8, mwN).

 

Die Beschwerdeführer begründeten die behauptete Befangenheit des Dolmetschers in ihrem Schriftsatz vom XXXX 2021 damit, dass dieser zugesagt habe, bei einer Besprechung mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter zu übersetzen und dafür eine Einladung zur Zoom-Konferenz an die bekannt gegebene E-Mail-Adresse übermittelt worden sei, die auch auf der Homepage des österreichischen Verbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher hinterlegt sei. Die Einladung sei dann allerdings von der offiziellen E-Mail-Adresse der Botschaft der Republik Aserbaidschan angenommen worden. Der Dolmetscher sei daher offensichtlich Mitarbeiter des Staates, vor dem die Beschwerdeführer Schutz suchen würden und sei daher die Vertraulichkeit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr gegeben, zumal sie befürchten müssten, dass das Fluchtvorbringen an die Behörden ihres Herkunftsstaates weitergeleitet würde.

 

Aus diesem Vorbringen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, aus denen abzuleiten wäre, dass der Dolmetscher die im Zuge der mündlichen Verhandlung erlangten Informationen an den Herkunftsstaat der Beschwerdeführer weitergeben würde. Die bloße Verwendung der E-Mail-Adresse der aserbaidschanischen Botschaft deutet nämlich noch nicht darauf hin, dass der Dolmetscher zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer eine besonders enge Beziehung pflegt oder sämtliche Informationen, die er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erlangt, weiterleitet. Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, dass der Dolmetscher für die Botschaft lediglich als Übersetzer tätig geworden ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom XXXX 2021 ausführten, dass sie seit einer am selben Tag geplanten Besprechung Zweifel an dessen Unbefangenheit hätten. Demgegenüber übermittelten sie am XXXX 2021 beglaubigte Übersetzungen von Vollmachten und Grundbuchauszügen, die ebenfalls der Dolmetscher, der der mündlichen Verhandlung beigezogen wurde, erstellte und ist die letzte Übersetzung mit XXXX 2021, also nach der geplanten Besprechung, datiert. Nach Ansicht des Gerichts genügen die Ausführungen der Beschwerdeführer daher nicht, um die Objektivität des Dolmetschers in Zweifel zu ziehen oder den Anschein zu erwecken, dieser würde parteiisch handeln.

 

Von der beantragten Neudurchführung der mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

 

Zu den Beweisanträgen:

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stehen eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegen. Danach sind Staaten grundsätzlich verpflichtet, in fremden Hoheitsräumen keine Amtshandlungen ohne Genehmigung des Territorialstaates vorzunehmen. Dieser Grundsatz wird meist streng gehandhabt und gestattet nicht einmal eine hoheitliche Tätigkeit, die keine unmittelbare Auswirkung im Territorialstaat hat, z.B. polizeiliche Erhebungen oder amtliche Vorladungen. Ermittlungen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind von den Ermittlungspflichten des § 18 AsylG 2005 daher nicht umfasst und den Asylbehörden auch nicht erlaubt (vgl. VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196).

 

Die Rechtshilfeeinvernahme allenfalls namhaft gemachter Personen als Zeugen durch die Behörden des Heimatlandes oder die österreichischen Vertretungsbehörden kommt daher nicht in Betracht. Auch eine "Einvernahme" durch eine Vertrauensperson ist nicht möglich, weil eine förmliche Zeugeneinvernahme samt Protokollierung durch eine Privatperson rechtlich nicht vorgesehen ist (den von diesen Privatpersonen mit Auskunftspersonen im Herkunftsstaat des Asylwerbers geführten Gesprächen kommt nicht die Qualität von Zeugeneinvernahmen zu) und ein Anspruch auf informelle Befragung der namhaft gemachten Personen durch die Vertrauensperson nicht in Betracht kommt, weil ein Beweisantrag des Asylwerbers, bestimmte Auskunftspersonen im Herkunftsstaat durch eine Vertrauensperson befragen zu lassen, nicht zulässig ist (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197).

 

Zu medizinischen Sachverständigengutachten führt der Verwaltungsgerichts aus, dass dessen Einholung zwar geeignet sein mag, die Ursache von vorhandenen Verletzungen zu belegen. Jedoch ist ein medizinisches Gutachten nicht geeignet, Aufklärung über die Frage, im Zuge welcher Ereignisse der Revisionswerber die Verletzungen erlitten haben mag und damit über die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers zu geben (vgl. VwGH 29.03.2021, Ra 2021/20/0066, Rn. 11, mwN).

