BVwG W221 2170230-1

BVwGW221 2170230-13.10.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W221.2170230.1.00

 

Spruch:

W221 2170230-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1090581202-151524841, zu Recht:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der minderjährige Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, der Islamische Staat (IS) herrsche in Syrien und er und seine Familie hätten unter dem langen Krieg und der damit einhergehenden Zerstörung gelitten. Außerdem sei er Kurde und werde vom Regime in Syrien diskriminiert.

 

Am 11.04.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit seines Vaters als gesetzlichen Vertreter niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er zunächst, dass seine bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Er habe mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise in XXXX im Gouvernement Al Hasaka gelebt. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, er laufe Gefahr von Seiten der kurdischen Milizen (YPG) bzw. der syrischen Regierung einberufen zu werden. Zwei seiner Freunde seien eingezogen worden und seien gefallen. Sein Vater habe ihn immer wieder versteckt, beispielsweise beim Großvater. Auch habe es keine Schulen mehr gegeben, da diese aufgrund des Krieges geschlossen worden seien. Daraufhin habe er Syrien gemeinsam mit seinem Onkel im September XXXX verlassen. Seine Mutter und Geschwister habe er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.

 

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017 , zugestellt am 04.08.2017, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgeschichte als nicht glaubhaft anzusehen sei. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt seiner Ausreise höchstens 14 Jahre alt gewesen und eine Einberufung zum Militärdienst sei gesetzeskonform erst ab dem 18. Lebensjahr möglich. Selbst unter Kriegsbedingungen werde kein Jugendlicher in diesem Alter eingezogen. Auch eine Generalmobilmachung habe in Syrien bisher nicht stattgefunden. Selbst kurdische Milizen, besonders die YPG würden zu Erwachsenen tendieren. Auch die stereotype Aussage, die Volksgruppe der Kurden werde verfolgt sei zu verneinen. Kurden hätten in Syrien zwar unter Alltagsdiskriminierung zu leiden, welche jedoch keine Verfolgung im Sinne der GFK darstelle.

 

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 02.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

 

Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 30.08.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und sein Vater Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime einerseits sowie durch die syrische Miliz (YPG), sowie aufgrund ihrer oppositionellen politischen Gesinnung andererseits, die sich aus ihrer Weigerung, der versuchten Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime sowie durch die YPG Folge zu leisten ergebe, verlassen hätten. Weiters habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Entscheidung aufgrund einer aktenwidrigen Feststellung getroffen, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise bereits 15 Jahre alt gewesen sei. Sowohl Regierungskräfte, als auch oppositionelle Gruppierungen, insbesondere die YPG würden Kinder und Jugendliche bereits ab dem 12. Lebensjahr rekrutieren. Der Beschwerdeführer sei bereits 17 Jahre alt und würde bei einer Rückkehr über den Flughafen Damaskus in die Hände der Regierung fallen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe diesbezüglich keine Prognoseentscheidung getroffen.

 

Mit Schreiben vom 31.08.2017 legte der Beschwerdeführer ergänzend mehrere Dokumente vor.

 

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 11.09.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom XXXX , der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit).

 

Der Beschwerdeführer hat Syrien im September XXXX illegal zu Fuß in Richtung Türkei verlassen, ist illegal nach Österreich eingereist, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Der Beschwerdeführer ist ein im Entscheidungszeitpunkt 17-jähriger syrischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer wäre nach Erreichen des 18. Lebensjahres – also im Falle einer Rückkehr nach Syrien unmittelbar nach ebendieser Rückkehr – in Syrien wehrdienstpflichtig und muss in Syrien damit rechnen, zu einem Dienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, wo er der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre.

 

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Einreisende Personen werden im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokument einer intensiven Überprüfung unterzogen.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

 

"Folter und unmenschliche Behandlung

 

Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).

 

Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).

 

Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).

 

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).

 

Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

 

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).

 

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).

 

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

 

Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).

 

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).

 

Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).

 

Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Die syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst

 

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für – teils relativ junge – Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).

 

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

 

Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).

 

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).

 

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).

 

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).

