BVwG W144 2170406-1

BVwGW144 2170406-115.9.2017

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W144.2170406.1.00

 

Spruch:

W144 2170401-1/3E

 

W144 2170409-1/3E

 

W144 2170406-1/3E

 

W144 2170397-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX geb, 2.) XXXX geb.,

3.) mj. XXXX geb., und 4.) mj. XXXX geb., alle StA. von Syrien, gegen die Bescheide des Bundesamtes Für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils vom 23.08.2017, Zlen.: XXXX (ad 1.), XXXX (ad 2.), XXXX (ad 3.), XXXX (ad 4.), zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

Der 1.-Beschwerdeführer (1.-BF) ist der Ehegatte der 2.-Beschwerdeführerin (2.-BF), beide sind Eltern der minderjährigen (mj.) 3.- und 4.-Beschwerdeführer (3.- und 4.-BF), alle sind Staatsangehörige von Syrien. Die BF haben ihr Heimatland Anfang September 2012 verlassen und sich nach Ägypten begeben, von wo aus sie nach Libyen gereist sind. Nach einem ca. 5-jährigen Aufenthalt in Libyen begaben sie sich im April 2017 nach Italien, wo sie etwa 10 Tage lang in einem Lager in Rom aufhältig waren, bis sie schließlich am 29.04.2017 mit der Bahn nach Österreich einreisten. Am 02.05.2017 stellten die BF die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

 

Zu den 1.-, und 2.-BF liegt jeweils eine EURODAC-Treffermeldung für Italien vom 19.04.2017 wegen erkennungsdienstlicher Behandlung vor.

 

Den Beschwerden liegt folgende Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Im Verlauf ihrer Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 03.05.2017 gaben die 1.- und 2.-BF neben ihren Angaben zum Reiseweg übereinstimmend im Wesentlichen an, dass sie in keinem anderen Land um Asyl angesucht hätten, es seien ihnen nur die Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie möchten nicht nach Italien zurückkehren, da sie dort nicht gut behandelt worden seien. Sie hätten sich in Italien nicht wohl gefühlt, außerdem hätten sie nach Österreich zur Schwester des 1.-BF gelangen wollen.

 

Das BFA richtete in der Folge bezüglich aller 4 BF am 11.05.2017 auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestützte Aufnahmeersuchen an Italien. Italien akzeptierte diese Aufnahmeersuchen durch Fristablauf gem. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO mit Ablauf des 11.07.2017.

 

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 17.08.2017 gab der 1.-BF im Wesentlichen an, dass er bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet hat. Sein derzeitiger Gesundheitszustand stelle sich dergestalt dar, dass er sehr nachdenklich sei und an Kurzatmigkeit leide. Er werde einen arabischen Arzt, einen Psychologen aufsuchen. Befunde über seinen Gesundheitszustand könne er keine vorlegen, er nehme derzeit auch keine Medikamente zu sich. An diesen Beschwerden leide er schon ca. acht Monate lang. In Italien habe er keine medizinische Versorgung erhalten. Auf die Frage nach Verwandten gab der BF an, dass er eine Schwester in Österreich habe. Diese wohne in Wien, im XXXX Bezirk, Genaueres wisse er nicht. Die Schwester befinde sich seit ca. einem Jahr und acht Monaten in Österreich, es bestehe kein gemeinsamer Haushalt, die Schwester sei asylberechtigt. Abhängig sei er weder von seiner Schwester noch von seinem Schwager. Er selbst lebe nur mit seiner Ehefrau und seinen Kindern (den 2.- bis 4.-BF) in einer Familiengemeinschaft. Er habe in Italien nicht um Asyl angesucht, da Italien nicht schön sei. Die italienischen Behörden hätten ihnen 7 Tage Zeit gegeben, um Italien zu verlassen. 3 Tage lang hätten sie auf einem Bahnhof verbracht und seien schlecht behandelt worden. Es sei kalt gewesen und sie hätten weder Decken noch sonstige Versorgung erhalten. Nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung ihrer Asylanträge zuständig sei, gab der 1.-BF an, dass man in Italien nicht leben könne. In Italien würden Drogenhändler auf den Straßen herumgehen und er habe Angst um seine Kinder, dass sie davon etwas mitbekommen würden. Seine Schwester habe ihnen empfohlen, dass sie nach Österreich kommen sollten.

 

Die 2.-BF brachte in eigener Sache sowie als gesetzliche Vertreterin ihrer beiden Kinder, den 3.- und 4.-BF, im Wesentlichen vor, dass es ihr und ihren Kindern gut gehe, wobei ihr jüngster Sohn XXXX , der 4.-BF, psychisch belastet sei. Sie seien bei dem Psychologen gewesen, in zwei Wochen würden Psychologen vom Lager kommen und mit dem 4.-BF reden. Befunde darüber habe sie keine. Weder sie selbst noch ihre Kinder würden Medikamente nehmen. Die Kinder hätten diese Beschwerden seit dem Aufenthalt in Italien; die italienischen Behörden hätten sich nicht um sie gekümmert, weshalb sie mit ihrem Sohn nicht bei einem Arzt gewesen sei. Im Übrigen erstattete die 2.-BF gleichlautende Angaben zu ihrer familiären Situation sowie zum Aufenthalt in Italien und den Gründen, warum sie nicht dorthin zurückkehren wolle, wie der 1.-BF.

 

Die minderjährigen 2.- bis 4.- BF wurden nicht einvernommen.

 

Das BFA wies sodann die Anträge auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheiden jeweils vom 23.08.2017 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zur Prüfung der Anträge zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung der BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig sei.

 

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

 

"Zu Italien werden folgende Feststellungen getroffen:

 

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 17.05.2017 – inkl. letzte Kurzinformation vom 26.07.2017).

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 26.07.2017, Neuer Circular Letter (Tarakhel); Asylstatistik; Unterbringung (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer und Abschnitt 6/Unterbringung)

 

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, die als Dublin-Rückkehrer nach Italien zurückkehren. Zuletzt wurde am 24. Juli 2017 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 18 SPRAR-Projekte mit zusammen 78 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 24.7.2017).

 

Aus einer Statistik des UNHCR geht hervor, dass 2017 bis 16. Juli

93.213 Bootsflüchtlinge in Italien gelandet sind. Das sind um 13.373 Personen mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allerdings ist der Juli 2017 bislang mit 9.461 Migranten etwas schwächer als der Vergleichszeitraum 2016 (9.618). Aus den Statistiken geht hervor, dass mehr Personen in Italien Asylanträge stellen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wobei diese Anträge nicht notgedrungen von Neuankünften gestellt worden sein müssen (UNHCR 16.7.2017).

 

Laut offizieller italienischer Statistik haben 2017 bis zum 14. Juli

80.665 Personen einen Asylantrag gestellt. Mit selbem Datum waren

22.406 Anträge negativ erledigt, 3.842 erhielten Flüchtlingsstatus,

4.165 erhielten subsidiären Schutz, 10.632 erhielten humanitären Schutz. 2.118 Antragsteller waren nicht mehr auffindbar (VB 19.7.2017a).

 

Mit Stand 18. Juni 2017 waren 194.809 Migranten in staatlichen italienischen Unterbringungseinrichtungen untergebracht (VB 19.7.2017b). Quellen:

 

 

 

 

 

Allgemeines zum Asylverfahren

 

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

 

Aus aktuellen Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es im Jahre 2016 insgesamt 123.600 Asylanträge gegeben hat, was einer Steigerung von 47% gegenüber 2015 entspricht (MdI 10.3.2017, vgl. Eurostat 16.3.2017). 4.808 Personen haben 2016 Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen, 12.873 subsidiären Schutz und

18.979 internationalen humanitären Schutz. 54.254 Anträge (60%) wurden abgewiesen (MdI - 10.3.2017).

 

Die Asylverfahren nehmen je nach Region sechs bis fünfzehn Monate in Anspruch. Wenn Rechtsmittel ergriffen werden, kann sich diese Dauer auf bis zu zwei Jahren erstrecken (USDOS 3.3.2017).

 

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 21. April 46.225 Asylanträge gab.

 

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(VB 26.4.2017)

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Dublin-Rückkehrer

 

Die meisten Dublin-Rückkehrer landen auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

 

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies nun tun, so wie jede andere Person auch (AIDA 2.2017).

 

2. Ist das Verfahren des Rückkehrers noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere Asylwerber auch (AIDA 2.2017).

 

3. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Italien im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren auf Antrag wieder aufgenommen (EASO 12.2015).

 

4. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Italien verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten, beginnt die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, wenn der Rückkehrer von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde (EASO 12.2015; vgl. AIDA 2.2017).