 

Wie sich aus der zitierten Rechtsprechung ergibt, sind Ermittlungen bei den Behörden im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer nicht erlaubt, sodass die von ihnen mit Schriftsatz vom XXXX 2021 beantragte Akteneinsicht bei der Polizeidirektion der Stadt Baku, dem Bezirksgericht XXXX , der Ombudsfrau der Menschenrechte der Republik Aserbaidschan und der Generalstaatsanwaltschaft, Untersuchungsdirektion für schwerwiegende Strafsachen, sowie die in der mündlichen Verhandlung beantragten Erhebungen im Herkunftsstaat dazu, ob die Demonstration und Festnahmen tatsächlich stattgefunden haben, der BF1 davon betroffen, inhaftiert, gefoltert und im Krankenhaus behandelt wurde, sowie die Überprüfung der Echtheit der Urkunden im Herkunftsstaat unterbleiben konnte.

 

Dasselbe gilt für die von den Beschwerdeführern im Schriftsatz vom XXXX 2021 beantragte Einvernahme zweier Ärzte, die in Krankenhäusern in Baku tätig sind. Zusätzlich konnte die Einvernahme dieser Ärzte auch unterbleiben, weil diese lediglich Auskunft über die Ursache der diagnostizierten Verletzungen geben könnten, nicht aber darüber, ob diese tatsächlich im Zuge der Teilnahme an Demonstrationen oder durch willkürliche Staatsgewalt erfolgten, zumal der BF1 nicht vorbrachte, dass die beiden Ärzte im Zuge der Demonstration oder der sonst von ihm behaupteten Verhaftungen anwesend gewesen wären.

 

Die in der mündlichen Verhandlung zusätzlich beantragte Einvernahme des Bruders des BF1 und der Nachbarin konnte darüber hinaus unterbleiben, weil die Beschwerdeführer nicht darlegten, zu welchen konkreten Tatsachen der Bruder des BF1 und die Nachbarin Auskunft geben könnten. Mangels ordnungsgemäßer Angabe des Beweisthemas liegt diesbezüglich somit kein beachtlicher Beweisantrag vor (vgl. VwGH 21.02.2020, Ra 2020/18/0055). Zudem fehlt bei sämtlichen beantragten Zeugen die Angabe der ladungsfähigen Adresse, obwohl die Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom XXXX 2021 ausdrücklich auf deren Erforderlichkeit hingewiesen wurden und anschließend bis zum 12.05.2021 – sohin beinahe einen Monat – Zeit hatten, die entsprechenden Adresse zu organisieren und dem Gericht zu übermitteln, sodass die Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Beweisantrag auf Einvernahme von Zeugen auch aus diesem Grund nicht erfüllt sind.

 

Zu A)

 

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.):

 

Vorauszuschicken ist, dass im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vorliegt, weil der BF1 und die BF2 die Eltern des minderjährigen BF3 sind.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).

 

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/01/0442, mwN). Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0262, mwN).

 

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

 

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).

 

Im Rahmen einer "Wahrunterstellung" wird geprüft, ob im Fall der hypothetischen Richtigkeit des Vorbringens zum Sachverhalt aus den geltend gemachten Tatsachen - allenfalls in Verbindung mit bereits feststehenden Sachverhaltselementen - der behauptete Rechtsanspruch überhaupt begründet werden kann. Ist dies nicht der Fall, bedarf es keiner Ermittlungen und Feststellungen zur Richtigkeit des (allenfalls: übrigen, noch keinen Feststellungen unterworfenen) sachverhaltsbezogenen Vorbringens (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0032, mwN).

 

Bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern" kommt es regelmäßig entscheidend darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit ins Blickfeld der zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte. Bei Beurteilung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte auseinander zu halten. Zunächst geht es darum, ob der Asylwerber so in Erscheinung getreten ist, dass er als auffällig regierungskritisch identifizierbar war. Die Bejahung führt zur zweiten Frage, ob die Behörden des Herkunftsstaates in irgendeiner Form - zB durch Informanten oder Medienberichte - von seinem Auftreten Notiz genommen haben oder nehmen könnten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber aus der Sicht dieser Behörden eine ernst zu nehmende politische Gefahr darstellen könne. Eine derartige subjektive Einschätzung kann nämlich nicht ohne weiteres extern vorweg genommen werden, insbesondere dann, wenn der Asylwerber schon in seinem Heimatland politisch tätig gewesen ist. Entscheidend ist vielmehr, wie die exilpolitische Tätigkeit von den Behörden des Herkunftsstaates bewertet würde und welche Konsequenzen sie für den Asylwerber hätte (VwGH 18.05.2020, Ra 2019/18/0503, mwN).