 

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

 

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Wehrdienstverweigerung/Desertion

 

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

 

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte‘, vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

 

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).

 

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).

 

Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).

 

Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).

 

Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).

 

Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015)

 

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

 

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Länderfeststellungen stützen sich auf das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 05.01.2017 sowie auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, vom November 2015 (4. Aktualisierte Fassung). All diese Dokumente sind dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt.

 

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Dokumente (u.a. Kopie des syrischen Reisepasses). Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt. Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

 

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

Die Feststellungen, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee bzw. dabei die Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen droht, deren Ausmaß aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation bis zur extralegalen Tötung reichen kann, stützen sich maßgeblich auf die Länderfeststellungen. Wie sich aus diesen Berichten nämlich ergibt, hat die syrische Regierung Schwierigkeiten neue Rekruten auszuheben. Ferner kann es während des Militärdienstes zur zwangsweisen Mitwirkung an schweren Menschenrechtsverletzungen und bei deren Verweigerung zu einer Verhaftung und Bestrafung kommen. Weiters ist aufgrund der besonderen Situation in Syrien die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig.

 

Der Ansicht der belangten Behörde, wonach die Einberufung zum Militärdienst sei gesetzeskonform erst ab dem 18. Lebensjahr möglich, weshalb, selbst unter Kriegsbedingungen eine solche im Falle des Beschwerdeführers unwahrscheinlich sei, ist nicht zu folgen.

 

Dass der Beschwerdeführer erst 17 Jahre alt ist und die Wehrpflicht in Syrien erst ab 18 Jahren gesetzlich festgeschrieben ist, ändert an dieser Einschätzung nichts, wäre doch der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr kurz vor seinem 18. Geburtstag und ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass es auch zu Rekrutierungen von Kindern unter 18 Jahren an Checkpoints kommt. Berichten zufolge besteht für – teils relativ junge – Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016).

 

Vor allem ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass es für eine Bedrohung oder Verfolgung durch das syrische Regime nicht (unbedingt) darauf ankommt, ob eine Einberufung zum Militärdienst vor der Ausreise bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren; es bestehen aufgrund der angespannten Situation in Syrien Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben und es kommt auch zu Rekrutierungen von Jugendlichen) und dem persönlichen Profil des Beschwerdeführers (als junger und gesunder Staatsbürger im fast wehrpflichtigen Alter) ergibt sich, dass eine Person mit diesen formellen Voraussetzungen in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten, die sich zum Dienst melden, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Militärdienst eingezogen zu werden und dabei – wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt – erheblichen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu werden. Durch seinen Auslandsaufenthalt entzieht sich der Beschwerdeführer jedoch dem Militärdienst und er wäre daher im Fall einer Rückkehr der Gefahr der Verhaftung und Bestrafung bis hin zu Misshandlungen und Folter ausgesetzt. Bei der Rückkehr von erfolglosen Asylwerbern nach Syrien kommt es nämlich zu einer Befragung an der Grenze.

 

Die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers stellen sich daher – vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen –als plausibel dar.

 

Eine nähere Auseinandersetzung mit seinem weiteren Fluchtvorbringen kann letztlich unterbleiben, da die eben aufgezeigte Gefährdung für sich alleine ausreichend ist, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu begründen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen, ergänzt um einige Länderfeststellungen, die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt sind, unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.

 

Zu A)

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der EuGH hat mit Urteil vom 26.02.2015 in der Rechtssache C-472/13 , Shepherd, eine Auslegung der Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2004/83/EG dahingehend vorgenommen,

 

– dass sie alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals erfassen,

 

[ ]

 

– dass die Verweigerung des Militärdienstes das einzige Mittel darstellen muss, das es dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrenden Antragsteller erlaubt, der Beteiligung an den behaupteten Kriegsverbrechen zu entgehen, so dass der Umstand, dass er kein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt hat, jeden Schutz nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83 ausschließt, sofern der Antragsteller nicht beweist, dass ihm in seiner konkreten Situation kein derartiges Verfahren zur Verfügung stand.