 

5. Wurde der Rückkehrer beim ersten Aufenthalt in Italien von einer negativen Entscheidung in Kenntnis gesetzt und hat dagegen nicht berufen, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE (Schubhaftlager) gebracht werden. Wurde ihm die Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht, steht dem Rückkehrer der Beschwerdeweg offen, sobald er informiert wurde (AIDA 2.2017).

 

6. Hat sich der Rückkehrer dem persönlichen Interview nicht gestellt und sein Antrag wurde daher negativ beschieden, kann er nach Rückkehr ein neues Interview beantragen (AIDA 2.2017).

 

(Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.3 Dublin-Rückkehrer.)

 

Quellen:

 

 

 

Non-Refoulement

 

Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).

 

Hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger besteht ein absolutes Rückschiebeverbot an der Grenze (UNICEF 29.3.2017).

 

Das italienische Innenministerium hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Zugang zu Asylverfahren und Grundrechten Personen nicht verweigert werden kann, für die willkürlich angenommen wird, dass sie des internationalen Schutzes nicht bedürfen. Außerdem wurde explizit bestätigt, dass alle Migranten das Recht haben, vor Refoulement geschützt zu werden. Es würden laut Innenministerium keine Ausweisungsbefehle erlassen, wenn Migranten zuvor nicht korrekt informiert wurden (AIDA 2.2017). Quellen:

 

 

 

 

Versorgung

 

Unterbringung

 

Grundsätzlich sind Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und eine entsprechende Bedürftigkeit besteht. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Gemäß der Praxis in den Jahren 2015 und 2016 erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione) anstatt sofort nach der erkennungsdienstlichen Behandlung (fotosegnalamento). Zwischen diesen beiden Schritten sind, abhängig von Region und Antragszahlen, Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich, in denen Betroffene Probleme beim Zugang zu alternativer Unterbringung haben können. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Tatsächlich ist diese Problematik durch die Erweiterung der SPRAR-Kapazitäten und Einführung der temporären Unterbringungsstrukturen (CAS) nur für Personen relevant, die ihren Antrag im Land stellen, nicht für auf See geretteten Asylwerber (AIDA 2.2017).

 

Wie die untenstehende Statistik des italienischen Innenministeriums zeigt, wurden die Unterbringungskapazitäten in den letzten 3 Jahren massiv gesteigert.

 

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(MdI - 31.3.2017)

 

Mit Stand 31.3.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 137.599 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 2.204 in den sogenannten Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 13.835 in Erstaufnahmezentren, 137.599 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.867 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

 

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(VB 19.4.2017)

 

Grundsätzlich lässt sich die Struktur der Unterkünfte wie folgt grafisch darstellen.

 

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(AIDA 2.2017)

 

CPSA - (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots

 

Menschen, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Einwanderungszentren bzw. Hotspots (AIDA 2.2017, vgl: MdI 28.7.2015). Die ursprünglichen CPSA in Lampedusa und Pozzallo bilden seit 2016 zusammen mit den Zentren Taranto und Trapani die sogenannten Hotspots. Dieses Hotspot-Konzept wurde von der Europäischen Kommission entwickelt, um jene Mitgliedsstaaten zu unterstützen, die an den EU-Außengrenzen einem besonderen Migrationsdruck ausgesetzt sind. Nähere Informationen sind weiter unten dem Abschnitt "Hotspots" zu entnehmen (AIDA 2.2017, vgl. EC o. D.). Nach dieser Phase der ersten Hilfe unmittelbar nach Ankunft in den CPSA bzw. Hotspots werden die Fremden, je nach Status, entweder rückgeführt oder in andre Unterkünfte verlegt (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). (Für weitere Informationen siehe Kapitel 6.2 Hotspots.)

 

CDA, CARA und CAS

 

CDA, CARA und CAS sind Erstaufnahmezentren und bieten eine eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Erstaufnahmezentren mit sehr vielen Unterbringungsplätzen (AIDA 2.2017).

 

Die CDA (centri di accoglienza) sind allgemeine Aufnahmezentren, in denen insbesondere die auf dem Staatsgebiet aufgegriffenen Fremden zur Identitätsfeststellung und Statusbestimmung untergebracht werden, während CARA (Centri d’Accoglienza Richiedenti Asilo) Zentren für die Aufnahme von Asylwerbern sind. CDA und CARA umfassen derzeit 15 Erstaufnahmezentren mit ca. 14.694 Plätzen (AIDA 2.2017). Asylwerber sollen dort einige Wochen oder Monate untergebracht werden, bis die administrativen Formalitäten bezüglich eines Asylantrags abgeschlossen und ein neuer Unterkunftspatz gefunden ist. Sprachtraining oder andere Integrationsmaßnahmen finden in diesen Zentren nicht statt (CoE 2.3.2017).

 

CARA, CDA und CPSA sollen sukzessive in den durch das Gesetz 142/2015 eingeführten sogenannten "hub regionali" aufgehen. Jede Region soll über einen solchen hub verfügen. Migranten, die in den Hotspots um internationalen Schutz ansuchen, sollen dann an diese "hub regionali" als Erstaufnahmezentren weitergeleitet werden. Ziel ist es, die Strukturen zu straffen und die Schutzsuchenden in Zentren unterzubringen, die in der Nähe von Einwanderungsbüros liegen (AIDA 2.2017, vgl. MdI 2016; SFH 8.2016)

 

Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) sind temporäre Aufnahmezentren, die speziell in Zeiten hoher Migrationsströme andere Zentren entlasten sollen. De facto dienen sie zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen. Ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die CAS dienen auch als "Second-Line-Aufnahme" in Vorbereitung auf die Unterbringung in SPRAR. Derzeit sind ca. 130.000 Personen in über 7000 CAS-Unterkünften in ganz Italien untergebracht (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). Primär als Notunterkünfte vorgesehen, liegt der Schwerpunkt der CAS nicht auf einer längerfristigen Integration, obwohl viele Asylsuchende während der Bearbeitung ihrer Asylanträge in einem CAS untergebracht sind (CoE 2.3.2017).

 

Grundsätzlich sollen Asylwerber jedenfalls in allen hier genannten Einrichtungen nur temporär untergebracht werden, bis eine Verlegung in das SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) möglich ist. Da SPRAR aber nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt, gibt es einen chronischen Rückstau, der wiederum eine zum Teil massive Überbelegung der CAS-Unterkünfte zur Folge hat. Viele Asylsuchende bleiben bis zum Asylentschied in den CAS. Um eine gewisse Entlastung des Systems herbeizuführen, werden Asylwerber oft sofort nach Erhalt eines positiven Bescheids aus dem Aufnahmesystem genommen (AIDA 2.2017).

 

Generell variiert die Qualität zwischen den verschiedenen Arten von Flüchtlingsunterkünften und auch innerhalb der jeweiligen Kategorien stark und hängt vom Ausmaß der jeweiligen Überbelegung und dem lokalen Management ab (AIDA 2.2017). Die Bedingungen in einigen Einrichtungen führen zu Bedenken nach den Artikeln 3 und 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (CoE 2.3.2017).

 

SPRAR - (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati)

 

Das SPRAR besteht derzeit (Stand 2. Februar 2017) aus 640 kleineren dezentralisierten Zweitaufnahmezentren/Projekten mit einer aktuellen Gesamtkapazität von 25.838 betreuten Personen. Etwa 95 dieser Projekte widmen sich unbegleiteten Minderjährigen (2.007 Personen) und 44 Unterkünfte mit insgesamt 592 Plätzen widmen sich Menschen mit psychischen Problemen (SPRAR 2.2.2017).

 

Die SPRAR-Projekte der Gemeinden sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren und bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung sowie Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es steht mehr Platz pro Person zur Verfügung (in kleineren Einheiten teilen sich oft nur zwei Personen ein Zimmer) und die hygienischen Standards sind besser. Es gibt Erholungsbereiche, manchmal besteht auch die Möglichkeit, selbst zu kochen. Bei Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger werden diese Standards normalerweise - beispielsweise um Sportmöglichkeiten - nochmals ausgeweitet (AIDA 2.2017).

 

Trotz aller positiver Aspekte ist das Wachstum von SPRAR in den vergangenen Jahren nicht ausreichend, um den Unterbringungsbedürfnissen in ausreichendem Maße entsprechen zu können. SPRAR deckt derzeit nur etwa 20% der Aufnahmenachfrage ab (AIDA 2.2017, vgl. MdI 31.3.2017).

 

Ist in keiner der vorgesehenen Strukturen Platz für einen Asylwerber gegeben, wäre für den Zeitraum, in dem dieser nicht untergebracht werden kann, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt. Stattdessen wird der Asylwerber unter Inkaufnahme einer entsprechenden Überbelegung trotzdem untergebracht (AIDA 2.2017).

 

NGOs berichten, dass Tausende legale und illegale Fremde - ohne Zugang zu öffentlichen Diensten und Leistungen - in verlassenen alten Gebäuden leben (USDOS 3.3.2017).

 

NGOs

 

Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 2.2017).

 

CIE - (Centro di identificazione ed espulsione)

 

Personen, die sich illegal im Land aufhalten und für internationalen Schutz nicht in Frage kommen, werden in Erwartung der Abschiebung in den Schubhaftzentren CIE untergebracht. Die Dauer des Aufenthalts beträgt hierbei maximal 18 Monate (MdI 28.7.2015).

 

Italien verfügt mit Stand vom 20. Jänner 2016 über insgesamt sechs in Betrieb befindlichen CIEs mit einer theoretischen Kapazität von insgesamt 720 Plätzen (PI 2.2016). Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html , Zugriff 30.3.2017

 

 

Hotspots

 

Im Zuge der zunehmenden Migrationsbewegungen in Richtung Europa hat die Europäische Kommission am 13. Mai 2015 eine Migrationsagenda zur "besseren Steuerung der Migration" verabschiedet. Eine der Maßnahmen ist der sog. "Hotspot approach", bei dem mit Unterstützung der europäischen Asylunterstützungsagentur EASO (sowie unter Hinzuziehung von Frontex, Europol und Eurojust) mit den Behörden der Grenzstaaten eine rasche Identifizierung der ankommenden Migrantinnen und Migranten und die umfassende Registrierung sowie die Abnahme der Fingerabdrücke gewährleisten sollen. Menschen, die Anspruch auf internationalen Schutz haben, können von den betroffenen Mitgliedsstaaten an andere EU Mitgliedsstaaten umverteilt werden, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird. Italien und Griechenland sind die ersten beiden Mitgliedstaaten, in denen das Hotspot-Konzept derzeit angewandt wird (EC 27.3.2017; vgl. SFH 8.2016).

 

Migranten, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Hotspot-Zentren. Dort werden ihre Daten erkennungsdienstlich aufgenommen, es erfolgt ein erster medizinischer Check und sie haben die Möglichkeit, um internationalen Schutz anzusuchen (AIDA 2.2017). Jene Menschen, die keinen Schutzanspruch haben, sollen rasch rückgeführt werden. Die anderen werden in die "hub regionali" (Regionalzentren) überstellt. Auch wird eine mögliche Umverteilung an andere EU-Staaten für die Durchführung des Asylverfahrens überprüft (AIDA 2.2017; vgl. EC 27.3.2017).

 

In Italien wurden bisher 4 Hotspots mit einer Kapazität von insgesamt 1.600 Personen eingerichtet (Lampedusa, Pozzallo, Taranto und Trapani) (EC 27.3.2017). Nach Medienberichten sollen diese nun durch weitere Hotspots ergänzt werden. Im Gespräch hierfür sind Messina und Palermo auf Sizilien sowie Corigliano, Reggio Calabria und Crotone in Kalabrien (AIDA 2.2017, vgl. GdS 17.3.2017).

 

Die gesetzlich zulässige Aufenthaltsdauer von 48 bzw. 72 Stunden in den Hotspots wird in der Praxis vielfach nicht eingehalten (AIDA 2.2017).

 

Die hohe Anzahl der Ankünfte hat sich negativ auf das System zur Registrierung und auf das italienische Empfangssystem als Ganzes ausgewirkt. Nicht immer ist die wirksame Identifizierung von Opfern von Menschenhandel oder Vulnerablen bzw. die Bereitstellung von angemessenen Informationen über deren Rechte gewährleistet. Dies ist insbesondere problematisch, wenn eine hohe Anzahl von Flüchtlingen und Migranten gleichzeitig eintrifft (CoE 2.3.2017). Quellen:

 

 

 

 

 

 

Dublin-Rückkehrer

 

Dublin-Rückkehrer die noch nicht in Italien offiziell untergebracht waren, haben Zugang zu Unterbringung. Eine allgemeine Aussage, wie lange es dauert bis tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Aufgrund von Informationsmangel, Fragmentierung des Systems und Platzknappheit, dauert es tendenziell länger. In den letzten Jahren wurden daher temporäre Aufnahmestrukturen für die Rückkehrer geschaffen, in denen vulnerable Fälle verbleiben bis eine alternative Unterbringung gefunden ist, bzw. in denen nicht-vulnerable Fälle bleiben, bis ihr rechtlicher Status geklärt ist. Berichten zufolge kommt es aber vor, dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden und sich daher selbst um ihre Unterbringung - mitunter in Behelfssiedlungen - kümmern müssen (AIDA 2.2017).

 

Wenn Rückkehrer in Italien bereits einmal offiziell untergebracht waren und diese Unterbringung einfach verlassen haben, kann dies zu Problemen führen. Wenn diese Personen nach Rückkehr einen Antrag auf Unterbringung stellen, kann dieser von der zuständigen Präfektur abgelehnt werden. Ebenso haben Rückkehrer mit einem Schutzstatus in Italien Probleme beim Zugang zu Unterbringung (AIDA 2.2017).

 

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind. Zuletzt wurde am 12. Oktober 2016 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 11 SPRAR-Projekte mit zusammen 58 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 12.10.2016).

 

Die NGOs Danish Refugee Council und Swiss Refugee Council haben Anfang 2017 6 Fälle von vulnerablen Rückkehrern (Familien mit Kindern bzw. Schwangeren) nach Italien einem Monitoring unterzogen und berichten, dass 2 dieser Fälle bei Rückkehr keinen Zugang zu Unterbringung hatten. Die übrigen 4 Fälle wurden zunächst übergangsweise untergebracht, wobei die Bedingungen als für Vulnerable unpassend kritisiert wurden. In weiterer Folge konnten Plätze in SPRAR gefunden werden. Die Betroffenen und die beteiligten NGOs sprechen von Willkür oder zumindest Unvorhersehbarkeit seitens der italienischen Behörden. Als problematisch wurde in den gemonitorten Fällen vor allem der mangelnde Informationsfluss betreffend die Vulnerabilität der Rückkehrer zwischen den Behörden des überstellenden Staats und Italiens beschrieben (DRC/SRC 9.2.2017).

 

Der BM.I-Verbindungsbeamte in Italien, der gegebenenfalls die Rückkehr vulnerabler Fälle aus Österreich am Flughafen Rom-Fiumicino begleiten kann, berichtete im Feber 2017 von der Rückkehr einer Familie mit Kindern nach Italien, woraus sich abseits des Einzelfalls interessante allgemeine Fakten ergeben. Am Flughafen Fiumicino sind ab 10:30 Uhr Vertreter der Vereinigung ITC (Interpreti Traduttori in Cooperativa) vertreten. Es handelt sich dabei um eine Kooperative von Übersetzern, Dolmetschern und Kulturmediatoren, die in ganz Italien mit über 2.000 Experten aktiv sind und mehrere italienische Behörden und internationale Organisationen mit ihrer Kompetenz beim Umgang mit Migranten unterstützen. Diese decken offenbar eine gewisse Bandbreite an Sprachen ab und unterstützen gegebenenfalls bei der niederschriftlichen Befragung zu den Asylgründen in Italien. Die Quästur hat direkt am Flughafen Rom Fiumicino eine Zweigstelle eingerichtet, um den administrativen Ablauf zu beschleunigen und den Rückkehrern die Anfahrt ins Zentrum von Rom zu ersparen. Nach der Befragung wurde der Familie der zeitlich auf 6 Monate befristete Aufenthaltstitel für Asylwerber von der Quästur ausgestellt und die Familie erhielt eine Mahlzeit, während mit der Präfektur von Rom abgeklärt wurde, wo die Rückkehrer vorübergehend unterzubringen wären. Da zum Zeitpunkt der Anreise keine Plätze in SPRAR-Strukturen (Unterkünfte der 2. Stufe; auch: Folgeunterkünfte) zur Verfügung standen, wurde die Familie zuerst außerordentlich untergebracht (in sogenannten Centri accoglienza straordinari). Auch bei dieser Art der Unterbringung werden Familien in eigenen Strukturen untergebracht. Sobald ein Platz in einer SPRAR-Struktur frei wird, werden die Familien dorthin verlegt. Der Transfer in die Unterbringung erfolgt entweder organisiert, oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei die Kosten dann durch die Vereinigung "ITC" getragen werden. Im gemonitorten Fall war der Transfer für denselben Nachmittag angekündigt. (VB 14.2.2017; ITC o.D.). Quellen:

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das Recht auf medizinische Versorgung erfolgt im Moment der Registrierung eines Asylantrags, der wiederum von der Zuweisung eines "codice fiscale" (Steuer-Codes) abhängt, der von den Quästuren im Zuge der Formalisierung des Asylantrags vergeben wird. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern, zumal 2016 ein eigenes Steuercode-System für Asylwerber eingeführt wurde. Bis dahin haben Asylsuchende nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen:

freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern (AIDA 2.2017).