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnten der BF1 und die BF2 nicht glaubhaft darlegen, dass der BF1 in Aserbaidschan Mitglied einer oppositionellen Partei sei und politische Tätigkeiten gesetzt hätte, die eine Verfolgung durch die staatlichen Behörden auslöste. Ebenso wenig erwiesen sich die Angaben des BF1 und der BF2, wonach die BF2 von Polizisten misshandelt worden sei und Unbekannte Informationen in der Schule der minderjährigen Beschwerdeführer eingeholten hätten, als glaubhaft und konnten ihre Angaben auch nicht durch die vorgelegten Urkunden bekräftigt werden.

 

Aus den Länderberichten ist zwar ersichtlich, dass regimekritische Aktivitäten in Zusammenhang mit der vom BF1 genannten oppositionellen Partei von den aserbaidschanischen Behörden geahndet werden, es insbesondere im Zuge von Demonstration zu Verhaftungen und Geldbußen kommt, die Versammlungsfreiheit seitens der staatlichen Behörden weitreichenden Einschränkungen unterliegt und zwar insbesondere dann, wenn es sich um öffentliche Veranstaltungen der Opposition handelt. Doch vermögen die in den Länderberichten enthaltenen Tatsachen nichts daran zu ändern, dass sich sämtliche Angaben des BF1 und der BF2 als unglaubwürdig erwiesen.

 

Dem BF1 und der BF2 ist es deshalb entgegen ihren Ausführungen in der Beschwerdeschrift und der Beschwerdeergänzung sowie dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht, anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem BF1 und der BF2 aus den von ihnen ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Es konnte auch sonst eine begründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention nicht festgestellt werden. Den minderjährigen Beschwerdeführern ist ein Aufwachsen im aserbaidschanischen Normensystem unter dem Aspekt des Fehlens einer drohenden asylrelevanten Verfolgung zumutbar. Für eine asylrelevante Verfolgung der minderjährigen Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan aufgrund ihrer spezifischen Situation als Kinder gab es keine Anhaltspunkte im Verfahren. Auch unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen an die Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen (VfGH 11.10.2017, E 1803/2017 ua., mwN) ist somit weder aufgrund des Vorbringens des BF1 und der BF2 noch sonst eine individuelle Bedrohung oder Verfolgung der minderjährigen Beschwerdeführer im Verfahren hervorgekommen.

 

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die allgemeine Lage in Aserbaidschan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

 

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.

 

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

 

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Dies ist gem. § 11 Abs. 1 AsylG dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerberin zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG).

 

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung daher dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG). Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 11 AsylG 2005, K15).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN).

 

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

Eine besondere Vulnerabilität - etwa aufgrund von Minderjährigkeit - ist bei der Beurteilung, ob den revisionswerbenden Parteien (hier: beschwerdeführenden Parteien) bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung mit der Situation, die eine solche Person bei ihrer Rückkehr vorfindet (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336, mwN).

 

Für den vorliegenden Fall ist daher Folgendes festzuhalten:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK hieraus nicht abgeleitet werden kann.

 

Da aus den Länderfeststellungen hervorgeht, dass die Todesstrafe in Aserbaidschan abgeschafft wurde, scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Der Herkunftsstaat der Beschwerdeführer befindet sich nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes, sodass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden kann, dass für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

 

Weitere, in den Beschwerdeführern begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden:

 

Der BF1 und die BF2 verfügen im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage. Beim BF1 handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, der zwei Hochschulabschlüsse und mehrjährige Berufserfahrung hat. Zudem lebt der Bruder des BF1 in Aserbaidschan in der Wohnung ihrer Eltern, in der auch die Beschwerdeführer nach wie vor gemeldet sind und besteht regelmäßiger Kontakt zu ihm. Zusätzlich steht die Wohnung, in der die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise lebten, nach wie vor im Eigentum des BF1 und ist die BF2 zur Hälfte Eigentümerin eines Landhauses, sodass anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr jedenfalls über eine Wohnmöglichkeit verfügen. Die BF2 hat eine abgeschlossene Ausbildung als Konditorin, sammelte vor ihrer Ehe drei Jahre Berufserfahrung und ist gesund, sodass auch bei ihr die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Einerseits stammen die Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Zudem kam der BF1 schon vor ihrer Ausreise selbständig für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie auf. Es ist ihm daher auch in Zukunft zuzutrauen, dass er für sich und seine Familie sorgen wird. Die Beschwerdeführer haben den überwiegenden Teil ihres Lebens in Aserbaidschan verbracht, wodurch sie mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates und der Sprache vertraut sind. Da sich der fünfzehnjährige BF3, der vierzehnjährige BF4 und die neunjährige BF5 in der Obhut ihrer Obsorgeberechtigten befinden und von diesen versorgt und behütet werden, ist auch bei ihnen eine Gefährdung, in eine existenzielle Notlage zu geraten, nicht ersichtlich.

 

Die Beschwerdeführer sind gesund. Der BF1 und die BF2 sind im erwerbsfähigen Alter. Wenngleich aus den Länderberichten hervorgeht, dass sich die medizinische Versorgung außerhalb der Hauptstädte als prekär darstellt, ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihres Gesundheitszustandes in eine lebensbedrohliche Situation geraten würden. Zudem lebten die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise in der Stadt Baku und brachten vor, dass sie in verschiedenen Krankenhäusern behandelt worden wären, weshalb anzunehmen ist, dass ihre medizinische Versorgung auch in Zukunft gewährleistet ist. Im Übrigen zählen die Beschwerdeführer nicht zur Personengruppe der immungeschwächten oder alten Menschen, bei denen im Falle einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 das Risiko eines schwerwiegenden Krankheitsverlaufes üblicherweise erhöht ist.

 

Auch steht es dem BF1 und der BF2 frei, beispielsweise in Baku, wo sie bereits vor ihrer Ausreise wohnten, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Ebenso kam hervor, dass im Herkunftsstaat der Bruder des BF2 lebt, von dem die Beschwerdeführer zumindest anfänglich unterstützt werden könnten, zumal die Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu ihm haben und in derselben Wohnung gemeldet sind.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

 

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.

 

Rückkehrentscheidung – Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. bis V.):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

 

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 AsylG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurden. Weder haben die Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Die Beschwerden gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sind sohin ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

 

Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG

 

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (vgl. EGMR, Cruz Varas/Schweden, 20.03.1991, 15576/89).

 

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet. Die minderjährigen Beschwerdeführer sind ihre leiblichen Kinder. Da die Beschwerdeführer darüber hinaus keine Familienangehörigen oder relevanten engen Nahebeziehungen in Österreich haben und über ihr Verfahren gemeinsam entschieden wird, ist ein Eingriff in ihr Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 18.08.2019, Ra 2019/18/0212, mwN).

 

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Soweit Kinder von der Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. EGMR, Jeunesse/Niederlande, 03.10.2014, 12738/10, § 109 mwN). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter („adaptable age“; vgl. dazu die Urteile des EGMR, Darren Omoregie und andere/Norwegen, 31.07.2008, 265/07, § 66, Onur/das Vereinigte Königreich, 17.02.2009, 27319/07, § 60, und vom Omojudi/das Vereinigte Königreich, 24.11.2009, 1820/08, § 46) befinden (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070; 21.04.2011, 2011/01/0132). Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass den minderjährigen beschwerdeführenden Parteien der objektiv unrechtmäßige Aufenthalt subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie ihren Eltern zugerechnet werden kann (vgl. VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 ua.).

 

Im gegenständlichen Fall sind der BF1 und die BF2 zwar legal mit einem Schengen-Visum eingereist, verfügen seit dessen Ablauf aber bloß über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aufgrund ihrer Anträge auf internationalen Schutz verfügen. Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).

 

Zur Integration des BF1 und der BF2 in Österreich ist auszuführen, dass sie während ihres Aufenthaltes Deutschkenntnisse erworben haben, ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten, im Zuge dessen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ein geringfügiges Einkommen zum Grundversorgungsbezug hinzuverdienen und Kontakt zu Bekannten und Nachbarn pflegen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist dem BF1 und der BF2 daher eine gewisse Integration zuzugestehen.

