BVwG W242 2185848-2

BVwGW242 2185848-229.1.2020

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W242.2185848.2.00

 

Spruch:

W242 2185848-2/E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. HEUMAYR über den Antrag des XXXX , geb. XXXX auch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH, 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX abgeschlossenen Asylverfahrens:

 

A)

 

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der nunmehrige Antragsteller, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

 

Am 29.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Antragstellers statt. Dabei gab er zu seinem Gesundheitszustand befragt an, dass er an keinen Krankheiten leide, die der Einvernahme entgegenstehen oder das Asylverfahren beeinträchtigen würden.

 

Am 21.11.2015 wurde der Antragsteller einer Begutachtung zur Altersfeststellung unterzogen, wobei dessen Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnte.

 

Am 16.10.2017 wurde der Antragsteller vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, seines Rechtsvertreters und einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen und führte dabei zu seinem Gesundheitszustand aus, er leide an Rückenschmerzen sowie einer Allergie und habe Zahnprobleme. Gegen die Allergie nehme er Medikamente.

 

Mit Schriftsatz vom 25.10.2017 übermittelte der Antragsteller einen medizinischen Befundbericht, aus dem hervorgeht, dass er an einem leichtgradigen Beckenschiefstand zugunsten der linken Seite leidet sowie eine Bestätigung über die verschriebenen Medikamente.

 

Mit Urkundenvorlage vom 08.11.2017 übermittelte der Antragsteller einen nervenfachärztlichen Befund, mit welchem zusätzlich eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde.

 

Mit Bescheid vom XXXX 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

 

Dagegen erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

 

Mit Schriftsatz vom 17.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer einen weiteren Befundbericht, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer infolge eines Krampfanfalles ins Krankenhaus eingeliefert wurde und ihm Medikamente verschrieben sowie eine Psychotherapie empfohlen wurde.

 

Am 01.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand ausführte, er habe Rückenschmerzen und psychische Probleme, weshalb er im Krankenhaus gewesen sei und nehme er derzeit auch Medikamente. Zudem legte der Beschwerdeführer eine weitere Bestätigung über den Klinikaufenthalt vor.

 

Mit Erkenntnis vom XXXX .2019 , Zl. XXXX wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018 ab. Dabei wurde festgestellt, dass die diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung sowie der leichtgradige Beckenschiefstand auf der linken Seite nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit erreichen würde. Beweiswürdigend verwies das Bundesverwaltungsgericht auf die vorgelegten fachärztlichen Gutachten und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass die posttraumatische Belastungsstörung auch in Afghanistan behandelbar sei, zumal es insbesondere in Mazar-e Sharif psychiatrische Krankenhäuser gebe und in sämtlichen Provinzkrankenhäusern psychologische Beratungsleistungen angeboten würden.

 

Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom XXXX , XXXX , abgelehnt, die in der Folge erhobene außerordentliche Revision des Antragstellers wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX zurückgewiesen.

 

Mit Schriftsatz vom 13.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 14.01.2020, stellte der Antragsteller einen auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des mit im Spruch genannten Erkenntnisses abgeschlossenen Verfahrens.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Antragsteller am 19.12.2019 aufgrund von Magenschmerzen in ärztliche Behandlung begeben habe und habe die am 07.01.2020 durchgeführte und durch den Ambulanzbrief vom selben Tag dokumentierte Befundbesprechung ergeben, dass der Beschwerdeführer an einer chronischen Gastritis Typ B bedingt durch eine chronische Infektion mit Helicobacter pylori leide und führe diese Magenschleimhautinfektion längerfristig zu einer Atrophie der Magenschleimhaut und erhöhe das Risiko einen Magenkarzinoms. Die dadurch indizierte Eradikationsbehandlung geschehe durch 14-tätige Einnahme verschiedener Medikamente. Frühestens fünf Wochen nach Ende dieser antibiotischen Behandlung könne deren Erfolg nachgewiesen werden, andernfalls sei eine Zweitlinientherapie erforderlich. Zudem leide der Antragsteller an einem submukösen Tumor am Bulbus duodeni, der durch Endosonographie und Biopsie näher charakterisiert werden müsse, wobei das Risiko derzeit nicht abzuschätzen sei. Da die durch diese Erkrankungen medizinisch indizierten Behandlungen in Afghanistan nicht auf akzeptablem Standard durchführbar seien, werde die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Bei Kenntnis dieser Umstände, die nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens hervorgekommen seien, wäre das Bundesverwaltungsgericht nämlich zum Ergebnis gekommen, dem Antragsteller den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Feststellungen:

 

Der oben unter I. dargestellte und sich vollständig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie dem vorliegenden hg. Vorakt ergebende Verfahrensgang wird festgestellt.