 

Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Die Praxis ist aber nicht im ganzen Land einheitlich. Auch bezüglich der Verlängerung der Befreiung gibt es regional unterschiedliche Regelungen. Die Sprachbarriere ist das größte Zugangshindernis zu medizinischer Versorgung. Asylwerber und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. Seit April 2016 existiert in Rom ein NGO-Projekt zur Indentifizierung und Rehabilitation von Folteropfern (AIDA 2.2017).

 

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird in der Praxis dadurch beeinträchtigt, dass viele Asylwerber und Schutzberechtigte nicht über ihre Rechte und das administrative Verfahren zum Erhalt einer Gesundheitskarte informiert sind. Dies gilt insbesondere, wenn sie sich in einer prekären Wohnsituation befinden (SFH 8.2016).

 

Auch illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal, die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).

 

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016). Quellen:

 

 

 

 

 

Beweiswürdigung

 

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

 

[ ]

 

Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:

 

Die in den Feststellungen zu Italien angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des § 5 BFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.

 

Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des § 5 BFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Italien nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Italien- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

 

Anzuführen ist, dass wenn die Annahme gerechtfertigt wäre, dass alle Asylverfahren oder auch Unterbringung, Versorgung mit Nahrungsmitteln und die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Italien die europäischen Menschenrechtsstandards qualifiziert unterschreiten, so würden die gemeinschaftsrechtlich zuständigen europäischen Organe verpflichtet sein, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten, da Italien so nicht Mitglied der EU, als auch einer dem Menschenrechtsschutz verpflichteten europäischen Wertegemeinschaft, sein dürfte. Für eine derartige Sichtweise bestehen aus Sicht der erkennenden Behörde aber keine Anhaltspunkte.

 

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Italien- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

 

[ ]

 

Im Circular Letter vom 08.06.2015 garantiert das italienische Innenministerium, dass alle Familien mit Minderjährigen, welche, gemäß der Vereinbarungen der Dublin-III-Verordnung, nach Italien überstellt werden, zusammenbleiben und in einer, für den Empfang von Familien und ihren Kindern, angepassten Einrichtung untergebracht werden. Diese werden speziell im Rahmen des SPRAR – Schutzsystems für um Internationalen Schutz Ansuchende, durch die Verordnung mit der Nummer 189/2002, bereitgestellt und bestehen aus dem Netzwerk der örtlichen Einrichtungen und so wie es auch auf der Website www.sprar.it gesehen werden kann, sind auch besondere Orte im Rahmen der Umsetzung der örtlichen Empfangseinrichtungen für Familiengruppen, reserviert worden. In den aktuellen Länderfeststellungen vom Juli 2016 wird auf dieses Schreiben verwiesen. In den oben angefügten Länderfeststellungen wird bemerkt, dass im Sinne des Tarakhel-Urteils Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung stellte, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015).

 

Diese angeführten Plätze für Familien wurden im Rahmen des S.P.R.A.R Programms geschaffen und beinhalten eine sog. "integrierte Aufnahme" für Familien mit minderjährigen Kindern.

 

Im Fall Tarakhel gg. Schweiz (App. No. 29217/12) bezieht sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte klar auf die Unterbringungssituation von Familien mit minderjährigen Kindern in Italien zum damaligen Beschwerdezeitpunkt im Jahr 2011. Aus gegenständlichem Urteil kann keine pauschale Verpflichtung abgeleitet werden für vulnerable Personengruppen eine Einzelfallzusicherung einzuholen.]

 

Vielmehr werden seitens des Bundesamtes praktische Modalitäten in Absprache mit den italienischen Behörden durchgeführt und eingehalten, welche die Einholung einer Einzelfallzusicherung vor Überstellung nicht erforderlich machen.

 

Damit gewährleitstet ist, dass die vulnerable Personengruppe im konkreten Einzelfall auch einen SPRAR Unterbringungsplatz zugewiesen bekommt werden seitens des Bundesamtes spezifische Maßnahmen getroffen:

 

Konkret bedeutet diese integrierte Aufnahme, dass sichergestellt wird, dass die Standards des EMRK-Urteils (kindgerechte Unterbringung und keine Trennung der Familie) garantiert sind und zudem noch weitere Betreuungsangebote gemacht werden, ua. werden Sprachkurse oder Berufsschulungen etc. angeboten.

 

Aufgrund der vorliegenden Schreiben entfällt die Notwendigkeit zur Erteilung von individuellen Zusicherungen. Es ergibt sich klar, dass sich die Unterbringungsverhältnisse für Familien mit minderjährigen Kindern, im Vergleich mit dem konkreten Anlassfall der Familie Tarakhel aus 2011, bedeutend geändert haben.

 

Weitere Rundbriefe (z.B. vom 15.2.2016) seitens des italienischen Innenministeriums informieren die Mitgliedsstaaten über den Tagesstand der vorhandenen SPRAR Projekte. Mit Stand 27.7.2016 befanden sich 20.371 Personen in staatlicher Betreuung (SPRAR).

 

Damit gewährleitstet ist, dass die Familie mit minderjährigen Kindern im konkreten Einzelfall auch einen SPRAR Unterbringungsplatz zugewiesen bekommt werden seitens des Bundesamtes spezifische Maßnahmen getroffen:

 

1. Das Bundesamt kündigt die Dublin Überstellung mindestens 15 Tage vor geplantem Überstellungstermin den italienischen Behörden via DubliNet an. Sollte kein SPRAR Unterbringungsplatz zur Verfügung stehen, teilen die italienischen Behörden dies dem Bundesamt vor Überstellung mit.

 

2. Bei Übernahme der Familie mit den minderjährigen Kindern durch die italienischen Behörden ist der österreichische Verbindungsbeamte des Bundesministeriums für Inneres in Italien am vereinbarten Überstellungsort vor Ort. Sichergestellt wird somit, dass etwaige Koordinierungsfragen zwischen den Behörden am kurzen Wege gelöst werden und die Verbringung der Familie in den zugesicherten Unterbringungsplatz unterstützt wird.

 

Anzumerken sei auch, dass in Italien ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet ist, wie sich aus den Feststellungen zu Italien ergibt. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in Italien gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach Italien Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Asylwerber müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Ebenso ist aus den Länderfeststellungen hervorzuheben, dass diese Registrierung zu folgenden Leistungen berechtigt: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern etc..

 

Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Italien ausreichende Versorgung gewährleistet ist.

 

Es ist auch anzumerken, dass außerhalb der staatlichen Strukturen noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten bestehen, die etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen betrieben werden und, wenn Sie als Dublin-Rückkehrer, der noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, Sie dies tun können, wie jeder andere auch.

 

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

 

[ ]

 

Zusammengefasst ist zur Lage in Italien anzumerken, dass Sie jedenfalls ein rechtskonformes Asylverfahren in diesem Land führen können, bei gleichzeitig bestehender und ausreichender Versorgung und Unterbringung, einschließlich der medizinischen Versorgung.

 

Soweit Sie im Verfahren die Versorgungslage in Italien bemängeln, ist darauf hinzuweisen, dass Ihr Vorbringen nicht geeignet ist, eine konkret Sie persönlich drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Italien aufzuzeigen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass in Italien ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet ist, wie sich aus den Feststellungen zu Italien ergibt. Dass Ihnen Versorgungsleistungen für Asylwerber in Italien in rechtswidriger Weise vorenthalten werden könnten, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in Italien gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach Italien Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Italien ausreichende Versorgung gewährleistet ist. Angemerkt sei auch, dass Sie in Italien keinen Asylantrag gestellt haben. Mangels Asylantragstellung traf die italienische Behörde keine Versorgungspflicht.

 

Ihr Vorbringen betreffend unzureichender medizinischer Versorgung in Italien wird mangels Substanz als nicht glaubhaft erachtet. Wie in den Feststellungen zu Italien angeführt ist, wird in Italien die erforderliche medizinische Versorgung gewährt.

 

Aus Ihren Angaben ergibt sich insgesamt kein Hinweis darauf, dass Ihnen in Italien in einer der EMRK widersprechenden Weise eine erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten worden wäre oder in der Zukunft vorenthalten werden könnte. Sie selbst haben keinerlei Befunde in Vorlage bringen können.

 

Schon allein aus diesem Grund kann von keinem substantiierten Vorbringen betreffend die mangelhafte medizinische Versorgung in Italien ausgegangen werden. Darüber hinausgehend widersprechen Ihre pauschal in den Raum gestellten Behauptungen hinsichtlich der medizinischen Versorgung in Italien den oben angeführten Feststellungen zu Italien, wonach für Asylwerber ausreichende medizinische Versorgung in Italien gewährleistet ist. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Italien ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist. Angemerkt sei auch, dass Sie in Italien keinen Asylantrag gestellt haben. Mangels Asylantragstellung traf die italienische Behörde keine Versorgungspflicht.