 

Dies wird allerdings dadurch maßgeblich relativiert, dass sie sich während sämtlicher ihrer Integrationsschritte ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten (vgl. VwGH 28.02.2020, Ra 2019/14/0545, mwN).

 

Außerdem ist nach wie vor von einer engen Bindung des BF1 und der BF2 zu Aserbaidschan auszugehen, zumal sie dort den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht haben. Sie wurden in Aserbaidschan sozialisiert und bestritten dort ihre gesamte Schul- und Ausbildung. Hinzu kommt, dass sie nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte in Aserbaidschan haben und der BF1 umfangreiche Berufserfahrung im Herkunftsstaat sammelte. Demgegenüber halten sie sich mit einem Jahr und zehn Monaten erst verhältnismäßig kurze Zeit in Österreich auf. Es besteht daher nach wie vor eine größere Bindung des BF1 und der BF2 zu ihrem Herkunftsstaat als zu Österreich und ist davon auszugehen, dass sie mit den dort herrschenden Gepflogenheiten nach wie vor vertraut sind.

 

Darüber hinaus kommt dem Zeitraum des Aufenthalts der Beschwerdeführer mit einem Jahr und zehn Monaten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu.

 

Dass die Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Das Gericht verkennt nicht, dass die minderjährigen Beschwerdeführer in Österreich die Schule besuchen und sich bemühen, die deutsche Sprache zu lernen. Allerdings sind auch sie in Aserbaidschan geboren, haben den weitaus überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens im Herkunftsstaat verbracht und im Herkunftsstaat die Schule besucht, woraus abzuleiten ist, dass sie ihre schulische Ausbildung auch im Herkunftsstaat fortsetzen können und mit den dort herrschenden Sitten und Gebräuchen vertraut ist. Zudem bedürfen die minderjährigen Beschwerdeführer aufgrund ihres Alters weiterhin der Unterstützung ihrer Eltern, welche wiederum ebenfalls von einer Rückkehr nach Aserbaidschan betroffen sind, da die in deren Verfahren durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen ist, woraus eine beträchtliche Relativierung der privaten Interessen der Minderjährigen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet resultiert. Wenngleich die minderjährigen Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Aserbaidschan ihre in Österreich hinzugewonnenen Freunde zurücklassen, sich wieder an ihr früheres soziales Umfeld gewöhnen müssten und die Rückkehr für sie daher mit einer anfänglichen Umstellungsphase verbunden ist, so wird die Wiedereingliederung der minderjährigen Beschwerdeführer jedenfalls dadurch erleichtert, dass sie ihre grundlegende Sozialisation im Herkunftsstaat erfahren haben (vgl. VwGH 05.03.2020, Ra 2020/19/0010, Rn. 15, mwN).

 

Trotz der Integration der Beschwerdeführer überwiegt daher bei Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände, insbesondere der Setzung der Integrationsschritte während unsicheren Aufenthaltes und des nach wie vor bestehenden größeren Bezugs zum Herkunftsstaat sowie der äußerst geringen Aufenthaltsdauer das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Vorschriften die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer am weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG liegt durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist ebenfalls nicht geboten.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG liegen vor: Da die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz abgewiesen wurden, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG von Amts wegen zu erteilen.

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass den Beschwerdeführern kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Die Beschwerdeführer haben weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

 

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

 

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide sind als unbegründet abzuweisen.

 

Zulässigkeit der Abschiebung

 

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

 

Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Aserbaidschan nicht.

 

Die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Aserbaidschan ist daher zulässig und die dagegen gerichteten Beschwerden sind als unbegründet abzuweisen.

 

Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung

 

Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG war die Entscheidung des Bundesamtes daher mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden und ist die Rückkehrentscheidung jedenfalls zulässig. Eine Abschiebung nach Aserbaidschan ist im gegenständlichen Fall zulässig.

Es liegen somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

 

Ausreisefrist § 55 Abs 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

 

Da derartige Umstände weder von den Beschwerdeführern behauptet wurden noch im Ermittlungsverfahren hervorkamen, wurde die Frist für die freiwillige Ausreise zu Recht mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

 

Auch die Beschwerden gegen Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide sind sohin als unbegründet abzuweisen.

 

 

 

Zu B)

 

Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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