 

Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den hg. Vorakt des Antragstellers, beinhaltend insbesondere das Protokoll der Erstbefragung vom 29.06.2015, das Gutachten zur Altersfeststellung vom 21.11.2015, das Protokoll der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2017, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018, die Urkundenvorlagen vom 25.10.2017, 08.11.2017 und 17.09.2018, das Protokoll der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 01.10.2018, das hg. Erkenntnis vom XXXX 2019 sowie die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs vom XXXX und des Verwaltungsgerichtshofs vom XXXX .

 

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem bisherigen Verfahrensgang und der Aktenlage.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Mit Fuchs (in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG Anm. 13, Stand 1.10.2018, rdb.at) ist der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben (ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 29).

 

Zu A) Abweisung des Wiederaufnahmeantrags:

 

§ 32 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018, lautet:

 

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

 

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

 

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

 

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

 

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

 

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

 

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

 

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

 

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 Blg NR, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherige Judikatur zu § 69 AVG herangezogen werden kann.

 

In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Beschluss vom 30.04.2019, Ra 2018/10/0064, aus, dass die Wiederaufnahmsgründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmsgründe zurückgegriffen werden kann.

 

Voraussetzung für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren (vgl. VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0095; ferner Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG Anm. 4, Stand 1.10.2018, rdb.at). Der Antragsteller hatte als Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Parteistellung, sodass er grundsätzlich einen Wiederaufnahmeantrag stellen kann.

 

Zudem setzt ein Wiederaufnahmeantrag ein durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenes Verfahren voraus (vgl. VwGH 28.04.2015, Ro 2015/18/0001) und muss aus dem Antrag auch hervorgehen, dass die Wiederaufnahme eines näher bezeichneten Verfahrens begehrt wird. Zumindest muss aus dem Inhalt der Eingabe hervorgehen, auf welches abgeschlossene Verfahren sich der Antrag auf Wiederaufnahme bezieht (vgl. zu § 69 AVG VwGH 18.03.1993, 92/09/0212).

 

Der Antragsteller begehrte ausdrücklich die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom XXXX .2019 , Zl. XXXX abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG und handelt es sich dabei auch tatsächlich um ein abgeschlossenes Verfahren, zumal sowohl die Behandlung der eingebrachten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abgelehnt als auch die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen wurden.

 

Der Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, ist im Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darzulegen und hat der Wiederaufnahmswerber dabei anzugeben, zu welchem Zeitpunkt die Tatsachen, auf die sich die vorgelegten Beweismittel beziehen, entstanden sind (vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0403).

 

Zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages wurde vorgebracht, dass sich der Antragsteller am 19.12.2019 aufgrund von Magenschmerzen in ärztliche Behandlung begeben und die am 07.01.2020 durchgeführte und im vorgelegten Ambulanzbrief dokumentierte Befundbesprechung ergeben habe, er leide an einer chronischen Gastritis Typ B bedingt durch eine chronische Infektion mit Helicobacter pylori sowie an einem submukösen Tumor am Bulbus duodeni und seien die dadurch dringend indizierten Behandlungen in Afghanistan nicht auf akzeptablem Standard durchführbar, sodass den Anforderungen an ein schlüssig und konkretisiert dargelegtes Wiederaufnahmebegehren genüge getan wurde.

 

Der Wiederaufnahmeantrag ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst ab diesem Zeitpunkt schriftlich (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 AVG; vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG Anm. 12, Stand 1.10.2018, rdb.at) beim Verwaltungsgericht einzubringen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. zu § 69 AVG VwGH 19.05.1993, 91/13/0099; 25.01.1996, 95/19/0003). Die in § 69 Abs. 2 AVG vorgesehene subjektive Frist beginnt bereits mit der Kenntnis des Antragstellers von dem Sachverhalt, der den Wiederaufnahmegrund bilden soll; entscheidend ist die Kenntnis von einem Sachverhalt, nicht aber die rechtliche Wertung dieses Sachverhalts. Für den Fristenlauf ist daher nicht maßgebend, ob dem Antragsteller die mögliche Qualifizierung eines Sachverhalts als Wiederaufnahmegrund bewusst ist (vgl. VwGH 01.07.2019, Ra 2019/14/0261).

 

Im gegenständlichen Fall brachte der Antragsteller vor, dass er von den im Zuge der durchgeführten medizinischen Untersuchung hervorgekommenen Erkrankungen am 07.01.2020 erfahren habe und ist dies durch den vorgelegten Ambulanzbrief vom selben Tag ausreichend belegt, sodass der am 14.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Wiederaufnahmsantrag jedenfalls rechtzeitig gestellt wurde.

 

Ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG setzt unter anderem voraus, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten (vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0403, mwN). Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510, mwN).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs können Tatsachen und Beweismittel im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens bereits vorhanden waren und deren Verwertung der Partei jedoch ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde, nicht jedoch, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt. Dieser Wiederaufnahmegrund ermöglicht nicht die neuerliche Aufrollung eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens in Fragen, die im früheren Verfahren hätten vorgebracht werden können. Der Wiederaufnahmegrund des Hervorkommens neuer Tatsachen oder Beweismittel kann von vornherein nur ein Umstand sein, der den Sachverhalt betrifft, der dem das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheid/Erkenntnis zugrunde gelegt wurde. Eine in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsansicht kann niemals einen solchen Wiederaufnahmegrund darstellen. Auch das nachträgliche Erkennen, dass im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren Verfahrensmängel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung seitens der Behörde vorgelegen seien, bildet keinen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung (vgl. VwGH 30.04.2019, Ra 2018/10/0064, mwN).

 

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0403, mwN).

 

Ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund nur dann tauglich, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510, mwN).

 

Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, 2000/08/0105). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG - die wie oben ausgeführt auf die Bestimmungen des § 32 VwGVG anzuwenden sind - handelt es sich beim "Verschulden" im Sinne des Abs. 1 Z 2 um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, 94/07/0063; 10.10.2001, 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 [2011] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).

 

Eine Wiederaufnahme setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wieder aufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, 2001/21/0031; 07.09.2005, 2003/08/0093; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; siehe dazu weiters Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 [2011] Rz. 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).

 

Für den vorliegenden Fall ist daher Folgendes festzuhalten:

 

Das vorangegangene Verfahren wurde mit dem im Spruch genannten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2019 rechtskräftig abgeschlossen. Da die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Magenerkrankungen erst im Rahmen einer nach diesem Zeitpunkt, nämlich am 19.12.2019, begonnenen medizinischen Untersuchung diagnostiziert wurden, sich der vorgelegte Ambulanzbrief ausschließlich auf diese Magenerkrankungen bezieht und der Antragsteller in seinem Wiederaufnahmebegehren schließlich selbst ausführte, diese Erkrankungen sowie die dadurch indizierten medizinischen Behandlungen seien erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu Tage getreten, liegen neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht vor, zumal der Antragsteller im vorangegangenen Verfahren zuletzt auch ausschließlich auf seine Rückenschmerzen und seine posttraumatische Belastungsstörung verwies.

 

Der Antrag auf Wiederaufnahme des im Spruch genannten Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht war sohin als unbegründet abzuweisen.

 

Im Übrigen kommt einem Antrag auf Wiederaufnahme weder ex lege aufschiebende Wirkung zu, noch kann diese über gesonderten Antrag zuerkannt werden (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG Anm. 12, Stand 1.10.2018, rdb.at; VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0232, mwN), sodass eine Auseinandersetzung mit dem dahingehend gestellten Antrag unterbleiben konnte.

 

Da die Sachlage aufgrund des vom Antragsteller in seinem Wiederaufnahmeantrag erstatteten Vorbringens in Verbindung mit dem vorgelegten Ambulanzbrief vom 07.01.2020 als geklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Im vorliegenden Fall liegen keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien verschafft. Vielmehr ist die hier zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur. Zudem wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt und ist der fehlende ausdrückliche Antrag in einem von einem rechtskundigen Vertreter verfassten Anbringen als impliziter Verzicht auf Abhaltung einer Verhandlung vor dem VwG zu verstehen, sodass auch deshalb von einer Verhandlung abgesehen werden konnte, zumal auch keine diesem Verständnis entgegenstehenden Beweisanträge gestellt wurden (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0005, mwN). Im Übrigen fällt ein Wiederaufnahmeantrag grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie bereits oben ausgeführt, wurde § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG nach den Materialien der Bestimmung des § 69 AVG nachempfunden, weshalb auf die einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG zurückgegriffen werden kann. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen im Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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