 

Anzumerken sei, dass Sie und Ihre Familie im Zuge der Asylantragstellung in Österreich medizinisch untersucht wurden. Wäre eine gravierende Erkrankung diagnostiziert worden, wären medizinische Schritte getätigt worden.

 

In Bezug auf Ihre angegebene Krankheit sei weiters angemerkt, dass Kurzatmigkeit und psychische Probleme notorisch amtsbekannt sind und medizinisch behandelt werden können. Sie haben darüber hinaus keinerlei Befunde in Vorlage bringen können, weshalb nicht von einer gravierenden Erkrankung ausgegangen werden kann, zumal Sie in Österreich einer medizinischen Untersuchung nach Asylantragstellung unterzogen wurden. Wären gravierende Erkrankungen erkannt worden, kann auch zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass dementsprechend dringliche ärztliche Behandlungen in absehbarer Zeit durchgeführt oder fixiert worden wären, wenn tatsächlich schwerwiegende Erkrankungen vorliegen würden.

 

Anzumerken sei, dass im Falle einer Überstellung nach Italien der Gesundheitszustand und auch die Transportfähigkeit von der Fremdenpolizeibehörde beurteilt wird und gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Des Weiteren ist anzumerken, dass nur in außergewöhnlichen Umständen, wie etwa die Gefahr eines qualvollen Todes, eine Verletzung der in der Art. 3 EMRK verankerten Rechte darstellen würde.

 

Betreffend der Stellungnahme vom 22.02.2017:

 

Zu der eingebrachten mündlichen Stellungnahme vom 22.02.2017 Ihrer Rechtsberatung, betreffend der Einzelfallszusicherung Italiens, da es bei der Familie um besonders vulnerable Personen handelt ist folgendes anzumerken:

 

Im Ergebnis erforderte Tarakhel/Schweiz eine entsprechende Einzelfallprüfung sowie die Zusicherung einer adäquaten Unterbringung im Falle einer geplanten Überstellung von besonders vulnerablen Personen und Personengruppen, wie etwa von einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern. Mittlerweile ist das in Rede stehende Erkenntnis des EGMR vom November 2014 jedoch insofern als überholt anzusehen, als zum einen Italien zwischenzeitlich auf diese Judikatur des EGMR reagiert und die Betreuungsplätze für Familien ausgebaut hat, und zum anderen durch entsprechende Korrespondenz im Überstellungsmodus im Einzelfall gesichert ist, dass das BFA vor der Überstellung einer Familie im Falle mangelnder Verfügbarkeit von adäquater Unterbringung rechtzeitig informiert wird:

 

Wie in den angefochtenen Entscheidungen ausgeführt, hat Italien im Rahmen des S.P.R.A.R.-Programms "integrierte Plätze" für Familien mit minderjährigen Kindern geschaffen und ist zudem der Überstellungsmodus von Österreich nach Italien dergestalt eingerichtet, dass das BFA 15 Tage vor dem geplanten Überstellungstermin die italienischen Behörden kontaktiert und diese dem BFA in der Folge mitteilen würden, wenn kein solcher S.P.R.A.R.-Unterbringungsplatz zur Verfügung stünde. Aus den weiteren Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen, wonach sichergestellt werde, dass eine Familie in einen zugesicherten Unterbringungsplatz verbracht werde, ergibt sich, dass das BFA von einer Überstellung Abstand nehmen würde (- und auch Abstand zu nehmen hätte), wenn im Einzelfall keine im Sinne des Tarakhel Urteils des EGMR adäquate Unterbringung in Italien gewährleistet wäre. Es liegt auch auf der Hand, dass Italien im Einzelfall lediglich relativ zeitnah zu geplanten Überstellungen konkrete Absagen (und damit auch Zusagen, wenn eben keine Absage erteilt wird) zu freien Plätzen erteilen kann, da bei einem schwankenden Belagsstand konkrete Vorhersagen über mehrere Wochen oder gar Monate hinweg schon aus organisatorisch-logistischer Hinsicht nicht möglich erscheinen.

 

Insofern in der Beschwerde moniert wird, dass keine Einzelfallzusicherung von den italienischen Behörden eingeholt worden sei, sind diesem Vorbringen somit obige Erwägungen zu den aktuellen Überstellungsmodalitäten entgegenzuhalten, die dem (aus dem Jahr 2011 stammenden) Anlassfall Tarakhel eben gerade nicht zugrunde gelegen sind.

 

Das Bundesamt verkennt nicht, dass der italienische Staat Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern und Personen mit Aufenthaltstiteln hat. Es kann allerdings nicht von solchen Mängeln im italienischen Asylsystem gesprochen werden, welche eine Überstellung der Beschwerdeführer jedenfalls unzulässig erscheinen lassen würden. Im Gegensatz zu der von der internationalen Rechtsprechung einhellig als systemisch mangelhaft beurteilten Lage in Griechenland, beschränken sich die Probleme in Italien im Wesentlichen auf die materielle Versorgung von Flüchtlingen, wobei jedoch sonst von einem im Großen und Ganzen funktionierenden Asylwesen auszugehen ist.

 

Mit Erkenntnis vom 16.01.2017 - W105 2137119-1/4Z sowie W144 2146395-1/3E vom 09.02.2017 und W192 2142803-1/6E vom 14.03.2017 wurden bereits Entscheidungen betreffend Überstellungen von Familien nach Italien bestätigt.

 

Quellen:

 

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=169826a1-efa7-473d-937d-4c6b4003cb86&Position=1&Abfrage=Gesamtabfrage&SearchInAsylGH=True&SearchInAvn=True&SearchInAvsv=True&SearchInBegut=True&SearchInBgblAlt=True&SearchInBgblAuth=True&SearchInBgblPdf=True&SearchInBks=True&SearchInBundesnormen=True&SearchInDok=True&SearchInDsk=True&SearchInErlaesse=True&SearchInGbk=True&SearchInGemeinderecht=True&SearchInJustiz=True&SearchInBvwg=True&SearchInLvwg=True&SearchInLgbl=True&SearchInLgblNO=True&SearchInLgblAuth=True&SearchInLandesnormen=True&SearchInNormenliste=True&SearchInPvak=True&SearchInRegV=True&SearchInUbas=True&SearchInUmse=True&SearchInUvs=True&SearchInVerg=True&SearchInVfgh=True&SearchInVwgh=True&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=Familie Italien&Dokumentnummer=BVWGT_20170314_W192_2142803_1_00

 

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=40fe5de4-918b-4b93-8026-92d3197b2186&Position=1&Abfrage=Gesamtabfrage&SearchInAsylGH=False&SearchInAvn=False&SearchInAvsv=False&SearchInBegut=False&SearchInBgblAlt=False&SearchInBgblAuth=False&SearchInBgblPdf=False&SearchInBks=False&SearchInBundesnormen=False&SearchInDok=False&SearchInDsk=False&SearchInErlaesse=False&SearchInGbk=False&SearchInGemeinderecht=False&SearchInJustiz=False&SearchInBvwg=False&SearchInLvwg=False&SearchInLgbl=False&SearchInLgblNO=False&SearchInLgblAuth=False&SearchInLandesnormen=False&SearchInNormenliste=False&SearchInPvak=False&SearchInRegV=False&SearchInUbas=False&SearchInUmse=False&SearchInUvs=False&SearchInVerg=False&SearchInVfgh=False&SearchInVwgh=False&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=W105 2137119-1/4Z&Dokumentnummer=BVWGT_20170116_W105_2137125_1_00

 

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=c1628e17-a1e4-43cd-8421-5a327c951997&Position=1&Abfrage=Gesamtabfrage&SearchInAsylGH=False&SearchInAvn=False&SearchInAvsv=False&SearchInBegut=False&SearchInBgblAlt=False&SearchInBgblAuth=False&SearchInBgblPdf=False&SearchInBks=False&SearchInBundesnormen=False&SearchInDok=False&SearchInDsk=False&SearchInErlaesse=False&SearchInGbk=False&SearchInGemeinderecht=False&SearchInJustiz=False&SearchInBvwg=False&SearchInLvwg=False&SearchInLgbl=False&SearchInLgblNO=False&SearchInLgblAuth=False&SearchInLandesnormen=False&SearchInNormenliste=False&SearchInPvak=False&SearchInRegV=False&SearchInUbas=False&SearchInUmse=False&SearchInUvs=False&SearchInVerg=False&SearchInVfgh=False&SearchInVwgh=False&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=W144 2146395-1/3E&Dokumentnummer=BVWGT_20170209_W144_2146392_1_00

 

Des Weiteren wurde bereits eine Revision Ra 2017/20/0061 mit 23.03.2017 zurückgewiesen.

 

Quelle:

 

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=40fe5de4-918b-4b93-8026-92d3197b2186&Position=1&Abfrage=Gesamtabfrage&SearchInAsylGH=False&SearchInAvn=False&SearchInAvsv=False&SearchInBegut=False&SearchInBgblAlt=False&SearchInBgblAuth=False&SearchInBgblPdf=False&SearchInBks=False&SearchInBundesnormen=False&SearchInDok=False&SearchInDsk=False&SearchInErlaesse=False&SearchInGbk=False&SearchInGemeinderecht=False&SearchInJustiz=False&SearchInBvwg=False&SearchInLvwg=False&SearchInLgbl=False&SearchInLgblNO=False&SearchInLgblAuth=False&SearchInLandesnormen=False&SearchInNormenliste=False&SearchInPvak=False&SearchInRegV=False&SearchInUbas=False&SearchInUmse=False&SearchInUvs=False&SearchInVerg=False&SearchInVfgh=False&SearchInVwgh=False&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=W105 2137119-1/4Z&Dokumentnummer=JWT_2017200061_20170323L00

 

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

 

Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates sind für Italien folgende Richtlinien beachtlich:

 

 

 

 

Gegen Italien hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

 

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand –ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Italien die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Italien im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

 

[ ]

 

.. ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Italien ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Italien als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Italien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Italien nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Italien ergeben.

 

Letztlich ist noch anzumerken, dass im Falle einer Überstellung nach Italien der Gesundheitszustand und auch die Transportfähigkeit von der Fremdenpolizeibehörde beurteilt wird und gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Des Weiteren ist anzumerken, dass nur in außergewöhnlichen Umständen, wie etwa die Gefahr eines qualvollen Todes, eine Verletzung der in der Art. 3 EMRK verankerten Rechte darstellen würde.

 

[ ]

 

Angemerkt sei auch, dass die Asylwerber in Italien keinen Asylantrag gestellt haben und mangels Asylantragstellung traf die italienische Behörde keine Versorgungspflicht. Aber wie in den aktuellen Länderfeststellungen zu Italien sei angemerkt, dass auch für illegale MigrantInnen Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht, besteht. Im Falle einer Überstellung nach Italien besteht auch die Möglichkeit der Asylantragstellung. Im Falle einer Überstellung nach Italien wird angemerkt, dass der Gesundheitszustand und auch die Transportfähigkeit von der Fremdenpolizeibehörde beurteilt wird und gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Des Weiteren ist anzumerken, dass nur in außergewöhnlichen Umständen, wie etwa die Gefahr eines qualvollen Todes, eine Verletzung der in der Art. 3 EMRK verankerten Rechte darstellen würde."

 

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das BFA in den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO formell erfüllt (und sohin Italien für die Prüfung der Anträge zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung der BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Der im Spruch genannte Staat sei bereit, die BF einreisen zu lassen und ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen. Es sei festzustellen, dass in Italien, einem Mitgliedstaat der EU mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. In Italien seien sowohl die Grundversorgung für Asylwerber als auch eine familiengerechte Unterbringung gewährleistet. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG konnte nicht erschüttert werden und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Weiters lägen keine humanitären Gründe gem. Art. 16 und 17 Abs. 2 leg.cit. vor. Die gemeinsame Ausweisung der BF stelle mangels weiterer ausreichend enger familiärer Anknüpfungspunkte (zu den im Bundesgebiet befindlichen Verwandten bestehe weder eine Abhängigkeit noch liege ein gemeinsamer Haushalt mit diesen vor) in Österreich und aufgrund ihrer kurzen Aufenthaltsdauer von rund 4 Monaten im Bundesgebiet keine Verletzung von Art. 8 EMRK dar.

 

Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene gemeinsame Beschwerde der BF, in welcher im Wesentlichen gerügt wurde, dass das BFA in den angefochtenen Bescheiden auf die Mängel in der Betreuung von Asylwerbern im italienischen Asylverfahren nicht in konkreter Weise eingehe. In der Beweiswürdigung fänden sich ausschließlich generelle Überlegungen zur Lage von Asylwerbern in Italien, bezüglich den konkreten Befürchtungen der BF im Hinblick auf eine Rückkehr nach Italien sei die Einvernahme auffallend kurz und uninteressiert gewesen und könne ein allgemeiner Verweis auf Länderberichte keine individuellen Ermittlungen der Behörde ersetzen. Schließlich würden die Länderberichte auch kein so positives Bild zeichnen, wie dies in der Beweiswürdigung darzustellen versucht worden sei. Die BF seien vulnerabel, die Chance auf einen Unterbringungsplatz betrage höchstens 50 % und wurde diesbezüglich auf die Entscheidung des EGMR Tarakhel gegen die Schweiz verwiesen, wonach gewährleistet sein müsse, dass die BF im Falle einer Rücküberstellungen eine adäquate Versorgung erhalten müssten.

 

Unter einem wurde ein Befundbericht vom 05.09.2017 betreffend den 1.-BF vorgelegt, wonach dieser an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome leide und sich in einer medikamentösen Einstellungsphase befinde. Der BF klage über innerliche Unruhe, Schlafstörungen, Albträume, Antriebs- und Interessenslosigkeit, Kopfschmerzen und sei seine Stimmung schwer depressiv. Psychotherapie in seiner Muttersprache Verlaufskontrolle seien anempfohlen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Festgestellt werden zunächst der dargelegte Verfahrensgang sowie der ebenfalls oben dargestellte Reiseweg der BF.

 

Besondere, in den Personen der Antragsteller gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Lage im Mitgliedstaat an.

 

Tödliche bzw. akut lebensbedrohliche Erkrankungen haben die BF keine geltend gemacht. Der 1.-BF leidet an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, wogegen er medikamentös eingestellt wird. Bezüglich der 2.- bis 4.-BF ist keine konkrete gesundheitliche Beeinträchtigung ersichtlich.

 

Die BF haben abgesehen von der Beziehung untereinander familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet durch die als Flüchtling anerkannte Schwester des 1.-BF. Zu dieser besteht jedoch weder ein (wechselseitiges) Abhängigkeitsverhältnis, noch liegt ein gemeinsamer Haushalt der BF mit dieser Verwandten vor.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum Reiseweg stützen sich auf den Akt des BFA und das darin befindliche Vorbringen der 1.- und 2.-BF.

 

Die Feststellungen zur gesundheitlichen und familiären Situation der BF ergeben sich ebenfalls aus ihrem Vorbringen und den vorgelegten medizinischen Unterlagen betreffend den 1.-BF. Für den mj. 4.-BF wurde zwar ein Gespräch mit einem Psychologen in Aussicht gestellt, jedoch wurde in der Folge nicht vorgebracht, dass sich diesbezüglich bei ihm ein Krankheitsbild ergeben hätte, es wurden diesbezüglich auch keine Unterlagen vorgelegt. Akut lebensbedrohliche Erkrankungen wurden von den BF zu keinem Zeitpunkt vorgebracht.

 

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in den angefochtenen Bescheiden neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur italienischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen, wobei auch die kritische Berichtslage (konkret etwa UNHCR, AI, Schweizerische Flüchtlingshilfe, etc.) berücksichtigt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich sohin den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung betreffend die Lage in Italien an.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

 

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

 

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

 

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

 

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

 

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

 

2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

 

"KAPITEL II

 

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

 

Art. 3

 

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

 

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

 

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

 

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

 

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

 

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

 

KAPITEL III

 

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

 

Art. 7

 

Rangfolge der Kriterien

 

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

 

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

 

Art. 8

 

Minderjährige

 

(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener — der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist — oder sich eines seiner Geschwister aufhält.

 

(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

 

(3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt,

 

was dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dient.

 

(4) Bei Abwesenheit eines Familienangehörigen eines seiner Geschwisters oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2, ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

 

(5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Ermittlung von Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten eines unbegleiteten Minderjährigen; die Kriterien für die Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung; die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit eines Verwandten, für den unbegleiteten Minderjährigen zu sorgen, einschließlich der Fälle, in denen sich die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandten des unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat aufhalten, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommission nicht über den in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Umfang des Wohls des Kindes hinaus.

 

(6) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

 

Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Art. 9

 

Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind

 

Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen — ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat —, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

 

Art. 10

 

Familienangehörige, die internationalen Schutz beantragt haben

 

Hat ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

 

Artikel 11

 

Familienverfahren

 

Stellen mehrere Familienangehörige und/oder unverheiratete minderjährige Geschwister in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Antrag auf internationalen Schutz, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Folgendes:

 

a) zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger und/oder unverheirateter minderjähriger Geschwister ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist;

 

b) andernfalls ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten von ihnen gestellten Antrags zuständig ist.

 

Art. 12

 

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

 

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

 

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

 

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

 

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

 

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

 

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

 

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

 

Art. 13

 

Einreise und/oder Aufenthalt

 

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

 

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

KAPITEL IV

 

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

 

Artikel 16

 

Abhängige Personen

 

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des

 

Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

 

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines

 

seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

 

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

 

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

 

Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Art. 17

 

Ermessensklauseln

 

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

 

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

 

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

 

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

 

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

 

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

 

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

 

KAPITEL V

 

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

 

Artikel 18

 

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

 

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

 

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

 

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

 

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

 

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

 

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

 

KAPITEL VI

 

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

 

Art. 20

 

Einleitung des Verfahrens

 

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

 

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

 

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

 

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

 

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

 

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen

 

Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

 

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

 

Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

 

Art. 21

 

Aufnahmegesuch

 

(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

 

Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.

 

(2) Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, nachdem die Einreise oder der Verbleib verweigert wurde, der Betreffende wegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde, eine dringende Antwort anfordern. In dem Gesuch werden die Gründe genannt, die eine dringende Antwort rechtfertigen, und es wird angegeben, innerhalb welcher Frist eine Antwort erwartet wird. Diese Frist beträgt mindestens eine Woche.

 

(3) In den Fällen im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 ist für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist. Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Aufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Art. 22

 

Antwort auf ein Aufnahmegesuch

 

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

 

(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.

 

(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

a) Beweismittel:

 

i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;

 

ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;

 

b) Indizien:

 

i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;

 

ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.

 

(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.

 

(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.

 

(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.

 

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

 

Art. 42:

 

Berechnung der Fristen

 

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

 

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei der Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

 

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

 

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten."

 

Zu A)

 

1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):

 

In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung der Asylanträge der BF aufgrund ihrer Einreise von Libyen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf dem Seeweg nach Italien etwa im April 2017 jedenfalls in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.

 

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und 17 Abs. 2 (humanitäre Klausel) Dublin III-VO ergibt sich letztlich keine österreichische Zuständigkeit zur Prüfung der Anträge der BF:

 

Im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 leg.cit. und den dort normierten Tatbeständen kann schon nicht erkannt werden, dass bei den BF eine Hilfsbedürftigkeit bzw. eine gesundheitliche Beeinträchtigung iSd Bestimmung vorliegen würde, wegen der sie auf Verwandte im Bundesgebiet "angewiesen" wären.

 

Im Hinblick auf Art. 17 Abs. 2 leg.cit. liegt schon kein entsprechendes Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates vor und wäre zudem auszuführen, dass nicht verkannt wird, dass für die BF eine Unterstützung durch die Schwester des 1.-BF vorteilhaft wäre, doch bewegt sich das BFA, wenn es in casu etwa angesichts des Umstandes, dass die BF weder von dieser Person abhängig sind, noch in einem gemeinsamen Haushalt leben, keine ausreichenden humanitären Gründe im Sinne der genannten Bestimmungen für gegeben erachtet hat, innerhalb des ihm eingeräumten Ermessensspielraumes, sodass das BVwG diese Entscheidung bzw. Ermessensausübung nicht zu beanstanden hat.

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

 

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

 

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, 96/21/0499; 09.05.2003, 98/18/0317; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist" (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0025; 25.04.2006, 2006/19/0673), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

 

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

 

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15 , Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [ ] geltend machen kann.

 

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15 , Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

 

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und – ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland – ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

 

Somit ist zum einen unionsrechtlich (im Hinblick auf die Urteile des EuGH vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich, sowie jeweils vom 07.06.2016, C-63/15 , Gezelbash, und C-155/15 , Karim) zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die BF im Falle der Zurückweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Italien gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Die angefochtene Bescheide enthalten – wie oben ausgeführt – ausführliche Feststellungen zum italienischen Asylwesen. Diese Feststellungen basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt. Die belangte Behörde behandelt in ihrem Bescheid etwa Rechtschutz- und Beschwerdemöglichkeiten gegen Entscheidungen der ersten Instanz, die Situation von sogenannten "Dublin-Rückkehrern", das Non-Refoulmentgebot sowie die Versorgung, einschließlich der medizinischen Versorgung, und Unterbringung von Asylwerbern in Italien.

 

Schon vor dem Hintergrund der zitierten erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Italien rücküberstellt werden, aufgrund der italienischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.

 

Zum allgemeinen Beschwerdevorbringen, dass Asylwerber in Italien mit systemischen Mängeln in der Versorgung im Asylsystem konfrontiert seien, hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt, etwa in seinem Erkenntnis vom 23.1.2015, Zl. 2017345, Folgendes ausgeführt:

 

"Vorausgeschickt wird, dass das Bundesverwaltungsgericht zum heutigen Datum auch in Kenntnis der aktuellen Berichtslage (weiterhin) nicht davon ausgeht, dass Überstellungen nach Italien allgemein die EMRK oder GRC verletzen (siehe dazu die Entscheidungen des EGMR vom 02.04.2013, Rs 27725/10 Mohammed Hussein/Niederlande und Italien; vom 18.06.2013, Rs 73874/11 Abubeker/Österreich und Italien; vom 18.06.2013, Rs 53852/11 Halimi/Österreich und Italien; vom 04.11.2014, Rs 29217/12 Tarakhel/Schweiz; den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 11.02.2014 zu 5 L 95/14.TR und neueren Datums auch VG Wiesbaden, 16.04.2014, 5 L 465/14 mit Verweisen auf aktuelle obergerichtliche deutsche Verwaltungsrechtsprechung, sowie das Schweizer Bundesverwaltungsgericht, 15.05.2014, E-1969/2014).

 

Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgeführt hat, bestehen im italienischen Asylwesen derzeit Probleme mit der flächendeckenden, lückenlosen materiellen Versorgung von Asylwerber_innen, insbesondere mit Unterkunftsplätzen. Zu einer solchen Versorgung sind die Mitgliedstaaten aufgrund der AufnahmeRL (Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 bzw. Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013) verpflichtet. Allein aufgrund der Tatsache, dass Italien einzelnen unionsrechtlichen Pflichten nicht nachkommt, kann jedoch nicht automatisch auf eine - vom individuellen Einzelfall losgelöste - Pflicht Österreichs zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin Verordnung geschlossen werden. Vielmehr ist im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH und des EGMR in einem solchen Fall konkret darauf abzustellen, ob die vorhandenen Missstände in Art und Ausmaß derart gestaltet sind, dass sie als systemischer Mangel zu qualifizieren sind.

 

Vergleicht man nun die derzeitige Situation des italienischen Asylwesens mit der vom EGMR im Fall M.S.S/Belgien und Griechenland beurteilten Lage in Griechenland, so ist offensichtlich, dass die Probleme in Italien weder in Art noch in Ausmaß jenen in Griechenland entsprechen. Dort war (bzw. ist) neben der mangelnden materiellen Versorgung von Asylwerber_innen insbesondere auch die Durchführung eines ordentlichen Asylverfahrens selbst nicht gewährleistet, und sind Asylwerber_innen auch häufig völlig unzumutbaren Haftbedingungen ausgesetzt. Letzteres ist im vorliegenden Fall nicht vorgebracht worden, und wurde vom Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich eine konkrete Gefahr auch nicht von Amts wegen festgestellt. Ebenso steht im Falle Italiens die ordnungsgemäße Durchführung von Asylverfahren als solche nicht grundsätzlich in Frage. Im Gegensatz zu der, von der internationalen Rechtsprechung einhellig als systemisch mangelhaft beurteilten, Lage in Griechenland beschränken sich die Probleme in Italien im Wesentlichen auf die materielle Versorgung der Asylwerber_innen, und ist ansonsten jedoch von einem im Großen und Ganzen funktionierenden Asylsystem auszugehen. Die Schwelle des systemischen Mangels ist dabei aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht erreicht.

 

[ ]"

 

Im kürzlich ergangenen EGMR-Urteil vom 04.11.2014 in der Sache Tarakhel/Schweiz, 29217/12, wiederholte der Gerichtshof, dass die derzeitige allgemeine Situation von Asylsuchenden in Italien keineswegs mit jener in Griechenland, wie sie im Fall M.S.S./Belgien und Griechenland festgestellt wurde, zu vergleichen ist. Des Weiteren obliege es dem Aufenthaltsstaat, vor Überstellung der im Verfahren betroffenen Asylwerber eine Zusicherung für dessen Aufnahme und Unterbringung von Italien zu erhalten.

 

Im Ergebnis erforderte Tarakhel/Schweiz eine entsprechende Einzelfallprüfung sowie die Zusicherung einer adäquaten Unterbringung im Falle einer geplanten Überstellung von besonders vulnerablen Personen und Personengruppen, wie etwa von einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern. Mittlerweile ist das in Rede stehende Erkenntnis des EGMR vom November 2014 jedoch insofern als überholt anzusehen, als zum einen Italien zwischenzeitlich auf diese Judikatur des EGMR reagiert und die Betreuungsplätze für Familien ausgebaut hat, und zum anderen durch entsprechende Korrespondenz im Überstellungsmodus im Einzelfall gesichert ist, dass das BFA vor der Überstellung einer Familie im Falle mangelnder Verfügbarkeit von adäquater Unterbringung rechtzeitig informiert wird:

 

Die Behörde legte diesbezüglich ausführlich und nachvollziehbar dar, dass nunmehr in Befolgung dieser Rechtsprechung des EGMR bei der Überstellung von Familien (oder alleinerziehenden Elternteilen) mit minderjährigen Kindern nach Italien spezifische Maßnahmen getroffen werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kündigt demnach eine Dublin-Überstellung mindestens 15 Tage vor dem geplanten Überstellungstermin den italienischen Behörden via DubliNet an. Sollte kein SPRAR-Unterbringungsplatz zur Verfügung stehen, teilen die italienischen Behörden dies dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor der Überstellung mit. Bei der Übernahme der Familie mit den minderjährigen Kindern durch die italienischen Behörden ist der österreichische Verbindungsbeamte des Bundesministeriums für Inneres in Italien am vereinbarten Überstellungsort anwesend, wodurch sichergestellt werden soll, dass die Verbringung der Familie in den zugesicherten Unterbringungsplatz erfolgt. Zudem garantierte das italienische Innenministerium inzwischen in mehreren Schreiben, dass alle Familien mit Minderjährigen, welche gemäß den Vereinbarungen der Dublin III-VO nach Italien überstellt werden, zusammenbleiben und in einer für den Empfang von Familien und ihren Kindern angepassten Einrichtung untergebracht werden. Durch das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dargelegte Verfahren unmittelbar vor der Überstellung wird daher eine gesetzeskonforme und adäquate Versorgung und Unterbringung der Beschwerdeführer in Italien sichergestellt. Da sich zwischenzeitig das Prozedere im Rahmen der Überstellung sowie die Aufnahmemodalitäten in Italien, verglichen mit der Situation zur Zeit des Urteiles des EGMR vom 04.11.2014 im Fall Tarakhel, grundlegend verbessert haben, bestehen nunmehr in diesem Zusammenhang keine Befürchtungen mehr hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Folterverbotes (vgl. VfGH 30.06.2016, E 449/2016). Die Einholung einer individuellen Zusicherung der Unterbringung und Versorgung seitens Italiens war daher nicht erforderlich (siehe an dieser Stelle aber auch die Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Jihana Ali, 30474/14, vom Oktober 2016).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Entscheidung vom 23.06.2016, Ra 2016/20/0051 bis 0052-7 das Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2016 bestätigt, bei dem es sich um die Überstellung einer Mutter mit einem Kleinkind nach Italien handelte. Der Verwaltungsgerichtshof konnte nicht erkennen, dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die im Falle der Überstellung der Revisionswerber nach Italien zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würden, unzutreffend wäre. Diese Auffassung gründete im Wesentlichen auf den entsprechenden Länderberichten zur Versorgungslage in Italien, der Zustimmung Italiens zur Wiederaufnahme der Revisionswerber sowie der schriftlichen Garantie, alle Familien mit minderjährigen Kindern gemeinsam in einer familiengerechten und dem Alter der Kinder entsprechenden Unterkunft unterzubringen. Nachdem in der soeben erläuterten Entscheidung die Überstellung einer Mutter mit einem im Dezember 2015 geborenen gesunden Kleinkind vom Verwaltungsgerichtshof als zulässig erachtet wurde, muss dies auch für die Beschwerdeführer gelten, da im gegenständlichen Fall beide Elternteile zur Versorgung der Kinder beitragen können und in den Länderfeststellungen auf die im Zuge des Tarakhel-Urteils geschaffenen SPRAR-Projekte ausreichend Bezug genommen wird.

 

Insofern in der Beschwerde moniert wird, dass keine Einzelfallzusicherung von den italienischen Behörden eingeholt worden sei, sind diesem Vorbringen somit obige Erwägungen zu den aktuellen Überstellungsmodalitäten entgegenzuhalten, die dem (aus dem Jahr 2011 stammenden) Anlassfall Tarakhel eben gerade nicht zugrunde gelegen sind. Zuletzt hat der EGMR in der Sache Jihana Ali/Schweiz, 30474/14 vom 04.10.2016, ausgesprochen, die Beschwerdeführer (Mutter und minderjähriges Kind) hätten nicht aufzeigen können, inwieweit eine Rückweisung sie einer reellen und genügend schweren Gefahr ausgesetzt hätte, Opfer unmenschlicher oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu werden. Es gebe kein Grund anzuzweifeln, dass die italienischen Behörden über genügend Ressourcen und die Fähigkeit verfügten, eine Mutter und ihr minderjähriges Kind zu versorgen bzw. in angemessener Weise auf allfällige Schwierigkeiten zu reagieren. Aus den Feststellungen ist überdies ersichtlich, dass die italienischen Behörden auf den verstärkten Zugang von Asylwerbern seit 2014 mit einer deutlichen Erhöhung der Unterbringungskapazitäten reagiert haben.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der italienische Staat Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern und Personen mit Aufenthaltstiteln hat. Es kann allerdings nicht von solchen Mängeln im italienischen Asylsystem gesprochen werden, welche eine Überstellung der Beschwerdeführer jedenfalls unzulässig erscheinen lassen würden. Im Gegensatz zu der von der internationalen Rechtsprechung einhellig als systemisch mangelhaft beurteilten Lage in Griechenland, beschränken sich die Probleme in Italien im Wesentlichen auf die materielle Versorgung von Flüchtlingen, wobei jedoch sonst von einem im Großen und Ganzen funktionierenden Asylwesen auszugehen ist. Aus Umständen des Voraufenthalts der BF in Italien lassen sich ebenfalls keine Hinweise auf Mängel des italienischen Betreuungssystems für Asylwerber ableiten, da die Beschwerdeführer in Italien keine Asylanträge gestellt hatten.

 

Jedenfalls hätten die BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim EGMR, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

 

Derartig gravierende aktuelle gesundheitliche Probleme, die den hohen Eingriffsschwellenwert des Art. 3 EMRK erreichen könnten und zudem in Italien nicht behandelbar wären, haben die BF keine geltend gemacht. Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes "real risk", weshalb eine – nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR – maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte der BF gemäß Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann.

 

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK wird, um doppelte Ausführungen zu vermeiden, auf nachstehende, unter Punkt 2. ausgeführte, Erwägungen, wonach kein schützenswertes Privat- oder Familienleben des BF erkannt werden kann, verwiesen.

 

Das BFA hat daher zu Recht keinen Gebrauch vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO gemacht. Spruchpunkt I. der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und einer möglichen Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG (iVm § 61 Abs. 1 FPG) ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Die BF verfügen im Bundesgebiet, abgesehen von ihrer Beziehung untereinander über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte durch die Schwester des 1.-BF. Wie im Verfahren zu Tage getreten ist, liegen jedoch keine wechselseitigen Abhängigkeiten vor und besteht auch kein gemeinsamer Haushalt. Angesichts obgenannter Abwägungskriterien zur Beurteilung, ob ein Familienleben zwischen erwachsenen Personen vorliegt, ergibt sich daraus, dass in casu keine Bindungen, die über die üblichen Beziehungen unter erwachsenen Verwandten hinausgehen zwischen den BF und der Schwester des 1.-BF vorliegen, sodass ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK in den vorliegenden Fällen der BF mit der Schwester des 1.-BF nicht erkannt werden kann. Dies bedeutet folglich, dass die gemeinsame Außerlandesbringung der BF nicht in ihr Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK eingreift.

 

Der durch die normierte Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:

 

Der nunmehriger Aufenthalt der BF in Österreich in der Dauer von etwa 4 ¿ Monaten war nur ein vorläufig berechtigter. Zudem ist dieser Aufenthalt, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, als kein ausreichend langer Zeitraum zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist erkennbar, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt etwa für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124). Die Antragsteller mussten sich weiters ihrer unsicheren Aufenthaltsstati bewusst sein. Sonstige nennenswerte Integrationsaspekte liegen demgegenüber nicht vor, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben der BF zulässig ist. Die Verwaltungsbehörde hat daher eine korrekte Interessensabwägung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen.

 

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die Entscheidung liegt allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche bereits durch umfassende und im Detail bzw. in der fachlichen Substanz unwidersprochen gebliebene Feststellungen festgehalten wurde und demgemäß in einer Tatbestandsfrage.

 

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf umfangreiche Judikatur des EGMR sowie auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchteilen des angefochtenen Bescheids wiedergegeben.

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