 

Die dargestellte Judikatur des EuGH erging zwar zur Status-RL 2004/83/EG , welche mittlerweile durch die Status-RL 2011/95/EU neu gefasst wurde, jedoch blieb Art. 9 Abs. 2 lit. e dadurch inhaltlich unverändert.

 

Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, eine drohende Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen:

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch die Gefahr einer wegen "Wehrdienstverweigerung" (allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen) drohenden Bestrafung dann zur Asylgewährung führen, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen – wie etwa bei der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der – generellen – Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre (vgl. VwGH 14.12.2004, 2001/20/0692).

 

Dient die Geltung verschärfter Strafdrohungen bei Wehrdienstverweigerung im Wesentlichen dazu, dass Einberufene erhöhtem Druck zur Teilnahme an Handlungen ausgesetzt sind, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten (vgl. Art. 1 Abschnitt F GFK), so erfüllt dies unter der weiteren Voraussetzung, dass einem Wehrdienstverweigerer zumindest eine gegen den Staat gerichtete politische Gesinnung unterstellt wird, die Anforderungen der auf dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994, VwSlg. 14089 A/1994 (verst. Senat), basierenden Rechtsprechung an die Zuerkennung von Asyl. Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen – etwa gegen die Zivilbevölkerung – auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009, zitiert nach Feßl/Holzschuster [Asylgesetz 2005, 117 ff]). Dies ist auch ausdrücklich in Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU festgehalten. Daher ist eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der genannten Richtlinie fallen, umfassen würde, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.

 

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass der Militäreinsatz in der syrischen Armee, dem sich der Beschwerdeführer letztlich durch seine Ausreise entzogen hat, im derzeitigen bewaffneten Konflikt in Syrien mit einem Zwang zur Verübung menschenrechtswidriger Handlungen und zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen (etwa Angriffe auf die Zivilbevölkerung) verbunden (und damit im Sinne des Abs. 171 des UNHCR-Handbuches über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft den "Grundregeln menschlichen Verhaltens" widersprechend) ist und dass völlig unverhältnismäßige Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen bei Wehrdienstverweigerung und bei Verweigerung von Befehlen im Bereich des Militärdienstes bzw. des Militäreinsatzes (etwa Hinrichtung von Soldaten, die sich weigern, auf Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen) erfolgen. Davon ist der Beschwerdeführer, dem maßgeblich wahrscheinlich der Wehrdiensteinsatz bei der syrischen Armee droht und der einen solchen Einsatz verweigert, maßgeblich wahrscheinlich betroffen. Unter den besonderen Verhältnissen in Syrien kann die Anwendung dieser völlig unverhältnismäßigen Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen seitens der syrischen Regierung nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung der Betroffenen beruht. Damit liegt im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer drohende Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" als drohender Eingriff von erheblicher Intensität eine asylrelevante Verfolgung vor, weil die Bestrafung in Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich mit dem der "politischen Gesinnung", steht. Die hinreichende Intensität solcher Verfolgungshandlungen bedarf aufgrund der derzeitigen Situation mit einer Vielzahl schwerer Menschenrechtsverletzungen keiner weiteren Begründung. Es liegt somit eine individuelle Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor.

 

Es haben sich im vorliegenden Fall daher ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Diese Verfolgung geht von der syrischen Regierung aus und droht dem Beschwerdeführer hauptsächlich aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Sanktionierung seines Verhaltens nicht bloß die Abhandlung eines rechtstaatlichen Verfahrens droht, sondern er vielmehr mit willkürlicher Bestrafung bis hin zu seiner extralegalen Tötung zu rechnen hat. Die hinreichende Intensität solcher Verfolgungshandlungen bedarf aufgrund der derzeitigen Situation mit einer Vielzahl schwerer Menschenrechtsverletzungen keiner weiteren Begründung. Es liegt somit eine individuelle Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor.

 

Bei der vorliegenden Konstellation kann im gegenständlichen Fall auch nicht mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer über die Möglichkeit verfügen würde, sich in Syrien in einer anderen Region niederzulassen. Eine abschließende Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann jedoch insbesondere auch vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

 

Es sind auch im Zuge des Verfahrens keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.

 

Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat insbesondere aufgrund seiner (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am XXXX , somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte